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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PränmmrationS- PreiS 22! Sgr. (- Thlr.) rierteliädrlich, 3 Tdlr. für da« ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Momirchic. für die Man pränumerirt auf dicke« Neiblatt der Allz. Pr. Staars- -Zeitung in Reelin in der Expedition (Mohren-Straße Nr. 34); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wohllobl. Poll - Aemtern. Literatur des Auslandes. 110. Berlin, Mittwoch den 13. September 1837. England. Britische Spicilust. Um dem Ursprünge der Spicllust in England nachzusorschen, muß man ziemlich weit zurückgehen. Schon unter Richard Löwenherz, und eben so unter König Johann, waren Gewinn und Verlust beim Würfelspiel die vornehmste Belustigung der Großen; und wie weit diese Belustigung getrieben wurde, kann man daraus abnehmen, daß selbst der Pomp und die Ehre des Ritterlhums nicht im Stande waren, die Ritter von diesem bezaubernden Zeitvertreibe abzuzichcn. Matthew Paris ermahnte die verbündeten Barone mit strengen Worten, der Wuth des Spiel-Tyrannen zu widerstehen und den Würscln zu entsagen, da ihre Pflicht sie in den Kampf rufe. Wirklich Halle das Schmettern der KricgStrompele keine so begeisternde Wirkung aus sie, wie das Rasseln der Würfel. Selbst die Ehre wurde dieser unwürdigen Leidenschaft zum Opfer gebracht, und zwar sogar von einigen jener tapferen Kämpen, denen England viele feiner fchätzbarstcn Gerechtsame und Freiheiten verdankt. Bedürfte es aber eines noch stärkeren Zeug nisses für die unter den damaligen Anglo - Normannen herrschende Spielwulh, so fänden wir es in dem zweiten jener Gesetze, weicht die verbündeten Könige von England und Frankreich im Jahre IISO für das Heer gaben, das gegen die Sarazenen ausgerüstet war. Kraft des erwähnten Gesetzes sollten Ritter und Kleriker täglich nur 2V Shilling wagen dürfen; den Soldaten und Matrosen aber war alles Spielen um Geld streng untersagt. Unter späteren Regierungen war das Spielen, obschon allgemein verdammt, ein Zeitvertreib, dem Jedermann huldigte, und wie verderblich diese Leidenschaft auf die Sitten des Englischen Volkes wirkte, namentlich zur Zeil der Elisabeth und ihrer unmittel baren Nachfolger, läßt sich aus einer Phrase Shakespeare s schließen, wo die Eide der Spieler für sprüchwörllich falsch erklärt werden. Auch unter der Regierung Karl s II., von dem man sagen kann, daß er Unglück halte, ebne dadurch weiser zu werden, griff die Spiel- wulb aus eine bedrohliche Weise um sich. Mit Karl's Tode ließ die Raserei des Spielens nach; aber unter der klassischen Negierung der Königin Anna gewann sie nicht nur bei den höheren Ständen ihre alte Kraft wieder — sic grassirle auch so sehr unter dem Volke, daß sie die besondere Aufmerksamkeit der Gesetzgebung aus sich zog. wie folgen der Artikel lehrt: „Sintemalen verschiedene lüderliche Personen sehr kostspielig leben, und doch keine sichtbare Prosession, Geschäft oder Beruf haben, wovon sie sich ernähren konnten, sondern diese Ausgaben lediglich von Spiel- Gewinnsten bestreiten: so verfügen wir hiemit, daß die Magistrate alle dessen verdächtige Personen, die in ihrer Gerichtsbarkeit leben, vorladen (ollen. Wenn nun dergleichen Personen nicht das Gegentheil vor dem Magistrale darlhun können, so soll man sie auf zwölf Monate