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Dresdner Journal : 02.12.1887
- Erscheinungsdatum
- 1887-12-02
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188712026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18871202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18871202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1887
-
Monat
1887-12
- Tag 1887-12-02
-
Monat
1887-12
-
Jahr
1887
- Titel
- Dresdner Journal : 02.12.1887
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D279. ^»krlKidr . . . . 1" «Mb. tritt ?o«t- uoä 4 >,»rk 50 su-^p-lru.-KI^ FllkIiulilikua^Kvvllkrel» r kür üsv kuuw einer ^v»p»Iteoeo 2«il^ lrlerMr äcürltt 2V?t. Onter .Fliu^e-itnät" Ui« 2eilv 50 kt. U«i ^»beileo- anä ^Ulsro^Ltr vntspr. ^uk»oUll^. Lr»vti»tu«Lr Ftyxliod mit Lu»n»tuue Uer 8oiui- anU ksiert»^« »deoU». ^ernsprsok-^nsetlluvs: Ur. 12S5. Freitag, den 2. Dezember, abends. Dl es-nerIournlll. Für die Gesamtleitun- verantwortlich: Dtto Banck, Professor der Litteratur- und Kunstgeschichte. 1887. Lnnnkm» von LntNxll^»^» »»iwSrt,, F> Lran<j«t«tt«r, Oommi^iovLr «1« t)rv«Un«r ^onrn»I»; Nm»dmis - >»rUil Visa Lslpit^ >«»«!-Lr,»l«« Vr»»^e«r< ». N : //aace^e»»» L ko-i«',' >«r>U>V>«L-N»»d»r,- ?r»x-rr»a^k2rr ». ». »Lned«o: Ln<j ?»rt» 1,o»4o» N«rUn - Vr»»kearr » » Itn«U»rc: ^)a«tür F (to.,' L«rUn: /nvat»Ue»»Ua»»t / SSrUt»: ü ^«tUeri Sim«r*r; v. schü»«t«r,' n»u< » >.! F Laret 4» Oo Her,vs,«dorr Nvvi,t. LrpeUition ä«« Orssäner Uonrnnl», vr^Usn, /viu,«r»tr»s8v SO. ksrniprsok-^tn-obln», kkr 1SS5 Ankündiflunge« für die Weihnachtszeit finden im „Dresdner Hournat" die geeignetste Verbreitung. Hierbei versäumen wir nicht, darauf aufmerksam zu machen, daß aus Anlaß des Weihnachtsfestes Handel- und Gewerb- treibendeu bei Ankündigungen mit mehrmaliger Wiederholung außerordentliche Vergünstigungen gewährt werden. ÄmtliLrr Teil. Sc. Königliche Majestät haben den nachgenanntrn Rathen des OberlandesgerichtS Detlev Karl Balthasar Hübler, Johann Karl Gustav Wendschuch, Ernst Huw Seyfert, Max Alfred Thierbach und vr. Otto Eduard Noack den Rang eines Oberjustizraths in der III. Klasse der Hofrangordnnng beizulegen AUergnädigst geruht. Se. Majestät der König haben dem Schloßver- walter Hermann Moritz Kegel zu Dresden das AlbrechtSkreuz zu verleihen Allergnädigst geruht. Mchtamtlichrr Teil. Kei'egvcrphiscche Nachrichten. Leipzig, 2. Dezember. (Priv.-Tel. d. Dresdn Journ ) Se. Majestät der König und Le. Königl. Hoheit der Prinz Georg sind mit Gefolge heute früh hier eingetroffen. Gin Empfang war abge- trhnt. ES erfolgte sogleich die Fahrt in daS Ehrenberger Revier zur Jagd. Um 5 Uhr wird das Diner auf dem Dresdner Bahnhof einge nommen werden. Die Rückfahrt nach Strehlen erfolgt mit Ertrazug gegen 8 Uhr. Paris, 1. Dezember, abends. (W. T B.) In dem heute nachmittag im Elysee, nach der Bier- Uhr-Sitzung der Kammer, stattgehabten Minister rate forderte Grövy, nachdem ihm Rouvier die Bedeutung des von der Kammer gefaßten Be schlusses auSeinandergesetzt hatte, jeden der an wesenden Minister zur Äußerung seiner Ansicht auf. Alle Minister crklärten einstimmig, daß ihnen der unverzögerte Rücktritt deS Präsidenten der Republik notwendig erschiene. Grövy er widerte darauf, nicht er, sondern die Kammer sei eS, die die jetzige Lage geschaffen habe, die Kam mer müsse also auch die Verantwortung von der Geschichte tragen und erklärte sodann, daß er morgen seine Demission geben werde. Der Senat hatte sich, als er von der Absicht deS Präsidenten