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kitag, 4. Januar 1S07. sb-r Rr. 3. Zweiter Jahrgang. 5luer Tageblatt und Anzeiger kür das Erzgebirge V »vitworUichcr Rcdokicnr: Fritz Rrnstol>>. Für die Inscrale ocraiitwerUich. Arthur Rupfer. beide in Aue mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Sonntagsblatt. Sprechstunde der Redoklio» i»it Rnsnastine der ^onntogc nachmittags vo» z—!> Uhr. — Telegramm-Adresse: Tageblatt A»e. — Fernsprecher 202. Für unverlangt eingesandte Manuskripte kann Gewähr nicht geleistet tderden. Vrnck und Verlag Gebritder Leuthner lJnh.: Paul Benthner) iu Alle. L eszugs p> cis. Vmch Misere Bolen fei ins lsans mouallich so pfg. Lei der Geschäftsstelle abeeholt inonallich ^0 pfg und ivächcntlich ,o Pfg. — Bei der Post bestellt und selbst abgeholt vierteliährlirb ».so Uik. — Vnrch dell Briefträger frei ins ls.nis vierteljährlich >.92 Mk. — Einzelne Nimmer 40 Pfg. — Ventscher poslzcitungs- katalog — Erscheint täglichem Sen Milla-,sstundcu, mit Ansnahme von Sonn- und Feiertagen. 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" Etwa lausen 0 A rbeiter der bei Fünskirchen ge legenen Kohlenbergwerke sind in den Ausstand ge treten. Die a n t i d >) n a ft i f ch e B e w e g u n g in Serbie n scheint trotz aller osfiziösen und ossiziellen Dementis Fort schritte zu machen. Es heißt, der serbische Tron wäre für einen englischen Prinzen au versehen. " Der Stadthauptma n n von P elersbur g, von der Launitz, ist durch ein R e v 0 l v e r a t t e n t n t getötet worden. * Der S t a m m 0 er A ndjcheras in Atarokto hat gestern seine Unterwerf« n g erklärt. Näheres siehe unten. Militär und Lo.;ialdemokratie. - Das stete Anwachsen der sozialdemokratischen Stimmen 'infolge der Zunahme der industriellen Bevölkerung veranlaßte natürlich auch die maßgebenden militärischen Kreise, sich mit der Frage näher zu beschäftigen, wie man am besten den Per suchen sozialdemokratischer Agitatoren, ihren Ideen auch bei der Armee Eingang zu verschlissen, e n t g e g e n treten könne. Es ist dies ein überaus schwieriges Problem, da die gesetzlichen handhaben, die den Militärbehörden in dieser Hinsicht zur Ver- sügung stehen, unzweifelhaft nicht ausreichcn. Andererseits hat aber auch das deutsche Volk in seiner überwiegenden Mehr heit selbstverständlich nicht Lust, seine Zustimmung zu Aus nahmegesetzen wider das Eindringen der Sozialdemokratie in das Heer zu geben, da die Befürchtung sehr nahe liegt, daß eine solche Abwehr gegen den Umsturz zu reaktionären Maßregeln überhaupt gebraucht werden könnte. Es bleibt also in der Hauptsache nichts anderes übrig, als im Kreise der beivassncten Macht selbst durch die Erziehung und Belehrung der Leute dem sozialdemokratischen Geiste entgegenzuwirken, den patriotischen und nationalen Geist der Mannschaften zu heben und bei geeigneten Gelegenheiten ihnen in schlichter, klarer Weise auseinanderzusetzcn, daß die Endziele der So zialdemokratie sich nicht verwirklichen lassen. Mit diesem Thema beschästigt sich auch A. v Loebell, Generalmajor z. D., in seiner Broschüre: Wie ist der Sozial demokratie im Heere entgegenzuwirken? Die Ausführungen dieses Offiziers sind überaus beachtenswert, ocnn sie unterscheiden sich in wohltuender Weise von der Meinung a n - derer höherer Militärs, die samt und sonders nach Aus nahmegesetzen rufen. Bor allem möge hervorgchoben sein, daß General v. Loebell sich in scharfer Weise gegen die Soldaten mißhandlungen und gegen unnötige Plackereien wendet und warm dafür eiutritt, daß der Verkehrst on zwischen den Soldaten und ihren Vorgesetzten den Formen der Gegenwart entsprechen muß. Diese Mahnung kann nicht genug beherzigt werden, denn alle Belehrung nutzt nichts, wenn der Soldat