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Dresdner Journal : 09.07.1887
- Erscheinungsdatum
- 1887-07-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188707092
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18870709
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18870709
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1887
-
Monat
1887-07
- Tag 1887-07-09
-
Monat
1887-07
-
Jahr
1887
- Titel
- Dresdner Journal : 09.07.1887
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1887 Sonnabend, den 9. Juli, abends. W156 I« t»vt»Lk«s : H»ric. ^^LNrUeN: 1 KO kk. Lu»»elv« kiuouovrv: 1v kf. Lu»i«rIuUd ä«, ävvtvclisv kvielrs« tritt?oit- und 8t«wp«I»a,edI»8 l»in»u. Xnllllodlxunx»x«dtlkr«o: ?tlr den k»iuu einer sespultensn 2«ilg Usinsr Lotiritt SO kk. Ontor „kin^ssundt" di« AsUe bü kk. Lei 1'udoUsn- und 2iü«rn»»tr vntvpr. ^uttoüln^ Lrvel»«ln«n: DRDftioü mit Fuinutuus der 8onn- und keiertt^« »dsnd«. kernsprsol»-^nietiiu»: Ur. 1SSL. DresdnerIonmal. Für die Gesamtleitung verantwortlich r Dito Banck, Professor der titteratur« und Kunstgeschichte. eo» L»UU»4lU«U»» «rnLrt,, n Ooinint«ion»r äs, I>r»»dn«r ^ourn»1»i Nmd«rU - L«rUn -Vl« - >«^l->r,,l»»-rr»L^rt ». «.: <- S«rU»-Vt«n-L»»dur, ?r«U - - «r»nUvrt «. N.-Han«t»«n: Lko««,' r«rt, Lvnton - L«rU» - «rnntttvrt ». M. - »tutlGnrl: F 60.7 8«rUn: Z»vakd«danL,' 0vrUt>- t/. LtUUeri ^ac-l/oia«',- L»»Lor«! 6 Lo^ü«1«r,' L»U, ». ».: /. Larct <- 60. tl«r»n»x»der r Tvnisl. 8»p«dition äs, Drvsdnsr dourn»!», vr«d«n, LMii»8«Wtr. S0. ksrniprsoti-^niollu«: l^r. ISSb tlilbtamtlichtr Teil. Telegraphische Wachrichterr. Emö, 9. Juli. (Tel. d. Dresdn Journ.) Ler Kaiser stattete gestern nachmittag mehrere Besuche ab, machte nach dem Essen eine Spazierfahrt und erschien später im Theater. Heute machte der Kaiser nach der Kur eine Promenade, dann er folgte eine Spazierfahrt. An dem Diner nimmt Prinz Nikolaus von Nassau teil. Pari», 8. Juli, abends. (W. T. B.) Gestern abeud zog eine größere Anzahl junger Leute auf die Boulevards und an den Place de la bourse mit den Rufen: „ES lebe Boulanger!" Die Po lizei nahm mehrere Verhaftungen vor. Heute abend um 8 Uhr ist General Boulanger nach Clermont- Ferrand abgereist. Lor dem Hotel du Louvre, von welchem sich Boulanger um 7^ Uhr zu Wagen nach dem Bahnhofe begab, hatte sich eine größere Menschenmenge angrsammelt, welche ihn mit Hoch- rufen empfing und mit Zurufen bis zum Bahnhofe begleitete. Auf dem Bahnhofe hatten sich die De putierten Laiffant und Laguerre zur Begrüßung Boulangers eingefunden. Lon der Polizei wurde der Kundgebung kein Hindernis bereitet. Rom, 8. Juli, abendS. (W. T B.) Der Senat nahm heute den afrikanischen Kredit in geheimer Abstimmung mit 79 gegen 12 Stimmen an. London, Freitag 8. Juli abendS. (W. T. B.) DaS Unterhaus nahm nach zweitägiger Debatte die irische StrafrechtSbill in dritter Lesung mit 349 gegen 262 Stimmen an. In North Paddington ist an Stelle deS ver storbenen Deputirten Cohen der Kandidat der Konservativen, Arid, mit einer Mehrheit von 418 Stimmen gegen den Kandidaten der liberalen Gladstonianer, Routhlebge, zum Deputirten ge wählt worden. Dresden, 9. Juli. Der Landesverratsprozeß vor dem Reichs gericht. Die am 4. d. Mts. vor dem Reichsgericht in Leipzig begonnene Gerichtsverhandlung wider den des Landes verrats angeklagten Handlungsreisenden Klein und dessen Genossen Fabrikant Grebert ist durch das gestern verkündigte Urteil »um Abschluß gelangt. Klar liegt das Handeln der Verurteilten vor uns. Sie haben mehr als sieben Jahre lang Frankreich Kundschafter« dienste geleistet und sind für ihre Thätigkeit mit fran zösischem Gelbe gelohnt worden, Klein bezog sogar