gegen Bürgschaft zu gutem Betragen verpflichten; in Ermangelung hinläng licher Bürgschaft sollen sie inS Gcfängniß kommen, bis sie dieselbe finden können; aber auch die gestellte Bürgschaft soll verwirkt sehn, wenn sie, zu welcher Zeit es seyn möge, um mehr als 20 Shilling wetten oder spielen." An einem anderen Orte der Gesetz-Sammlung Königin Anna'S «ird das eben angesührtc Statul wiederholt eingeschärsl und Einiges ergänzt. Da heißt cs unter Anderem, daß Jeder, der erweislich inner halb 24 Stunden 10 Pfd. Sterl, oder darüber bei einer Spiel-Partie -gewonnen oder verloren habe, das Fünffache der Summe als Strafe bezahlen solle. Ein späteres Stalut (600. II. 0. 23) legt den Besitzern jedes öffentlichen Hauses, wo dienende Personen spielen dürfen, und eben so den Bedienten, welche beim Spielen ertappt werden, Geldstrafen auf; Nicht weniger streng waren die Verfügungen gegen ihre Herren. Unter Georg I. „„d II- wurden die Hazard-Spiele durch das Gesetz (ür Loltcriecn erklärt, und Personen, die solche Spiele in ihren Häusern duldeten, ln eine Geldbuße von 200 Pfd. genommen; die Spieler selbst mußten jeder SO Pfd. erlegen. Obschon man aber die Hazard - Spiele und das Pharo unter Georg l. und Georg II. mit so schwere» Geldbußen bedrohte, wurden sie Loch, der Gesetzgebung zum Trotz, mit ungeheurem Eiser gespielt. Lord Oxford erzählt in seiner Korrespondenz mit Horace Walpole einige Anekdoten, die unS einen Begriff davon geben können, wie sehr man diesem Laster sröhule- Im Januar I73S schreibt der Lord, nachdem «r sein Erstaunen über "°°s Selbstmord ausgedrücki: ° ° selbst würde, so geschickt er sich auss Wellen verstand, wohl unbedenklich gewettet haben, daß jeder andere Engländer sich eher entleiben würde, als er. Dennoch hat dieser Mann, den die öffentliche Meinung sür den gescheidtcstcn Kopf seiner Zeit erklärte, allem Anschein nach, aus Unzufriedenheit mit seinem Schicksal sich erschossen Er verlor 1200 Psd. jährlich durch den Tod des Lord Albemarle, und 400 Psd. durch den Tod des Lord Gage. An demselben Tage hielt er gleich um die Statthalterschaft Virginien an, und drang mit solcher Ungeduld auf Antwort, daß Herzog N—, dem es, wenn er die Bedürfnisse Anderer, ja selbst seine eigenen, befriedigen sollte, nie auf einen Tag ankam, sich höchlich darüber verwunderte. Unser °°° wollte aber mit seinem Ge suche einen Spiel er wurs lhun — einen Wurf auf Leben oder Tod! Als der Bescheid ungünstig ausfiel, zog er verschiedene Personen dar über zu Nathc, wie man seinen Ledcussadcu am bequemsten abschncidcn könnte; dann lud ec eine Gesellschaft zum Diner bei White, und spielte nach der Mahlzeit Whist, bis der andere Tag — der Morgen des neuen Jahres — graule. Lord Berlin trank ihm ein glückliches neues Jahr zu. Am Morgen ließ eine GcrichtSpcrson kommen, diktirle vor drei Zeugen seinen letzten Willen, den man ihm auf sein Geheiß zwei Mal vorlesen mußte, und fragte daun den Advokaten, ob dieses Testament auch, im Fall er sich entleibte, Gültigkeit Haden würde? Als man ihm eine bejahende Antwort gab, sagte er: „Entschuldigen Sie, wenn ich aus einen Augenblick ins nächste Zimmer gehe." Er ging und — erschoß sich. Er hatte das Pistol so sest an seinen Kopf gedrückt, daß man keinen Schuß Hörle. — °°° war ein Mann, dec, wie Dcmoiores, selbst Gefühle und Neigungen einer Berechnung