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Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshanptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Dar »Wilsdruffer Tageblatt* erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis : Bei Abholung in der Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 AM. im Monat, de: Zustellung durch die Boten 2,30 NM., bei Postbestellung fAM. zuzüglich Abtrag- . «... . gebühr. Einzelnummern >bRps^Au-P°si°nst°l!-n Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend P°stb-!-nund°n,»e«u-. Eragerund Geschäftsstellen nehmen zu jeder Zeit Be« Wellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Nücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. 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Auf einer Sitzung des Bundes zur Erneuerung des Reiches, der unter Leitung des ehemaligen Reichskanzlers Dr. Luther steht und bereits eine ganze Reihe von Vor schlägen über eine zeitgemäße Verfassungsreform aus gearbeitet hat, erwähnte der frühere Reichswehrministei Dr. Geßler ein Wort, das der erste Reichspräsident Ebert einmal zu ihm gesprochen hat: „Eines Tages steht für uns die Frage so: Deutschland oder die Verfassung, und dann werden wir Deutschland nicht wegen der Ver fassung vor die Hunde gehen lassen." Der in diese zu gespitzte, aphoristische Form gekleidete Gedanke ist un bestreitbar richtig: Nicht die Entwicklung, nicht das wirk liche Leben im Spiel der politischen Kräfte kann sich durch die Einzelbestimmungen einer Verfassung, die überdies in Zeiten der Not, einer schweren äußeren und inneren Bedrängnis und einer politischen Überhitzung geschaffen wurde, ein- für allemal einschnüren lassen wie in spanisch« Stiefel. Wenn hiergegen protestiert wird — und di« Zahl dieser Proteste aus allen politischen Lagern ist seh', groß —, so bedeutet das keineswegs, nun auch an den Grundlagen dieser Verfassung rütteln zu wollen. Unk es heißt noch längst nicht das ganze Haus eiureißen zi wollen, wenn einige Zimmer sich als schlecht bewohnbar herausgestellt haben und darum renoviert werden sollen, namentlich dann, wenn ihre Beibehaltung in der bis herigen Form überaus hohe und darum heutzMge be sonders überflüssige Kosten verursacht. Denn gerade die finanzielle Notwendig keit einer Reichsreform „an Haupt und Gliedern" wird heutzutage angesichts der Finanzkalami täten in Reich, Ländern und Kommnnen stärker als je empfunden, drängt sich immer weiter in den Vordergrund, sind immer stärker wächst auch auf der anderen Seite, beim deutschen Staatsbürger, das Gefühl, daß diese Not wendigkeit gebieterisch verlangt, statt der Worte, Vor schläge, Pläne, Anregungen usw., die in schier unabseh barer Masse auf die Öffentlichkeit herniederprasseln, end sich von Taten zu höre». Vor zweieinhalb Jahren ist zum erstenmal eine Konferenz von Reichs- und Länder vertretern zusammcnbcrufen worven mit dem Ziel einer Berfassungsreform hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Reich, Ländern und Kommunen. Unterausschüsse wurden gebildet und es kamen auch Denkschriften, sogar Beschlüsse zustande; nächstens wird wieder einmal eine solche Kon ferenz stattfinden. Aber weiter ging's nicht mehr; in der Praxis ist vorläufig alles beim nicht sehr erfreulichen alten geblieben. Höchstens, daß der Sparkommissar hier und da eingriff, aber auch nur Vorschläge darüber machen durfte, wie die Kosten der Verwaltung von innen heraus, nicht bloß durch einfache Abstriche zum Teil beträchtlich gekürzt werden könnten. Dr. Luther hat in seinen Ausführungen — eine ent sprechende Entschließung des Erneuerungsbundes