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AurrlhÄ-Zeitung. Tageblatt für die Stadt Arre und Wirsch«»«» »«glich Nachmittags, außer an S " Feiertagen. — Preis pro Monat frei ins Han« 20 Psg., abgeholt 18 Psg. — Mil der Sonntagsbeilage: „Ter Zeilspiegel" Bei der Post abgeholl pro Vierteljahr 1 Mt. — Durch den Briesträger 1.40 Marl. Billigste Tageszeitung im Erzgebirge. Verantwortlicher Redakteur: <Sr«p Funk», Aue tEzzgeb,rg>. - Redaktion u. Expedition: Au«, Marktstraße. Nr. 102 Sonnabend 5. Mai 1900 Umgebung. Inserat« >»k« einspaltige Petitzeile 10 Pf«., an.tltche Inserate die CorpuS-Zeile SS Psg., Reklamen pro Zeile 20 Psg. Bei 4 maliger Ausnahm. Sk'/s Rabatt. — Bei größeren Inserate» «. mehrmaliger Aufnahme wird entspreä ent - höherer Rabatt gewährt. Alle Postanstalten ,nd Landb. iestrSger .nhmen Bestellungen an. 12. Jahrgang Älltp Erinnert wird an die sofoitige Abführung der Branvkafse aus den ersten Termin 1900 Aue, den 1. Mui 1900. Der Rath der Stadt Dr. Kietzscinnar B. dlNss Der L Termin Einkommensteuer und der 2 Termin Stadtanlagen für 180Ä sind fällig und längstens bis zum 15. Mai dieses Jahres ,bei Vermeidung des Beitreibungsverfahrens an unsere Stenereinnahme abzuführen. Aue, den 1. Mai 1900. Der Rath der Stadt. Dr. K etzschmar. Bürgermeister. V W * IN r f etz t e Deutschland. 8 Der Adler und die Bären. Der „Cri de Paris" weiß zu erzählen, daß der deutsche Kotier seinem älte sten Sohne am Tage der Mündigkeitserklärung zwei Bären und einen Adler schenken will — lebendige Wappenbilder Preußens und Berlins! - Bekan'ntsich hat Berlin nur einen Bären im Wappen, der zweite ist wahrscheinlich der, den das französische Blatt mit dieser schönen Geschichte seinen Lesern aufbinden möchte. 8 Die deutsche Torpedoflottille auf dem Rhein ist gestern früh 6 Uhr von Rotterdam abgedampft. Um 7 Uhr Abend traf die Flottille in Emmerich wohlbe halten ein. Z Eine Todesanzeige und ihre Ursache. Folgende Todesanzeige ist in diesen Tagen in Berlin veröffent licht worden: Infolge einer am 26. März o. stattge habten Exmittirung befand sich eine in der Rosenstraße 7 wohnhaft gewesene Familie in der traurigen Lage — da in der kurz bnmssenen Zeit von 8 Uhr Abends an kein anderes Obdach und auch kein Möbelfuhrwerk aufzutreiben war, sich mit vier Kindern um 1 Uhr .NachtS bei heftigem Schneetreiben nach Weißensee trans- portiren lasten zu müssen. Zwei der Kinder — kaum dem Säuglingsalter entwachsen — erlagen trotz ihrer kräftigen körperlichen Beschaffenheit der ihnen zuge- miitelen barbarischen Behandlung und haben sich nun ein Heim ausgesucht, wo kein Gesetz sie zwingt, sich einer so menschenunwürdigen W-ise zu unterwerfen. Dies bringen die trauernden Eltern und Geschwister zur Kenntniß der Anwohner. Die Beerdigung findet Sonntag, den 29. April, Vormittags 10 Uhr, von der KönigSstraße 32 aus statt. — Die Exmittirung soll wegen rückständiger Miete erfolgt sein. Z Gegen vier Offiziere der kaiserlichen Schutz truppe schweben gegenwärtig militärgerichtliche Unter suchungen. 