Gr^vy, keine Botschaft an die Kammern zu richten, unterrichtet wurde, ebenso wie die Kammern mit der Erklärung vertagt, daß er die zugrsicherte Mitteilung deS Präsidenten Grövy erwarte. In ParlamentSkreisen nimmt man als gewiß an, daß die morgen zu erwartende Botschaft Gr vyS dessen Demission enthalten und daß der .Kongreß am Sonnabend zusammentreten wird. Die Plenarversammlung, zu welcher alle Re publikaner eingeladen sind, bleibt auf den Bor- mittag am Tage des Zusammentritts des Kon gresses in Versailles festgesetzt, (s. Tagesgeschlchte.) Paris, 2. Dezember. (Tel. d. Dresdn Jvurn.- Der gestrige Abend war sehr bewegt: zahlreiche Gruppen hatten sich auf den Boulevards und an den Zugängen znm Elysee angesammelt. Trotzdem fand keine ernstliche Unordnung statt. Zwanzig Personen wurden verhaftet, alsbald aber freige Feuilleton. K. Hoftbeater. — Allstadt. — Am I. Dezember: „Athalia", Schauspiel mit Chören in 4 Akten von Racine, Musik von Mendelssohn.Bartholdy. Die schauspielerisch und musikalisch ungewöhnliche Bühnenlcistung dieser Aufführung steht nicht im Ver gleich mit der Teilnahme des Publikums, welche hier bei stets eine zu kühle war. Die Rollen Athalia, Joad, Josabeth, Mathan werden von Frau Bayer, Hrn. Porth, Frl. Ulrich und Hrn. Jaffö mit einer hocherfreulichen künstlerischen Hingabe an den Gegen stand vorgeführt und regen in ihrem Gesamtwirken zugleich daS gute Zusammenspiel unter den übrigen Mitwirkenden an. Das Werk verdiente eS, der Bützne im Repertoir die Vorteile einer Oper und eines Dramas zugleich zu bieten. Die Aufführung der .Athalia* mit MendelS- sohnfchen Chören galt namentlich dem 40jährigen Jubiläum des hochgeschätzten Musikdirektors, jetzt Kapellmeisters Karl RicciuS. Am I. Dezember 1847 trat er als Aspirant in die Königl. Kapelle ein, am 1. Januar 1852 wurde er als Kammermusiker fest angestellt, war als Korrepetitor und Dirigent der Zwischenaktmusik thätig, ward dann 1863 zum Chor direktor und 1876 zum Musikdirektor ernannt. Seiner künstlerischen, gewissenhaften Leitung haben wir die ganz vorzüglichen Leistungen unsere» OpernchorS zu danken, die von keinem andern Opernchor übertroffen und in ihrer gleichmäßig andauernden Tüchtigkeit und Vollendung von keinem erreicht wurden. lassen. Die Polizei versichert, daß sie Dörouldde und Louise Mickel nur vorübergehend verhaftete, nm dieselben den Feindseligkeiten der Menge zu entziehen. Noch vor Mitternacht hatte Paris die gewohnte Physiognomie. — Die Journale meinen, nach dem gestrigen Tage könne Grövy seine De mission nicht mehr binauöschieben, die meisten Journale sprechen ihre volle Billigung zu der ebenso würdigen wie ruhigen Haltung der Kam mern auS. ES sei zu hoffen, daß sich hieraus eine Einigung der republikanischen Parteien be züglich der neuen Präsidentenwahl entwickele.^) Madrid, 1, Dezember. (W. T. B.) Bei der heutigen Eröffnung der KorteS wurde eine Thron rede verlesen, in welcher der Dankbarkeit für die Anhänglichkeit und Liebe de« spanischen Volkes Ausdruck gegeben und erklärt wird, der innere Friede sei gesichert und die Beziehungen zu den anderen Mächten seien herzliche. Die Thronrede teilt mit, daß der Sultan von Marokko, welcher von der loyalen Freundschaft Spaniens überzeugt sei, um den Zusammentritt einer neuen Konferenz zur wiederholten Prüfung der Konvention von 1860 ersuckt habe. Bei der Erwähnung der Ko- lonien sagt die Thronrede, die spanische Flagge werde daselbst überall behauptet werden, und ge- denkt der auf den Philippinen, auf Mindanano und den Sulu-Inseln stattgehabten siegreichen Kämpfe. London, 2. Dezember. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Bei der Parlamentswahl in Dulwich (Londoner Stadtviertel) wurde an Stelle deS Konservativen Howard der Konservative Maple mit 4621 gegen den Gladstonianer Henderson (2609 Stimmen) ge wählt. Die jetzige konservative Majorität ist wenig geringer alS früher. .o London, 2. Dezember. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Der „Standard" ersährt betreffs der jüngsten Ent hüllungen der „Köln. Ztg ", daß Prinz Ferdinand von ttoburg, ehe er nach Bulgarien ging, sich al- letzte Hilfsquelle an den Zaren wandte, seine leb- bafteste Mißbilligung über die eingeschlagene Po litik deS BattenbergerS auSdruckte, die zwischen Rußland und Bulgarien bestehende Entfremdung beklagte, weil Bulgarien seine Existenz nur Ruß- land verdanke, und hinzufügte, er sei entschlossen, alle Irrtümer der Vergangenheit wieder gut zu machen ui d daS alte Loyalitätsgefühl wieder her- zuüelleu. ES sei guter Grund für die Annahme vorbanden, daß einige Freunde deS Coburgers, um demselben das Wohlwollen deS Zaren zu sichern, soweit gingen, der russischen Reichskanzlei Dokumente vorzulegen, welche Ermunterungen Bismarcks, sowie Versprechungen der schweigenden Unterstützung reitens Deutschlands enthielten, wenn der Coburger fortfahre, seine Politik den Erklärungen KalnokyS betreffs einer freien und unabhängigen Entwickelung der Balkanstaaten unter Ausschließung eines vorwiegend fremden Einflusses anzupassrn. Die angeblichen Doku mente standen in thatsächlichem Widerspruch mit den in St. Petersburg abgegebenen amtlichen Er klärungen. Dresden, 2. Dezember. Zu den Ergebnissen vom Kongreß in St. Gallen. Das hier berührte Thema ist nicht neu. Schon einmal hat unser Blatt an dieser Stelle von einem unserer Mitarbeiter aus der Schweiz eine ziemlich auS Unveränderlich bestehender Vorzug, Kraft und Zierde unserer Oper sind die Königl. Kapelle und der Chor — letzterer durch K. Ricciu». Da» ist ein Verdienst, dessen wir mit wärmster Anerkennung und Würdigung eingedenk bleiben wollen. Auch als Kom ponist beteiligte sich RicciuS in sehr schätzenswerter Weise; wir ermähnen nur seine Musik zu dem drama tisierten Märchen „Der gestiefelte Kater* „Schnee wittchen", zu „Prinzessin Amaranth" und seine komische Oper „Es spukt". Möge unserer Bühne die geschätzte Kraft de» wackeren Musikers noch lange erhalten bleiben. O. B. Frieda. Erzählung von B. Mercator. (Fortsetzung.) An all dem Gefchwirr, da» die Halle füllte, nah men Frieda und Walter fast gar keinen Teil. Auch mit einander sprachen sie immer weniger; sie dämpften beide die Stimmen und flüsterten einander geheimnis voll Worte zu, die doch jeder dritte hätte hören mögen, kleine nichtssagende Worte wie: „Ach, bitte, den zarten Zweig dort", „O, verzeih, wie ungeschickt!" „Warten Sie, ich knote eS Ihnen zusammen", „Wird'» wohl hübsch?" Jeder, jeder hörte eS und durfte e» hören, allein keiner, keiner durfte die süße Botschaft vernehmen, die ein Augenpaar dem andern über den wachsenden Tan nenkranz hinüberjubelte, keiner durste und sollte ver- stehen, was die beiden Hände sich sagten, die einträch tig nach einem Zweige griffen, die sich bebend berühr- jährliche Charakteristik über die Sozialdemokraten und Anarchisten von heute dargebracht. E» bietet sich so eben die Gelegenheit, jenes Bild zu ergänzen und zwar durch nachfolgende Betrachtung, welche die „Schlesische