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Keine Vermehrung der Mdigen Ratsfitze. Die Enlschel-ung -er Slu-ierckommission. — Drohen-er Auslritl Spaniens. Amerikanischer Optimismus über -ie -euische Wirlschask. — Severlng gegen -en politischen Terror, - Neues Todesurteil in Angora. Stimmenthaltung Deulschlan-s. Gens. 1. Sept. Die Stndie«rom«issi,» hat in deo Nach«ittagfitzn«a ihre Arbeite» beendet. Es «nrde be» schlöffe», ,»« einer Bennehrnng der ständige» Ratssitze ab» -»sehe». Der dentsche Vertreter enthielt sich bei diese« Be» schlnffe der Stimm«, ebenso der spanische Vertreter, der sich mit seiner Regierung «och in Verbindung setze« will, damit sie zu der in der hentige» Rachmittagsitzung zum Ausdruck gekommene« Ansfaffnng der einzelne« KommisstonSnCtglieder Stellung nehme« kan«, vei der Einheitlichkeit der Msfaffn«, gen erübrigte sich eine Abstimmung. Bolschasler v Äoesch gab, nachdem der spanische Vertreter nochmals kurz auf den spanischen Anspruch auf einen ständigen Ratssitz hingewtesen hatte, folgende Erklärung ab: .Hm Namen meiner Regierung lege ich Wert darauf, den besonderen Wurrsch zum Ausdruck zu bringen, daß dir wert» »olle Mitarbeit Spaniens, mit dem mein Land dnrch glückliche Bande der Freundschaft verbnnde« ist. dem Völker bünde anch weiterhin erhalte« bleibe. Ich möchte dieser Hoff» nung den Wunsch hinzufügen, daß diese Mitarbeit sich unter denselben Bedingungen vollziehen möge, unter denen Ne gegenwärtig besteht. Was nun die Frage der ständigen RatS sitze betrifst. so kennen Sie. meine Herren, schon meinen »Standpunkt, den ich während der Mai-Tagung ent» ivickelt habe. DaS Problem der ständigen RatSsttze ist der Ausgangspunkt einer inneren Krise des Völkerbunds ge worden. Ich bin der Ansicht, daß dem Völkerbund«, das heißt im besonderen den Mitgliedern des VölkerbnndSratS. die Auf. gäbe zufällt, diese- Problem zu lösen und ich glanbe, daß es mir nicht anstchen würde, gegen, wärtig meine Anssaffnugen hierüber darzulegen. «Sh» rend Deutschland «och nicht Mitglied des BSlker» bnndes ist und gegenwärtig selbst für einen ständigen NatSsitz kandidiert. Ich bin vielmehr der Ansicht, das, es eine Pflicht der DtS. kretton ist, mich gegenwärtig der Stellungnahme zu ent halten und sie den Vertretern derjenigen Nationen zu über- lasten, die Mitglied deS Völkerbundes sind. Ich bitte Sie. meine Herren, diese meine Ansicht nicht in dem Sinne auSzu- legen, als ob ich irgendwie die Mdeutung dieses wichtigen Problems unterschätzte, tm Gegenteil, ich bin mir der Schwere der Entscheidung, die jetzt zu fasten Sie berufen sind, voll bewußt. , Der Verlauf -er AachmlNagssitzmrg. Genf, 1. September. Die heute nachmittag auf die spanische Forderung aus einen ständigen NatSsitz Im Gtubtcn- auöschnsi abgegebenen Erklärungen waren alle Verhältnis» mäßig kurz. Sie enthielten alle lebhafte Worte der Sympathie für Spanien und den ausdrücklichen Wunsch, dieses seine Arbeit tm Völkerbund und Völkcrbundsrat fortsetzen zu sehen. Der Vertreter Frankreichs. Fromageot, sprach die Hoff- nung aus, daß die Bemühungen der Studienkommission nicht vergeblich gewesen sein werden, und daß sich die spanische Regierung davon überzeugen lasten wird, daß alles geschehen sei. was der Studienkommtssiou möglich gewesen sei, um den Gefühlen Spaniens gerecht zu werden. In ähnlichem Sinne sprach sich Lord Robert Cccil aus. Scialoja erklärte im Namen der italienischen Negierung, daß er für etnen ständigen spanischen NatSsitz ctntretcn würde, falls nicht die allen bekannten Schwierigkeiten vorhanden wären. Mit be sonderer Aufmerksamkeit wurde die bereits mitgetetlte Rebe des deutschen Vertreters. Botschafters v. Hoesch, angehört. Sjöborg betonte, der Grund für die Haltung der schwedischen Negierung liege allein darin, bah nach dem Geiste des Vülkerbundspaktcs neue ständige RatSsttze nur für solche Großmächte geschaffen werden können, die heute noch nicht Mitglied des Völkerbundes sind. — Gnani (Uruguay), der an die engen kulturellen Beziehungen seines Landes und anderer südamcrikanischer Staaten zu Spanien erinnerte, erklärte, wenn seine Negierung dem spanischen Anspruch nicht -u- stimmen könne, so bestehe der Grund einzig in grundsätz. ltchen Erwägungen, die sich auS dem VölkerbundSpakt er gäben. — Eine ähnliche Erklärung gab Canttlo (Argentinien) ab, der betonte, cs handle sich hier nicht um eine Frage be» Gefühls, sondern um die Gesamtinteressen des Völkerbundes. Bemerkenswert waren die Ausführungen des polnische» Ver treters Lokal, der im Namen seiner Regierung de« Anspruch auf einen ständige« NatSsitz anfrecht erhielt. Da jedoch die Heit sür die Erfüllung seines Anspruchs noch nicht ««komme» sei, und er die Krisis im Völkerbund« nicht vertiefe« wolle, so sei er bereit, von diesem Anspruch im ««genblicke ab»«, stehen, doch halte er ihn sür die Zukunft ansrecht. Die ständige Gegenwart Polens tm Rate würde eine wirkungS- volle Sicherheit des Friedens bedeuten. Der chinesische Delegierte verteidigte die spanische Forderung. Nach seiner Auffassung sollte die Zahl der stän digen NatSmitglicdcr aus acht erhöht werden, um alle An- sprüche zu befriedigen, und die Zahl der nichtständigen Rats» Mitglieder mit sechs beibehalten werden. Sr gab ausdrücklich zn Protokoll, daß China im Falle der Zuteilung eines stän digen Ratssi««eS an irgendeine andere Macht z« irgendeine« Zeitpunkt seine Forderung aus «ine« ständigen NatSsitz aus» rechterhalte. — Der belgische Senator de vronequ^re stellte ausführlich die Bemühungen dar die der Ausschuß mit der heute vormittag getroffenen Lösung unternommen habe, um Spanien die weitere Mitarbeit im Völkerbund zu ermög. lichen. Der Vorsitzende Motta fand zum Schluffe warme und tief empfundene Worte für die schwierige Situation, in die Spanien versetzt worden sei. Er richtete an den spanischen Vertreter die sehr lebhaft« und dringende Bitte, die Arbeiten der Stubtenkommtssto» zu prüfen und seiner Regierung hier» über zu berichten. Spanien und die Schweiz hätten «ährend des Krieges eine Soudcrrolle eingenommen, die sie auch in die Friedenszeit hinüber »erpslanzen sollten. Der spanische Delegierte Palacios dankte am Schluffe der Ansprache für die Würdigung, die Spanien im Ausschuß zu teil geworden sei. Die Aussprache habe z« einer ganz klaren «nd deutlichen Knndgebnng geführt, die eS seiner Regierung ermöglichen werde, entsprechend dem noch vorznlegeude« Be» richt die Lage «nd die in der hentige» Sitzung von allen Seiten zum Auödrnck gebrachten lebhafte« Wünsch« ans weiter« Mitarbeit Spaniens zu prüfen. Er persönlich werde mit aller Loyalität seine Regierung über die im Ausschuß vor. gebrachten Erwägungen und Wünsche unterrichten. Nach diesen Erklärungen des spanischen Vertreters stellte der Präsident Motta fest, daß eine Notwendigkeit zur Ab- stimmung nicht vorltege. Sämtliche Delegierten hätten ihre Ansichten geäußert, die aus dem Sitzungsprotokoll hervor- gingen. Deutschland habe aus den von Herrn v. Hoesch er läuterten Gründen sich seiner Stimme enthalten. Der Prä- dent erklärte weiter, daß die Kommission hiermit die ihr ge eilte Ansgabe erfüllt habe. Es s«t lediglich ihre Aufgabe, dem Rate bestimmte Vorschläge zu unterbreiten. Der Not wird sich aus dem Protokoll ein Bild der verschiedenen Auf fassungen machen können. Motta stellte weiter fest, daß sämtliche Mitglieder der Studicnkommissio« der Zuteilung eines ständigen RatSsitzeS an DentschlanL vorbehaltlos »n- geftimmt hätten. Die Gründe hierfür seien allgemein be kannt, so daß er nicht auf sie zurückzukommen brauche. Nachdem der spanische Vertreter gebeten hatte, in das Pro- tokoll ausführlich den spanischen Wunsch auf einen ständigen NatSsitz hineinzunehmen, und ferner die Auffassung der Minderheit und der Mehrheit in der Kommission zum Aus druck zu bringen, erklärt« der Präsident die Sitzung für ge- schlossen. Er schlug vor. daß die Studienkommission morgen nachmittag um ü