8 Wie wir seinerzeit berichteten, haben 5 Offiziere vom Ulanenregiment Nr. 12 einen Distanzritt von Insterburg nach Straßburg i. E. unternommen. 3 der Reiter haben am Montag Nachmittag 5 Uhr das Kehler Thor in Straßburg passiert. Pferde und Reiter waren in bester Verfassung. § München, 2. Mai. Der Buchhandlungsgehilfe Max Löhner aus Thun, welcher im Januar auf einer Redoute den Artisten Sträubet aus Eifersucht erschoß, wurde vom Schwurgericht zu drei Jahren Gefängniß verurtheilr. 8 Bromberg, 1. Mai. Gestern Nacht wurde im hiesigen Stadttheater der Kastellan Milewski während der Aufführung der „Zauberflöte (bei Beginn des 3. Aktes) aus der Treppe zum 1. Range von einem Logen- -schtteßer «nr» Versehen erschoss en. 8 Hamburg, 2. Mai. Die Bewohner des Vorortes Hammerbrock wurden in große Aufregung versetzt durch einen Kindesraub am Hellen Tage. Der vierjähr ge Knabe Otto Sommer wurde durch eine vorüberziehende Zigeunerbande entführt. 8 Die Trauung der Prinzessin Mathilde von Bayern mit dem Prinzen Ludwig von Koburg fand gestern tn München statt. 8 Bei Ginseldorf (Hessen-Nassau) wütete ein großer Waldbrand. Dreißig Morgen Kiefernbestand sind ganz eingeäfchert. Das Marburger Jägerbatrnllon und die Feuerwehr vollführten die Löscharbenen. 8 Durch brennende Schlacken, die aus einem ex plodierenden Hochofen der Fabrik von Metz u. Cie. in Esch (Lothringen) herausstürzten, sind 3 Arbeiter grüß- lich verbrannt worden. Alle drei sind ihren schweren Verletzungen erlegen. Ausland.' 8 Krakau, 1. Mat. Die „Slowo PolSkte" erfährt, daß in Warschau Arbeiterunruhen stattfinden. Bari gestern wurden rote Fahnen mit Aufschriften: „Dtp polnischen Arbeitern den Achtstundentag" ausgesteckt. Abends veranstalteten die Arbeiter einen Aufzug, Myx- den jedoch von der Polizei und von Kosaken auSetn» ander gejagt. — 2000 Arbeiter sind verhaftet. - 8 Hüll, 1. Mai. Hier haben heute ungefähr Svy Dockari'eiter die Arbeit eingestellt; sie verlangen ein« Lohnerhöhung von ernem -Hilling. 8 Budapest, 2. Mai. In NagysaroS wurden SS Wohnhäuser mit ihren Nebengebäuden durch Feuer zerstört. 8 Das Kind der Putzmacherin. AnS Budapest, 28. April, schreibt man: 'Zor zwei Tagen erst hat das Budapest-r Geschworenengericht Mutter und Tochter Sonneberg und den „Bräutigam" der Letz teren von der gegen alle Drei erhobenen Anklage der Ermordung des von der Tochter geborenen Kinde» frngesprochen. Gestern traten die Geschworenen aber mals in einem ähnlichen Falle vor Gericht. Diesmal wurde die übrigens geständige Mörderin ihres Kindes schuldig erkannt und zu dre> Jahren Zuchthaus ver- urtheilt. Der gestern zur Verhandlung gekommene Fall ist in seinen Details geradezu grauenhaft. An^ geklagt war die Putzmacherin Eugenie Abraham, ein 21. Jahre alte», sehr hübsches Mädchen. Sie unter- hielt mtt dem Handlungsbeflissenen Julius Roth ein Liebesoerhältniß. Dieses dauerte wohl nur 2 Monats aber die Folgen desselben zeigten sich bald und dis schöne Putzmacherin genas einige Monate später eines gesunden Mädchens. Sie ging dann nach einer Pro vinzstadt. wo sie eine Stelle in einem Geschäfte an trat, kehrte