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Mtmum Anzeiger Erscheint Dienstag, Donnerstag u. Sonnabend. Abonnementspreis einschließlich der illustrirten Beilagen „Gute Geister" u. „Zeitbilder" sowie des illustr. Witzblattes „Seisenblasen" 1,50 Ml. ZeitlNtz fir Tharauds SeiseMrs, Inserate kosten die Spaltenzeile oder deren Raum 10 Pf., für auswärtige Inserenten 15 Pf. Tabellarische Inserate werden doppelt berechnet. Annahme von Anzeigen für alle Zeitungen. Groß- und Kleuwlsa, Obernaundorf, Hainsberg, Somsdorf, Cotzmannsdorf, Lüban, Borlas, Spechtritz re. Mit verbindlicher Publikationskraft für amtliche Bekanntmachungen. Nummer 60. Dienstag, den 22. Mai 1900. 13. Jahrgang. Ans Nah und Fern. — Am 19. Mai und — Schneetreiben! Da bei eine Temperatur wie 8 Tage vor Weihnacht. Einen solchen, allen Lenzgesühlen Hohn sprechenden Frühling dürfte die jetzige Generation kaum schon erlebt haben! An jenem Tage warf der Himmel stundenlang Schneemassen herab, wie sie selbst im vergangenen Winter nicht beobachtet wurden, und Straßen und Dächer bedeckten sich blitzschnell mit mehrere Zoll hohem Winterkleid. Traurig sahen die hungernden Vöglein drein und suchten vergeblich für sich und ihre frierende, kleine, zum Theil noch nackte Familie ein Würmlein znr Nahrung. Auch die Pflanzenwelt leidet schwer unter diesem geradezu unheimlich zu nennenden Zustand. Die Blüthe der Kusche war zwar größtentheils schon vorüber, aber Birnen und Aepfel sollen in manchen Gegenden empfindlichen Schaden erlitten haben. Die Saaten bleiben im Wachsthum zurück und bangen Herzens sieht der Laud- Wirth der nächsten Zukunft entgegen. Und machtlos, wie der Mensch den Naturereignissen gegenübersteht, bleibt ihm nur der Trost, daß die Natur schon oft gut zu machen verstand, was sie anscheinend versäumt. — Rabenau hat seit Mitte Mai einen Steucr- aufseher- Der Grenzaufseher Herr Schmieder aus Johnsdorf bei Zittau wurde von dort nach hier versetzt. — Wie wir hören, soll Rabenau auch in nächster Zeit Gendarmerie-Station erhalten. — Gegen die Schleppe, die sich leider mit diesem Sommer aller Orten breit macht, nimmt die „Berl. Klinische Wochenschrift" mit allen Vernunftsgründen von Neuem de« Kampf auf. Sie weist auf die Gefahren hin, welchen durch die Verbreitung infektiöser Keims die mehr oder minder schönen Trägerinnen der Schleppe sich selbst und ihre Angehörigen aussetzen. Aber das führende Aerzte- Organ ist sich auch bewußt, daß in dieser gemeinschädlichen Mode selbst die klarsten Vernunftsgründe nicht durchschlagen, und erklärt resignirt: Man möchte an der Einsicht der Menschen verzweifeln und mit dem bekannten Hauspoeten ausrufen: Mohr bleibt schwarz und Thor bleibt dumm, das ist ihr Privilegium! — Freitag, den 25. Mai, vormittags halb 10 Uhr, findet öffentliche Sitznng des Bezirksausschusses der König!. Amtshanptmannschaft D r e s d e n - A l t st. statt. —In der am vergangenen Sonntag in Dippoldis walde stattgefundenen Delegirtenversammlung der Gruppe Dippoldiswalde wurde beschlossen, falls der Gesangverein „L i ed e r k ra n z" in Großölsa nicht abschlügt, das nächste gemeinsame Sängerfest am Sonntag, den 23. Sept., am Gasthofe daselbst abzuhalten, andernfalls soll die Fest lichkeit in Dippoldiswalde stattfinden. — Am Mittwoch hat das bisher in einer