unter warf. Bald nach der Verhciralhung seiner Tochter fragte man ihn, ob sie in gesegneten Umständen seh? — „Ans mein Wort", sprach er, „ich weiß cs nicht; ich habe nicht darum gewettet." Diese Antwort erinnert mich an eine Anekdote aus neuerer Zeit. Der berühmte Witzling, Herr Hare, traf eines Tages zu Bath, wo er immer schweres Geld sitzen ließ, de» bekannten Major Brereton, und fragte ihn ganz vertraulich, wie cs jetzt mit ihm stände? „Leidlich gut", antwortete dieser (er meinte sein Glück am Spieltische); „indeß hat mich vor kurzem ein Unfall betroffen — ich habe meine Frau ver loren." — „„Beim Hazard oder beim Quinze?"" fragte Hare. Im Februar I7S8 schreibt Lord Oxford: „Das Tagesgespräch ist jetzt die Katastrophe des Herrn "°°, der sein ganzes Vermögen beim Hazard-Spiel verschleudert bat. Neulich verlor er einmal in Einer Nacht 32,000 Pfund, wovon er jedoch den größeren Theil bald wieder gewann. Die ehrsamen Bürger eilten, als die Summe dieses Ver lustes zu ihren Obren kam, nach St. James-Street in das Wbilesche Lokal — sie hofften Engel mit flammenden Schwertern zu finden, und fliehende Teufel mit Würfel-Büchsen, wie sie in Sadeler'S Eremiten ab- konterfeil sind." Unter Georg III., besonders in der Periode zwischen 1772 und dem Anfang des Amerikanischen Krieges, gab cs ungeheure Ereignisse in der Spielcrwclt. Mehrere der hochbegabtesten Männer jener Zeit gehörten auch zu den wackersten Kämpen beim Hazard-Spiele. Wie Lord Lau derdale berichtet, so wurde einmal die ungeheure Summe von 3000 Pfund am Pharo-Tisch auf Eine Karle gesetzt; und eine nicht minder gültige Autorität meldet uns, daß der berühmte Fox zweiundzwanziz Stunden hinter einander Hazard spielte und in jeder Stunde 200 Psund Sterling verlor ! Dieser mit Recht gefeierte Mann war dem hoben Spiel so leidenschaftlich ergeben, daß man ibn einst sagen hörte, der erste irdische Genuß scy Spielen und Gewinnen, der zweite aber, Spielen und Verlieren! Noch bleibt uns der KoryphauS am Spieltische zu erwähnen, ein Mann, dessen Leidenschaft sür daS Spiel eben so einzig und unerreicht, oder wenigstens unübertroffen genannt werden kann, wie seine Geschick lichkeit in fast jeder Art von Spielen. Es war der Major Aubrey, von dem man lagt, daß er, als er die Würfel zum ersten Mal rasseln hörte, wie Karl XII. von Schweden, als die ersten Kugeln ibn nmsaustcn, mit Begeisterung auSrief: „Dies soll binfübro meine Musik seyn!" Wäb« reno aber Karl XII. durch seine Musik geiödtct wurde, lebte Aubrey, Dank der seinigen, viele Jahre in Glanz und Wohlstand. Er gewann und verlor drei Vermögen beim Spiele; sein Abenteurer-Leben endete aber ungefähr so, wie es begonnen, d. h. er bezog in scurem letzten Jabre eine kleine Rente, die er klüglich außer dem Bereiche des Spielerglücks placirt batte. Aubrey war übrigens, wie es schien, ein geborenes und erkorenes Spielwerk in Fortuna'« Händen. AIS er in seinem JünglingS- Atter nach Indien unter Segel ging, brach in dem Schiffe ei» Heuer auS; der junge Aubrey sprang über Bord, und rettete sich, ans einem Hübner- korbe schwimmend, bis ein Boot ihn ausnahm. Er entkam, wie durch ein Wunder, den Haifischen, die bei jener Gelegenheit, wie so häufig in seinem späteren Leben, nach ihm schnappten. Der Charakter dieses merkwürdigen Mannes bekräftigt zur Genüge, was in dem vorhin er-