Uhr nochmals zusammentrete. In dieser Sitzung, die nur einen formalen Charakter trägt, sollen die Kommissionsmitglieder Kenntnis nehmen von dem Bericht der Studtenkommission au den Rat. Annahme -er Kornpromihformel über -ie nichlsiiin-igen Nakssihe. Genf, 1. Tcpt. Nach einer Erklärung deS spanische« Vertreters in der BormittagSsitznng der Studienkommtssion wnrde der neue E » t« » rs znr Reform des Völkerbunds» rate-, der die nichtständigen Sitze betrifst. mit allen S"--ie» bet Sttmmenthaltnna Spaniens an» ge»om«en. Ein Vorbehalt Polens wurde znr Senntnts genommen. Die Nachmittagsitzung der Stndicn- kommissiou nahm die Behandlung der Frage der ständigen RatSsttze in «ngrisf. Hier ist allgemein di« Anschauung verbreitet, dach Spante« sich noch vor der RatSsitznn« ,«rückziehe« «erde. In der Bormtttagsdebattc über die Neuorganisation der nichtständigen RatSsttze stimmte der argentinische Vertreter dem vom Unterausschuß aufgestellten Plan grund- südlich zu. — Lord Robert Cecil empfahl die Vorschläge des Unterausschusses bringend zur Annahme, wobei er betonte, baß die jetzigen Vorschläge auch der bereits tm Mai durch den deutschen Vertreter geltend gemachten Besorgnis tn bezug auf die volle Freiheit der Versammlung bet der Wahl der nicht- ständigen RatSmitglteder Rechnung tragen. Er wandte sich ferner an Spante«, indem er erklärte, daß der Unteraus schuß alles getan habe, «m bi« Ansprüche Spaniens in bezug ans «ine möglichst danernd« Mitarbeit t« BölkerbundSrate ,« berücksichtigen. — Sjöborg. Schwede», erklärte, daß Schweden den Vorschlägen seine Zustimmung gebe unter der VoranSsetznng, daß die vorgeschlagene« Abänderungen ein stimmig angenommen würden, nnd daß «it dem jetzigen Pro» jekt die Krise vollkommen gelöst «erde. Veverka. Lschecho, Slowakei, stimmte den Plänen ebenfalls zu. — Scialoja. Italien, betonte, daß vom Unterausschuß alles getan werde, um ein« Lösung der langwierigen KrisiS zu finden. Er Hofs«, daß Spanien dies« Anstrengung, die Gesühle. von denen der AnSschuß geleitet war, aber auch die Schwierigkeit deS Angenblicks richtig würdige. Wen« das Werk »es A«S- schnsseS scheitern sollte, so wäre er davon peinlich berührt. Präsident Motta verzeichnete sodann den Vorbehalt, denPolen wegen Art. 4 8 8 tn bezug auf die Wiederwählbar, keltscrklärüng durch di« Völkerbundsversammlungen vom ahre 1927 und 1928 aufgestellt hatte, ferner denVorbehalt t a l i e n » , daß die Gesamtzahl der RatSmitglteder niemals 14 übersteigen solle und daß bet der etwaigen späteren Schaf fung neuer ständiger RatSsttze die Zahl nichtständiger NatS- mttglteder wieder entsprechend herabgesetzt werden müßte, und schließlich «inen Vorbehalt Schwedens hinsichtlich der Erhöhung der nichtständigen RatSmitglteder von sechs auf neun. Ruhland, Asien un- wir. Von Graf E. v. Zcdtwitz. Als tm März 1924 und Januar 1925 die Verträge zwischen Rußland, China und Japan unterzeichnet wurden, schien sich tn der Weltpolitik eine neue Mächtegruppierung vor zubereiten. In Europa war nach der Zerstörung des alten Gleichgewichtes der Mächte als einzige wirkliche Großmacht nur England übrtggcblieben, das sich nach Beendigung des Kriege- anschickte, mit der zweiten Weltmacht, Amerika, sich in die Herr- schast der Erde zu teilen, namentlich aber der weiten Gebiete zwischen der Ostsee, dem Mtttelmeer und dem Stillen Ozean» wo die Ereignisse von 1917/18 das große Vakuum geschaffen hatten, in dem das Land der ausgehenden Sonne, der russische Bolschewismus und der Freiheitsdrang der vorder- und ost- asiatischen Völker um die Vorherrschaft rangen. Ihnen alle» aber war die Abneigung gegen die europäischen Mächte ge- metnsam nnd der Wunsch, diese baldigst womöglich aus ganz Asten zu verdrängen. Und weil Völker nichts mehr einigt al» gemeinsame Not und gemeinsamer Haß. mußte diese Lage not wendig zu einer Annäherung der asiatischen Völker an Ruß land. den Gegner Englands und Frankreichs, führen und,» einem Versuch, diese