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Schönburger Tageblatt 1906 TounerStag, seu 1. März »r'chtinl täglich mit »u-nahme der Tage nach Sonn- und Festtagen für di. nächst«. Nummn bisPormittag« '/'llUdr. /bonnemeutSprei« beträgt vierteljähr- Pf. Einzeln. Nrn. lv Pi. Z°ile lO Pf.,für «uSwärt« lüPs. L«».L«rischer Satz wird dopp.lt berechn»:. Filialen: in Lltstadtwaldendnrg bei tzen« Otto Först«; inLallenberg deiHrn.Sti«»pf< wirk« Fr. Herm. Richt«- in Kausmig»» bei Herrn Fr. Janaichek; in Langenchursdorf bei Herrn H. Stiegler: in Penig bei Herrn Wil helm Dahl«; in Rochsburg bei Herrn P«M Zehl; in Wolkenburg bei Herrn H«m. Wild«. Hain; in Ziegelheim bei Herrn Eduard Kirst« «-»sp-ech.. N,.' 9. Amtsblatt für das Königliche Amtsgericht und den Stadtrat zu Waldenburg. — — Zugleich wett verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Lichtenstein-Caünberg und in den Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: Z lstadt-Waldenburg, BräunSdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursdorf, Langenleuba-Niederham, Langer- leuba-Oberhain, Mederwiera, Oberwiera, Oberwinkel, OelSnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Schlagwitz, Schwaben, Wolkenburg und Ziegelheim. und Valienburger Anzeiger. Wittermugsb »richt, ausgenommen am 28 Februar, Nachm. 3 llhr. Vstrsmeterftau» 753 mm reduziert aus den MeercSs^egei. Therw »meterstand -f- 6" 6. (Morgens 8 llhr -j- 6" 6. Tiefste Nachttemperatur -s- 6" 6.) Keuchtizleiu- gezalt der Lust nach Lambrechts Polymerer 74° o. Laupnnkt -st 1,5 6. Windrichtung: West. Niederschlagsmenge in den letzten 24 Stunden bis früh 7 Uhr: 1,« mm Daher Witteruugsaussickten irr den 1 März: Wolkig bis halbheiter. 'Waldenburg, 28. Februar 1906. Ein wichtiger Wendepunkt ist für unser wirtschaftliches Leben gekommen: am 1. März treten die neuen Handels. Verträge mit Oesterreich-Ungarn, Rußland, Italien, der Schweiz, Belgien, Rumänien, Bulgarien und Serbien in Kraft. Da- mit erhalten auch die geschäftlichen Beziehungen zu den Län- dein, mit denen wir im Metstbegünstigungsveikchr stehen, wie Frankreich, England, Japan, Argentinien re. eine andere Grundlage. Unsere Beziehungen zu Nordamerika, Spanien, Portugal, Schweden harren noch der Neuregelung, es wird aber vermutlich dabei eine von der jetzt eingeschlagenen Richtung nicht allzu weit abweichende Linie einzuhallen ge. sucht werden. Was die Acnderung bedeutet, ist bekannt: die Landwirt, schäft, die in den Verträgen von 1892 und 1894 die Zeche dafür hatte bezahlen muffen, daß unserer Industrie die Absatz. Möglichkeit auf eine Reihe Von Jahren gesichert wurde, erhält künftig etwas größern Schuh als bisher, die Industrie wird in einzelnen Zweigen mit Hähern Zollsätzen des Auslandes zu rechnen haben. Es ist, namentlich bei den Verhandlungen mit Oesterreich-Ungarn, nicht gelungen, die Zollsätze der Vertragsstaaten in allen Fällen so zu gestalten, wie es den Wünschen unserer Industrie entsprochen hätte. Ta ist es wohl möglich, daß per flotte Geschäftsgang, der in einzelnen Zweigen vor Ablauf der alten Zolltarife eintrat, weil man niedrigere Zollsätze noch ausnutzen wollte, einer flauern Nach- frage weicht Aber es ist eben bei solchen Verhandlungen nie zu erreichen, daß alle Wünsche erfüllt werden. Wir müssen uns damit trösten, daß unsere Landwirtschaft künftig etwas günstiger dastchen wird, als bisher, und daß die da« von zu erhoffende