betont dasselbe — die Schaffung eines solchen „Spardiktators" mit unbeschränkten Vollmachten nicht als den Weg an gesehen, der wirklich aus diesen als solche erkannten und anerkannten Kalamitäten herausführe. Das wäre keine Reform, kaum eine Revision. Auch und ganz besonders die Regelung des Verhältnisses zwischen Reich und dem größten seiner Länder, Preußen, ist, nach Luthers Ansicht, Ausgangspunkt, ist Voraussetzung für eine gründliche Reform dessen, was sich als schwerer Mangel — mit übrigens auch sehr kostspieligen finanziellen Folgen — seit langem gezeigt hat und immer wieder zeigt: un klare Zuständigkeitsverteilung zwischen Reich und Ländern. Das Reich hat ja nur eine sehr beschränkte autonome Exekution, allerdings besitzt es seit 1919 die Finanzverwaüung — wenigstens zum großen Teil — und hat damit gewissermaßen „die Klinke in der Hand". Natürlich stoßen gerade hier die Reichsinteressen, hinter denen namentlich die Wünsche der Wirtschaft stehen, er- fahrungsmätzig mit denen der Länder bzw. Kommunen aufeinander, weil das Geld eben der „Lebensnerv" für die Eigenbeständigkeit und die verwaltende Betätigung dieser beiden Nachgeordneten Gliederungen ist. Wenn demgegenüber von Dr. Luther uud seinem Bund infolgedessen aus finanziellen und den lebens wichtigen Forderungen der Wirtschaft gemäß eine prak tische Verstärkung der Reichsgewalt durch ihre Verbindung mit Preußen verlangt, so empfiehlt er andererseits — durch Ausbau des Reichsrats — unter Anlehnung an das historisch überkommene, das noch viel Wertvolles enthält, doch eine Belebung auch aller übrigen ver fassungsmäßigen Kräfte. Von einer Erdrosse lung der dort ein kräftiges Leben zeigenden staatlichen und kommunalen Verbände etwa nach französischem Muster ist also keine Rede. Man will nicht, etwa dem Dogma einer absoluten „Verreichlichung" zuliebe — wie diese unschöne Bezeichnung lautet — organisch gewordenes und darum berechtigtes Leben einfach ausradieren; so etwas bleibt dann doch nur überflüssige Schreibtischarbeit, die den wirklichen, so bitter notwendigen Erfolg dieser Reformbestrebungen hemmen müßte. Eine einzige Tatsache beweist am besten diese Not wendigkeit, schnellstens von Werken zu Taten zu kommen: die Verwaltilngskosten in Reich, Ländern und Gemeinden dürften im kommenden Etatsjahr mindestens zwanzig Milliarden betragen! Der Kampf um das Notopfer Hindenburg» Vermittlungsversuch Scholz und Brüning beim Reichspräsidenten. Auch in der letzten Sitzung des Kabinetts konnte kein« endgültige Einigung über die notwendige Sanierung de: Reichsfinanzen erzielt werden. Die wichtigsten MeinungL Verschiedenheiten im Finanzprogramm beziehen sich noch immer auf die Kredite für die Arbeitslosenversicherung, das Steuerprogramm und die gesetzgeberische Festlegung der Einnahmen und Ausgaben. Die bekannten Vorschläge des Reichsfinanzministers Dr. Moldenhauer finden sowohl bei der Sozialdemokratie wie beim Zentrum leb haften Widerspruch. Die Mehrheit des Kabinetts soll der Meinung sein, daß im Etat für 1930 ausreichende Kredit«: zur Sanierung der Reichsanstalt für Arbeitslosen Versorgung zur Verfügung gestellt werden müsse,-. Neuerdings tritt der Gedanke des Notopfers wieder mehr in die Erscheinung. Diese Idee soll auch der Haupt gegenstand der Unterhaltung bei einem Empfang des Parteivorsitzenden der Deutschen Volkspartei, Dr. Schot und des Fraktionsvorsitzenden der Zentrumsfraktion D> Brüning beim Reichspräsidenten von Hindenburg gewesen sein. Es wird bestätigt, der Reichspräsident habe seine persönliche Meinung dahin bekräftigt, daß in einer solchen Notzeit wie der jetzigen derjenige