Nerven heilanstalt in Tharandt untergebrachte Frl. Helene Dittrich mit dem Zuge 12.43 Tharandt verlassen, um nach Chemnitz zu fahren, ist aber in Chemnitz nicht cingetroffen. Die Angehörigen setzen auf die Auffindung der Vermißten 100 Mk. Belohnung aus. — Dem gestrengen Servatius zum Opfer gefallen ist der Schneider Lübosch aus Dresden. Er war längere Zeit im Krankenhause zu Kalau und vor einigen Tagen geheilt entlassen worden. Da er völlig mittellos war, nächtigte er im Freien und ist in der Nähe von Uckrow erfroren. — Hierdurch gestatten wir uns, die Aufmerksamkeit ans ein deutsches Fabrikat, Pfund's Condeusirte Milch, hergestellt von der Dresdner Molkerei Gebrüder Pfund in Dresden und London L. 0., zn lenken. Bis jetzt ist dieselbe noch von keiner anderen übertroffen worden. Sie ersetzt gewöhnliche Milch in jeder Beziehung. In erster Linie ist sie ein altbewährtes Nahrmittel sür Säuglinge und kleine Kinder. Die Milch entstammt Kühen der besten Rassen, welche sich unter steter thierärztlicher Kontrolle befinden nnd mit peinlicher Sorgfalt gefüttert werden. Vor ihrer Condensation wird Pfund's Condensirte Milch sterilisirt, d. h. keimfrei gemacht, welches Verfahren in den Händen bewahrter Aerzte und Chemiker liegt. Hnnderte von Anerkennungsschreiben stehen Pfund's Milch zur Seite. Der Werth, welchen diese Condensirte Milch im Haushalt und in der Küche hat, wird jetzt allgemein geschätzt. Giebt es wohl anch etwas Bequemeres sür die Hausfrau oder den Koch? Während früher Milch zu gewissen Zeiten (z. B. in der Nacht, an Sonn- und Festtagen rc.) überhaupt nicht zn haben war, nimmt man jetzt einfach eine Dose von Pfund's Condensirter Milch und kann ans diese Weise nie in Verlegenheit kommen. Ein weiterer Bortheil von Pfund's Condensirter Milch ist die ebenso praktische wie bequeme Aufmachung; die Dosen sind sogenannte Falz- - dosen, ohne jedwede Lötung und mit einem Patentöffner versehen, der - es jedem Kinde ermöglicht, die Dose mit Leichtigkeit zu öffneu ! Messer nnd Schcere sind überflüssig und ein Verletzen der Hände beim Ans- j schneiden ganz ausgeschlossen. Siehe Inserat! - — Durch Verbrühen ums Leben gekommen ist der Maschinist Franz Dnrstewitz in Rixdorf, welcher dort l in einer Preßhefefabrik beschäftigt war. D. wollte eine - auf dem Fabrikhofe befindliche Sammelgrube überschreiten, i welche nur leicht verdeckt war; ec stürzte hiueiu und wurde von den fast kochenden Abwässern schrecklich verbrüht. Im Britzer Krankenhaus ist er infolge der schweren Brand wunden verstorben. — Jugend von heute. Das Landgericht in Hall (Württemberg) verurtheilte die 17 jährigen Gymnasiasten Teufel aus Nürnberg und Kuntz aus Heidelberg, die sich am 6. März in Hall regelrecht duellicten, wobei Kuntz einen Streifschuß in die Brust erhielt, zu 4, bezw. 3'/z Monaten Festungshaft. — Der Kommandant des zur Abreise nach Südamerika auf der Kieler Rhede klarliegenden Kreuzers „Vineta", Kapitän zur See von der Gröben, ist am Sonnabend plötzlich am Herzschlag gestorben. — In Weliky-Gorobiz (Rußland) stürzte während der Andacht ein Theil des Kirchengewölbes ein, wodurch 12 Personen getödtet und 21 verletzt wurden. — Der Great Northern Expreß-Zag stürzte vom Damm. Soweit bekannt, sind acht Personell schwer verletzt worden. — Günstlings-Carriöre. „Was