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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration« - Pret« 22j Silbcrgr. (h Thlr.) vierteljährlich, Z Thlr. für da« ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußisch,» Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Veit u. Comx., Jägerstraßc Nr. 25), so wie von allen König!. Pofi-Aemtcrn, angenommen. Literatur des Auslandes. Snu ?rs ura tim triv ckr)mr»n u-löit riT .kniL? s k« svut" 40. Berlin, Donnerstag den 3. April 1843. Frankreich. Thiers' und Napoleon's Meinungen über Staatsreligion. Wir geben hier, indem wir einen ausführlicheren Artikel über die beiden ersten Bände uns Vorbehalten, die Uebersetzung eines CitatS aus dem noch nicht nach Deutschland gekommenen dritten Bande der „Geschichte des Konsulats und des Kaiserreichs". ES ist auS dem Kapitel über das Konkordat Napoleon's mit dem Papst entnommen und wird von der kevue lies äeux lAonüe« in einer Rezension jenes Werkes mitgcthcilt. Diese von Herrn Lcrminier verfaßte Rezension ist, beiläufig gesagt, voll vom Preise des AutorS; sie erkennt ihm alle edle Eigenschaften des Geistes und Herzens zu und verspricht sich von der angeführten Stelle bei den gegenwärtigen kirchlichen Wirren in Frankreich den heilsamsten Erfolg. „Die menschliche Gesellschaft bedarf eines religiösen Glaubens, eines Kultus. Der Mensch, der auf die Erde verschlagen ist, ohne zu wisset!, woher er kommt, wohin er geht, warum er leidet, ja, warum er cristirt, dem die Einen sagen, es ist ein Gott, der Alles mit Weisheit geschaffen und Alles mit Gerechtigkeit regiert, die Anderen, cs ist keiner und Tugend und Sünde sepen leere Namen, erfunden und ausgebeutct von den Großen der Erde: der Mensch, der zwischen diese Widersprüche gestellt ist, fühlt das unabweisbare Bedürfniß, sich eine bestimmte Anschauung von seinem Ver- hältniß zu einer überirdischen Welt, einen festen Glauben, zu bilden, und dieser Glaube scp wahr oder falsch, erhaben oder lächerlich, er macht sich einen. Zu allen Zeiten, in allen Ländern, im Alterthum wie heute, unter' rohen wie unter gebildeten Völkern, baute man Altäre, hier würdevolle, dort bluttriefende. Wo keine herrschende Kirche eristirt, da regen tausend Sekten, die mit einander im Streite liegen, die Geister auf, wie in Amerika, oder eben so vielfacher Aberglaube verdummt sie, wie in China. Wo aber, wie 1703 in Frankreich, die Menschen in einem Anfalle von philosophischer Begeisterung ihre Religion vernichteten und das Gelübde thatcn, nichts mehr zu glauben, da verleugneten sie dieses Gelübde einige Tage später, nnd der unsinnige Kultus der Göttin der Vernunft, der neben dem Schaffet die Weihe erhalten hatte, bewies, daß die Abschwörung alles Glaubens eben so vergeblich als gottlos war. „Bei dem gewöhnlichen Gange der Ereignisse also fühlt der Mensch das Bedürfniß eines religiösen Glaubens. WaS könnte man also einer gebildeten Gesellschaft Besseres wünschen, als eine Religion, die mit der reinsten Moral im Einklang steht, das menschliche Herz befriedigt und durch ihr Alter ge heiligt ist, die endlich ohne Unduldsamkeit und Verfolgung, wenn auch nicht alle, so doch die meisten Bürger in ihrem Schoße vereinigt? „Einen solchen Glauben könnte man nicht erfinden, wenn er nicht seit Jahrhunderten eristirtc. Die Philosophen können eine Philosophie schaffen, das