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Wöckenllick «scheinin drei Nummern. Prönumeraiisnl-Pret« 22t Silber,r. jj THIr.) vierleljShrlich, Z THIr. für tat ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen rhellen her Preußischen Monarchie. Magazin für die Prinmnerallonen werden von leder Buchhandlung (In Berlin hei Belt U. Comp., Iägerstraße Nr. 25), so wie von allen König!. PosI-Aemlern, angenommen. Literatur des Auslandes. .4/ 107 Berlin, Sonnabend den 6. September L84S. Schweiz. Die diesjährige Versammlung der schweizer Naturforscher in Genf. Ueber den Verlauf der im vorigen Monat (August) zu Genf stattgefun- denen Versammlung der schweizer Naturforscher und Aerzte werden uns in einem Privatbriefe einige Notizen mitgetheilt, die auch für das größere deutsche Publikum von Interesse sepn dürften. Der Brief selbst rührt von einem in der französischen Schweiz ansässigen deutschen LandSmanne, Herrn Dr. Lebert, her, der sich durch seine zum Theil in französischer und zum Theil in deutscher Sprache herausgegebenen medizinisch-physiologischen Arbeiten in beiden Ländern bereits einen rühmlichst bekannten Namen erworben hat..) Herr l)r. Lebert praktizirt seit einigen Jahren als Badearzt zu Lavep bei Ber im Kanton Waadt, wo er namentlich mit den Physiologen der französischen Schweiz in dem lebhaftesten wissenschaftlichen Verkehr sich befindet. „Sonntag den 10. August (schreibt er) begaben wir uns, eine ganze Gesellschaft Naturforscher, von Ber aus dem Genfer See nach Genf. In unserer Mitte befanden sich mehrere der schönsten Namen unserer schweizer Gesellschaft, Herr v. Charpentier, Prof. Mouffon aus Zürich, Prof. Meißner aus Basel, Beide zu Besuch in Ber, Herr Lardp, Herr Thomas, Herr Baup, rin ausgezeichneter Chemiker, re. Auf dem Dampfschiff vermehrte sich unsere Gesellschaft mit jeder Station; in Lausanne stiegen außer den waadtländischen Naturforschern die neuchateller auf. So kamen Agassiz, Coulon, Hollard, Gujot, Escher von der Linth aus Zürich re. zu uns, und bei unserer Ankunft tn Genf bildeten wir ein ansehnliches Fähnlein. Das Rendezvous der Natur, forscher war im botanischen Garten, wo uns die Stadt ein sehr schönes Souper anbot und wir unter Musik und allgemeiner Heiterkeit uns gegenseitig begrüßten. Im Garten fand ich, außer vielen anderen Freunden, meinen lieben Prevost, mit dem ich dann am Abend auf sein Landhaus nach Aire am Ufer der Rhone ging. „Am anderen Morgen, Montag den Ilten, fanden wir uns um 10 Uhr alle im RathhauS im Sitzungssaal des Großen Raths zusammen, wo wir die erste allgemeine Sitzung hatten. ES waren mehrere Hundert Naturforscher und Genfer Notabilttäten im Saale beisammen und auf den Galerieen die eleganten Genfer Damen. Prof. Delarive eröffnete die Versammlung mit einer höchst interessanten Rede, in welcher er nach allgemeinen Bemerkungen besonders den Einfluß der Elektrizität und des Galvanismus auf die verschie denen Naturwissenschaften, Kunst und Industrie entwickelte. Sodann hielt Prof. Agassiz einen Vortrag über Fisch. Anatomie; demnächst las ich einen Aufsatz über die Elementar.Zusammensetzung der Gewebe und Organe der niederen Thiere und besonders der Mollusken ; darauf wurden noch mehrere naturwissenschaftliche und medizinische Mittheilungen gemacht und eine Kom mission ernannt, um die Leistungen des verflossenen Jahres in der Frage über Kretinismus zu prüfen. „Um zwei Uhr fanden wir uns dann wieder im botanischen Garten ein, wo die Büste de Candolle'S inaugurirt wurde. Eine schöne Rede, angemessene Musik verbreiteten eine allgemeine feierliche Stimmung. Wie peinlich und unangenehm war aber unser« Ueberraschung, als wir, nachdem die Büste ent hüllt war, auch nicht die entfernteste Ähnlichkeit mit den uns Allen so theuren Zügen des verehrten Freundes sanden! „Um drei Uhr fanden wir uns alle im Hotel üe la besvigmion ein, um gemeinschaftlich zu Mittag zu speisen. Wir waren 220 an der Tafel: eS herrschte allgemein ein heiterer Geist, aber voll Würde, und die schönen Toaste und Lieder waren so voll Gemüth und so geistreich, daß auf allen Ge. sichtern sich daS Gefühl inniger Zufriedenheit aussprach. Von fremden aus gezeichneten Gästen befand sich unter anderen Herr v. Buch aus Berlin in nserer Mitte. „Nach Tische hatten wir, unserer fünf, eine Konferenz über Kretinismus; ich war nämlich in die Kommission gewählt worden und wurde zum Bericht erstatter für die nächste allgemeine Sitzung erwählt. Am Abende waren wir bei Prof. Delarive eingeladen. Der Salon von Herrn Delarive, den ich schon von früherher kannte, kann mit den besten Pariser Salons in Auswahl ') Insbesondere macken französische kompetente Stimmen auf eine« seiner größeren Werke aufmerksam, da« kürzlich unter dem Titel erschienen- PUxelolo^i- ?»t!,oloxlquc, ou weoderolio» oUui^ue«, ««perlmcutLle» et nUoroovoplgueo »ur I'iuNunnnution, la Lu- n.roulisstlou, le« tuiueur», I» formntion Su eil ete. n-r kk. I.ebeet etc. ^ceom- t>sgu« U'uu ^tlie se 22 pteucbes xravee«. 