einen regelmäßigen Monatsgehalt von 200 M. Die Mitteilungen, welche die Angeklagten der französischen Regierung — denn an diese gelangten ihre sämtlichen Angaben — zukommen ließen, bezogen sich hauptsäch lich auf die beiden wichtigen deutschen Festungen Mainz und Straßburg, auf die Einrichtung der Forts, die Sturmgeräte, die Lage der unterirdischen Ver bindungskabel zwischen Festung und Forts, elektrische Erleuchtung, Verproviantierung u. s. w. Und leider waren es nicht etwa unwichtige Nachrichten, welche die Verräter nach Frankreich berichteten. So heißt es in einem während des Prozesses zum Vortrag ge langten, im Königl. preußischen Kriegsministerium aus gearbeiteten Gutachten: „Die von Klein an die französische Regierung gemachten Mitteilungen verraten eine große Sachkenntnis. Es ist zweifel los, daß die meisten der von Klein der französischen Regierung gemachten Mitteilungen zum Wohle des deutschen Reiches einer fremden Regierung gegenüber geheim bleiben mußten. Die Detail- über die Festungen Mainz und Straßburg geben ein derartiges Bild, daß es einem Feinde möglich war, danach seinen Feldzugsplan einzurichten und den Fall der Festungen zu be schleunigen. Einige Mitteilungen über die Kasernenbauten in Hagenau u. f. w. sind nicht als geheim zu bezeichnen. Die Sturmgeräte aber waren jedenfalls streng geheim zu halten. Selbst wenn eS wahr sein sollte, daß die französische Regierung die Sturmgeräte bereits gekannt habe, so waren dieselben den noch streng geheim zu halten." Hiernach kann es nicht zweifelhaft fein, daß durch das gestern gefällte Urteil des Leipziger Gericht- in der That zwei für unser Vaterland höchst gefährliche Menschen einstweilen unschädlich gemacht worden sind. DaS Gefühl der Befriedigung, über die gerechte, den ehrlosen käuflichen Verrätern zu teilgewordene Strafe darf auch nicht durch die Empfindung getrübt werden, daß die Verhandlungen sich nicht auf alle Schuldigen erstrecken konnten. Denn wenn auch die französische Regierung, die Anstifterin und Unter« ftützerin der Verurteilten natürlich vor den Schranken des deutfchen Reichsgerichts fehlte, vor dem Gerichts« Hof der öffentlichen Meinung Europas hat sie dennoch gestanden und das Verdikt, welches diese fällen wird, ist ganz gewiß kein freifprechendes. In der That, eS ist ein eigenartiges Bild, wenn man sieht, wie eine Regierung, welche sich eben anschickt, ein lächerliches, seine Spitze gegen Deutschland richtendes Gesetz gegen die deutschen Spione wie man in Frankreich die ge plante Gesetzgebung gegen die „Fremden" zu bezeich nen pflegt, zu erlassen, durch ihre Beamten, die Schnebele, Grebert und Konsorten, deutsche Unter- thanen gegen Versprechung erheblicher materieller Vorteile anwerben und sich jede Maßnahme der deutschen Militärbehörden in den Grenz ländern, jede daselbst vorgenommene Veränderung haarklein berichten läßt. Und während die Liste der im französischen Solde stehenden in Deutsch land zur Verantwortung gezogenen Spione beinahe ununterbrochen sich vergrößert, wartet jenes „verfolgte, ausgekundschaftete" Frankreich noch immer fehnlichst auf den ersten deutschen Spion, dem nur das geringste nachgewiesen werden könnte. Man sieht, der beendete Prozeß hat eine sehr ernste Seite, denn wenn irgend etwas geeignet sein muß, Deutschland die Frage nahezulegen, wieweit die Grenze seines Langmutes eigentlich hinaus zuschieben sei, so sind eS die Enthüllungen der jüngsten Verhandlungen, und wenn man jenes von Frankreich beliebten Spiele- mit dem Feuer in Deutschland eines TageS überdrüssig sein würde, würde dies niemanden Wunder nehmen können. Vor der Hand aber ergiebt sich für Deutschland die