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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration»- PreiS 22j Sgr. Tblr.) vierteljährlich, Z THIr. sür das ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man prjnumerirt auf hitsei Literatur-Klatt in Berlin in her Expehition der AUg. Pr. Staati-Zeitung ^FriehrichSstr. Rr. 72); in her Provinz so wie im Auilanh« bei hen Wohllöbl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. 69 Berlin, Mittwoch den 8. Juni 1841 Frankreich. Ein Besuch in la'Trappe. Das weiße und freundliche HauS, welches man schon von weitem sieht und welches jetzt das eigentliche Kloster la Trappe bildet, wird durch eine ziemlich hohe Mauer vom ersten Hofe getrennt. Auf diesem Hose erheben sich die Ueberreste der alten Abtei, welche den Verwüstungen der Revolution entgangen sind und in denen die Trappisten, als sie I8IS aus ihrer Verbannung zurückkehrten, sich zuerst niederließen. Hier ist Alles finster und traurig; hier werden jetzt nur die Gäste ausgenommen, welchen die Barmherzigkeit das Thor öffnet: Vagabunden, Banditen, wenn sich solche melden sollten, Aussätzige, wenn eS deren giebt. Links, wenn man eintritt, zeigt sich die alte Kapelle, das Gasthaus inrra muros, wo die achtbaren Fremden untergebracht werden, das Laboratorium und die Apotheke. Als wir über den zweiten Hof schritten, machte mich der Pförtner auf die Laienbrüder aufmerksam, welche Ochsen zur Tränke führten oder Stroh und Heu nach den Ställen trugen; er zeigte mir die Muster-Mühle, welche das beste Mehl tm ganzen Departement fabri- zirt, und neben dieser Mühle einen allerliebsten Pavillon, wo die Fremden ausgenommen werden, welche man besonders ehren will. Ein großer Garten umschließt rechts und links das Kloster, das durch diesen und durch den Hof völlig isolirt wird. Der Pförtner schellte, und nach einigen Minuten öffnete sich die Thür, ohne daß wir irgend eine Bewegung im Innern vernommen hätten, ohne daß das Kloster irgend ein Lebenszeichen gegeben hätte. Vor uns stand plötzlich ein junger, ganz weiß gekleideter Mönch, der den Kopf vor- beugte, sich auf den Händen zur Erde warf und ausstehend zu uns sagte: IkeneSicite. Dies ist der erste Gruß, den la Trappe dem Fremden entgegensendet. Ich überreichte dem jungen Mönche einen Empfehlungsbrief des Bischoss von Siez, und nachdem mich der junge Bruder in ein enges Gemach geführt, welches das Sprech zimmer vorstellt, verließ er mich, um den Brief dem Prior zu über geben. In dem Sprechzimmer bemerkte ich nur eine Bank, zwei Stühle und einen Anschlag, der Folgendes besagte: Man wird der Begegnung der Mönche so viel wie möglich aus- weichen, besonders wenn sie bei der Arbeit sind. Wenn man einen Mönch bemerken sollte, den man in der Welt gekannt hätte, so darf man sich ihm nicht zu erkennen geben, wäre es auch ein Sohn, ein Bruder, ein Neffe. Die OrdenSräume darf man nicht ohne Begleitung Iles Haus meisters betreten. In der Kirche, im Refektorium, im Schlafsaale, in den Kloster räumen, im Kapitel und in der Küche darf das Schweigen nicht gc. brochen werden. An den Oertern, wo das Sprechen gestattet ist, muß es in wenigen Worten uüd leise abgemacht werden, so daß die Mönche, welche in der Nähe wären, nichts davon hören könnten. Nicht lange, so öffnete sich die Thür, und heraus trat derjenige, welcher der Prior hieß. Hätte ich ihn nicht so nennen hören, so würde eS mir schwer geworben sepn, ihn als solchen zu erkennen, denn in seinem Acußern zeigte sich durchaus nichts Unterscheidendes. Es war ein Mönch von einnehmender Gestalt, der mir wie einem Freunde entgegenkam. Er bedauerte, daß er mir nur einige Augen blicke schenken könne, weil ihn die Vesperglockc gleich in die Kapelle rufen würde; aber, wie er höflich hinzusetzte, wollte er sich für diese Entbehrung entschädigen, sobald er frei sepn würde. Er sagte mir die« mit einer weltmännischen Feinheit, wie man sie nur selten an trifft, und mit Ausnahme des weißen Gewandes und des langen Bartes deutete nichts in seinem Wesen auf den Trappisten hin. Größere Höflichkeit, gewähltere Ausdrücke, herzlicheres Entgegen kommen konnte man nicht finden. Ehe ich ihn verließ, mußte ich ihm versprechen, meine Wohnung im Kloster zu nehmen, nicht aber im Gafthause inrra muros, sondern im Pavillon. Als ich einge- willigt hatte, sagte er: „Die Zeit drängt; man wird Ihnen den Empfang bereiten." Die letzten Worte, die er mit einem etwas leichtfertigen Tone sagte, machten einen unangenehmen Eindruck auf mich; denn ich wußte, worin der Empfang bestand, und ich konnte nicht faffen, wie man von einer so feierlichen Handlung so obenhin sprechen könne. Bei längerem Nachdenken konnte es mir indcß nicht entgehen, daß dieselbe allmäliq zur