für Carriöce macht denn der Graf?" Der „macht Vordermänner zu Hintermännern!" Der Herkules. Erzählung von L. Maurice. iNochdruck uerdoleu.) „Mit Vrgnügen," erklärte Herr von Marienfels wieder sein Notizbuch hcrvorholeud. „Danke, danke," wehrte jedoch der Eclenmüller ab, einen halb mißtrauischen, halb spöttischen Blick auf den Fremden werfend. „Ist nicht nöthig, habe schon meine Verbindungen." Braunmsiser hatte inzwischen das Glas des Freundes und das eigene gefüllt, während der Baron sein Notizbuch wieder ciustcckie und seinen Kelch dann ebenfalls ans der eigenen Flasche versah, worauf die Drei anstießen, was jedoch Seitens des Erlenmüllcrs dem Baron gegenüber nur zögernd geschah; die Anwesenheit desselben schien ihm nicht z» behagen. „Wie denkst Dn den Nachmittag zu verbringen?" fragte er den Frcund- „Ich war schon halb entschlossen, mit der Liese da wieder nach Hanse zu fahren. Aber jetzt denke ich, wir bleiben beisammen und gehen am Abend zu den Faxen machern. Ich sehe dergleichen für mein Leben gern. Na, und wenn die Vorstellung zu Ende ist, fahre ich mit der Liese nach Hause zurück." „Damit würde ich doch lieber bis mor./u warlen. Es soll sich in letzter Zeit allerhand Gesindel in der Um gegend herumtreiben. Verschiedene Leute sind angesalleu und beraubt worden. Und Dn hast, wie es scheint, ziemlich viel Geld bei Dir?" „Das wohl, aber auch ein Paar starke Arme. Außer dem fährt der Knecht MU." „Ich würde trotzdem die Nacht hier bleiben." „Es geht nicht; wir werden zu Hause erwartet. Meiu Weib würde sich, wenn wir ausbliebcn, zu sehr ängstigen." „So schicke ihr Botschaft." „Ah, dummes Zeug. Weiß denu Jemand etwas von meinem Gelde? Mache Dir darum weiter keiu Kopfzer brechen, Eclenmüller. Prosit! Prosit, Herr Baron." Der Letztere hatte der Unterhaltung, mit seiner dicken Uhrkette spielend, anscheinend nicht die geringste Beachtung g schenkt. „Prosit, Herr Branumeiser, Prosit, Herr Eclenmüller," sagte er nun und leerte sein Glas. Dann sah er ans die Uhr und meinte, sich erhebend: „Ich muß jetzt zu einem Rendez-vons mit einem Freunde. Heute Abend habe ich also bestimmt das Vergnügen, die Herren in der Alhambra wiederzusehen?" „Gewiß, Herr Baron, wir kommen," entgegnete Bcaun- meiser. „Und wegen des Weiteren?" „Ist Alles bestens vermerkt," lächelte Herr v. Warten fels, reichte den Beiden die Hand, machte dem Mädchen am Fenster eine Verbeugung, die dieses nicht beachtete, und tänzelte aus dem Zimmer. „Wie konntest Du Dich uur mit diesem Windbeutel entlassen?" fragte sofort der Eclenmüller. „Warum nicht? Ich hoffe gelegentlich ein gutes Geschäft mit ihm zu machen." „Darauf würde ich noch nicht so stark rechnen." „Ec hat kürzlich beim Frohberger, wie er mir sagte, zwölf Stück Vieh gekaufi." „So? Nun, darüber kannst Dn Dir ja bald Ge wißheit verschaffen. Einstweilen sieht mir der Herr nicht nach einem Gutsbesitzer aus." „Dem muß ich allerdings zustimmm. — Liese," wandte er sich dann schroff zu dem Mäschrn am Fenster, „hast Du das Stehen da noch nicht bald satt? Hier ist ein guter Freund, der Eclenmüller, den sollst Du begrüßen !" Die Angeredete kam näher und reichte dem Müller die Hand. „Holland nnd Türkei!" zürnte ihr Vater. „Kannst Du dazu kein frenudlicheres Gesicht machen?" „Halt, Kaspar," sagte der Eclenmüller, „Kukuksrufe