jedoch von da, immer mit ihrem Kinde, nach der Hauptstadt zurück. Hier traf sie Abends 7 Uhr ein, schon mit der Absicht, sich des Kindes, welches ihr zur Last war, zu entledigen. Bit lOUHrAbcnds saß sie — es war em warmer Sommerävend — mit ihrem Kinde auf dem grünen Rasen, spielte mit demselben, gab ihm zu trinken, dann, als es dunkel geworden, machte sie die Todten-Toilette des Kindes zurecht. Sie nahm das Kind aus dem Pol'ter, zog ihm daS Kleidchen aus, ließ ibm nichts als ein kurzes Hemd chen, setzte ihm ein mit einem rothen Bändchen ge ziertes Häubchen auf, ließ es sich noch einmal an der I« -er Zlremde. Roman von Alexander Blumenberg. 70 „Za, Onkel," nickte der Kleine altklug, „warte ein mal.." und wie der Blitz war er fort, um im nächsten Augenblick mtt einem großen Steine beladen wieder zu- rückzukommen. „So, Großonkel," sagte er, „nun kannst Du ganz ruhig stehen bleiben, ich lege den Stein so lange hinter Deine Hacken, daß Du nicht den Berg hinunterkvllern kannst." That« und blieb aufmerksam ob der Folgen seiner Vor sicht mit auf dem Rücken gefalteten Händen stehen. Herr von Walden lachte, daß ihm das runde Bäuch lein wackelte und er am Ende trotz de» Heinnistein» berg unter gekugelt wäre. Auch Frau Doktor Klinger konnte ein Lächeln nicht unterdrücken; der Knabe aber lief plötz lich jubelnd von dannen. Um die nächste Waldecke bog ein hochgewachsener Mann im leichten Touristenkleide, und ein Führer mit Haken, Stricken und Stöcken. versehen, wie man sie zu größeren Alpentouren nötig hat, schritt ihm zur Seite „Onkel Ludwig! Onkel Ludwig !" rief Emil und stürzte sich mit wildem Ungestüm in die sich ihm öffnenden Arme de« Manne». Professor Klinger entließ den Führerund grüßte, den Knaben an der Hand führend, nun herzlich Vie beiden Alten. Emil» Entzücken kannte keine Grenzen, al» ihm Onkel Ludwig einen richtigen GemSbart an den kleinen Strohhut steckte, und stolz wanderte er, Ludwigs Hand fest umklam mernd, an seiner Seite den Berg hinab. Dem Professor hatte die frische Schwerzerluft augen scheinlich gut gethan, sein männliches Antlitz zeigte unge- heuchelten Lebensmut und die kräftige, muskulöse Gestalt entbehrte keineswegs der jugendlichen Elastizität eine» Mannes, der sich de» Gefühle» feiner Vollkraft bewußt ist. Niemand war froher al» Herr v. Walden, daß e» nun wieder bergunter ging, man kehrte just zur Zeit de» Abend- imbtkse» tn» Hotel zurück. Herr von Walden liebte die Nachtlnft, die feucht vom See heranfstieg, nicht und zog sich nach der letzten Mahl zeit stet» gleich in sein Zimmer zurück. Der kleine Emil war längst zur Ruhe gebracht worden. Ludwig, eine Ci garre rauchend, ging im Gespräch mit einige» im Hotel wohnenden Herren auf der kühlen Terrasse auf und nieder. Al» er aber sein Mütterchen in einen warmen Shawl ge wickelt au» dem offenstehenden Salon treten sah, ging er zu ihr und beide promenierten langsam im Seegestode hin. „Du bist doch nicht zu müde, Ludwig," sagte sie, „für unseren Spaziergang?" „Nicht im geringsten, Mütterchen," versicherte Ludwig. „Ich möchte die ganze Nacht