bloßen Formalität heeabgesunkcn sepn mußte. Der Empfang findet auf. dem Vorhofe statt. Nicht lange war ich daselbst, als ich zwei Mönche auf mich zuschreiten sah, die sich der ganzen Länge nach vor mir niederwarfcn und mich um meinen Segen baten. Es ist Gebrauch, daß die Mönche die Besucher nach dieser Ceremonie ins Sprechzimmer führen, wo sie ihm einige Verse der Nachfolge Christi vorlcsen; aber die Vesperglocke läutete, und die Mönche eilten nach der Kapelle. Ich folgte den Mönchen; man wies mich zu einer Art Tribüne empor, welche die Kapelle in zwei gleiche Theile theilt. Dieselbe ist äußerst einfach und fast ganz schmucklos. Gold und Silber wird durch die Regeln des Ordens ausgeschlossen. Aber sie ist äußerst sauber. Stände sic anderswo, als in la Trappe, so würve ihr der Tourist wohl kaum einen flüchtigen Blick schenken. Hat man indeß die Trappisten, in ihre weißen Gewänder gehüllt, in den Chorstühlen von gebräuntem Eichenholze sitzen sehen; hat man den Gregorianischen Gesang gehört, der wie aus Einem Munde aus zusteigen scheint, so verliert man den Eindruck nicht leicht wieder aus dem Gedächtnisse. Vergebens lauerte ich einem neugierigen Blicke auf. Sie waren Alle bei Gott, und nichts konnte sie von der Unterhaltung mit Gott abziehcn. Indeß zeigte sich keine Spur einer äußeren Eraltation; ihre Begeisterung war heiliger Ernst. Unbe weglich bleiben die Mönche keineswegeS in ihren Chorstühlen. Fast bei jedem Verse der Psalmen stehen sie auf, setzen sich, wenden sich seitwärts oder verneigen sich. Diese wiederholten Bewegungen haben keinen anderen Grund, als die Furcht, der Schlaf möge auf die Augen der Mönche herabsinken, sür welche die Nächte so kurz und die Tage so beschwerlich sind. AuS demselben Grunde muß Jeder aus dem Gedächtnisse singen und, wenn er einen Fehler macht, zur Strafe das Pflaster der Kapelle mit seinen Händen berühren. Es ist nicht in Abrede zu stellen, daß ziemlich häufig Fehler Vor kommen. Als der Gottesdienst beendet war, verließen die Mönche einer nach dem anderen ihre Stühle, still und lautlos wie die Gespenster. An der Thür der Kapelle fand ich einen der jungen Mönche, welche mir den Empfang bereitet hatten. Er sollte das Amt des Haus meisters bei mir versehen. Da wir unter den Bogengängen der Kapelle standen, und da in dieser der Gebrauch des Wortes durch aus untersagt ist, so deutete er mir durch eine Pantomime an, ich möchte ihm folgen, ohne ihn zu fragen, und wir wandelten so nach dem Vorhose. Als wir hier angekommen waren, sagte er mir, ich könne über ihn verfügen. Ich bezeigte zunächst den Wunsch, mein Zimmer kennen zu lernen, und er wies mir augenblicklich den Weg zu demselben. Hier stand ein kleiner Tisch mit einem Tischtuchc. Ein junger Laienbruder erwartete meine Befehle zum Servilen. Ich ersuchte ihn indeß, die Mahlzeit noch nm eine Stunde aufzu- schiebcn. Nachdem ich eine Viertelstunde geruht, traten wir unseren Um lauf an, der zunächst nach dem Pachthofc gerichtet war. Es war nun nicht mehr der Mönch, der sich mir unter dem weißen Gewände offenbarte, sondern der Landwirth, der Ackerbauer. Der Bruder Hausmeister, dem über Alles, was die Trappisten anging, kein Wort zu entlocken war, fand kein Ende, als das Gespräch auf den Land bau kam. Mit freudigem Stolze sprach er von den landwirthschaft- lichen Neuerungen der Brüder; und es läßt sich in der That nicht leugnen, baß in dieser Beziehung hier Außerordentliches geleistet worven ist. Es sind hier Ländereien urbar gemacht worden, von denen man es kaum für möglich gehalten haben würde. Freilich findet man auch an keinem anderen Orte eine so verständige Leitung und einen so unbedingten Gehorsam. Wille und That fallen hier zusammen. Wenn die Stimme, der das Befehlen zusteht, gesprochen hat, so findet sic auch augenblicklichen Gehorsam. ES darf keiner der Brüder die Arbeit fordern, welche ihm am meisten zusagt und welche er am besten versteht; indcß darf man doch überzeugt sepn, daß er immer zu dieser verwendet werden wird. „Wie hart und beschwerlich auch die Arbeit sepn möge", sagte der Bruder Hausmeister zu mir, „so würde sie doch sicherlich demje nigen genommen werden, der sie als ein Vergnügen betrachten wollte. Niemand soll hier einen anderen Genuß ein anderes Glück finden, als das, welches bcr Umgang mit Gott gewährt." — „Wenn Sie dem nach, mein Vater", entgegnete ich, „m den Diensten, die Sie mir jetzt erweisen, eine angenehme Zerstreuung fänden, so bliebe Ihnen nichts übrig, als sich eiligst aus dem Staube zu machen und mich bicr allein zurückzulassen k" Er lächelte zu meiner Frage. „Sehen Sie wohl", fuhr ich kort; „man stößt überall auf ein AeußcrsteS, das man nicht vorauSgesehcn hat, und dem man sich nicht unterwerfen kann."