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Ujesaer H Tageblatt Frrnsprechslevt Rr. »0 . und Anzeiger Metta« and Anzeiger). Amtsblatt der König!. Amtshanptmannschast Großenhain, des König!. Amtsgerichts nnd des Stadtraths zu Riesa. 188. Mittwoch, IS. August 1894, AveudS. 47. Jahr« DaS Riesaer Tageblatt ericheiut jeden Tag Abends mit Ausnahme de» Sonn- und Festtage. Vierteljährlicher Bezugspreis bei Abholung tn den Expeditionen in Riesa und Strehla, den U>i»gMch>MM^ sowie am Schalter der lai,erl. Postanstalten 1 Mart 25 Ps., durch dir Träger srei ins Hau» I Mark 50 Ps., durch den Briesträger frei tn» Hau» 1 Marl SS Pf. Anzeigat-Annah», pr hch de» Ausgabetage» bi» Bormittag S Uhr ohne Gewähr. Druck und Verlag von Langer L Winterlich in Riesa. — Geschäftsstelle: Kaslanienstraß« VS. — Für die Redaktion verantwortlich: Her». Schmidt in Riel«. »ssssssssss—SSiSSSS^SSSSSSSSSS für das „Riesaer Tageblatt" erbitten uns spätestens bis " A 8 " Bormittags v Uhr des jeweiligen Ausgabetages. Die Geschäftsstelle. Jin Hotel zum „Kronprinz ' hier sollen Sonnabend, den 18. August 1894, Vormittags 10 Uhr, 1 Schreibtisch, 1 Vertico, 1 Sopha, 1 Kleiderschrank, 1 Sophatisch, 1 Regulator und 3 Rohr stühle gegen sofortige Bezahlung meistbietend versteigert werden. Riesa, 14. August 1894. Der Ger.-Vollz. des Kgl. Amtsger. Sekr. Eidam. EPhoralfest »es Großenhainer Vereins für Süßere Mission. Dasselbe soll TvNNtap, den 19. August, Dom. 13 p. Trin., in Etriesten gefeiert werden. Beginn des Gottesdienstes Nachmittags 3 Uhr; Festpred ger: Herr Pfarrer Auerswald aus Ponickau Nachversammlung im Pfarrhofe oder in der Kirche. Nach der Eröffnung durch den Vorsitzenden: Berichterstattung durch Herrn Archidiaconus Wilsdorf und Herrn Bürgerschullehrer Zschimmer. Hierauf Mittheilungen des Herrn p. Pauk-Lorenzkirch, des Ortspfarrers u. A.; sowie Borträge des Strichlier Posaunenchors. Für den Festzug wolle man sich in der Pfarre versammeln und die gedruckten Lieder in Empfang nehmen. Der Vorstand des Ephoralvereins. O. Harig. TugeSgeschicht«. Das mitgetheilts Verdikt der Geschworenen im Pariser Anarchistenprozesse wird in der Presse mehrfach besprochen und es erregt dasselbe allerwärtS Verwunderung. Die „L. Z." meint, daß der neueste Urtheilsspruch von Neuem die große Zerfahrenheit zeige, die in Frankreich herrsche. Ein mal werden die Anarchisten schnell und rücksichtslos abge- urtheilt und dann werden sie wieder unvermutheter Weise sreigesprochen. Ersteres geschieht zumeist in den Provinz städten, auf die der Vollblut pariser mit Hochmuth herabblickt, in denen man sich aber ein gesünderes Unheil und moralischen Muth gewahrt hat. Wie wenig angebracht dieser Freispruch war, bewies schon der Erguß, den Rochefort in seinem Blatte vor dem Ausgang des Prozesses von sich gab. Eine Probe aus dem „Erbrechen" überschriebenen Artikel mag hier folgen. Rochefort schreibt: „Es ist zum Uebelwerdcn. Der Schwur gerichtssaal ist zum Spucknapf geworden, es ist, als ob man sich auf einem Schiff befände, wo jedes Wort des Vorsitzen den ein Schaukeln hervorbringt, das auch den Magen in den Mund treibt. Es rst ekelhaft, zum Erbrechen ekelhaft. Wie ist es möglich, daß Frankreich, so lief es auch