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SWsche Wikszeitung Erscheint täglich nachm, mit Ausnahme der Sonn- u. Festtage. Bezugspreis r Vierteljahr!. 1 Mk. 5« Pf. (ohne Bestellgeld). Post-Bestellnummer 6858. Bei außerdeutschen Postanstalten laut Zeitungs-Preisliste. Einzelnummer 10 Pfennige. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht nnd Freiheit. üuebUruclttrel. betlalrtlon unä LezcdäNssteller Dresden, Pillnitzer Straße 4Z. Inserate werden die «gespaltene Petitzeile oder deren Raum mit 15 Pf. berechnet, bei Wiederholung bedeutender Rabatt. Redaktions-Sprechstunde: 11—1 Nhr. Fernsprecher: Amt l. Nr. 1566. Nr. 188. Katholiken r Stephan. Donnerstag, den 20. Anglist 1903. »>„.»> »<»„>>»,!>. 2. Jahrgang. Bericht des sozialdemokratischen Partei vorstandes. Wie alljährlich, so hat auch Heuer kurz vor der Ab haltung des Parteitages iu Dresden die Leitung der sozial demokratischen Partei den Bericht über ihre Tätigkeit erscheinen lassen. Da er viel Belehrendes und Beherzigens wertes für andere Parteigenossen, auch für uns, enthält, so wollen wir in Kürze das Wichtigste daraus anführen. Vielleicht regt es manchen untätigen Zentrnmsmann znr Nachahmung an. Beginnen wir mit der Presse. Der Bericht stellt überall eine starke Zunahme des Abonnentenstandes fest. Unter anderem ist die Auflage des „Vorwärts" ans über 78 000 gestiegen. Der Reingewinn betrug über 72 000 Mk. Er ist im Laufe des Rechnungsjahres fortwährend gestiegen und war im letzten Vierteljahre fast doppelt so hoch als im ersten. Für seine Redakteure bezahlt der „Vorwärts" fast 7)7> 000 Mk., außerdem wendet er für Mitarbeiter 48 000 Mk. auf, insbesondere für politische Mitarbeiter über 00 000 Mk. — Die Unterhaltungsbeilage „Nene Welt", die durchaus nichts besonders Wertvolles bietet, hat eine Auflage von 278 000 Exemplaren. Die offizielle Wochenschrift der deutschen Sozialdemokratie arbeitet mit einem Defizit von etwa 7000 Mk. Dagegen erzielt das satyrische Witzblatt „Der wahre Jacob" einen Reingewinn von ca. 27, OOOMk. Die Gesamteinnahme steht laut Kassenbericht auf über 628 000 Mk. Es handelt sich hierbei nur um diejenigen Ein nahmen, die der Zentralkasse zngehen nnd nicht in den einzelnen Wahlkreisen schon verbraucht werden, so besonders bei den Ausgaben für Wahlagitation, die 282 000 Mk. nnd bei denen für allgemeine Agitation, die fast 68 000 Mk. be tragen. Das sind lediglich die Ausgaben, die von der Zentralstelle ans gemacht worden sind. Will man die von den einzelnen Kreisen für diese Zwecke noch besonders anf- gewandten Mittel hinzn rechnen, so dürfte man die Summe noch mehrfach multiplizieren müssen. Von den sonstigen Ausgaben erwähnen wir noch die Preßnnterstütznngen mit Ol 000 M., das Darlchnskonto mit 100 000 Mk. nnd die anderweitigen Unterstützungen mit über 16 000 Mk., die Gehälter und Verwaltungs ausgaben betragen nur 17 000 Mk. Gering erscheinen auch die Reichstagskosten, welche 00 000 Mk. betragen. Das beträgt an Diäten für den Kopf der Abgeordneten etwa 600 Mk. Die Winzigkeit dieser Summe erklärt sich einmal daraus, das; die meisten der sozialdemokra tischen Abgeordneten ihren Wohnsitz in Berlin haben nnd daher nur geringere Diäten beanspruchen können, dann aber auch daraus, das; die wohlhabenden Ge nossen auf eine Diätenzahlung ans der Parteikasse ver zichten werden. Im kommenden Reichstag wird wohl die Summe der Reichstagskoslen wesentlich zu erhöhen sein. Trotz der bedeutenden Ausgaben war der Parteivorstand in der Lage, eine Summe von fast 7,0000 Mk. fest an zulegen nnd verfügte am 01. Juli über einen Kassenbestand von 28 000 Mk. Diese wenigen