2 vol. Nuri«, öalliere, 1845. der Gäste, feinem Ton, angenehmer, eleganter und geistreicher Gesellschaft rivalisiren, eine Reihe schön erleuchteter Säle, ein prächtig dekorirter Garten, ein zahlreiches Musikcorps, die beste Gesellschaft der Genfer Damen, die schweizer Naturforscher aller Kantone, alles dieses gab ei» bunteS, aber sehr erheiterndes Bild. „Am folgenden Tage, Dienstag den I2ten, war die Gesellschaft in Sektionen vertheilt: in eine geologische, zoologische, botanische, physikalische, medizinische, astronomische und agronomische Section. Ich wohnte besonders den Sitzungen der medizinischen und zoologischen bei. In ersterer thetlte ich eine ausführliche Arbeit über die gutartigen und bösartigen (krebshaften) Geschwülste der weiblichen Brust mit. Dieser Vortrag erregte so allgemeine» Jnteresse, daß für die Gesellschaft von 1847 die Frage über Krebsgeschwülste als Hauptgegenstand für Untersuchung und Diskussion gestellt wurde. „In dieser Section wurde auch die im Jahre I84Z gestellte Frage über Wirkung de» LeberthranS nach aus allen Theilen der Schweiz eingesandten Dokumenten sehr ausführlich verhandelt. In der zoologischen Section theilte ich eine ausführliche und in den meisten Punkten neue Arbeit über die Kau- organe der MeereS-Gastcropoden mit; diese Arbeit werde ich in kurzem deutsch übersetzt an Müller'S Archiv schicken. Meine Arbeiten waren von zahlreichen Kupfertafeln begleitet. „Am Dienstag war wieder gemeinschaftliches Diner, sehr schöne Soiree bei Herrn Favre. Ich zog es jedoch vor, mit meinem Freunde Prevost einige Stunden der Muße in traulichem Gespräche aus dem Lande zuzubringen. „Am Mittwoch früh beendeten wir die Arbeiten in den Sektionen, um un» dann wieder zu einer allgemeinen Versammlung zu vereinigen. Hier wurden zuerst die administrativen Punkte diSkutirt; sodann erstattete ich den Bericht über Kretinismus und wurde von der Gesellschaft beauftragt, die in diese Frage einschlagenden Arbeiten für das nächste Jahr zu leiten und einen Bericht in der nächsten Jahres-Sitzung mitzutheilen, so wie eine Karte über geographische Verbreitung des Kretinismus anzufertigen. „Unter den vielen interessanten Mittheilungen zeichnete sich besonders dir naive, ganz vortrefflich abgefaßte Erzählung eines Walliser Geistlichen aus, der die Entdeckung eines neuen BergpaffeS und die gefährliche hierzu nöthige Alpenreise in einem Style, der mich unwillkürlich an Lavier de Maistre er- innerte, beschrieb. Sodann wurde das Resumö aller Sectionen von den be- hörigen Sections-Secretairen mitgetheilt, Schaffhausen für die nächste Jahres-Versammlung gewählt, und die Versammlung in Genf geschloffen. Ein gemeinschaftliches Diner, eine Spazierfahrt auf dem Genfer See, eine brillante Soiree bei Herrn Marcet schloffen die Scene. „Am folgenden Tage fuhr ich auf dem Dampfschiff heiter, Wohlgemuth, voll angenehmer Erinnerungen, mit manchen neu erworbenen Kenntnissen nach Villeneuve zurück und von da nach Lavep, wo ich wieder das ernste Berufs- leben mit erneuter Kraft begann." Rußland. Genrebilder aus dem russischen Nationalleben. II. Eine einfache und einfältige Geschichte. Als ich mich nach unserer Entlassung aus der Schule von Dir trennte, mit dem Bewußtseyn, nichts gelernt zu haben, begab ich mich nach Peters burg, wie sich von selbst versteht, in der Äbsicht, dort in den Staatsdienst zu treten. In Petersburg leben, ohne zu dienen, heißt eben so viel, als im Wasser sepn, ohne zu schwimmen. Ganz Petersburg gleicht einer einzigen ungeheuren Behörde, und sogar die Häuser sehen aus wie die Minister, Direktoren, Büreauvorsteher mit ihren uniformirten Mauern und ihren Fen stern in Vice-Montur. Selbst die Petersburger Straßen lassen sich nach der Rang-Tabelle eintheilen in Wohlgeborene, Hochwohlgeborene und Ercellcnzen. Als ich an dem unermeßlichen Beamtenfitze anlangte, war ich fest überzeugt, daß ich mich nur zu zeigen brauchte, um sofort die allge- meine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, und daß ich in kurzer Zeit die glänzendste Carriere machen würde. Da ich auf der Schule schlechte Verse gemacht, so, schloß ich ganz logisch, werde ich nunmehr treffliche Geschäfts berichte abfassen. Ich hatte mich getäuscht, denn mein erster Versuch setzte die LachmuSkeln meines BüreauvorsteherS in Bewegung, und mir ward der Auftrag, die Berichte Anderer zu mundiren. Weder Minister noch DirektDr