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Mit Beiblatt: „Der Clbbote." verantwortlicher vedaeteiir u. Verleger. Ludwig Ponath in Kchandau. Air. Ä. >«« 16.»'SNü'L'M"- 1855. Ein Stück Geschichte. Der jetzige Kriegsschauplatz ist classtscher Boden. In einem Zeitraum von 80 Jahren ist die Krim Zeugin von den größ ten Drangsalen des Krieges. Unter der Negierung der Kaiserin Katharina, der Erbin deS Geistes vom Peter des Großen zu Rußland wurde in dem Kriege mit der Pforte im Jahre 1771 unter DolgoruckiS Obe» befchl die Krim mit Aufopferung von großen Massen von Kriegern erobert. Durch den hierauf im Jahre 1774 zu Kut- schuk-Kainardschi zwischen der Pforte und Rußland abgeschlos senen Frieden erhielt letzteres außer der freien Schifffahrt auf dem schwarzen Meere und der Durchfahrt in das weiße das Schloß Kinburn an der Mündung des Dnicper (welches jetzt von den Westmächten mit Sturm genommen worden) und einen District zwischen dem Bug und Dnieper, weiter die Festen Jenikale und Kertsch in der Krim, Assow und die große und kleine Cabardei. Alle übrigen gemachten Eroberungen gab Rußland zurück. Dieser drückende Friede hatte wohl das Kriegsgetösc, nicht aber den Groll der Pforte beschwichtigt. Durch heimliche Unterstützung des abgesehen Chan der Krim zur Verdrängung des von Rußland zu solcher Würde beför derten Sahin Guerai, welcher zuletzt der immerwährenden Beunruhigungen müde seine Gewalt in die Hände der Kaise rin legte, wurde im Jahre 1783 Katharina von Neuem ver anlaßt, Besitz von der ganzen Krim zu nehmen, auch die In sel Tamen und die Kuban wurden besetzt und zu russischen Provinzen unter dem Namen Tüurien erklärt. Nunmehr waff- neten die Türken. Frankreich wurde um Hilfe angegangen. Dasselbe war aber zu schwach, letztere zu schützen. Jedoch kamen unter französischer Vermittelung im Jahre 1784erneute Friedens verträge zu Stande. Dagegen dauerten die Streitigkeiten über Handel und Schifffahrt auf dem schwarzen Meere fort. Auf ein Mal wurde die Pforte erschreckt durch die Reise der Kai serin Katharina nach der ncugegründcten Stadt Cherson. Man cherlei drohende Andeutungen, die man dabei, wie zur Schau stellte, (wie die Inschrift auf dem Thore Chersons: Hier ist der Weg nach Constantinopcl) erregten die Aufmerksamkeit Europas, und ein ZnstörungSkricg gegen die Pforte wurde geweiffagt. Die Türken einen Kanipf für unvermeidlich hal- tend) hofften durch Zuvvrkommcn sich zu retten. Sie erklär en an Rußland am 24. August 1787 den Krieg. In diesem Kriege behielt rwar Kapudan Pascha die Oberhand auf dem schwarzen Meere, das russische Landhecr aber unter Potcmkm eroberte das starke Oczukow mit gräßlichem Sturm am 17. Decbr. 1788. Der Krieg selbst, an welchem sich auch Oest reich unter Kaiser Josevh bethciligtc, wurde bis zum Jahre 1791 fortgesetzt. Durch den Frieden zu Galaez gewann end lich Rußland Oczukow mit dessen Gebiet und erhielt den Dm» ster als Grenze. „Diese Kriege — schreibt ein neuerer Geschichtsschreiber, kosteten viel Menschenleben, und galten sie einer Idee? Peink Er mochte zwar ein bleibendes, allgemein europäisches oder humanes Interesse scheinen, das Reich der Civilisation auf dem elastischen Boden, welchen schon allzulange das musel männische Joch entweiht, wieder herzustcllcn, und „die nie zu bekehrenden asiatischen Barbaren zurück in ihre heimathlichen Steppen zu treiben. Doch solch ideales Interesse lag fern. Was Joseph und die Kaiserin Katharina zum Kriege trieb, war die Politik der Vergrößerung." Möchte die neuere Zeit eine andere politische Ansicht zur Geltung bringen. Mag vorzüglich England die Ueberzeugung erlangen, daß durch seinen Proticularismus ihre Handels- und Jndustrieinterefsen nicht allein befördert werden, und dieVer- kündigerin einer neuen europäischen Politik in Beziehung auf den Orient werden. Tagesgeschichte. Berlin, 14. Novbr. Heute hat sich von hier wiederum ein preußischer Arzt, vr Grätzer aus Schlesien, nach der Krim begeben, um dort in russische Dienste zu treten. — Aus Potsdam erhält der Publ. die auffällige, aber seiner Angabe nach zuverlässige Mitthcilung, daß zwei Perso nen, die Bedienten Hoher Staatsbeamten, plötzlich verhaftet worden sind, und zwar unter der Anschuldigung, sich auf un redliche Weise in den Besitz vertraulicher, von Petersburg an den diesseitigen Hof ergangener DepZcycn gesetzt und deren Inhalt an eine fremde Gesandtschaft vcrrathen zu haben. 'Die Voruntersuchung ist eingeleitet. — Vor zwei Jahren wurde im Dorfe Glienicke bei G^rs» kow ein schwangeres Mädchen an einet Stalllhür erhästgkge- sunden. Obwohl keine Veranlassung zum SclbstmordöHorlag, so fehlte es doch an jedem Anhalt, einen Mord anzunehmen; indeß bezeichnete ein Gerücht, das sich Mcht wollte unterdrük, kbn lassen, zwei ledige Burschen in Glienicke als die «Thäler.