Volltext Seite (XML)
rische Gestik von großer Eindringlichkeit ent falten. Das Allegro assai des vierten Satzes signalisiert nun ein wirkliches humoristisches Scherzo, bei dem sich die kokett-schüchtern- launisch gemeinten Tanzmotive um ein Osti- nato, das wechselnd figurierte und instrumen tierte Intervall c" -a’, ranken, überraschend schließt das Divertimento mit einem langsa men Satz, der dem Ganzen die schon erwähn te Wendung ins Emphatisch-Großzügige auf prägt. Lastende Bläserakkorde und in den Streichern ein leidenschaftliches Deklamieren beschwören eine konfliktvolle Situation. Sie löst, im folgenden Mittelabschnitt, .Riflessioni dolciamari' aus, zarte, liebevolle Erinnerun- oäs also, die ganz am Ende wieder in macht- BQmelodische Emphase einmünden, damit die Vergnügungen des Lebens nicht leichtfer tig verspielt werden." Am 3. Februar 1984 wird die Musikwelt des 175. Geburtstages von Felix Mendels sohn Bartholdy gedenken. Aus diesem Grunde stehen im Mittelpunkt unserer Zyklus- Konzerte des Jahrganges 1983/84 Werke die ses Meisters. Den Anfang macht im heutigen Programm das Konzert für Violine und Orchester e-Moll op. 64, eines der bekanntesten und meistgespielten Violinkonzerte überhaupt neben den be rühmten Konzerten von Beethoven, Brahms und Tschaikowski. Das Werk entstand in seiner endgültigen Ge stalt im Sommer 1844 in Bad Soden, wo der Komponist im Kreise seiner Familie heitere, un getrübte Ferientage verlebte; erste Entwürfe dazu stammen Jedoch bereits aus dem Jahre 1838. Am 13. März 1845 wurde das Violin konzert im Leipziger Gewandhaus unter der Leitung des dänischen Komponisten Niels W. ■Ve durch den Geiger Ferdinand David ^Jnzertmeister des Gewandhausorchesters) uraufgeführt, für den es geschrieben worden war und der den ihm befreundeten Mendels sohn auch schon bei der Ausgestaltung des Soloparts in violintechnischer Hinsicht bera ten hatte. Nach der erfolgreichen Urauffüh rung schrieb David an den gerade in Frank- furt/M. weilenden Komponisten einen begei sterten Brief, in dem es u. a. über das Werk hieß: „Es erfüllt aber auch alle Ansprüche, die an ein Konzertstück zu machen sind, in höchstem Grade, und die Violinspieler kön nen Dir nicht dankbar genug sein für diese Gabe." Bis heute hat sich an diesem Urteil nichts geändert; vereinigt das unverblaßt ge bliebene Konzert, das sich vor allem durch seine harmonische Verbindung von (niemals leerer) Virtuosität und Kantabilität sowie durch eine ausgesprochen einheitliche The matik auszeichnet, doch auch wirklich in schönster Weise alle Vorzüge der Schaffens natur seines Schöpfers: formale Ausgewo genheit, gedankliche Anmut und jugendliche Frische. Ohne Einleitungstutti beginnt der schwung volle erste Satz (Allegro molto appassionato) mit dem gleich im zweiten Takt einsetzenden, vom Solisten vorgetragenen gesanglichen Hauptthema von echt violinmäßiger Prägung. Neben diesem Thema werden im Verlaufe des von blühender romantischer Poesie erfüll ten Satzes noch ein ebenfalls sehr kantabler Seitengedanke und ein liedhaftes, ruhiges zweites Thema bedeutsam, das zuerst durch die Bläser über einem Orgelpunkt des Solo instrumentes erklingt und dann von diesem aufgegriffen und weitergeführt wird. — Wie eines der Mendelssohnschen „Lieder ohne Worte" mutet der durch einen liegenbleiben den Ton des Fagotts angeschlossene dreitei lige Mittelsatz an, ein in weich wogendem 6 /s-Takt an uns vorüberziehendes Andante. — Echt romantischer Elfenzauber wird schließlich im geistsprühenden, prickelnden Finale, das als eine kunstvolle Verbindung von Rondo- und Sonatensatzform angelegt ist und in seinem Charakter der kurz vorher vollende ten „Sommernachtstraum"-Musik des Kom ponisten nahesteht, in überaus poetischer stimmungsvoller Weise heraufbeschworen. In festlichem Glanz beendet dieser besonders virtuose, dabei musikalisch ebenfalls sub stanzreiche Satz das Werk. Alexander Borodin, bekannt vor al lem als Komponist der Oper „Fürst Igor", hat auch bedeutende Orchesterwerke geschrie ben, die sehr populär gewordene „Steppen skizze aus Mittelasien" und drei Sinfonien. Die 2. Sinfonie h-Moll wurde erst nach dem Tod des Komponisten bekannt. Er hatte an ihr in den Jahren 1869 bis 1876 ge arbeitet; 1877 wurde sie in Petersburg urauf geführt. Unter dem Namen „Heroische Sinfo nie" hat sie sich schnell die Konzertsäle der ganzen Welt erobert. Ist