Notwendigkeit, mit aller Energie wenigstens gegen die von Frankreich Angestifteten selbst vorzugehen. „Uns scheint" — so schreiben in, wie uns scheint, treffender Weise die „Hamb. Nachr." — „daß die Reichsregierung infolge der sich häufenden gravieren den Vorgänge auf dem Gebiete des Landesverrates in die Notwendigkeit versetzt ist, der Spionage in dem westlichen Grenzgebiete, die sich gleichsam zu einem patriotischen Sport vieler Ganz- und Halb-Franzosen ausgebildet hat, aufs Schärfste entgegenzutreten. Be sondere, mit ausreichenden Mitteln ausgestattete und unabhängig von den lokalen Polizeibehörden fungierende Überwachungsorgane dürften, wie bereits früher von uns hervorgehoben wurde, diesem Zwecke besser und prompter entsprechen als Spezialgesetze. Es kommt, hinzu, daß unzweifelhaft durch die feitherige milde Praxis gegenüber den planmäßigen landesverräterischen Unternehmungen in den Reichslanden das Spionieren dort ungemein erleichtert worden ist. Auch könnte man die Behauptung aufstellen, daß durch den korrumpierenden Einfluß der von französischer Seite aus durch Jahre hindurch gewerbmäßig betriebenen deutsch-feindlichen Agitation in den Reichslanden vielen Elsaß-Lothringern vollständig das Gefühl dafür abhanden gekommen ist, daß sie sich durch ihr Eingehen auf die Wünsche und Ziele der Pariser Spionage eines Verbrechen- schuldig machen. Diese- Bewußtsein aber muß unter allen Umständen in der reichsländischen Bevölkerung zum Durchbruch gebracht werden und dazu wird in erster Linie da- strengste strafrechtliche Vorgehen gegen die Landesverräter erforderlich. Wenn irgendwo, fo scheint uns hier die Abschreckung sehr wohl am Platze zu sein." Tagesgeschichte. Dresden, 9. Juli. Nach eingegangenen Nachrich ten sind Se. Majestät der König gestern früh in London wieder eingetroffen, wohnen heute der Revue in Aldershot bei und beabsichtigen morgen mittag London zu verlassen und die Rückreise über Ostende nach Brüssel anzutreten. * Berlin» 8. Juli. DaS Befinden Sr. Majestät des Kaiser- ist, wie aus Ems gemeldet wird, ganz vorzüglich. Über die Dauer des dortigen Aufent halte» Sr. Majestät sind keinerlei definitive Entschlüsse bis jetzt getroffen worden und deshalb alle darauf bezüglichen Nachrichten durchaus verfrüht oder irrig. Dat Regierungsorgan deS Herzogtums Coburg, die „Coburger Ztg." brachte am 7. d MtS., also vor der Wahlhandlung der Sobranje folgende offiziöse Notiz: Überall in den Zeitungen taucht jetzt wieder die Nachricht von der bevorstehenden Wahl des Prinzen Ferdinand von Co burg zum Fürsten von Bulgarien aus. Wahr daran ist nur, daß die bulgarische SelbständigkeitS- partei alle- ausbietet, den Prinzen in ihre verworrenen Ver hältnisse hrueiuzuziehen und ihn dadurch zu kompromittieren. Dem gegenüber muß daraus hingewiesen werden, daß ein deutscher Prinz, wie eS Prinz Ferdinand von Coburg unzweifel haft ist, ohne die Erlaubnis des Chefs seines Hauses und eben so ohne die Einwilligung des Deutschen Kaisers, selbst wenn eine Krone ihm angeboten wüdc, sie nicht annehmen darf. So lange diese Erlaubnis und diese Einwilligung nicht er teilt sind, schweben die Gerüchte in der Lust. Ganz zu schwei gen von der im vorliegenden bulgarischen Falle erforderlichen Zustimmung der sämtlichen Großmächte. Wie wenig Deutschland darauf rechnen kann, einem objektiven Urteil bei der französischen Presse zu be gegnen, wie sehr vielmehr die letztere sich bestrebt zeigt, ihrem eigenen Lesepublikum die Wahrheit vor- zunUhalten, zeigt sich wiederum in ganz unwiderleg licher Weise an der Berichterstattung des Journal „Paris" üoer den vor dem Reichsgericht in Leipzig verhandelten Prozeß Klein und