Teil der Bevölke rung, der gegen Arbeitslosigkeit geschützt sei, für die Ar beitslosen mit einzuspringen habe. Das liege im Interesse der Volksgemeinschaft. Der Reichspräsident habe Wert darauf gelegt, daß es sich allerdings nur um eine persönliche Meinung von ihm handele. Er wolle keinen Druck auf irgendeine Partei ausüben und sich entsprechend seiner bisherigen überparteilichen Stellung nicht in den Streit der Parteien einmischen. Seine persönliche Meinung müsse er aller dings aufrechterhalten. Reichsminister Dr. Molden Hauer verhält sich gegenüber dem Notopfer ablehnend Der Plan des Notopfers, hinter dem jetzt anscheinend ge schlossen die Sozialdemokraten, das Zentrum uud die Demokraten stehen, soll mindestens die Einkommeusgrenze aller Festbesoldeten bis zu 8400 Mark herab erfassen. Da Kabinett will am Montag seine Besprechungen fortsetzen Die VolksyarLsi bleibt ablehnend. RlSbald nach dem Empfang beun Reichspräsidenten trat der Fraltionsvorstand der Deutschen Volkspartei in Reichstage zusammen. Es wurde mitgeteilt, die Deutsche Volkspartei werde bei ihrem Widerspruch gegenüber den Notopferprojekt verharren. Die allgemeine politische Lage wurde infolgedessen ziemlich pessimistisch angesehen. Ec verlautete auch, die Zentrumsfraktion strebe nunmehr einen Wechsel im R c i ch s f i n a n z m i n i st c rium an. Man hofft in Berliner politischen Kreisen noch immer daß schließlich eine Übereinstimmung der Regierungs Parteien zur Gesundung der Reichsfinanzen erzielt wird obwohl nicht verkannt wird, daß die Situation nach wi vor ernst bleibe und der am Donnerstag die Beratung de Joung-Pläne beginnende Reichstag vor den aller schwersten Aufgaben stehe. Jie Mische Volkspartei lehnt die Erhöhung der direkten Stenern nb Berlin, 2. März. Die Deutsche Volkspartei veröffentlicht im Anschluß an ihre Fraktionssitzung am Sonntag abend folgende Erklärung: Die Deutsche Volkspartei ist der Auffassung, daß das Kern stück jeder Finanzreform eine Entlastung der Wirtschaft, die Wie- Abg. Scholz. derherstellung der Rentabilität in Landwirtschaft, Handel, Hand werk und Industrie sowie die Förderung der Kapitalbildung sein muß. Nur auf diejem Wege ist es möglich, das größte so ziale Uebel, die Arbeitslosigkeit, wirksam zu bekämpfen und aus dem 3-Millionen-Heer der Erwerbslosen einen möglichst großen Teil wieder in die Wirtschaft einzugliedern. Nachdem die Entwick lung der Finanz- und Kasfenlage des Reiches, die von allen Sei ten als notwendig erkannte Senkung der direkten Steuern für das Jahr 1930 unmöglich gemacht hat, muß die gesetzliche Festlegung einer solchen Senkung sür das Jahr 1931 gefordert werden. Un vereinbar hiermit wäre eine neue Erhöhung der direkten Steuern, gleichviel, unter welcher Bezeichnung sie erfolgt. Das sogenannte Notopfer würde außerdem den Willen zur Reform auf der Aus gabenseite des Reichshaushaltes im Keime ersticken. Im Zusam menhang mit dem Reichshaushalt für 1930 müssen daher folgende Maßnahmen getroffen werden: Gesetzliche Sicherung der Aus gabensenkung im Reich. Ländern Md Gemeinden, insbesondere auch durch Sanierung der Arbeitslosenversicherung unter Vermei dung jeder wetteren Erhöhung von direkten Steuern. Gesetzliche Festlegung einer Senkung dieser Steuern vom Beginn des näch sten Haushaitjahres ab. Die entsprechenden Beschlüsse wurden von Parteivorstand, Reichsausschuß und Reichslagsfraktion der Deutschen Vvlkspartei einstimmig gefaßt. KoMMbMsWg kn ImoKlMk Berlin, 2. März. Die Demokratische Reichstagssraktion faßte am Sonntag nach vierstündiger Beratung folgendenBeschluß: Die Deutsche Demokratische Reichstagsfraktion