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18 3 Mrz 1854 Erscheint Dienstags und Freitag». Zu brzieyen durch alle Postanstal- ien. Preis pro Quart. lONgr. Inserate Weißeritz-ZeitungM genommen. Ein unterhaltendes Wochenblatt für den Bürger und Landmann. verantwortlicher Redactcur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Die Nähe der Entscheidung. Die Gewitterwolken, welche sich am östlichen Ho. rizont gebildet haben, werden immer dunkler u. schwär, «er, und Niemand kann sagen, ob sie den ganzen Him- mel überziehen und sich im wilden Schlachtendonner entladen werden. Der Kaiser von Rußland, der den Frieden von Europa auf'S Spiel seht, hat die letzten Friedens. Vorschläge, welche ihm von London und Paris aus zugingen, und auch den sehr ehrenwerthen und ver söhnlichen Brief des Kaisers Napoleon verworfen und respektive ablehnend beantwortet. Da also Rußland um jeden Preis die reichen Gefilde der Türkei und die wichtigen Wasserstraßen des Bosporus und der Dardanellen erobern will, selbst auf die Gefahr hin, daß dabei Europa in den ver. Leiblichsten Krieg gestürzt wird, so sind nicht allein die Interessen Englands in Gefahr, sondern auch die Ehre Frankreichs und Brittannienö gebieten, dem herrschsüchtigcn Uebermuthe und der Eroberungssucht Rußlands, welches den Frieden der Welt stört, mit aller Macht die Spitze zu bieten. Bereits hat der „Moniteur", die französische Staatszeitung, gestanden: „cS seijedeFriedenS-- hoffnung geschwunden". Daß England und Frankreich nach dein zu langen Zögern endlich Ernst machen werben mit einem Kampfe gegen Rußland, steht nun nicht weiter zu bezweifeln und die enormen Kriegsrüstungen ver beiden Länder beweisen dies. Bereits werden auch Anstalten getroffen, 80,000 Hilfs truppen für die Türkei, theilS Franzosen, theils Eng. länder, einzuschiffen. Sobald die Ostsee frei vom Eise sein wird, läuft sofort ein englisches Geschwader dort ein, um die russischen Küsten zu blokiren. Es wird also zunächst einen Seekrieg geben, bei welchem Rußland jedenfalls den Kürzer» ziehen wird, da Eng. land der Zahl und Manövrirfähigkeit seiner Schiffe nach ein ungeheures Uebergewicht über Rußland hat, wozu noch die respektable Flotte Frankreichs kommt. Allein der türkisch-russische Krieg läßt sich nicht allein zu Wasser auömachen; in der zweiten Periode des Krieges werden erst Schlachten zu Lande entscheiden, wer Sieger bleiben wird. Siegt Rußland, gewinnt dieses die weiten Stre, Len der untern Donau und des Balkans,'so werden sofort die Türkei und die Donauprovinzen dem euro- päischen Handel »erschlossen, waö Deutschland großen Schaden zufügen würde. Rußland erhielte auch zu- gleich ein solches Uebergewicht in Europa und einen solchen Machtzuwachö, daß. es fortan unüberwindlich in Europa dastünde. Rußland hätte eS dann in sei ner Gewalt, Deutschland Gesetze vorzuschreiben und seinen mächtigen Einfluß geltend zu machen. Die Unabhängigkeit Mitteleuropa'S, seine Cultur und Ge sittung wären dann in Gefahr, von der großen Uni- versalmoaarchie der Slaven erstickt zu werden. Und was eine Fremdherrschaft Trauriges in ihrem Gefolge hat, haben wir in den schlimmen Jahren von 1806 bis 1812 erfahren. Der Ausgang eines Kampfes zwischen Rußland und den westlichen Seemächten hängt schließlich da- von ab, welche Stellung Oesterreich und Preußen in diesem Kampfe nehmen werden. Noch haben sich beide Staaten ihre Neutralität Vorbehalten und also weder für Rußland noch für die Westmächte entschie den. Allein sobald die Kriegserklärung erfolgt sein wird, werden die deutschen Mächte nicht blos rüsten müssen, sondern die Stunde der Entscheidung wird dann bald kommen; beide deutsche Großstaaten wer den wählen müssen zwischen einem Bündniß mit Ruß land oder mit den Westmächten. Beide Hauptgegner suchen Alles aufzubieten, um die deutschen Großmächte auf ihre Seite zu bringen. Zu diesem Zwecke hat jüngst das englische Ministerium enthüllt, welche trau rige Rolle die russische Politik 1850 gegen Preußen gespielt hat, als, die Heere dieses letztem Staates und Oesterreichs nahe daran waren, in einen deutschen Bürgerkrieg in Hessen zu gerathen; zu demselben Zweck stand in diesen Tagen im Moniteur: „Die französische Politik sei nicht zweideutig; sie werde weder einen Angriff Griechenlands auf die Türkei, noch eine Collision an den Alpen gestatten, wenn Oesterreich im Oriente vereint mir Frankreich handelt." DaS heißt deutsch: Wenn Oesterreich in seiner sogenannten Neutralität beharren will, dann wird Frankreich nichts gegen eine Erhebung der Griechen und Südslaven Oesterreichs, auch nichts gegen eine etwaige Revolution in Oberitalien haben. Darum rückt bei solcher Stellung Frankreichs die Entscheidung für Oesterreich immer näher, und sie ist für diesen Staat nicht.leicht, da bei einem östlichen wie bei ei nem westlichen Bündnisse große Gefahren sein können und Niemand im Voraus die Wechselfälle des Krie ¬ ge« übersehen kann. Aber die Entscheidung rückt mit jedem Tage näher. Rußland rüstet bereits im Nor den eben so, wie im Süden. Die neuesten Nachrich ten sagen, daß zwischen Riga und Memel eine Ar mee ausgestellt wird. Im März kommt die englische Flotte in die Ostsee. Mögen Preußen und Oester- reich sich bald mit England und Frankreich zur Be kämpfung unserö nordischen Erbfeindes vereinigen.'