bessere Kaufkraft des Jnland-Markts unsere Industrie für etwaige Ausfälle im Auslande reichlich ent. schädigen wird. Ohne einige Verschiebungen in der Produktion der einzelnen Zweige wird es wohl nicht abgehen, aber die Energie und Anpassungsfähigkeit unserer Industriellen, die sich schon ost glänzend bewährt haben, wird über entstehende Schwierigkeiten wohl hinweghelfen. Daß unser Verkehr mit dem Auslande nun aus zwölf Jahre hinaus eine feste Grund- läge erhalten hat, an der nicht gerüttelt werden kann, ist auch etwas wert. Die deutsche Zollpolitik ist in den letzten 50 Jahren manchem Wechsel unterworfen, wie dies bei den Veränderun gen, die in den fremden Wirtschaftsgebieten häufig eintraten, nicht anders sein konnte. Der Zollverein hatte sich in den fünfziger Jahren der Versuche Oesterreichs, ein deutsch-öster- reichisch-ungarischeS Zollgebiet zu bilden, erwehrt und suchte infolge dessen Anschluß an Westeuropa, besonders an Frank, reich, wo Kaiser Napoleon durch seinen 1860 mit England abgeschlossenen Handelsvertrag eine Aera des Freihandels begonnen und zunächst eine Blüte der französischen Industrie herbeigesührt hatte. Im Jahre 1862 kam der preußisch, französische Handelsvertrag zu Stande, dem 1865 der ge. samte Zollverein beitrat. Die freihändlerische Entwickelung gipfelte 1873 in der Aufhebung der Eisenzölle, alle Roh. stosse und fast alle Fabrikate hatten von da ab zollfreien Eingang, nur für einige wenige Industriezweige, wie die Textil-Jndustrie, blieb ein übrigens recht unerheblicher Schutz bestehen. Aber die Freihandels-Periode dauerte nicht lange. Die in andern Ländern, namentlich in Rußland, Oesterreich, regende schutzzöllnerische Richtung, die unsern i » de" Absatz erschwerte, und die Ueberschwemmung durch englische Waren zwangen dazu, . b-imiirb- " bisherigen Handelspolitik zu verlassen und d-r HE -H n Produkt« den deutschen Markt zu sichern. Der Zolltarif von 187g sorgte dafür, daß die deutsche Landwirtschaf enigstenz nicht weiter zurückgedrängt wurde, die deutsche M re aber bedeutende Fortschritte machen konnte. Unter dem Einflüsse dieses Aufschwungs der Industrie konnte dann 1885 der <Lch>,tz Landwirtschaft weiter aus. gedehnt werden. Ein durch schlechte Ernten im Jahre 1891 hervorgerufener hoher L-land der Getreidepreise, der Wunsch, unserer Industrie die drohende Erschwerung des Exports nach wichtigen Ausfuhrländern zu ersparen, endlich auch politische Rücksichten führten 1892 und 1894 bei der Er neuerung der Handelsverträge zu einer Abschwächung der Schutzzoll-Politik, denen jetzt nun eine Wendung zu einem wirksamer« Schutz unserer Landwirtschaft folgt. Wie sich die Tinge unter dem Einfluß der neuen Handels. Verträge gestalten werden, das läßt sich noch nicht übersehen. Tie schwierigste Frage, die unsere Beziehungen zu Amerika betrifft, bleibt ja überhaupt noch ungelöst. Gerade sie aber deutet an, welche Schwierigkeiten uns für die Zukunft er» wachsen. Wir werden in Zukunft mit drei großen geschlossenen Wirtschaftsgebieten rechnen müssen, die auf uns nicht im ge» ringsten angewiesen sind, Rußland, England und Amerika. Rußland war diesmal nicht in der Lage, es aufs äußerste ankommen zu lassen, weil es mit zu großen innern Schwierig- ketten zu kämpfen hat. In England hat Chamberlains Agitation für eine neue Zollpolitik sich noch nicht durchgesctzt. Nordamerikas Haltung ist noch nicht ganz klar. Sollten diese drei