Angaben geben doch sehr zu denken. Wenn man auch mit Recht annehmen mag. daß in die Parteitage große Summen als Almosen schwer reicher „Ge nossen" fließen, so reicht diese Tatsache doch nicht ans, um die günstige Lage des Kassenstandes allein zu erklären. Dieselbe ist vielmehr ein Dokument hervorragender Opfer- Willigkeit der Parteianhänger insgesamt, nnd damit zugleich einer Straffheit und Geschlossenheit in der Organisation nnd Parteidisziplin, die man anerkennen muß, man mag einer Parteirichtnng angehören, welcher man wolle. In diesen Dingen ist die Sozialdemokratie vorbildlich nnd man sollte hiervon lernen allerseits, auch bei uns in Sachsen. Wir haben vor der Opferwilligkeit der Katholiken die größte Hochachtung. Alle Kreise Sachsens beteiligen sich an der Arbeit, um der traurigen Kirchennot nach Kräften zu steuern, um den Kindern katholischen Unterricht zu er möglichen und die armen nnd kranken Glaubensgenossen zu unterstützen', der Pfennig des Arbeiters wetteifert mit dem Goldstücke des Gutsituierten. Und außerdem tritt noch die Sorge um die Erhaltung nnd Vergrößerung unsrer Zeitung an die sächsischen Katholiken heran. Eine Anzahl wackerer Männer haben den Preßverein gebildet, nnd, durch große Opferwilligkeit unterstützt, schritten sie znr Gründung der „Sächsischen Volkszeitnng". Was seit Jahren als eine brennende Notwendigkeit gefühlt worden war, wurde end lich nach langen Arbeiten glücklich ins Werk gesetzt. In dem bescheidenen Gewände eines zweimal wöchentlich er scheinenden Blattes trat sie in die Oesfentlichkeit; mit Ver trauen ans die so oft bewiesene Opferwilligkeit der Katho liken wurde mit Beginn dieses Jahres eine eigne Buch- drnckerei gegründet nnd mit >. Januar das Blatt in eine Tageszeitung nmgewandelt. Opferwillige Ueberzengnng schnf dieses Werk. Wäre die Zahl jener tätigen Männer verdoppelt, würde der Preßverein ans allen Gauen Sachsens durch neue Scharen verstärkt an die Arbeit gehen können, würde der Katholik mit Konsegnenz in s e i n e m Blatte inserieren, wie bald könnte die „Sächs. Volksztg." an Um fang auch das bieten, was der sozialdemokratischen Preise durch die Opferwilligkeit ihrer Gesinnungsgenossen ermög licht wird! Wenn die nmstürzlerischen Elemente solche Opfer für ihre Sache bringen können, so sollten jene, deren Augenmerk nnd ernstes Wollen ans die Erhaltung der be stehenden Grundlagen für daS Staatswohl nnd die Gesell schaft gerichtet ist, erst recht bemüht sein, in Opfern,illigkeit nnd Hingabe für ihre gute Sache daS Menschenmögliche zu leisten. Große Worte hört man oft und Wünsche, wie eS sein sollte, mehr als genug. Das allein tnt'S nicht; man muß auch handeln, um die Erfüllung zu ermöglichen. Politische Rundschau. Deutschland. Herr von Windheim wird Oberpräsident von Hessen, so weis; der „Lokal Anzeiger" heute abend zu melden. Die Nachricht, deren Bestätigung wohl bald erfolgen wird, kommt einigermaßen überraschend, da man vielfach annehmen zu sollen geglaubt hat, das Oberprä- sidinm werde in die Hände eines jetzt noch amtierenden, aber schon ziemlich amtSmüdcn Ministers übergehen. Anderer seits ist Herr von Windheim ans seinem Posten als Re gierungspräsident von Frankfurt a. O., den er nach der Niederlegnng des Amtes als Polizeipräsident von Berlin erst seit wenigen Monaten bekleidet, noch kaum warm ge worden. Herr von Windheim, der erst >6 Jahre alt ist, hat eine rasche Karriere dnrchgemacht. Er gilt als ein hervorragend tüchtiger, akkurater nnd weitsichtiger Ver- waltnngSbeamter. Die Besetzung des Oberpräsidinms von Schlesien durch den Grafen Zedlitz-Trützschler sieht man in liberalen Kreisen mit