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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration--Preil 22z Siibergr. Air.) vierteliäiirlich. Z Tbir. sür das gan,egabr, ebne brbödnnq. in atlen Titelten der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Den n. Somp., Jägerstraße Rr. 28). so wie von allen Königl. Post-Aemtern, angenommen. Litcrntur dcs Auslandes. .W' 105. Berlin, Freitag den I. September 1843. Pole». Jan Dlugos; und seine Chronik.') Die Vcränderungcn, welche während des fünfzehnten Fahrh'undcrtS in dem inneren Zustande Polens, in dein Umfange der LandeSgränzcn und in dem Verhältnisse dcs Regenten ;n dem Volle kintraten, übten zugleich mit den Fortschritten der Bildung in dem westlichen Europa einen nicht geringen Einfluß ans die Polnische Geschichtschreibung aus. Die Gränzen von Alt-Polen, welche bis zur Elbe und Saale vorgeschoben waren, zogen sich bis zur Oder und weiter zurück; dafür dehnten sie sich in Folge der Vereinigung von Polen und Lithauen im Osten und Norden aus. Die oberste Gewalt, die während der Herrschaft der Piasten wenig beschränkt gewesen war, schied sich unmerklich in die ausübende und gesetzgebende, und es entstanden die Reichstage. Die Wisienschastcn, deren Träger bis dahin vornehmlich die Geistlichen gewesen waren, drangen, nachdem die Krakauer Akademie durch Wladyslaw Fagiello in neuem Glanze erstanden war, auch in die weltlichen Kreise: in den Zeitansichten erfolgte ein neuer Umschwung und damit glich in der geschichtlichen Darstellung, ein immer lebhafteres Fntcresse für die vaterländische Geschichte ward rege. Dazu kamen der nenerwachte Sinn für die klassische Literatur und die glücklichen Nachahmungen Römischer Geschichtschreiber in Italien, die von dorther nach Polen verpflanzt wurden. Kallimach schrieb die Geschichte Polens in Römischem Latein. ES schwand der trockene fragmentarische Ehronikenstyl, er ward zu immer vollerer Ge schichtschreibung: nicht mehr über Wunder allein und die Gründung von Klöstern und Bisthümern, oder über die Verheiratungen der Fürsten, sondern auch über die wichtigen inneren Angelegenheiten des Landes, über dessen Ver hältnisse zu den nachbarlichen Staaten tauchten Berichte in den Chroniken auf. Diese Epoche einer neuen Polnischen Geschichtschreibung, die aus dem Geiste und den Fortschritten der Zeit im fünfzehnten Jahrhunderte mit Noth wendigkeit hervorging, beginnt mit Dlugosz. Er hat schon eine höhere Auf fassung der Geschichte und stellt sie der Philosophie zur Seite. „Die Historie", sagt er, „die Keuntniß der vaterländischen und fremden Begebnisse, ist nach der Ansicht der Weisen nicht weniger als die Philosophie die Mutter der Tugenden und die Führerin des Lebens; sie führt dem mensch lichen Geschlechte nicht geringere Vortheile zu, als die Philosophie selbst. Denn obgleich die Philosophie den Menschen zur Tugend antreibt, so ist doch in der Geschichte ein mächtigerer Anstoß zu großen Entschlüssen und Thaten zu finden; während die Philosophie nur erwärmt und zuredet, stellt die Ge schichte wie in einem Spiegel dar, auf welche Weise die Geisteskraft, die Bescheidenheit, die Klugheit und die Gottesfurcht in Thaten sich äußern. Daher ergötzt die Geschichte die Gelehrten eben so wie die Ungelehrten: sie schreibt keine Regeln vor, sie predigt keine Lehren, sie disputirt, sie streitet nicht, einfach erzählt sie die Tbatcn ausgezeichneter Menschen, lehrt die Tugend kennen, den Werth hoher Ehren schätzen und erfüllt die edlen Seelen mit der Sehnsucht nach unsterblichem Ruhme." Zan DlugoSz Wicniawita ist einer von den Männern, denen es zu eng wird in einer Biographie. Er ward im Jahre lälb in Brzezniea geboren. Den ersten Unterricht erhielt er in dem Städtchen Korczpn, das zur Starostei seines Vaters gehörte, und lernte mit solchem Eiser, daß er oft noch vor TageS-Anbruch, wenn Bitten nichts halfen, unter Thräncu und auf den Knieen von der Stadtwache Einlaß in Vas Städtchen begehrte, in dem die Schule sich befand. Später schickte man ihn nach Krakau, wo er eine Zeit lang von einem sehr strengen Magister unterrichtet wurde, daun in das Oalloxium äivirum eiutrat und drei Fahre lang der Dialeklik und Philosopdie oblag. Da er von seinem Vater nicht hinlänglich unterstützt wurde, trat er in das HauS des Bischofs von Krakau, Zbigniew Olesnicki, ein, wo er einen anständigen Unterhalt und Gelegenheit zu weiterer Ausbildung zu finden hoffte. Sehr bald erwarb er sich des Bischofs Gunst: anfangs nur zu den Amtsgeschäften, dann auch zu den häuslichen und allen übrigen zngezogcu, besaß er 22 Jahre lang dessen größtes Vertrauen und war einer der Voll strecker seines letzten Willens. Zwar erregte dies die Mißgunst der Hokleute und selbst deS Bruders des Bischofs, des Woiewoden von Sandomir, J?drzcz Olesnicki, doch durch Sanstmuth und Geduld, wie durch sein rechtliches Ver halten, wußte DlugoSz die Neider zu entwaffnen. 