Zeitung" von „bestinformierter Seite" empfängt. Der jüngste Generalkongreß der deutschen Sozial demokratie, welcher zu Beginn des vorigen Monats in St Gallen tagte, sah sich veranlaßt, seine Stellung zum Anarchismus einer Erörterung zu unterziehen. Das geistige Haupt der Partei, Liebknecht, hatte selbst das Referat übernommen und schließlich eine Reso lution zur Annahme gebracht, wie sie geschickter nicht wohl verfaßt werden konnte. Der Kongreß erklärte die anarchistische GescÜschastStheorie für „antisozia listisch", für „nichts anderes als eine einseitige Aus- g stoltung der Grundgedanken des bürgerlichen Libe raliSmuS", aber vorsichtiger Weise nur, „insoweit die selbe die absolute Autonomie des Individuums er strebt'. Man verwarf die Taktik der individuellen Anwendung der Gewalt, weil sie nicht zum Ziele führe und das Rechtsgesühl der Masse verletze, konnte es aber nickt unterlassen, die Männer der Thot aus drücklich in Schutz zu nehmen und für ihre Verbrechen die Regierung verantwyrtlich zu machen. In rich tiger Spekulation auf die Denkfaulheit der Massen suchten die Führer der Sozialdemokratie den Ei druck, welchen diese unverblümte Äußerung der Sympathie mit der brutalen Gewalt allenthalben hätte hervorbringen müssen, durch die vorangehende theoretische Verurtei lung de» Anarchismus offenbar zu verwischen. Dem gegenüber soll im folgenden der historische und prin zipielle Zusammenhang zwischen Anarchismus und Sozialdemokratie in Kürze beleuchtet werden. Vor etwa 20 Jahren war der Anarchismus noch ein unbekanntes, gestalt- und namenloses Wesen. Wohl kaum ein Kopf hatte bis dahin die Tollheit besessen, sich in den Zustand vollster Herrschaftslosigkeit und Unabhängigkeit der Individuen hineinzudenken; von einer organisirten Vertretung dieser Utopien war zu jener Zeit noch nicht die Rede. Die Lehren unserer Socialdemokratie hingegen wurden schon damals von einer großen Organisation, der von Karl Marx im Jahre 1864 gestifteten „Internationale", fmit feurigem Eifer ver fochten. Aus diesen Lehren heraus entwickelte sich erst die anarchistische Schule als logische Conseguenz des Strebens nach völliger politischer wie ökonomischer Freiheit und Gleichheit aller Menschen Marx, der begeisterte Freiheits- und Gleichheits-Apostel, war praktisch genug, für sich selbst Autorität zu beanspruchen; er chatte auch hinreichende Machtvollkommenheit, um seine große, über zwei Erdteile verbreitete Organisation in centralistischer Weise regieren zu können. Nichts war natürlicher, als daß unter seinen Jüngern, denen Tag aus Tag ein gelehrt wurde, daß Alle gleich viel Arbeit, Alle gleich viel Gewinn, Alle gleich viel Antheil an der Regierung haben sollten, aisbald sich eine Richtung erhob, welche die verheißenen Glücksgüter alsbald, ohne jeden Uebergang genießen, oder doch zum mindesten innerhalb der socialistischen Arbeiter-Asso ciation die gleichen Rechte haben wollte wie ihr Führer mit seinem Generalrat. DaS Haupt dieser Verfechter des extremsten In dividualismus war der Russe Michael Bakunin. Nach jahrelanger Wirksamkeit in der „Internationale" schied er im Jahre 1872 mit seinem Anhänge, der sich vor wiegend au» den feurigeren romanischen Elementen zu- sammensetzte, aus derselben aus. Seitdem ist der von Bakunin begründete Anarchismus neben der Sozial demokratie großgewachsen, und fast ausnahmslos haben seine Anhänger sich au» ihrem extremen Flügel re krutiert. Rein»dorf, Peukert, Hasselmann, Most sind neben Bakunin die typischen