im Mondeuschein promenie ren. Bist Du auch warm genug bekleidet?" „Vollkommen," meinte ihrerseits die Frau Doktorin. „Ich bin froh, Dich noch ein wenig allein sprechen zu können, Ludwig, ich erhielt heute morgen einen 'ehr lan gen Brief von Emils Mama." So ruhig die Worte auch von Frau Klinger« Lippen kamen, forschend ruhten dabei doch ihre Augen aus ihres Sohne» Antlitz Die Mutter sah gar wohl die blitzähnliche Bewegung tn den ruhigen Zü gen. „Nun, und? Woher kommt der Brief? Frau v. Ma lakoff ist ja doch nach aller Voraussetzung mW Berechnung unterwegs," sagte er gespannt. „Sie ist nicht mit dem Schiff gefahren, in welchem sie bereit» Passage genommen hatte, sondern noch in New- Kork zurückgeblieben." „Um Gotte» willen, wa» soll da» heiß«»? Ist sie krank» Mütter?" «tef Ludwig. „Nein, niein Sohn, Frau von Malatoff ist nicht krank, aber .. doch hier ist ihr Brief, ich wünsche sehr, daß Du ihn selbst lesen möchtest, er ist wichtig genug und muß nach meinem Dafürhalten schnell beantwortet werden; Wal den und auch Du müßt mir Eure Meinungen sagen. Sieh', mein Junge, der Mondschein macht » beinahe tageshell, glaubst Du den Brief. hie« ist er, dabet lesen zu können ?" SSM«—S— „Nein, Mutter," sagte Ludwkg und nahm zaudernd den dargereichten Brief tn Empfang. „Wenn Du durchaus wünschest, daß ich davon Kenntui» nehme, so lese ich ihn in meinem Zimmer. Hat e» Zeit bis dahin?" „Gewiß, Ludwig, es betrifft diesmal hauptsächlich Fran von Malatoff» Bruder, den Wilhelm Lutzweiler, der, nun, Du wirst'» ja lesen " Später, in der Limamkeit seine» Zimmer», zog Lud wig den Brief au» seiner Tasche hervor. Es war seit vier Jahren zum erstenmal wieder, daß er diese feinen Schrift züge la». Er hatte damal» sich mutig die Entsagung ab- gerungen und war in keine schriftliche Verbindung mit der schönen Frau getreten. Seine ganze, stolze ManneSehre sträubte sich dagegen, den Zufall zu benutzen, um durch den Erguß der Feder derjenigen wieder nahe zu treten, welche so lange Jahre sich fern gehalten, nach der er sich wohl mit allen Fasern feine» Herzen» sehnte, welche aber dennoch durch tausend Hindernisse der bürgerlichen Sphäre, welche ihn umgab, entrückt war. Ein einzige», knappe» Schreiben hatte er damal» an sie abgesandt, ein Antwortschreiben, wie e» die allgemeine Höflichkeit verlangte. In demselben hatte der Professor sich gleichzeitig mit der trockensten Gelehrtenpedanterie ent- schuldigt, wenn er fortan, überhäufter Amtsgeschäfte Hal- ber, alle seine Privatkorrespondenzen seiner Mutter über- tragen müsse. Frau von Malatoff hatte die» sofort al» ein« genü- gende Entschuldigung anerkannt und ihre Briefe vvn da ab stet» an Frau Doktor Klinger gerichtet, welche ihrerseits auch gutmütig Herrn von Walden» Korrespondenz besorgte. Ludwig hörte natürlich im Familienkreise stet» von den häufig eintreffenden Briefen, Emil» Mama schrieb fleißig und Frau Doktor Klinger war zu gewissenhaft, um da» Antworten zu vernachlässigen. Bon den großen Erfolgen, welche Paula Freiling in Amerika gefeiert, wußte man in Deutschland genug zu re den.