gesunken ist, sich das Vaterland von Leuten nennt, die so viel Jesuitis- mus, Schamlosigkeit und Böswilligkeit in sich verkörpern! Das Gericht behandelt Jean Grave und Ssbastien Faure, wie Caserio den. Präsidenten Carnot behandelt hat. Es ist Massenmord und Todesurtheil ohne Vertheidigung, und der Vorsitzende, der das leitet, was man, wahrscheinlich ironisch, Verhandlungen nennt, giebt sich nicht einmal die Mühe, das zu verbergen." — Auf der Seite der Gegner des Anarchis mus ist man natürlich über die Ehrenrettung der Anarchisten, wie sie durch den Freispruch erfolgte, sehr entrüstet. Sogar ein offiziöser Ausspruch aus Berlin liegt heute vor, den die „Post" mit halbamtlichen Lettern wiedergicbt: Gesetzgebung und Exekutive in Frankreich, heißt es da, haben sich in Ge stalt des Anarchistengesetzes eine neue und brauchbare Waffe gegen den Anarchismus geschaffen. Dabei haben sie aber leider ohne die Geschworenen gerechnet, welche in Paris wenigstens schon bei früheren Anlässen gezeigt haben, daß sie sich in ihren Wahrsprüchen mehr von der Furcht vor anar chistischen Revanchedrohungen, als von der Rücksicht auf die Anforderungen des gemeinen Wohles leiten lassen. Der Ausgang des seit mehreren Tagen verhandelten Pariser Anarchistenprozesses stellt dem sittlichen Ernste der Geschworenen gerade kein sehr ehrend.s Zeugniß aus. Mit Ausnahme von zweien wurde die ganze Verbrechergesellschaft freigesprochen, und diese Beiden, welche allerdings eine exemplarische Frei heitsstrafe zudiktirt erhielten — 15 bezw. 8 Jahre Zwangs arbeit — wurden beileibe nicht etwa wegen ihrer anar chistischen Umtriebe, sondern blos wegen Diebstahls bestraft. Diese Leistung der Pariser Geschworenen wird auf den Anar chismus schwerlich entmuthigend wirken. Deutsche- Reich. Ueber den Aufenthalt des Kaisers in Aldershot entnehmen wir einem Berichte der „Voss. Z." vom 13. d. M. noch folgendes: „Auf dem weiten, von dunk lem Gehölze umrahmten, mit Rasen und rothem Heidekraut bedeckten Zaffanselde fand heute Vormittag 10 Uhr die große Parade der durch Garde aus London und Windsor verstärkten Truppen des Standlagers in Aldershot statt. Vier Jnfan- teriebrigaden, fünf Kavallerieregimenter, berittene Infanterie, Genietruppen und Truppen anderer Waffengattungen, im Ganzen 12000 Mann mit 58 Geschützen, nahmen daran »heil. Die Parade stand unter dem Oberbefehle des Herzogs von Connaught, der mit Stern und Band des Schwarzen Adlerordens geschmückt war. Die Truppen nahmen drei Seiten des riesigen Vierecks ein ; zwischen der Kavallerie und der Artillerie war die Infanterie in langgestreckter rother Linie ausgesiebt, nur durch die dunkle Uniform der Schützen brigade unterbrochen. Die Stadt Aldershot war festlich be flaggt; alle Straßen und Fenster war-m besetzt. Der Kaiser langte um 9'/» Uhr an und stieg am Bahnhofe, wo die Ehrenwache satutirte, mit seinem Gefolge zu Pferde. Außer halb des Bahnhofes war eine Schwadron des ersten könig- lichen Drägoner-RegimentS, dessen Chef der Kaiser ist, aus. gestellt, die auf dem Ritte nach dem Paradefelde seine Ehren wache bildete. Der Kaiser ritt sein aus Berlin hierher ge- sandles Leibroß und trug die Uniform seines englischen Dragoner-Regimenls: einen rothen