Gestalten für die Ent wickelung de» Anarchismus au» der Sozialdemokratie. ten, wenn eS galt die Kordel zum Winden zu entwirren oder neu zusammenzuknoten. Aber sah und vernahm e» denn wirklich keiner? „Na, Ihr scheint Euch ja mit wahrer Wonne für BiSmarcken zu opfern!" lachte der Bürgermeister den beiden zu, die den halbfertigen Kranz an einem Fensterhaken, ziemlich weit entfernt von der übrigen Gesellschaft, befestigten und sich dabei ordentlich an strahlten. „Thun wir auch! Sieh mal meine Hände, Kurt!" und Friedchen hielt ihm ihre von Tannenharz ge bräunten Finger entgegen Im nächsten Augenblick aber senkte sie dieselben und bückte sich tief nach der Bindfadenrolle; denn ein strafender, zorniger, ein ent rüsteter Blick der Bürgermeisterin hatte sie getroffen, und sie war keineswegs überrafcht, als Frau Selma jetzt herüberrauschte. Einigermaßen erstaunt aber war sie ob des mütter lich besorgten Tone» ihrer Ansprache: „Frieda, liebes Kind, Du siehst so merkwürdig erhitzt aus, wenn Du nur nicht Lisetten» Fieber gefangen hast! Und dabei stehst Du mir hier im Flur auf den kalten Steinen; ich mache mir wirklich Sorge, Frieda." Walter Schmidts Augen ruhten prüfend auf der zarten Mädchengestalt, deren Wangen allerdings un gewöhnlich rosig gefärbt waren, deren Augen seltsam leuchteten „Aber Fieber hat sie doch nicht!" sagte er unwillkürlich laut mit einer Art von Sieges- bewußtsein „Gieb mir einmal Deine Hand her, Frieda!" be fahl die Bürgermeisterin dessenungeachtet. „Nein, wie Dein Pul» jagt! ja, ich dachte mir» wohl, Kind. ES sei nur daran erinnert, daß Johann Most, der Organisator der gegenwärtigen Anarchistenpartei, der glühendste Vorkämpfer ihrer Ideen, fast ein Jahrzehnt hindurch einen hervorragenden Platz in der deutschen Sozialdemokratie eingenommen, daß er als Redakteur der „Chemnitzer Freien Presse", der „Mainzer Volks stimme", der „Berliner Freien Presse" für die Marx- fche Lehre gestritten, daß er neben Liebknecht und Bebel als hervorragendster Kopf in der roten Reichs tagsfraktion gefesfen hat. Auf Grund des Sozialisten gesetzes aus Berlin ausgewiesen, ging er nach London, trat hier dem von Marx ins Leben gerufenen „Kom munistischen Aibeiterbildungsverein" bei und begrün dete i. I. 1879 die später so berüchtigt gewo.dene „Freiheit", ein Blatt, welches anfänglich noch völlig auf sozialdemokratischem Boden stand und sich erst ganz allmählich zum Zentralorgan der Anarchisten heranbildete. Persönliche Reibereien mit seinen alten Kollegen im Reichstage, die als Gegengewicht gegen die „Freiheit" in Zürich ein eigenes Parteiorgan sich geschaffen hatten, entfremdeten Most der Sozialdemokratie; die Lehren des demokratischen Sozialismus selbst drückten ihm wie einst Bakumn die Waffen in die Hand: er warf den Führern desfelben Parteityrannei und Unterdrückung der individuellen Freiheit vor und predigte die Herr schaftslosigkeit. Der Streit, der seitdem zwischen Mo- stianern und Marxisten bald heftiger bald fchwächer geführt wird, hat indeß stets mehr die Führer als die große Masse der Anhänger berührt; an vielen Orten bestehen zwischen beiden Gruppen nach wie vor intime Beziehungen; in London besonders ist der sozialdemo kratische Verein noch heute aufs engste mit den anar chistischen Vereinen verbunden. In ihren gemeinfchaft- lichen Versammlungen haben ihre Redner stets betont, daß beide Richtungen sich Eins fühlen als Kämpfer für die fociale Revolution. Thatsächlich hat das so oft verleugnete Kind der