Mächte aber später sich gegen uns absperren wollen, was immerhin möglich wäre, dann wäre ein mittel» europäischer Zollbund der einzige Ausweg. Er hat schon dem Grasen Caprivi 1892 vorgeschwebt, damals freilich war das noch zu früh. Aber trotz aller entgegenstehenden Schwierig, leiten wird man diesen Gedanken nicht aus dem Auge ver- lieren dürfen. Ob den jetzt in Kraft tretenden Handels verträgen jemals ähnliche folgen können, ist durchaus nicht sicher. Wir müssen daraus gefaßt fein, daß unsere Handels politik künftig energischen Widerstand findet. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Tas Doppelfest im Kaiserhause, ganz besonders die silberne Hochzeit unseres Kaiserpaares, ist im ganzen Deutschen Reiche und von den Deutschen im Nuslande in schönster Weise gefeiert worden. Von nah und fern liegen Berichte über die zahlreichen festlichen Veranstaltungen vor und es zeigt sich, daß der Reichsgedanke unerschütterlich stark und fest ist, daß die Liebt und Verehrung zu dem Kaiser und der Kaiserin nach wie vor im Herzen der großen Mehrheit des Teulschen Volkes wurzelt. Die Hauptfeier spielte sich am Dienstag programmgemäß ab. Der Festtag war durch die Kirchenglocken eingeläutet worden Gegen Mittag nahm das Kaiserpaar die Glückwünsche der Familie und der fürst- lichen Gäste zur silbernen Hochzeit entgegen, Prinz Eitel Friedrich und seine Braut empfingen die Präsidien des Reichstags - und deS preußischen Landtags. Grau in Grau zeigte sich der Himmel, der zudem seine Schleusen öffnete, aber Unter den Linden wurde es mit jeder Stunde leben diger. lleberall, vor allem in der Nähe des Schlosses, dichte Scharen, welche die Anfahrt der fürstlichen Hochzeits gäste, der Minister, der Vertreter fremder Staaten, der Generalität und Admiralität beobachteten. 4*/, Uhr schlug es vom Turme der Schloßkirche, da wurde im Kurfürsten- zimmer die standesamtliche Trauung des Prinzen Eitel Friedrich und der Herzogin Sophie Charlotte durch den Hausminister v. Wedel vollzogen. Das Kaiserpaar, die Ge schwister des Bräutigams und die Eltern der Braut wohnten dem Akte bei. Hierauf ordnete sich der Zug zu dem Gange nach der Schloßkirche. Unier großem Vorantritt schritten die Majestäten, das Brautpaar und die Fürstlichkeiten einher, der Kaiser und die Kaiserin im Silberschmuck, Prinz Eitel in der Uniform des 1. Garderegiments und die Braut im prachtvollen weißen Kleide mit langherabwallendem Schleier und kostbarer, von Pagen getragener Schleppe. Auf dem Haupte trug sie die Prinzessinnenkrone, mit der sie von der Schwiegermutter geschmückt worden war, und den Myrten kranz, in den Händen den mit Juwelen besetzten Prinzessinnen, sächer und das aus weißen Nelken mit blühenden Myrten bestehende Brautbukett. Das Gotteshaus zeigte im Innern grünen und silbernen Schmuck im Verein mit herrlichen Blumengewinden. Unter Orgelklang und Gesang des Tom- chors vollzog sich der Einzug des Hofes, bei dessen Er scheinen sich die anderen geladenen Gäste erhoben haticn. Totenstille, dann hielt Oberhofprediger Tiyander die Wcihe- rede. Er gedachte der doppelten Bedeutung des Tages und flehte den Segen des Allmächtigen auf das kaiserliche Jubel paar, das Gott bis hierher so gnädig geführt, und auf das junge Paar herab. „Nun aber bleibt Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei, aber die Liebe ist die größte unter ihnen," dies war das Leitmotiv des greisen