über die ungerechte Behandlung und vielleicht sogar durch tätliche Veleidungen durch seine Vorgesetzten empört ist. Das oberste Gesetz siir jeden Erzieher muß heißen Gerechtigkeit, und jede ihre Verletzung rächt sich bitter. Denn über nichts kann sich der Mensch so sehr entrüsten, als wenn er gegen ein ihm zu- gesügtes Unrecht machtlos ist. Man kann wohl eine Uebertrei- bung behaupten, daß jeder Soldat, der während seiner Dienst zeit üble Erfahrungen mit seinen Vorgesetzten gemacht hat, als entschiedener Gegner des Militarismus und präparierter Sozia list ins Zivil wieder zurücktritt. Dazu kommen noch die dra konischen Strasen, die oftmals Uber Soldaten wegen nach dem Gerechtigkeitsgefühl simplex Zivilisten verhältnismäßig ge ringfügiger Vergehen gegen die Disziplin verhängt werden, während die Soldatenpeiniger in der Regel mit lächerlich kleinen Strafen davonkommen. Das alles sind Uebelstände, die der Sozialdemokratie einen gewaltigen Vorschub leisten. Das deutsche Volk ist trotz seiner Friedensliebe kriegerisch veranlagt und hat mehr Freude als andere Nationen am Wassenspiel. In diesem militärischen Geist liegt das Geheimnis unserer großen Vergangenheit und die Gewähr für eine nicht minder große Zuku n s t. Denn alles Geschwätz der Friedens freunde vermag die Tat nicht aus der Welt zu schassen, daß die Kulturfortschritte sich stets unter blutigen Kämpfen vollzogen haben. Es kann mithin nicht schwer sallen, dem deutschen Volke seine Kriegstüchtigkeit zu erhalten, aber man muß beden ken, daß man heute den Rekruten das Wassenhandwerk nicht mehr mit dem Korporalstocke beibringen kann, sondern sie im Geiste der modernen Zeit zum Wassenhandwerke erziehen muß. Zn der deutschen Armee herrschen aber noch vielfach Zu stände, die natürlich jenen Mannschaften, die sich aus den Stadt- und Jndustriebezirken rekrutieren, nicht verborgen bleiben. Es soll nur aus den Parademarsch hingewiesen werden, dessen Ein drillung den Schrecken siir viele Soldaten bildet und über dessen Zwecklosigkeit nur eine Stimme herrscht. Der und der ganze sogenannte Gamaschendienst gehören ganz und gar zum alten Eisen, und wie man im A uslande darüber urteilt, das zeigt sich wieder in einer kürzlich in Leipzig erschienenen Broschüre über die vorjährigen deutschen Kaisermanöver, die von einem österreichischen Offizier herstammt, der diesen großen Uebungcn bcigcwohnt hatte. Wir meinen also, daß die Armee bei uns in Deutschland von der sozialistischen Propaganda nichts zu befürchten hat, wenn sorgsältig der Geist gepslegt wird, der uns von Königgrätz über Sedan nach Versailles geführt hat und der sich jetzt eben wieder in S ü d w e st n s r i k a jo glänzend dokumentiert. Gütige und gerechte Vorgesetzte, liebevolles Eingehen aus die Individualität jedes einzelnen Soldaten, Anteilnahme an seinen Freuden und Leiden, Anseuerung des nationalen Bewußtseins und der pa triotischen Begeisterung bei allen geeigneten Gelegenheiten, Fortbildung der Mannschastcn durch passende Lektüre und sozial politische Belehrung, sowie Anleitung zur Abstinenz — diese Mittel genügen vollauf, um jede sozialdemokratische Agitation von der Kaserne fern zu halten. Tie Nettiernng im Wahl-Kampfe. Aus die Frage, weshalb noch 8 0 0 0 ManninSüdw e st- asrika gebraucht werden, antwortet die offiziöse Nordd Allg. Ztg. in einer längeren Darlegung, in der es u. a. heißt: 8000 Mann, die augenblicklich noch als unumgänglich nötig für die Kolonien verlangt werden, verteilen sich aus ein Gebiet, etwa l > mal so groß als das Deutsche Reich. Eisenbahnen sind kaum vorhanden, warum, das ist ja bekannt. Chausseen und feste Wege gibt es nicht. Die Pad, d. h. tiefe, sandige Wagen spuren, durchziehen das Land. Zwanzigspännige