Genossen. Dieses Blatt geht nämlich in seinem fanatischen Eifer soweit, daß es den Hauptangeklagten Klein, dessen Aussagen ja allerdings auch für das Verhalten Frankreichs im höchsten Grade beschämende sind, ohne Umschweife als einen von der deutschen Reichsregierung zu dem Zweck besoldeten Agenten charakterisiert, um Frankreich Verlegenheiten zu bereiten und es in der Öffentlich keit ins Unrecht zu setzen. Und das wird demselben Klein nachgesagt, der für den, wenn auch bescheidenen Lohn von 200 FrcS. monatlich, der französischen Re gierung Spiondienste leistete, der vor den Schranken des Gerichts sich laut seiner patriotischen Sympathien für Frankreich rühmte! Man kann der französischen Urteilslosigkeit und Leichtgläubigkeit mancherlei zu gute halten und doch gestehen, daß diese Leistung des „Paris" vieles bisher dagewesene in den Schatten stellt. Es fehlte jetzt wirklich nur, daß von den Blättern nach Art des Journals „Paris" auch das im französischen Kriegsministerium bestehende bureuu äss renssißnewents, diese stolze Schöpfung Bou langers, als eine vom deutschen Generalstabe ressor- tierende Institution vorgeführt würde, die nur be zwecke, die französischen Militärs an der Nase herum zuführen. Nun vielleicht erleben wir auch das noch! Wie dem „Dzienn. Pozn." aus Strasburg i. W. mitgeteilt wird, sind die 14 deutfchen Familien, welche vor kurzem aus Rußland nach Preußen zurückkehrten, in Bobrowo, einem zur Herrschaft RynSk gehörigen Gute, untergebracht worden, wo sie einstweilen in der Landwirtschaft beschäftigt werden. Es ist ihnen Hoffnung gemacht worden, daß die Par zellierung des Gutes nach der Ernte d. I. eintreten werde und daß sie demnächst ihren Vermögensverhält nissen entsprechende Landflächen würden erwerben können. * Straßburg i. E., 7. Juli. Betreffs der Kan didaturen für die gegen Ende dieses oder Anfang nächsten Monats stattsindende Reichstagswahl in Straßburg ist insofern eine Klärung eingetreten, al ber Besitzer des „Elsasser Journals", Stadttat Fisch bach, Mitglied des Landesausschusses, die Meldung der „Kolmarer Ztg " von seiner Bewerbung um das seit dem Tode Kables vakante Reichstagsmandat entschie den zurückweist. Wahrscheinlich wird — so berichten die Blätter — der Gegner KabläS bei der letzten ReichStagSwahl, Rechtsanwalt Petri, sich auch dieser Mal zur Aufstellung seiner Kandidatur bewegen lassen. Soweit sich die Lage bis jetzt übersehen läßt, würde er diesmal als gewählt aus der Wahlurne hervor gehen, und zwar um so sicherer, wenn die Protestler ihrem bis jetzt gefaßten Entschlusse treu bleiben soll ten, keinen eigenen Kandidaten aufzustelley. ^8^ Wien, 8. Juli. Nach den vielfachen Feier lichkeiten der letzten Tage hat der Kaifer Pola ver- lasfen und sich zum Sommeraufenthalte nach Jfchl begeben. Von dort aus würde auch der Besuch bei Kaiser Wilhelm, wenn dieser nach Gastein kommt, er folgen. Der Kronprinz hat die Bereisung Galiziens vollendet und weilt nunmehr im fernsten Osten des Reichs, wo — eingekeilt zwischen ruthenischen Ele menten, regsames deutsches Leben gedeiht. Czernowitz, die Hauptstadt der Bukowina, ist zum großen Teile deutsch, sie enthält die junge deutsche Franz-JosephS- Universität und andere Anstalten. Der Kronprinz, welcher die Bedeutung de- Deutschtums für Österreich immer richtig erkannt hat, wird gerne dort weilen und die Lebenskraft des Deutschtums aus eigener Wahr nehmung kennen lernen. — Die im Ministerium des Äußern tagende, aus Vertretern beider Regierungen zusammengesetzte Kommission hat sich, dem Gutachten des Ministerrates entsprechend, für die Aufhebung des Pferdeaussuhrverbotes ausgesprochen, welche demnach binnen kurzem zu