Geistlichen. Tiefe Er griffenheit malte sich in den Zügen der Majestäten und seiner Kinder wie der Gäste. Neue Jubelchöre, neues Orgelspiel nnd unter diesen brausenden Klängen verließ der Hof die Schloßkirche. Draußen, im Lustgarten, donnerten die Kanonen, ihr eherner Gruß teilte der Stadt die voll zogene Trauung mit. Um 6 Uhr fand im Weißen Saale große Tefiliercour statt. Ihr folgte das Hochzeitsmahl, bei dem der Kaiser den Trinkspruch auf die Neuvermählten hielt, herzliche Worte findend. Tas Fest schloß mit dem Fackel tanz in altgewohnter Weise. In der zehnten Abendstunde fuhr das junge Paar nach dem Stettiner Bahnhof, um nach herzlicher Verabschiedung die Fahrt nach dem märkischen Jagdschloß Hubertusstock anzutreten, wo die Flitterwochen verlebt werden. Die Stadt war in hervorragend schöner Weise beleuchtet. Neben dem bescheidenen Kerzenlicht, daS ganze Häuserreihen erhellte, Gaslicht und Glühlichter in allen Farben. Es war in dieser Beziehung mehr als sonst üblich geschehen; mit den großen Kaufhäusern wetteiferten die staat lichen und städtischen Gebäude, die Banken und viele Privat häuser. Der Himmel schien stellenweise wie in Glut ge taucht. Eine ungeheure Menschenmenge bewunderte das prächtige Schauspiel und drängte nach dem Schlöffe, um deu Majestäten zu huldigen. Die Reichseinnahmen aus Zöllen und Verbrauchs steuern haben sich recht günstig entwickelt. Sie beliefen sich in der Zeit vom 1. April 1905 bis 31. Januar 1906 auf fast 724'/, Mill. Mk. oder 41,18 Mill. Mk. mehr. Die Mehreinnahme war mit 56,6 Mill. Mk. aus den Zöllen eine sehr bedeutende, andererseits weist die Zuckersteuer noch immer einen Fehlbetrag auf, diesmal von rund 11 Mill. Mk. Der Ueberschuß der Reichs-Post- und Telegraphen-Verwal- tung beträgt bisher 32'/, Mill. Mk. Die Untersuchung wegen des Verkaufs von Wassen und Munition aus den Beständen der deutschen Heeres verwaltung nimmt immer noch ihren Fortgang und hat jetzt wieder zwei Verhaftungen im Gefolge gehabt. Ten Verhaftungen in Posen und Bromberg find jetzt auch leider solche in Spandau gefolgt. Tort fanden vor einiger Zett bei verschiedenen Einwohnern Haussuchungen nach Gewehren und Patronen, sowie nach Schriftstücken statt, die sich auf deren Erwerb bezogen. Jetzt sind 2 beteiligte Personen, der Privatbüchscnmacher Günßel und der in einem könig lichen Institut beschäftigte Schlaffer Groß in Untersuchungs haft genommen. Günßel betrieb schon seit Jahren einen umfangreichen Handel mit alten Waffen in voller Oeffent- lichkeit. Groß war an seinen Geschäften zeitweise beteiligt. Es soll nun der Verdacht herrschen, daß ein Teil der in den Verkehr gebrachten Waffen von Militärpersonen verkauft worden ist, die nicht berechtigt waren, darüber zu verfügen. Es handelt sich also um rechtswidrige Aneignung Militär- fiskalischen Eigentums, Verrat militärischer Geheimnisse kommt nicht in Betracht. Ueber das diesjährige Kaisermanöver werden die näheren Bestimmungen jetzt amtlich veröffentlicht. Es findet zwischen dem 3. (brandenburgischen) und 5. (posischen) Armee korps einerseits und dem 6. (schlesischen) Korps andererseits statt. Letzteres wird verstärkt durch die 77. Jnfanteriebrigade und durch die 1. sächsische Feldartilleriebrigade Nr. 23. Für beide Teile werden Kavalleriedivisionen A. und B. aufgestellt, auch werden ihnen Luftschifferabteilungen beigegeben. Zur Bildung von Proviantkolonnen werden herangezogen: TaS