'i AuS dem -,<n Baude von Wi Sz u ieiv st i'- Poinisäer Litcmnicgesibicbtc. ilkw- kau iE., Nachdem er sich mehrere Fahre zum geistlichen Stande vorbereitet hatte, wurde er in seinem Tasten Fahre zum Priester geweiht. Der Bischof Zbigniew nahm ihn unter die Zahl der Domherren von Krakau aus und trug auf ihn die besten Pfründen und Probsteien über. Man klagte Dlugosz deshalb dcr Habsucht an, doch die edle Anwendung, die er von seinen großen Einkünften machte, rechtfertigt ihn hinlänglich: Alles verwandte er zum Besten des Landes und der Kirche, rr gründete und schmückte Gotteshäuser uud baute die verfallenen aus. Der Bischof Zbigniew erkannte in Dlugos; alsbald eine besondere Ge schicklichkeit bei verwickelten diplomatische» Geschäften, und daher sandte er ihn mit Bewilligung der bei Korczpn versammelten Magnaten und dcr Königin Sophia nach.Ungarn, wo nach dem Tode des Königs Wladyslaw Ul. von Pole» und Ungar» zwilchen Fohann Humad, dem Ungarn, uud deni Böhmischen Herrscher Fskra blutige Streitigkeiten entstanden waren. In Krcmnitz, wo sich die beiden Feldherren mit ihren Heeren befanden, versöhnte Dlugosz nach sechstägigen Verhandlungen die Streitenden und unterdrückte glücklich den Krieg, der das Ungarische Reich verheerte. Das war seine erste That auf diplomatischem Felde. Rach der Eroberung von Konstantinopcl durch die Türken sandte ihn der König Kasimierz von Polen zu dem Papste Nikolaus V. und dem Kaiser Friedrich : dann im Fahre >46« nach Bytomia, wohin Georg Podiebrad zu de» Friedens-Unterbandlungen mit Kazimierz seine Bevollmächtigten geschickt hatte. Seiner Verdienste ungeachtet verfiel Dlugosz daraus in Ungnade bei Hoke. Als nach dem Tode des Bischofs von Krakau, Thomas von Strzempina, der König Kasimierz den Bischof und Kanzler Fan Gruszczpnski, einen Mann von nicht eben musterhaften Sitten, auf den erledigten BEchosSstuhl setzen wollte, erklärte sich Dlugos; mit seinem jüngeren Bruder, der ebenfalls Kanonikus von Krakau war, uud einem großen Theile der Domherren mW akademischen Lehrer offen für Fakob aus Sienna, einen Ncffcn des inzwischen zu», Kardinal erhobenen Zbigniew. Auch der Papst empfahl denselben, und 1'0 erwählte ihn das Kapitel zum Bischok. Der König, darüber aufgebracht und durch die Wojcwoden Miclecki, Lukas Gorka und Stanislaw Ostrorog gereizt, befahl, den größten Theil dcr Domherren, darunter auck> dic beiden Dlugosz, aus Krakau zu vertreiben und ihr Vermögen zu konfiszircu. Fast unter den Augen deS Königs wurde des Dingos; HauS überfallen und Alles auö demselben hinweggenomnicn, und als deshalb eine Klage an den König kam, antwortete er, Dlugosz verdiene eine »och größere Beschimpfung. Da derselbe sogar sein Leben in Gefahr sah, so begab er sich mit Fakob aus Sienna aus die Beste MelSztpn. Drei Fahre verlebte er im Eril, und wahrscheinlich während dieser Zeit machte er in Begleitung des MalteserrittcrS Johann von Hohen berg eine Wallfahrt nach Fcrusalcm. Indessen legte sich dcs Königs Zorn, und er war bemüht, den Mann, der ihm wegen seiner seltenen und bewährten Fähigkeiten zu politischen Ver handlungen gerühmt worden war, zu versöhnen: er schenkte ihm wieder sein Vertrauen, ließ ihn an den Berathungc» Theil nehmen, und seitdem ward keine wichtige Angclegeuheit ohne Dlugosz' Einfluß erledigt. Fm Fahre l i<iZ wurde er zu den Unterhandlungen mit den Kreuzrittern zugezogen, welche mehrere Fahre dauerten. Er war einem Kriege mit ihnen entgegen, weil er in dem Könige Kasimierz keine kriegerischen Eigenschaften ersah. Unterstützt durch den Nath vcs päpstlichen Legaten, entwarf er tm Bcrciii mit den Ncchtsgclchrten und Theologen der Krakauer Akademie die Friedensbedingungen. Später, im Fabre 1167, begab er sich als Gesandter des Polnischen Königs zu Georg Podiebrad, welcher durch den Papst Paul II. der Böh- mischen Krone sür verlustig erklärt worden war, und brachte diesem den Rath, sich mit der Kirche zu verlohnen. Noch hattc er den Zweck seiner Sendung nicht erreicht, als ihm dcr König, während er mit seiner Gemahlin Elisabeth eine Reise nach Lilhauen unternahm, die Aussicht über seine Söhne übertrug. Dlugosz blieb in diesem Amte eines Erziehers mehrere Fahre und wußte in seinen Zöglingen Neigung zu den Wissenschaft» zu erregen. Nach dem Tode Georg Podiebrads geleitete cr einen derselben, den I7jährigen Wladyslaw, den dic Böhmen zu ihrcm Könige erwählt batten, mit vielen geistlichen und weltlichen Herren nach Prag. Nur ungern ließ er fick zu Vieser Reise bereit finden: er hatte eincn Widerwillen gegen die Böhmen, weil sie von der Kirche abgefallcn waren. „Mein Sohn bat zwei Väter", sagte ihm der König, „einen leiblichen, der ihm das Leben gegeben, und einen geistigen, der ihn erzogen hat; soll er denn beider auf einmal beraubt sepn t" — Dlu- gvSz blieb in Prag, bis Wladyslaw zum Könige gesalbt war.