und eine lustige Miene lassen sich nicht erzwingen, „Gelt, Mädel? Es wird auch schon wieder eine Z il kommen, wo Du munterer ausschaust, wie?" „Das dürfte sie jetzt auch!" schrie der Alte. Was ist denn groß vorgegangen? Ich jagte einen Knecht, der sich heransgenvmmen hatte, ihr schön zu thun, davon. Sie soll einen anderen wackeren Burschen, der Haus und Hof be sitzt, zum Manne nehmen, und da —" „Einen wackeren Burschen, Vater?" unterbrach ihn das Mädchen mit zuckender Lippe. „Emen rohen Gesellen und einen Trunkenbold, mit dem ich, wenn ich ihn heirathete, unglücklich würde!" „Ach was, unglücklich! Als Dein Manu geht er nicht mehr ins Wirthshaus, wozu ihn j tzt nur sein Alleinsein zwingt. Das habe ich Dir schon hundertmal vorgepcedigt! Du würdest Dich auch sicher nicht so obstinat zeigen, wenn Dir nicht der freche Bursche, der Berthold, noch immer im Sinn läge!" „Habt Ihr je einen treueren, fleißigeren Knecht gehabt? Hat er bei seiner Riesenkraft nicht für Sechs geschafft? Hat sein vernünftiger Rath Euch nicht stets Vortheil ge bracht? Wie sieht es dagegen jetzt zu Hause aus? Einen Knecht nach dem andern nehmt Ihr an und schickt ihn wieder fort, weil Euch Keiner genug thut; ewig Z mk und Streit!" Der Alte kratzte sich hinter den Ohren. „Das ist schon wahr," brummte er; „einen so tüchtigen Arbeiter bekomme ich niemals wieder- Hätte er sich nicht herausgenommen, mit Dir schön zu thun, wären wir noch beisammen." „Wo steckt er denn jetzt?" fragte lebhaft der Eclen müller. „Ich könnte gerade solch' ein Juw.l gebrauchen." „Auf und davon ist er," knurrte Braunmeiser. „Ja," fuhr das Mädchen lebhaft fort, „und geschworen hat er, nicht zu ruheu und zu rasten, bis er sich so viel Vermögen, wie es der Vater besitzt, erworben hat. Dann dürfe ihn derselbe nicht mehr als Schwiegersohn abweisen." „Und inzwischen bist Du eine alte Jungfer geworden," rief der Bauer, „und mir thut kein Zahn mehr weh!" „Aber ein wackerer Mensch scheint er doch zu sein," bemerkte der Eclenmüller. „Woher stammt er denn?" „Aus unserem Dorfe," entgegnete Liese. „Seine Eltern waren arme, aber unbescholtene Leute." „Seit wann ist er von Euch fort?" „Ein halbes Jahr ist's her." Der Eclenmüller gab dem Mädchen einen verstohlenen Wink, den sie richtig anffaßte. Sie erhob sich und erklärte dem Vater, sich drüben beim Kaufmann ein Halstuch kaufen zu wollen, wozu der Alte geru seine Einwilligung gab. Als Liese das Zimmer verlassen, begann der Eclen müller: „Hm, hm, Kaspar, überleg' Dir die Sache mit dem Freier Deiner Tochter doch noch einmal. Sie ist ja Dein einziges Kind!" „Das ist sie, aber darum soll sie doch nicht ihren Willen durchsetzen." „Was kann es Dir aber nützen, den Deinigen erreicht zu haben, wenn sic, für die Du Dich jetzt quälst, für die Dn arbeitest, unglücklich wird. Ich wüßte nicht, ob ich nicht in Deinem Falle dem Berthold, wenn er wirklich eine solche Stütze für Dich war, das Mädel gegeben hätte." „Holland und Türkei! Fängst Du jetzt auch noch an mir den Kopf warm zn machen?" „Kaspar, alter Freund, der Kopf wird Einem nie von außen warm gemacht; er bekommt sein Feuer von innen heraus. In Dir selber sagt eine Stimme, daß Dn ver nünftiger hättest handeln sollen. Geh' nochmals mit Dir zu Nathe. Und jetzt von 'was Anderem." — Fortsetzung folgt. -