erachtet aus außen- und finanzpolitischen Gründen die baldige Verabschie dung des Hornig-Planes für unbedingt geboten, weil ohne diese — von anderen schwersten Nachteilen ganz abgesehen — die Aus stellung eines Haushalts mit tragbaren Belastungen in Reich, Län dern und Gemeinden überhaupt unmöglich gemacht wäre. Die Fraktion hält daran sest, daß der entschiedene Versuch ge macht werden muß, den Fehlbetrag des Haushaltes durch Erspar nisse wesentlich zu verringern. Sie wird mit Anträgen hervor- treten, sobald der Haushalt vorgelegt sein wird. Sie wird ins besondere die Resorm der Arbeitslosenversicherung verlangen, wo bei sie die Pslicht, die Arbeitslosen vor dringender Not zu schützen und die Reichsanstalt lebensfähig zu erhallen, nach wie vor aner kennt. Die Fraktion verschließt sich nicht der Ansicht, daß namentlich durch die sogenannte Lex Schacht zur Deckung des Reichsdefizits eine Erhöhung der Lasten für das Jahr 1930 unabweisbar ist. «Sie erhebt gegen das Finanzprogramm des Reichsfinanzministers leine grundfätzlichen Einwendungen; dagegen lehnt sie es ab, in eine Er höhung der direkten Steuer zu willigen, nachdem noch vor kurzem die weitestgehende llebereinstimmung über die Notwendigkeit der verstärkten Kapttalbildung konstatiert und demgemäß die Senkung dieser hemmenden Steuern von der jetzigen Regierung und insbe sondere von dem bisherigen sozialdemokratischen Reichsfinanzmi- nister angelündigt worden ist. Sie teilt auch die ernsten Bedenken gegen das sogenannte Notopser der Festbesoldeten. Die Fraktion würdigt jedoch den ungeheuren Ernst der Lage, den die Existenz der Betriebe bedrohenden und die Arbeitslosigkeit immer weiter vermehrenden Konjunkturrückgang, die unübersicht liche Lage der Reichs-, Länder- und Gemeindesinanzen, die wach senden radikalen Strömungen. Eine Regierungskrisis in diesem Augenblicke droht eine Katastrophe heraufzubeschwören. Die Frak tion billigt deshalb die vermittelnde Haltung des Ministers Diet rich und bittet ihn, auch weiterhin auf eine die Krisis vermeidete Verständigung hinzuwirken. Sie stellt, um zu einer solchen beizutragen, die Frage zur Er örterung, ob nicht ohne Nachteil für die Kapitalbildung die wirt schaftliche Leistungsfähigkeit durch einen einmaligen und proviso rischen Notbeitrag zur Linderung der gegenwärtigen Finanznvt beitragen und zugleich einer künftigen wirklichen Finanzresvrm den Weg bereiten könne. Dabei müße gewährleistet werden, daß die Mehrzahlung im Jahre 1931 zurückerstattet wird, etwa in der Weise, daß dafür eine Reichsanleihe ausgehändigt wird, die bei der Steuerentrichtung im Jahre 1931 in Zahlung genommen wer den muß. Dabei wäre gleichzeitig festzuftellen, daß die Erleichte rung des Haushaltes im Jahre 1931 (durch Wegfall der 450 Mill. Ausgaben) zu einer Senkung der direkten Steuern benutzt wird. Wie die Telegraphen-Union aus parlamentarischen Kreisen erfährt, dürfte die DVP. nicht geneigt fein, den demokratischen Vorschlag anzunehmen, da sie auch hierin eine Erhöhung der Ein kommensteuer erblicken müßte. * Das umstrittene „Aoioyfer". Ein Opfer aller „M e h r v c r d i e n e r" gefordert. Die Buudcsleituug ves Deutschen Beamtenbun des hält sich für verpflichtet, ibre größten Bedenken gegen die Absicht auf Einführung eines Notopfers auszusprechen, sie ist jedoch der Auffassung, daß im Hinblick aus die große Not, in der sich Millionen von Volksgenossen befinden, diesen außer gewöhnlichen Verhältnissen am gerechtesten durch Heranziehung aller leistungsfähigen Volksschichten auf dem Wege über einen befristeten Zuschlag zur Einkommensteuer Rechnung ge- traaen werden könne.