einem nassen nnd einem trockenen Auge an. Dem stolzen nnd mannhaften Verteidiger des Volksschnlgesetzes ans christlicher Basis, der in edler Eharakter- sestigkeit ans seiner ehrlichen Ueberzengnng unbeugsam ver harrte, kann man diese seine Tat noch immer nicht ganz vergessen. Ziemlich widerwillig klingen die Lobsprüche, die man der Begabung nnd den Eharaktereigenschaften dieses trefflichen Staatsmannes wohl oder übel angedeihen lassen muß. Man findet aber in der fatalen Situation einen Rettungsanker, indem man den Grafen förmlich bittet, er möchte sich das ihm seitens der Liberalen verloren gegangene Vertrauen znrückerobern. Dies könne er durch eine möglichst „schneidige" Polenpolitik, wie sie für Schlesien dringend vonnöten sei. Wir glauben, das; der neue Oberpräsident von Schlesien des Rates liberaler Blätter kaum bedürfen nnd daß er Ratschläge von dieser Seite ebenso höflich als entschieden ablehnen wird, ans dem einfachen Grnnde, weil er schon selbst wissen wird, was er zu Inn hat. — Die Generalversammlung des Verbandes deutscher Kriegsveteranen, die in Hamburg abge halten wurde, beschloß eine Petition an den Reichstag zu richten wegen Milderung der bisher maßgebenden Be stimmung „gänzlicher nnd dauernder Erwerbsunfähigkeit" bei Bewerbung um Staatsbeihilfe ans dem Jnvaliden- fonds. Ferner wurde ein Antrag angenommen, an den Reichstag zu petitionieren, für die Witwen von Beihilfe- empfängern, betreffs mehrmonatiger Weitergewährnng dieser Beihilfe nach dem Tode des Mannes. Des weiteren wurde beschlossen, die Reichsverwaltnng zu ersuchen, bei der nächsten, am l. Dezember ll>07, slattfindenden deutschen Volkszählung eine Rubrik anfznnehmen, um festznstellen, wieviel Kriegsveteranen noch in Deutschland leben. Der Verband zählt zurzeit loooo Mitglieder. Nach geschiedener Ehe. Ein Sittenbild aus dein heutigen Frankreich. Von Comtesse de Beaurepaire. — Deutsch von Helene Kreinbs. Fortsetzung.) —- (Nachdruck verboten.) So innigen Anteil auch Herr Marande an dem Leide der Freunde nahm, so verlor er doch nicht das Interesse an den Politischen Ereignissen; seine frühere Laufbahn hatte ihn zu sehr mit dieser verknüvst. Er vernachlässigte keinen Tag. die Zeitungen zu lesen. Heute jedoch überflog er unaufmerksam die Spalten, bis er ans den Namen Bertinet stieß. Da stand ein langes Referat über den gestrigen Ball. „Sieh einmal!" sagte er nnd reichte Martha das Blatt. „Welch traurige Ironie!" rief diese. „Also dank dieses schändlichen Gesetzes der Ehescheidung ist es möglich, das; ein Vater sich am Tanze vergnügt, während sein Kind in den letzten Zügen liegt! Diejenigen, welche eine solche Niederträchtigkeit zustande gebracht haben, verdienen nicht den Namen Menschen." „Du hast Recht; vom Menschen haben sie nichts an sich, als die niedrigsten Leidenschaften." Während sich das Ehepaar noch weiter besprach, fand im Krankenzimmer eine rührende Szene statt. Margnerite war ans ihrer Erstarrung erwacht, aber sie fühlte sich zum Sterben matt und elend. Der Gedanke an den Tod trat vor ihre Seele, zuerst mit Schrecken und Abscheu, dann aber, als die Leiden und Schmerzen der letzten Zeit und die Unwürdigkeit ihres Vaters ihr ins Gedächtnis kamen, schien er ihr sogar süß nnd tröstlich. „Gott ist gut, bei ihm ist Freude!" sagte sie sich. „Er wird auch Mama und Hermine zu sich nehmen, denn er kann sie doch nicht ans dieser schlechten Welt lassen. Ich werde ihn darum bitten, wenn ich bei ihm bin. er wird es mir nicht abschlagen, denn ich habe mir doch alle Mühe gegeben, brav zu sein." Sie wartete ans den Moment, wo Volande den Arzt verabschiedete, nnd winkte Hermine