Geschlecht bewegen, das sie zieren ; sie machen denken, aber nicht glauben. Ein Krieger, der mit Ruhm bedeckt ist, kann ein Reich gründen, doch keine Religion. Daß in den alten Zeiten Weise und Helden, die sich Beziehungen zum Himmel -uschrieben, den Völkern einen Glauben aufnöthigcn konnten, ist gesehen worden; aber in unserer Zeit würde der Urheber einer Religion für einen Lügner gehalten werden, und, er sep von Schrecken umgeben, wie RobeSpierre, oder von Ruhm, wie der junge Bonaparte, er würde ins Lächerliche fallen. „Man hatte im Jahre 1800 nichts Neues zu erfinden. Jener reine, mo ralische, alte Glaube war vorhanden, die Christusrcligion, ein Werk GotteS nach den Einen, ein Menschcnwerk nach den Anderen, aber nach Allen ein weises Werk eines erhabenen Weltverbesserers. Sie war achtzehn Jahrhun. derte hindurch auf den Konzilen kommentirt worden, die alle philosophischen Systeme als ketzerisch aus ihr verwiesen und für jedes große Problem des menschlichen Daseyns die plausibelsten, am meisten beruhigenden Meinungen annahmen, gewissermaßen, wie sie der Majorität des Menschengeschlechts ge nehm waren. Aus diesen Konzilen endlich war jene unwandelbare, untrüg- liche katholische Einheit hervorgegangen, unter deren Herrschaft Doffuet und Leibnitz, nachdem sie die Meinungen aller Philosophen geprüft hatten, ihre gedankenreichen Häupter beugten. Jene Religion eristirte also, die sich alle gebildeten Völker unterworfen, ihre Sitten geformt, den Stoff zu ihren Dichtungen, Gemälden und Statuen geliefert hatte, und unter deren Zeichen die Völker siegten und besiegt wurden. Sie war auf einen Augenblick ver schwunden, zur Zeit, als ein wilder Orkan die alte Ordnung aus den Fugen riß: nachdem aber der Sturm vorüber und das Bedürfniß, zu glauben, zurück gekehrt war, tauchte sie wieder in den Gemüthern auf, als sey sie Frankreich und Europa natürlich und unentbehrlich. „ES war im Jahre 1800 das dringendste Bedürfniß, den zertrümmerten Altar des heiligen Ludwig, Karl'S beS Großen und Chlodwig's wieder auf zurichten. Der General Bonaparte, der verlacht worden tväre, hätte er sich zum Propheten einer neuen Kirche gemacht, erfüllte vollkommen die Sendung, die ihm die Vorsehung zugctheilt hatte, wenn er mit seiner siegreichen Hand jenen Altar wieder aufbaute und durch sein Beispiel das verirrte Volk wieder um ihn versammelte. Und in der That, es bedurfte keines kleineren Ruhmes, als dcS seinen, für ein solches Werk! Große Geister, sowohl Philosophen als selbst Könige, Voltaire und Friedrich, hatten die katholische Kirche mit Hohn bedeckt und zu der fünfzigjährigen Verspottung derselben das Zeichen gegeben. Der General Bonaparte, der so viel Geist als Voltaire und mehr Ruhm hatte als Friedrich, war allein im Stande, wenn er mit der Achtung vor dem Glauben voranging, die Spöttereien zu unterdrücken. „Hierüber war er nicht im Geringsten schwankend. Die Abstcht, im Staate und in der Familie die Ordnung wieder herzustellen und dem mora lischen Bedürfnisse des Volkes zu genügen, hatte den Man in ihm festgesetzt, Vie katholische Religion zu ihrer alten Stellung zurückznführen, natürlich mit vcnjenigen politischen Beschränkungen, die der damalige Zustand der fran zösischen Gesellschaft erforderte. „Wenn ihn nun solche Motive leiteten, so ist eS wohl unnütz, zu unter suchen, ob seine Handlungsweise