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Anzeiger. ' k ' ? ^ — ^ sss. . I » Sonntag, dqn 19. December. 1«47. ethnacht-bilder - von . ' L. HerLoszsohn. , K« Hier bin ich wiedex, mein freundlicher Leser, mit meinen kleinen Christabend-Bildern, pyd bitte Dich, mir auf kurze Zeit zu folgen, hinaus durch die hellerleuchteten Straßen, über die Plätze, die im glänzenden LiHte schimmern, wo sich Gewölbt und Buden an einander reihen und feil gehalten wird mit Allerhand, «aS nur die Brzrst dev Kinder erfreuen mag und wohl auch das Herr her Erwachsenen, daS sich am heiligen Christfest aufschließt m kindlicher Lust und Hrrudig- keit und gern erinnernd zurückkphpt m die schöne Zeit seiner erste- und süßesten Jugendträume. — Der Himmel ist ttcht zrnp rein, die Stexne schimmern herab in fast sommerlicher Klarheit, mahnte nicht die rauhe Decemberluft an den Wiyterz durch die Straßen wogt es noch geschäftig, einzelne Koster, jzanze Fanden sind* schon erleuchtet: hier ist bereit? her heilige Christ eingezogen, dort wird er erwartet von der harrenden, tobenden Kinderschaar, und in manchem Fenster — ach! da schimmert kein Licht heute und wird wohl auch kein Weihnachtsbaum strahlen m den freudeleeren, kummervollen Blick seiner Bewohner. Ich biege um die Ecke in die Seitenstraße. Vor mir geht mühsekg ein altes, gebeugtes Mütterchen. Wie ich beim Licht der Gasflamme zu erkennen vermag, ist sie ärm lich zwar, aber sauber und warm bekleidet. Ich rede sie an. ,.Nun, Frauchen, was wird der heilige Christ heute be scheren?" — „Ach, mein guter Herr! Mir? Nichts, gar nichts. So etwas erwarte ich auch nicht. Das ist für die Jugend und für die Glücklichen. Ich wär' schon zufrieden, wenn ich nur ein warmes Stübchen hätte." „Rur ein warmes Stübchen? Dazu kann Rath werden, da- übersteigt wenigstens meine Kräfte nicht. Aber geht'- denn wirklich so schlimm?" — „Ja, wie denn ander-", seufzt sie; ^as lange Nothjahr, da- theure Brot, kein Erwerb; denn mit dem Arbeiten will eS bei mir nicht recht mehr gehen. — Die al ten Augen laugen nicht- mehr, besonders bei Licht; ich kann nicht mehr einfädeln. Und so lebe ich denn vom Armengeld und von der Unterstützung guter Leute." „Und seid Ihr denn ganz allein, ohne Kinder und Ver wandte?" — „Mein Mann und die einzige Lochtex sind mir in die Ewigkeit vorangegangen und sonst habe ich Niemanden auf der Wett. Ein Bruder ist zwar nach Dstindien ausge- wandert; aber da- ist schon zwanzig Jahre her, und er hat nicht- wieder von sich hören lassen. Mein seliger Mann war Eopist, und daß man sich bei diesem Erwerb nicht- für die alten Lage ausspar« sann, da- sehen Sie wohl ein—Frei lich, al- meine Lochter noch lebte, da war eS anders. Nun, dar liebe Gott wird «ich bald -u ihr führen." „Und wo wohnt Ihr denn, liebeS Frauchen?" fragte ich, — ich bin so ein Stück Menschenfreund und denke oft, whe'S bei den Leuten in der Stube aussieht, so mag es hättsig auch Ln ihrem Herzen und Gewissen auSsehen. Ihr könnt'S meinetwegen Neugierde schelten, aber erlaubt, daß ich Euch begleite." . — „Hier dicht nebenan; es ist im Hofe, aber nur eine halbe Lreppe, indessen für meine alten Beine hoch genug. Folgen Sie mir nur immer dicht, ich gehe langsam." — Wir stiegen zehn Stufen hinauf, die alte Frau öffnete und machte Licht. — Das Zimmer war klein und niedrig, aber für die Ar- muth, wie sie mir die Witwe geschildert, fast zu luxuriös auSgestattet. Ein Secretair, daran* ein paar Gypssiguren, ein abgenutztes, aber reinliche- Gopha, einige gepolsterte Stühle, an der Wand eine Guitarre, mehrere schöne Kupfer stiche in Goldrahmen, eine Etagere mit Blumentöpfen und und noch einiger Hausrath, wie ihn sich nur die elegante Welt anzuschaffen pflegt. — „Aber Frauchen," sagte ich, nachdem ich Rundschau ge, halten, „Sie klagen über bittere Armuth und ich sehe doch hier Gegenstände, die eine solche doch nicht geradezu verra- then. Da giebt eS Sachen, die sich verkaufen lassen, wenn eS sich um eine warme Stube handelt. Da- Nothwendige kommt immer vor dem Angenehmen." — „Das habe ich erwartet, lieber Herr! und auch der Herr Armrnoorsteher- hat mir dasselbe gesagt, da er bei mir war. Aber bedenken Sie nur: das Hausgeräth ist von mei nem lieben seligen Mann und sein einziges Vermächtniß. Dessen kann ich nicht entrachen, und wa- Sie LuruS nen nen, da- find Angedenken meiner lieben Lochter, meiner Amalie. Sie war Clavierlehrerin, sie unterrichtete Kinder und ließ eS sich gewiß sauer werden. Aber ihr Fleiß rrs nährte un- redlich und reichlich. Und wenn sie sich etwa- erübrigtt und mir und sich eine kleine Freude machen wollte, da kaufte sie hier ein Bild, dort eine Fi^ur oder einen Blumenstock und dergleichen. Damit schmückte sie nun ihr Zimmer — wir hatten früher eine geräumigere Wohnung — freundlich au- und da- war ihre ganze Glückseligkeit. Sie war gar nicht wie die andern Mädchen, die das Geld auf Putz würden verwendet haben, — obgleich sie eben so hübsch war und jung " „Und Ihr habt sie so früh verloren?" — „Sie war noch nicht vier und zwanzig Jahre," -k* zählte die Alte unter Lhränen, — „in vier Wochen «erden e- gerade acht Jahre sein, daß ich sie verlor. Sre kam spät aus der Stunde nach Haus, — eS war ein rauhe- Wetter — sie hatte sich erkältet, doch achtete sie dcffen nicht, ging immer wieder aus um ihre Stunden zu geben, denn sie wollte keinS von ihren Schülern einbüßen. Da übeisiel sie endlich eine Lungenentzündung, und wie der Arzt kam, war es schon zu spät. — Gott weiß es, was ich damals gelit ten und geweint habe; ich war nahe daran, an der himmli schen Barmherzigkeit zu verzweifeln. Aber sie selbst hatte