Koller, silbernen Helm und schwarzen Haarbusch, Band und Stern des Hosenband ordens. Fortlaufendes Harrahrufen begrüßte ihn. Es war 10'/, Uhr, als der Kaiser mit seinem glänzenden Gefolge auf das Paradefeld sprengte. Der Herzog von Connaught, der Höchstkommandirende, ritt ihm mit seinem State ent gegen. Kanonendonner und Bolkshymne verkündeten die An kunft des Kaisers, der vor dem Salutposten, an dem die deutsche Kaiserstandarte wehte, Aufstellung nahm. Außer dem Herzoge von Connaught waren keine englischen Prinzen zu gegen. Nach der Begrüßung der Herzogin von Connaught, die mit ihren Töchtern in offenem zweispännigen Hoswagen > erschienen war, wurden die Fronten der Truppen abgeritten, deren Hurrahrufen und Musik über das Feld herübcrtlangen. ' Der Vorbeimarsch begann mit den vereinigten Kapellen der Garde- und Linien avallerie, die sich dem Kaiser gegenüber ausstellten und die Defilirmupk spielten. Es folgten die Horseguards, die Scotsh Greys, Husaren, Dragoner, reitende Infanterie, sowie Artillerie. Als sich die Schwadron seiner Dragoner näherte, zog der Kaiser den Säbel und führte sie vor dem Herzoge und der Herzogin von Connaught vorüber und sprengte alsdann wieder zur Seite des Herzogs von Connaught, der mit gezogenem Säbel zur Rechten des Kai sers hielt. Alsdann marschirte die Infanterie vorbei, Garde- Grenadiere mit Bärenmützen, schottische und wallisifche Fü siliere, letztere mit ihren weißen Ziegen-Hochländermützen, und andere Fußtruppen. Die Kavallerie defilirte zuerst im Schritte, dann im Trabe, zuletzt im Galopp. Die Jnfan- terie marschirte in Kolonnen, sodann in Regimentern, zuletzt in Brigadeform vorbei. Zum Schluffe rückte die Infanterie in ihrer zu einer langgestreckten Masse geordneten, geschlos sene» Gesammtheit vor, machte kurz vor der Standarte Halt und salutirte, während die Kapellen „Heil Dir im Sieger kranz" spielten. Der Kaiser drückte dem Herzoge von Con naught die Hand und beglückwünschte ihn zu der Leistung der Truppen. Die Parade dauerte volle drei Stunden und nahm bei günstigem Wetter einen äußerst glänzenden Verlauf. Schon vor einigen Monaten ist der ReichSbank durch das Anerbieten eines sehr hohen Jahreseinkommens seitens eines grogen Berliner Bankinstituts ein bewährter Beamter, der langjährige Leiter einer bedeutenden Zweiganstalt der Reichsbank, entzogen worden. In nächster Zett steht der Reichsbankverwaltung noch ein erheblicherer Verlust bevor. Eine große Aktienbank hat abermals durch das Angebot eines hohen Einkommens, und zwar eines solchen, das selbst das der höchsten Beamten des Reichs und des preußischen Staats übersteigt, einen hervorragenden Beamten, und zwar em älteres Mitglied des Reichsbankdirektoriums selbst, bewogen, den Reichsdienst zu verlassen und in ihre Direktion al» Mit ¬ glied einzutreten. Die „N. A. Z." bemerkt dazu: „Wir wollen nicht mit den betheiligten Beamten darüber rechten,. ob sie nicht besser der Versuchung widerstanden hätten, ledig lich um großer finanzieller Vortheile willen ihre angesehcne Stellung-im öffentlichen Dienste mit der in einer privaten Erwerbsgesellschaft zu vertauschen; denn es mögen dabei mancherlei private Erwägungen und Rücksichten maßgebend gewesen sein. Aber