Ochsenwagen, zehnspännige Eselkarren sind als Transportmittel nötig. Die Verbindungen sind also so schlecht als möglich. Man stelle sich vor, über das ganze Deutsche Reich wäre eine Besatzung von 8000 Mann verteilt, und irgendwo, beispielsweise in Schlesien, ist ein Feind eingebrochcn. Was würden die kleinen Truppen teile nützen, die im Westen stehen, wenn wir nicht in der Lage sind, sie von dort wegzuziehen, weil es auch dort noch un sicher ist und überdies die Möglichkeit sehlt, sie anders, als auf wochen- und inonatelangen Märschen, durch unwegsame Gebiete, nach den gefährdeten Punkten zu sichren. Es wird dann weiter ausgesührt, daß im Norden 2000 Mann stehen und dort zum Schutze der Farmer notwendig sind. Es wären dort I 2 :> A n s i e d l e r im Hercrolande ermordet worden, weil nicht genug Truppen da waren, um sie zu schützen. Von den für den Süden übrigbleibendcn annähernd 0000 Mann ist nur ein ganz geringer Teil gegen den Feind geführt worden. Die Truppen kämpstcu etwa 500 Kilometer von der Küste ent fernt. Ein Teil ist zur Besetzung der Etappen, zur Bedeckung der Transporte usw. verwendet; außerdem mußten Telcgraphen- und heliographenstationcn, Proviant-Magazine und Munitions- Depots besetzt und die Viehherden siir die Flcischversorgung und Wagenbespannung ausreichend gedeckt werden. Man dürfe ferner die mit 10 Prozent zu veranschlagenden Kranken, die Aerzte, das Lazarettpersonal, nicht vergessen. Man müsse serner denken an die Bedeckung der verschiedenen Etappenstationen, an die Besetzung wichtiger Wasserstellen, an die Besetzungs- mannschasten zahlreicher Transporte, die zwischen denTrup- pen und Magazinen hin- und hcrgehen, und bei alledem müsse man sich immer die großen Entfernungen und schlechten Stra - ß c n vor Augen halten, die zur Zersplitterung der Kräfte zwin gen. Dann werde man begreifen, daß nur wenige als fechtende Feldtruppen übrig bleiben. Das wäre nichts Ungewöhnliches. In allen Kolonialkriegen mache man die gleiche Erfahrung, und die alten Kolonial mächte erstaunten längst nicht mehr Uber dergleichen. Von dem, was man aber schließlich als fechtende Truppe bezeichnen könne, gehe noch viel ab, so die Leute, die beim Lager bleiben müßten, wenn die Truppen ausrückten, die Bedeckung der Bagage, Ver bindungsstationen, die Verbindungspatrouillen im Gefechte selbst, die Pferdehalter. Man könne sich daher nicht darüber wundern, wenn wir kleine Abteilungen von 100 bis 200 Mann, Kompagnien mit -10 Gewehren an den Feind gelangen sehen. Die Ergebung der Bondelzwarts habe uns unbedingt dem Ende des Krieges erheblich näher gebracht, aber selbst, wenn sich nicht nur diese, sondern auch die im Felde stehenden Banden (Simon Coppers, Fielding, Morris und Sur- mann) alle ergeben hätte», so wären wir dennoch nicht in der Lage, die Truppen gleich zurllckzuziehen. Die Gründe dafür wären bereits in der Denkschrift, die dem Reichstage im No vember vorgelegt wurde, dargelegt worden. Wir müßten dem Farmer die Sicherheit bieten, daß er sich ansiedeln könne, ohne von neuen Unruhen betroffen, bestohlen, ermordet zu wer den. Wer die Truppen zu früh und zu stark vermindere, ver sündige sich an unseren braven Truppen, denen zum Schlüsse die Früchte aller Anstrengungen entrißen würden. Sollten diese Braven zersplittert in zu schwachen Posten dem sicheren Tode preisgegeben werden? Die offiziöse Nordd. Allg. Ztg. schließt: Zweifelt irgend je mand an dem ehrlichen Willen aller Beteiligten, möglichst bald den Frieden herbeizuführen und die Truppen zurückzurusen, und sollte an der Fortsetzung des Krieges eine Freude haben: die Ansiedler, die nicht ansiedeln können; die Farmer, die nicht farmen können; die Negierung, Vie um die Millionen kämpfen muß, die Tausende