aus einer religiösen Begeisterung/ oder aus diplomatischen und ehrgeizigen Rücksichten hervorging. Er handelte weise, das heißt, wie es die tiefste Kcnntniß der menschlichen Natur verlangte, und dies genügt. Das Uebrige ist ein Gcheimniß, das, weil es einen großen Mann betrifft, wohl interessant seyn mag, zu durchdringen, das aber Neben sache bleibt. Dessenungeachtet darf man behaupten, daß religiöse Ideen der Geistesrichtung Bonaparte s durchaus gemäß waren. Denn je vollkommener der menschliche Geist ist, desto rascher erfaßt er den Geist im Universum, desto leichter sieht er Gott in seinen Werken. Bonaparte disputirte gern über phi losophische und religiöse Fragen mit Monge, Lagrange, Laplace, Gelehrten, die er ehrte und liebte, und setzte ihre Ungläubigkeit durch die Frische und Präcision seiner Beweise oft auf eine harte Probe. Hierzu kommt, daß er in einem ungebildeten und fanatischen Lande unter den Augen einer frommen Mutter erzogen war. Deshalb weckte der Anblick deS alten katholischen Altars die Erinnerungen der Kindheit in ihm, die auf jedes große Gemüt- mächtig wirken. WaS die Herrschaft betrifft, die ihm mancher Mißwollende als alleinigen Beweggrund seiner damaligen Maßregeln unterschob, so wollte er bei jener Gelegenheit keine andere Macht üben, als die seine Mitbürger zum Glücke führte, und wenn er die Vermehrung seiner Gewalt als eine Beloh nung für die zurückgeführte Ordnung ansah, so möchten ihm das Viele nicht verdenken. Wenn eine angcmaßte Gewalt edel und verzeihlich ist, so ist es diejenige, welche die Befriedigung der wahren Bedürfnisse der Völker zum Ziele hat. „Die Aufgabe, die er sich gestellt hatte, war scheinbar leicht, denn es han delte sich um die Abstellung eines reellen, allgemeinen Uebclstandcs; aber sie hatte dennoch ihre großen Schwierigkeiten. Die Männer, welche den Konsul umgaben, waren fast ohne Ausnahme der Wiederherstellung dcS alten Kultus abgeneigt. Diese Männer, die Militair-, Civil- und wissenschaftliche Armier bekleideten, waren die Urheber und die wahren und einzigen Vertheidiger der Revolution und mußten gehört werden, wenn man diefe Revolution endigen wollte, indem man verbesserte, worin sie gefehlt, und sanktionirte, was sie Heilsames gewirkt hatte. Der erste Konsul sollte seinen Mitarbeitern, seinen Stützen und Freunden gerade zuwiderhandcln. Sie waren in den Reihen der gemäßigten Revolutionäre gewesen und hatten nicht mit RobeSpierre und Saint-Just Menschcnblut vergossen; aber sie hatten, wenn auch nicht an den Exzessen, so doch an den Jrrthümcrn der Revolution Theil genommen, und es war nicht leicht, sie zu überzeugen, daß sie seit langer Zeit die höchsten Wahr heiten der gesellschaftlichen Ordnung verkannten. Gelehrte, wir Laplace, Lagrange und besonders Monge, sagten dem ersten Konsul, daß er auf dem Wege sey, die Würde seiner Regierung und seines Jahrhunderts vor Rom zn demüthigen. Röderer, der wüthcndste Monarchist seiner Zeit, der so rasch und so vollkommen, als möglich, die alte Monarchie wiedcrhergestellt haben wollte, sah dennoch mit Verdruß den Plan zur Rrstituirung des alten Kultus. Selbst Talleyrand, der so emsig Alles pries, was die Gegenwart der Vergangenheit, Frankreich Europa näherte, der für den allgemeinen Frieden zwar nicht Alles, aber doch sehr Nützliches wirkte, war von dem sogenannten religiösen Frieden