ungeheuren Kräfte gegen Europa »a einigen. Konnte dieser Versuch gelingen? Die Bedingungen dafür waren damals selten günstig, günstiger jedenfalls als seit vielen Jahrhunderten. Die asiatischen Völker, denen schon der Russisch-Japanische Krieg den Glauben an die westliche Heber- legcnhett genommen hatte, waren während des Weltkrieges der europäischen Vormundschaft entwachsen. Einst die Diener des Weißen, wurden sie damals seine Helfer und gelehrigen Schüler, die er nicht nur im Gebrauch seiner modernsten Kampfwasfen unterwies, sondern auch in den angewandten Wissenschaften, in Industrie, Handel und Verkehr. Heute kennen sie dies alles, sie kennen anch die schwachen Seiten der europäischen Politik und Wirtschaft und wissen, auf welchem Wege sie ihr Ziel am raschesten und sichersten erreichen. Man mag es bedauern, daß nun auch Asien maschinengläubtg ge worden ist. doch vermag dies nichts an der Tatsache zu ändern- daß die Türken, Inder, Chinesen u. a. nur von der rasche» Industrialisierung ihrer Länder die Befreiung von der Vor mundschaft der verhaßten Fremden erwarten — weil sie wissen- baß das alte Europa dann außerstande ist, ihrem Freiheit-- dränge zu wehren, wenn dieser sich heute oder morgen Bahn bricht und den Kamps ausnimmt gegen die Alte Welt untet Führung einer starken, von Europa unabhängigen Macht. AlS solche konnte nach Lage der Dinge nur Rußland in Frage kom men, daS den Sturz der bestehenden Ordnung in Europa auf seine Fahne geschrieben hat, das von demselben Haß gegen die europäischen Staaten beseelt ist wie die asiatischen Völker und daher deren Freundschaft suchte in dem Glauben, daß die Mil- ltonenmassen der Besitzlosen im Osten jetzt eine leichte Beute des Bolschewismus und später seine Bundesgenossen werden würden im Kampfe gegen Europa. An diesen Plänen hielt die russische Politik fest, seit ihre Bemühungen, die rote Revolution nach dem Westen ,« tragen, an dem Widerstand der alten europäischen Kulturvölker gescheitert waren, und verfolgte vor allem ihr erstes Ziel, die Bolschewtsierung Asiens, mit einer Hartnäckigkeit, die ihr zum Verhängnis werden sollte. Gewiß war für die Moskauer Machthaber die Versuchung außerordentlich groß, die Dinge im Osten so zu sehen, wie sie sie sehen wollten. In der Türket harrte ein enttäuschtes, aber nicht entmutigte- Volk der rettenden Hand, die eS aus seiner traurigen Lage be freien sollte. Die Mächte hatten das alte Oömanenreich zer stört, seiner besten Provinzen beraubt und dem Rest einen ver nichtenden Frieden auferlegt. Wohl gelang cs, durch den Sieg über die Griechen einen kleinen Teil des Verlorenen zu retten, doch Kemal-Pascha konnte und wollte dem Volke daS verlorene Kalifat nicht ersetzen und seine NcuerungSsucht er- zeugte tm Volke nur Unzufriedenheit und Unruhe. Darauf baute Moskau bet seinen Bestrebungen in der Türkei — un erkannte zu spät, daß der nationale Lebenswille eines gesun den Volkes stets stärker ist als innere Gegensätze und ein von außen auSgeübter Druck eine Nation immer nur stärker zu- sammenschwetßt in der Hand eines entschlossenen Führers. Aehnliche Erfahrungen machte man tn Indien, besten Völker bank ihrer religiösen und sozialen Struktur für -ie bolsche wistische Weltbeglückung so ungeeignet sind wie nur möglich und heute nur ein Ziel kennen: Erhaltung dcö inneren Frie dens um jeden Preis als unerläßliche VoranSsetzuna für die wirtschaftliche Erstarkung des Landes, die allein die Befreiung von der britischen Herrschaft bringen kann. So blieben die russischen Bemühungen auch dort erfolglos und Moskau war klug genug, in dem Abkomme» mit England auf die Fort setzung der unfruchtbaren Propaganda tn Indien zu verzich ten, d. h. sich mit den Snmpathicn z» begnügen, die Rußland tn Indien als Gegner Großbritanniens genießt. Der alte Gegensatz zwischen England und Rußland war e» auch, der den Sowjctdiplomaten die Türen der Kabinette von Peking und Tokio ösfnete. Ostasten hoffte aus Rußland, be«