Soldaten, die sich im Schutzgebiete ansiedeln wollen, und auf den Moment brennen, wo es ihnen endlich ge stattet werden kann; der Gouverneur, der wegen der Kriegs kosten nicht genug sür die kulturelle Entwickelung seines Landes bewilligt erhalte» kann; die Truppensiihrcr, die die Bondel- zwarts zur Ergebung veranlaßt und diese Mitteilung als schönste Gabe dem deutschen Volke aus den Weihnachtstisch legten! Was an Truppen zurückgezogen werden kann, wird zurückgezogen. Darüber ist kein Einsichtiger im Zweifel. Politische Tagesschau. Aue, 4. Januar 1907. Für den Humor im Wahlkampfe sorgt der Kandidat der Konservativen und 19 Mittel- ständler für Liegnitz-Eoldberg-Gaynau, Herr Buchholz aus Schöneberg bei Berlin. In der konservativen Liegnitzer Zeitung läßt dieser Herr eine ulkige Reklame für sich machen. Die Kandidatur ist so unglücklich, sie entbehrt so jeder Zugkraft, daß man zur Anpreisung des Kandidaten auf die merkwürdigsten Dinge verfällt. Man höre und staune: Herr Buchholz hat laut Liegnitzer Zeitung folgende Beziehungen zu Liegnitz: Er „steht" in verwandtschaftlichem Verhältnis zu einem längst toten. KUrschnermeister aus Liegnitz, ebenso zu einem früheren Kreissekretär, der einmal in Liegnitz gewohnt hat! Ist das nicht großartig? Rechtfertigt das nicht ohne weiteres die Kandidatur des Herrn Buchholz? Aber es kommt noch mehr: Herr Buchholz hat einen Schwiegervater in Dresden, der nicht nur in Neukirch an der Katzbach geboren ist, sondern auch in einer Liegnitzer Drogerie vor vielen Jahren als Stift gelernt hat! Das müßte eigentlich genügen. Wir sind jedoch, — so schreibt das Zentrumsblatt, der Liegnitzer Anzeiger — in die angenehme Lage versetzt, der verehrten Kol legin noch einige, ihr anscheinend unbekannte Beziehungen des Herrn Buchholz zu Liegnitz zu verraten: Ein angeheirateter Neffe des Großonkels mütterlicherseits des Herrn Buchholz mußte als Untertertianer des Gymnasiums „zum grauen Elend" in Berlin am 25. Juli 1878 zwei Stunden nachsitzeu, weil er die Jahreszahl der Schlacht bei Liegnitz in hartnäckiger Weise falsch angab; ferner ist das aus Oberschlesien stammende Dienstmäd chen einer ledigen Großtante des Schwiegervaters in Dresden zweimal mit dem Personenzug 4. Klasse durch Liegnitz durch- gcfahren, wobei ihr das eine Mal durch einen Landsmann der beim hiesigen Grenadier-Regiment diente, aus dem Liegnitzer Bahnhöfe ein Schnitt Vier kredenzt wurde! — Wir sind über zeugt, daß bei genauen Nachforschungen diese Beziehungen des konservativen Kandidaten zu Liegnitz sich als noch be deutend umfangreicher Herausstellen werden, als die gute Lieg uitzer Zeitung sich je hat träumen lassen. Wie's in Marokko aussieht. Parteigänger Raisulis sind in Bahrim vier Kilometer von Tanger bei einem ehemaligen Anführer der Leute Raisulis, der portugiesischer Schutzbefohlener ist, einge brochen und haben diesen mit drei seiner Verwandten gefangen genommen. Eine andere Abteilung von Raisulis Leuten soll in der Nacht zum Donnerstag Leuten vom Stamme der Beni Msuar, die zum Markte nach Tanger zogen, einen Hinterhalt gelegt haben. Mehrere Menschen sollen getötet sein. — Die Armee des Sultans hat ihr Lager abgebrochen, ist dann in guter Haltung durch Tanger durchmarschiert und hat sich danach zu der Stelle gewendet, wo die Anhänger Raisulis einen portu giesischen Schutzbefohlenen angegriffen haben. — Man glaubt, daßGebbas letzte Nacht in Euarez, eine Stunde von Zinat entfernt, lagern und heute früh in Zinat eintressen wird. Der spanische Geschäftsträger übergab gestern dem Schweizer Bundespräsidenten eine Note seiner Regierung Uber die Be schlüsse der Marokkokonferenz, soweit sie speziell die Schweiz be- tresfen. Der Bundesrat wird sich demnächst mit der Frage be-