nicht billigen können wir die Handlungs weise jener Aktiengesellschaften, welche, ohne Rücksicht auf die dadurch verletzten öffentlichen Interessen, durch das Anerbieten von Gehältern, wie sie der Reichsdienst nicht zu gewähren vermag, der Reichsbankverwaltung gerade ihre besten Kräfte abspenstig machen. Ein solches Verfahren im Priaatleben als „unlauteren Wettbewerb" zu bezeichnen, würde Niemand Anstand nehmen. Dem öffentlichen Dienst gegenüber dürfte dasselbe noch härtere Beurtheilung verdienen. Es kann nicht fehlen, daß dergleichen Vorgänge das bisherige gute Ver- hältniß der Reichsbank zu den Aktienbanken zu trüben ge eignet sind, und nicht dringend genug kann vor einer Wieder holung derselben gewarnt werden. Ob die in ganz anderer Richtung geschulten, an eine andere Betrachtungsweise ge wöhnten Reichsbankbeamten sachlich die Erwartungen der Erwerbsgesellschaften, welche sie mit bedeutenden Opfern ihrer Aktionäre zu sich herübergezogen haben, erfüllen können, ist eine andere Frage, und auch diese sollte von den Aufsichts- räthen mehr als bisher erwogen werden." Unter den badischen ^Sozialdemokraten herrscht ein häus licher Streit, der sich hauptsächlich um die Personen Rüdt- Heidelberg und Dreesbach-Mannheim, d. h. um die Frage, wer von Beiden die erste Rolle sptelcn soll, dreht. Nebenher geht auch noch der Unwille der „fortgeschritteneren Genossen" über den dritten sozialdemokratischen badischen Landtagsabgeord neten, Stegmüller-Lörrach, weil dieser in der zweiten Kammer für die Erbauung einer neuen evangelischen Kirche zu Lörrach aus Staatsmitteln eingetreten ist. Nach dem Mannheimer sozialdemokratischen Blatt „Bolksstimme" bemüht sich nun der dortige Parteivorstand, die Vertagung des Streites bis zur Entscheidung des Parteitages durchzusetzen. Der Parteitag wird also diesmal recht reichliche Arbeit haben, um alle die Zwistigkeiten auszugleichen. Tchweiz. Das Züricher Volk hat, wie schon kurz mitgelheilt, am jüngstverfloss nen Sonntag über drei Vor lagen abgestimmt, von denen zwei eine grundsätzliche Be deutung haben. Die erste, auf dem Wege der Initiative vor das Volk gebracht, bezweckt eine Durchsicht der StaatS- verfassung in dem Sinne, daß bei Zumeffung der Sitze im Kantonsrath künftig nur die schweizerische Wohnbevölkerung maßgebend sein soll, statt wie bisher die gesammte Bevölke rung, die Ausländer einbegriffen. Diese Bewegung richtet ihre Spitze gegen die Hauptstadt Großzürich, welche bei der letzten Volkszählung im Jahre 1888 bei 94 200 Seelen rund 21000 Ausländer aufwies und heute bei einer Gesammt- bevölkerung von 122 000 Köpfen deren 30000 zählt. Da» Landvolk befürchtet nicht nur das Anwachsen des sozialistischen Ausländerthums in Zürich, sondern auch ein? Beeinträchtigung der ländlichen Bewohner des Kantons durch die allzu große Zunahme der städtischen Vertreter in der gesetzgebenden Ver sammlung Mi: Rücksicht auf die Fremdenfrage war die übrige Schweiz gespannt auf den Spruch des Züricher Volkes, denn die Zunahme des Fremdenelements ist für einzelne Kantone wie Basel und Genf besorgntßerregend, weil sie dasselbe in Ermangelung eines schweizerischen Bürgerrecht nicht zu assimiliren vermögen. Die zweite Vorlage war eine