zn sich. „Komm ganz nahe", flüsterte sie mit schwacher Stimme. Hermine bog sich über das Antlitz der Kranken. „Höre", klang cs kaum verständlich. „Ich werde sterben; Du darfst es aber nicht der Mutter sagen, es würde sie betrüben. Ich möchte so gern noch meine erste hl. Kommunion feiern. Willst Du darum bitten?" „Herzlich gern, mein Liebling", antwortete Hermine, indem sie mit Gewalt die ansbrechenden Tränen hemmte. „Aber Tn wirst nicht sterben. Gott wird uns diesen Kummer nicht schicken." „Ich wäre aber lieber tot, als daß ich die bösen Leute sagen hörte. Papa sei ein Mörder." Hermine wollte ansbransen, aber znm Glück näherte sich die Mutter wieder. In kurzen Worten erklärte sie dieser den Wnnsch des Kindes nnd flüchtete dann zn Frau Marande. Dort konnte sie weinen nnd erzählen, was die Schwester gesagt. Frau Marandes Angen wurden feucht. Solche 0lagen eines Kindes und ein solches Vertrauen ans Gott waren herzergreifend. In diesem Augenblicke traf Bertinets Telegramm ein. Herr Marande war ein zn edler Mensch, um nicht sein Mitgefühl zn betätigen. So schwer es ihm ancli an- kam, beschloß er doch, dem so demütig ausgesprochenen Rufe zn folgen. Es war die höchste Zeit, und er fuhr gleich znr Bahn. Bolande ließ auch den Herrn Pastor zn sich bitten, welcher ohne Verzug kam nnd die kleine Kranke ans die heilige Wegzehrung vorbereitete. Hermine, Martha nnd Miß Kate richteten das Zimmer ein, um den hohen Gast, der hier erscheinen sollte, würdig zn empfangen. „Wir werden warten, bis Herr Bertinet anlangt", hatte Rolande Herrn Marande vor seiner Abfahrt gesagt. „Machen Sie ihn darauf aufmerksam, daß er seine Tochter erst ein wenig später sehen kann. Vorerst gehört sie ganz dem lieben Gott, nnd nichts soll sie zerstreuen, selbst nicht unser größtes Leid." XXI. Der Pariser Eilzng lief eben in den Bahnhof ein, als Herr Marande das Stationsgebäude betrat. Er ging Herrn Bertinet entgegen, stutzte aber, als er denselben so verändert fand. Das bleiche Antlitz, die geröteten Angen, das ungeordnete Haar — alles an ihm redete deutlich von großer Aufregung und seelischer Pein. „Lebt sie?" war sein erstes Wort. „Ja, sie lebt noch", antwortete Marande. „Werden Sie sich weigern", fuhr Marzel fort, „einem Schuldigen nnd tief Unglücklichen die Hand zn geben?" Statt einer Erwiderung reichte Herr Marande ihm beide Hände hin, die Marzel hastig ergriff nnd ungestüm drückte. „Fahren wir schleunigst ab!" sagte er dann. Tie ersten Augenblicke gingen still vorüber; Bertinet stützte den Kopf in die Hände »nd schien in Gedanken ver- loren. Endlich fragte er: „Sie baben mir mitgeteilt, daß Margnerite infolge der Nachricht über meinen Zweikampf ertrankt sei. Wie hat sie denn von diesem traurigen Ereignisse erfahren?" Herr Marande erzählte das, was nur wissen. Er mußte dann über alles Weitere berichten, über den ganzen Verlauf der langwierigen Krankheit. „Also bin ich es. der diec- Leid verschuldet hat", stöhnte Bertinet. ,.Und wätzrend ich einen Ball geben ließ, lag mein Kind im Sterben! O. ich Unglückseliger! Ich werde es mir nie vergeben können . . . ebensowenig als alles Vorhergehende." Herr Marande sah ans, verwundert nnd ein wenig ungläubig. „Sie glauben mir nicht", sntzr Marzel fort, „nnd doch sage ich die Wahrbeil. Meine Rene ist bitter nnd ans richtig . . . Sie bar sich schnell eingestellt und sich nicht verscheuchen lassen, was ich auch immer getan habe, um mein Gewissen einznichläsern nnd seine Stimme znm Schweigen zn bringen." „Wie traurig sür Sie!" rief Herr Marande bis ins Innerste tief erschüttert! „Vormals so ehrenhaft und. . . so glücklich!" tForlsetzung folgt.)