dieser Titel berech tigt? Könnten wir ihn nicht aus der Thematik der eineinen Sätze ablesen, könnten wir uns auf das Urteil Mussorgskis berufen, der die Sinfonie die „slawisch-heroische" genannt hat, und auf die Bemerkungen eines so her vorragenden Kenners, wie es der russische Musikkritiker Stassow war, der geschrieben hat: „Von seinen herrlichen, ungewöhnlich kraftvollen, männlichen, leidenschaftlichen und hinreißenden Sinfonien ist die zweite, die in h-Moll, die größte. Ihre Bedeutung verdankt sie nicht nur dem starken Talent Borodins, sondern ohne Zweifel auch der Tatsache, daß sie einen nationalen und pro grammatischen Charakter hat ... Ich möchte hier hinzufügen, daß Borodin mir des öfteren erzählte, er habe im Andante die Figur des ,Bojan' (alter russischer Sänger, Rhapsode), im ersten Satz eine Versammlung russischer Recken, im Finale die Szene eines Recken gastmahls beim Klang der Gusli und beim Jauchzen einer großen Volksmenge darstel len wollen." Der heldische Charakter des Werkes zeigt sich gleich im ersten Thema des ersten Satzes, das bestimmend wird für die ganze Sinfonie. Es wird von der Streichergruppe unisono gebracht. In der späteren Reprise wird das „Heldenthema" im „heldischen" Aus druck noch gesteigert. Die Fortsetzung des Themas läßt die Verbundenheit mit der Volksmusik erkennen. Desgleichen das von den Violoncelli intonierte Seitenthema. Das Scherzo ist nach dem klassischen Schema dreiteilig. Das Trio (das nicht als solches ge kennzeichnet ist) erinnert mit seinem orien talischen Einschlag an die spätere „Steppen skizze", aber auch an die bekannten Polowe- zer Tänze im „Fürst Igor". Die Gefühlstiefe, die „elegische Unendlich keitsstimmung" (Karl Nef), die feierliche Ein dringlichkeit des langsamen Satzes, der an dritter Stelle steht, haben kaum ihresgleichen in der sinfonischen Literatur. Mit Recht erin nert Hermann Kretzschmar an den langsa ¬ men Satz der Dvofäkschen Sinfonie „Aus der neuen Welt", von der sich das Werk Boro dins allerdings durch die spezifisch russische Note unterscheidet. Nach den oben mitge teilten Worten Stassows will der Komponist mit diesem Satz die Gestalt des legendären Sängers beschwören. Kretzschmar wurde ge nannt. Der heute fast vergessene unüber treffliche Exeget der Musik (mag er auch in manchem geirrt haben) soll hier einmal zitiert werden. Wie könnte man besser diesen lang samen Satz charakterisieren als mit seinen Worten: „Es spielt aber auch in diese ethno graphisch und allgemein menschlich gleich stark fesselnde Musik der Orient stark hin ein mit seinen schillernden und verschleiern Farben, mit der verlassenen, verstc^Äi Schönheit und der Unendlichkeitsstimn^mg, und auch mit seiner heißen und doch züchti gen Sinnlichkeit. Ein Teil des Phantasie- und Gefühlsgehalts dieser Musik kommt aber auf eigenste russische Rechnung, auf Puschkinsche Landschaft und orthodoxe Religiosität." Das Finale ist, wie so oft in der russischen Sinfonie und auch in der sowjetischen, die sich jene zum Vorbild nimmt, die Schilderung eines Volksfestes, beginnend mit einem Hauptthema, dessen Fröhlichkeit und Frische ebenso bezeichnend sind wie der Taktwechsel ( 3 / 4 - 2 / 4 ), dem wir als Ausdruck nationaler Eigenart bei Borodin immer wieder begegnen. Das zweite Thema erinnert direkt an Volks musik, sowohl in der Melodik wie in der In strumentation. Im Finale jubelt das Volk sei nen Helden zu. Der dieses Heldenlied ge schaffen hat, lebt in seinem Volk unvergessen weiter, und auch die Welt verehrt ihn als einen großen Meister, der, hätte er sein kur zes Leben nicht zwischen Chemie, Medizin, Musik und vielen Freunden teilen müssen, uns sicher mehr Werke von hohem Rang ge schenkt hätte. VORANKÜNDIGUNG: Sonnabend, den 19. November 1983, 20.00 Uhr (Anrecht B) Sonntag, den 20. November 1983, 20.00 Uhr (Anrecht C 2) Festsaal des Kulturpalastes Dresden An beiden Tagen finden keine Einführungsvorträge statt. 2. ZYKLUS-KONZERT Dirigent: Herbert Kegel Solist: Martino Tirimo, Großbritannien, Klavier Werke von Tschaikowski, Beethoven und Mendelssohn Bartholdy Programmblätter der Dresdner Philharmonie Redaktion: Dr. habil. Dieter Härtwig Die Einführung in die 2. Sinfonie von A. Borodin stammt von Prof. Dr. K. Laux Spielzeit 1983/84 - Chefdirigent: Prof. Herbert Kegel Druck- GGV, BT Heidenau III-25-16 JtG 009-41-83 EVP -.25 M 1. ZYKLUS-KONZERT 1 983/84