Sozialdemokratie auch den Glauben und die Anschau ungen derselben im wesentlichen sich angeeignet. Nur hat es beide — seinem jugendlichen Temperament ent sprechend — bis zu ihren letzten Konsequenzen erfaßt und sucht ihnen in schnellerer, rücksichtsloserer Weise Geltung zu verschaffen. Die Sozialdemokratie, wie wir sie in Deutschland in der Bebel-Liebknechtschen Partei vertreten finden, erstrebt—davon müssen wir ausgehen — nicht nur eine völlige politische und ökonomische Um gestaltung unserer Gesellschaft, sie will nicht nur einen so zialistischen Staat auf demokratischer Grundlage errichten, sondern sie vertritt auch mit vollem Bewußtsein eine dem religiösen und geistigen Leben unseres Volkes durchaus entgegengesetzte neue Weltanschauung. Wa» nun die politische und volkswirtschaftliche Seite be trifft, fo erstreben die Anarchisten ebenso wie die So zialdemokraten die Beseitigung der Kapitalisten, die Aufhebung des PrivatbesitzeS an Produktionsmitteln, also auch an Geld, welches, nebenbei bemerkt, ganz verschwinden soll; beide Richtungen beabsichtigen, den Erwerbsstockungen vorzubeugen, die Konkurrenz abzu schaffen und das Dienst- und Lohnverhältnis aufzu heben. Das „allgemeine Schuhputzenmüsfen" ist beiden Zukunstsgebilden gemein Die Sozialdemokratie will im speziellen, daß das Eigentumsrecht an allen Pro duktionsmitteln dem Staate zustehe und daß der Staat oder unter seiner Aufsicht stehende öffentliche Gruppen- fysteme den Bedarf an allen Gegenständen produzieren; sodann soll der Staat die Verteilung dieses durch gleichmäßige, gemeinschaftliche Arbeit aller Menschen erzielten Gütercrtrages übernehmen, also jedem seinen Unterhalt zuerteilen. Dieser Allerweltsstaat soll nach dem sozialdemokratischen Programm durchaus auf demokratischer Grundlage ruhen. Die Majorität des Volkes repräsentiert den Staatswillen. Die Unmög lichkeit einer reinen Demokratie im sozialistischen Ge meinwesen springt sofort in die Augen. Eine StaatS- Es ist die höchste Zeit, daß wir Dich ins Bett stecken I" Ein flehender Blick flog zu Walter. „Ich bitte Sie, gnädige Frau, Fräulein Frieda ist ja ganz wohl! Oder sind Sie das nicht?" „Wirklich, liebe Selma, ich bin so wohl wie nur je. Sei ohne Sorge um mich." „Ach was, das muß ich besser wissen, Herr Assessor! Ich habe Dich nicht umsonst gepflegt und beobachtet von der Wiege an, Frieda! Es thut mir aber doch recht wehe, daß Du Dich gegen meine mütterliche Fürsorge dermaßen auflehnst I Allerdings, Du bist alt genug, kannst es ja machen, wies Dir be liebt! Meiner Meinung nach müßtest Du zu Bett. Nein, wie ich mich ängstige!" Zwei betrübte Gesichter, ein leifeS: „Wie schade!" daS war das Ergebnis von Frau Selmas mütterlicher Fürsorge! Frieda folgte der Schwägerin in das Innere der Hauses. „Auf Wiedersehen, morgen!" das war der Lichtstrahl, der bei Walter Schmidt zurückblieb. „Auf Wiedersehen, morgen!" das war der Licht strahl, der mit Frieda hinaufglng in das abgelegene Daclikämmerchen, welches sie ihr eigen nannte. War sie denn wirklich kra'ck? Wohl stopfte ihr Herz, wohl jagte ihr Puls, wohl glühten idre Wangen, aber das war ja kein Fieber, das war Glück! „Und morgen fehe ich ihn wieder!" flüsterte sie, den blonden Kopf in die Kissen drückend, „ja morgen!" Aber „morgen" wurde Bismarcks Geburt-fest in Schönau feierlichst begangen, und Frieda v. Alten warf nicht einen Blick auf die, im vollen Fahnen- und Gmrlandenfchmuck prangende Hauptstraße.
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