gewärtigen ist. Doch wird die Ausfuhr nur an bestimmten Grenzpunkten zulässig sein. Dadurch soll eine genaue Kontrolle über die Zahl der ausgeführtcn Pferde ermöglicht werden, damit, wenn diese Zahl in besorgniserregender Weise zu steigen beginnt, das Verbot wieder ausgesprochen werden könne. — Über das große Ereignis des TageS, die gestrige Wahl des Prinzen Ferdinand von Coburg zum Herrscher von Bulgarien, gehen die Meinungen weit auseinander. Zu sagen, ob der Prinz annehmen werde oder nicht, ist zur Stunde kaum möglich. Vor Wochen erklärte er seine Bereit willigkeit im privaten Gespräche; das dürfte seinerseits schwerlich als bindende Versprechung aufgefaßt worden fein. So viel ist gewiß, daß der Prinz dieser Tage in Coburg weilte, um das Haupt der koburgischen Familie, Herzog Ernst, zu befragen. Man behauptet, daß der Familienrat ihm die Annahme der Krone ge stattet habe. Gewiß ist auch, daß der Prinz nicht nach England geht, wie eS in den Blättern behauptet wurde. Die Willensfreiheit des Prinzen ist übrigens dadurch beschränkt, daß er, abgesehen von politischen Erwägungen, als ungarischer Staatsbürger und als Offizier die Erlaubnis des Kaisers von Österreich- Ungarn einholen muß. Wie begreiflich, hat die Wiener Regierung in dieser Frage noch nicht Stellung ge nommen. In wohlunterrichteten Kreisen überwiegt die Anschauung, daß durch die gestrige Wahl nur ein erster Schritt gethan ist und daß die Entwickelung der Dinge eiuen langsamen Verlauf nehmen wird. Feuilleton. Lelia Nubien.*) Bon H Keller-Jordan. (Fortsetzung.) vr. Lassen neigte seine Augen auf die Karte, aber al- er sie wieder erhob, um etwas zu sagen, war der junge Mann bereits verschwunden. „Gregor v. Labinoff, Magister", laß Lassen laut, indem er sich der Dame näherte und ihr die Karte hinhielt. „Ein Ostseeprovinziale, wie es scheint, meine Seele hätte nicht daran gedacht, daß dieser junge Mann schon seine Studien absolviert. Ich habe ihn für einen Primaner gehalten, der nicht erwarten kann, sich gedruckt zu sehen. Schade", setzte er kopfschütteld hinzu, „ich hätte doch diese Jamben einmal eines ge naueren Blickes würdigen sollen." „So geht eS oft im Leben," sagte die Dame mit etwas fremdländischem Accent, der reizend zu dem lieb lichen Gesicht stimmte, welches sie jetzt vor den Blicken vr. Lassens enthüllte, indem sie den Schleier zurück schlug, „sehr oft läßt man sich vom Schein leiten und möchte prüfen, wenn eS zu spät ist." Lassen sah überrascht in ihr Gesicht. Er war es offenbar nicht gewohnt, daß sie, hier an diesem Platz wenigstens, so selbständige Bemerkungen machte. Sie erschrak auch wohl selbst darüber, denn sie «ahm hastig die Papierrolle, welche sie auf den Tisch gelegt hatte und entfaltete eine Anzahl Bogen, die Nacho rillt verboten. mit einer zierlichen Schrift, in lateinischen Lettern, ge füllt waren. „Heute muß auch ich Ihre Geduld in Anfpruch nehmen, Herr Doktor, und ich bedaure es von Herzen, nachdem ich soeben Zeugin des Gesprächs gewesen, welches Sie mit dem jungen Mann geführt. Ich habe nämlich neben dem ÜberfetzungSbogen auch eine eigene Arbeit, um deren Durchsicht ich Sie bitten wollte, aber ich gestehe, der Mut ist mir abhanden ge kommen." „Doch nicht auch Gedichte", sagte er zaghaft, indem er aber zugleich beruhigt den Blick über die eng und voll geschriebenen Linien gleiten ließ. „Nicht gerade Gedichte, aber doch Legenden, die seit meiner Kindheit in meinem Herzen leben und denen ich immerhin eine mehr poetische Gestalt ge geben". „Ach, Legenden auS Ihrem traumhaft schönen Vaterlande, Frau Rubien — o, darum hatte ich Sie ja schon lange gebeten — die acceptiere ich, ohne sie gelesen zu haben, und garantiere Ihnen, wenigsten- von einer gewissen Seite des Publikums, Erfolg" „Aber die Ausführung wird ihre großen Mängel haben, Herr Doktor, ich bin immerhin keine Deutsche, wenn ich auch durch vieles Überfetzen die Sprache in gewisser Beziehung beherrschen lernte. Der Geist der selben kommt mir dennoch öfters abhanden. Aber wenn Ihnen sonst die Arbeit genügte, würde sich viel leicht Jemand finden, der meiner Gestaltung hier und da nachhelfen könnte —?" „Das werde ich doch selbstverständlich für Sie be sorgen können. Sie wissen doch —" „Nein, nein, Herr Doktor," unterbrach ihn die junge Frau hastig, „Sie haben zu solchen Dingen ^ine Zeit, das weiß ich bestimmt, auch dürfte viel- eicht unfere Art zu gestalten — zu verschieden sein, lalS daß Sie mir gerade zu dem Ausdruck verhelfen könnten, den ich suche und selbst nicht finden kann. ES müßte Jemand sein, der vielleicht die spanische Sprache verstände," setzte sie besänftigend hinzu, als sie das deprimierte Gesicht des Chefredakteurs be merkte, „Jemand, der die Wendungen fo wiedergeben könnte, wie ich sie in meiner eigenen Sprache fühle, sonst könnte ich mich wirklich nicht entschließen, meine Arbeit der Öffentlichkeit zu übergeben." „Jedenfalls," schloß sie lächelns, indem zwei Reihen glänzender Perlzähne sichtbar wurden, „behalten Sie das Manuskript da — und wenn ich heut über vier zehn Tage wiederkomme — — ich treffe Sie doch zu dieser Stunde? — so sagen Sie mir Ihre Meinung. WaS Stoff und Stil angeht, so ist mir Ihr Urteil maßgebend." „Ich werde mir die Freiheit nehmen, sobald ich da» Manuskript durchgesehen, Sie selbst aufzu suchen —" „Nein, nein", wehrte die junge Frau verlegen, „ich komme hierher. Sie wissen, ich möchte eS nicht bekannt werden lassen, daß ich für Sie arbeite, und da ich gar keine Besuche empfange, so ließe sich diese Ausnahme nicht motivieren. Also au revoir, Herr Doktor, in vierzehn Tagen." Sie hatte ihre kleine, grau behandschuhte Hand einen Augenblick in die seine gelegt und war ver schwunden Bi» vr. Lassen die Lampe vom Tische genommen und sich anschickte, sie zu begleiten, sah er nichts mehr als den Zipfel ihres dunklen Schleiers, der sich, vom Abendwinde gejagt, noch einmal wie ein letztes Grüßen in die HauSthüre gedrängt. Er ging kopfschüttelnd zurück ins Zimmer, setzte seinen Hut auf, zog bedächtig die Handschuhe an und löschte dann die Lampe. „Eigenwillig ist sie doch, trotz der scheinbaren Sanftmut und Güte", das blieb das Endresultat seines Denkens, als er durch die belebten Straßen ging und an das feine Gesicht dachte mit den großen, dunklen, märchenhaften Augen. Er war doch der intimste Freund ihres verstorbe nen Gatten gewesen, eine Ausnahme ließe sich da schon machen — besonders wenn man, wie er, beinahe ihr Vater sein konnte. Indessen ging Frau Lelia Ruben, in Gedanken versunken, durch eine Straße nach der anderen bis in die Vorstand St. Pauli. Sie dachte an den jungen Mann, der so Hoffnung-» mutig heute sein Erstlingswerk in die Hände l)r. Las sens legen wollte und welches derselbe nicht einmal eines Blickes gewürdigt hatte. Und waren eS nicht Legenden, wie die ihrigen, die er gedichtet, nur viel leicht in viel edlerer Form und vornehmerer Gestal tung? Bloß weil die ihrigen in Prosa erzählt, soll ten sie wertvoller sein? Sie hätte für ihr Leben gern einen Blick in da- Manuskript geworfen, welches der junge Mann, in einem Anflug von Stolz in dem bleichen Gesicht, wie- der fo rafch aus den Händen des Redakteurs genom men hatte. „Gregor Labinoff", sagte sie dann fast laut vor sich hm, „der Abkunft nach em echter Russe. — Nordische
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