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Dresdner Journal : 04.06.1887
- Erscheinungsdatum
- 1887-06-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188706048
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18870604
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18870604
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1887
-
Monat
1887-06
- Tag 1887-06-04
-
Monat
1887-06
-
Jahr
1887
- Titel
- Dresdner Journal : 04.06.1887
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V126 Sonnabend, den ä. Juni, abends. 1» : ^LUrUeNr.... IS ^jLNrUek i 4 R»r^ bv kt. Lto»«Io« KunullSin: 10 Ls—riLLld 6« 6vot»cftsi> 8»iel»«« tritt ko«t- m»6 8t«wp«I»u»<M»^ dürru. FLkk»6lscuL^»x«dai»r«v r Kär ä«v 8»um «ü»sr 2«Us Usivvr Letuikt NO kk. vr»t«r ,,Lu^«E»6t" äi« 2eU« bv?t. ö« D»d«U»o- rmä 2>8«rni»t- s»t«pr. XakioNI»^. Dres-nerIourml. Lr»ek«l»»»r INEUoN mit Aa«»»luo« 6er 8oiul- iur6 kvierte« »deoä». kerniprseN-SLicNIu»»: l^r. 12SS. Für die Gefaintleitung verantwortlich: Dtto Banck, ssrofeffor der kitteratur- und Kunstgeschichte. 1887. ro» »«MNrt», F>. Oommimmntr 6»» vrexi-ee ^oonu6»; N»mk»r» - »erU» -Vl« - >—»1-N«—l «. Laa^»<«»M <s -LEd«r, «. ». Hä»-»—: L-L Ztox«, e»rt» L»»6o» ->«rllL -^r»»^Noe ». M -0t«ttE»rt: Da«iv« ct 6o I«rU»: S»rUt>: S. NtM«r» ^a^/otoer,- U»»»,vrr 0. N»U, ». ».: /. Laret <s Vs. Uor»»»»l>«rr L0»isl. Lip»6itiori 6« Vrextvee ^oorixU», l)r«6«Q, LMÜ>^«»tr. Ho. 76. ksr»»pr«<:U-^L»«ll»Mr t^r. 17SL. Amtlicher Teil. Dre-den, 4. Juni. Se. Majestät der König haben Alleranädigst geruht, dem Hauptmann im Ge neralstabe Barth die Erlaubniß zur Anlegung des demselben von Er. Durchlaucht dem regierenden Fürsten Reuß jüngere Linie verliehenen Ehrenkreuzes III. Klasse zu ettheilen. Nichtamtlicher Teil. Telegraphische WachricHLen. Bremen, 3. Juni. lW. T. B.) Nach einer Mitteilung deS „Norddeutschen Lloyd" find Post und Passagiere tr- Dampfers „Oder" vollständig gerettet; der dritte Offizier und drei Mann der Schiffsmannschaft werden noch vermißt. Liev, 3. Juni. (W. T. B.) Der Kaiser verlieh dem Handel-Minister MarquiS v. Bac- quehem den Orden der Eisernen Krone I. Klaffe. Parit, 3. Juni. (W. T. B.) Der Polizei- präfekt hat verschiedenen Theatern, besonders den BouffrS parifievneS und dem PalaiS Royal, auf- gegeßen, den Zuschauerraum zwecks größerer Sicher heit umzubauen. MonS, 3. Juni, abend-. (W. T. B.) In Quaregnon wurde heute der sozialistische Agitator Uauviaur in dem Augenblicke verhaftet, als er fich zu einem Meeting nach JemeppeS begeben wollte. Infolge dieser Verhaftung versammelten fich in diesem Orte vor dem Lokale, wo die sozialistischen Führer tagten, Arbeiterhanfen an. Der Offizier der inzwischen eingetroffenen Militärabteilung richtete die gesetzlichen Aufforderungen zum AuS- einandergehen an die Menge. AIS dieser nicht Folge gegeben wnrdr, macht,« Militär und Gen darmen von den Waffen Gebrauch, wodurch mehrere Personen verwundet wurden. Rom, 3. Juni. (W.T.B.) Die Deputierten- kammer beriet heute über das Budget deS Kriegs- Ministeriums. Bei den Ausgaben für die afrika nische Expedition erklärte der Kriegsminister geaeuüber mehreren Rednern, welche der Mehr- zahl nach daß Verbleiben in Massauah befürwor teten, die Regierung könne und dürfe nicht sagen, waS fie in Zukunft thun werde. Doch werde fie daS Ziel der Okkupation, welches ein bandelS- politische- sei, beibehaltev Sie halte aber für unerläßlich, daS Prestige der italienischen Waffen wieder herznstellen, und werde in diesem Sinne eine Kreditvorlage einbringen. Minister deS In nern, CriSpi, erklärte, daS jetzige Kabinett werde den Rückzug der Truppen auS Massauah nicht anord- «en. (Beifall.) Die Kammer nahm eine von La- cava beantragte, von DepretiS acceptierte Tages ordnung, wonach die Kammer von der Erklärung der Regierung Akt nimmt, nahezu einstimmig an. Lissabon, 3. Jnni. (W. T. B.) Der Mi- vister der auswärtigen Angelegenheiten wird der Kammer morgen die auf die Verhandlungen mit Deutschland und Frankreich über die Gebiets abgrenzungen in Afrika bezüglichen Aktenstücke vorlegev. London, 4. Juni. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Lord Randolph Churchill hielt gestern bei dem Meeting der Konservativen in Wolverhampton eine Rede, worin er die englische HeereS- und Marine- Verwaltung auf daS heftigste angriff. Der Lord behauptete, trotz der bedeutenden Ausgaben sei Meder die Armee noch die Marine ausreichend für einen eventuellen Krieg vorbereitet. Die Bewaff nung der Kavallerie, Infanterie und der Artillerie sei sehr schlecht, die Transportmittel völlig unzu- reichend, in den Festungen fehle eS an Waffen und Lebensmittelvorräten, selbst Malta sei für den Kall einer Belagerung nur für drei Wochen ver proviantiert: Churchill zählte zahlreiche Fälle auf, in denen flagrante Fehler der Armee- und der Marivrverwaltuvg entdeckt worden seien, und schloß, dieses System werde so lange davern, bis daS englische Volk fich klar und drntlich für radikale Reformen aussprechen werde. Er habe selbst einen Reformplan im Sinne, er wolle denselben indessen lieber für jetzt geheim halten vnd abwartea, maS die Bevölkerung angesichts seiner Darlegung deS wirklichen Zustande- der Dinge thun werde. Athen, 3. Juni. (W. T B.) Dir Deputierten- kammer genehmigte in dritter Lesung die für den Kronprinzen beantragte Dotation. Die Opposi tion enthielt fich der Abstimmung. Rew-Aork, 4. Juni. (Tel. d. Dresdn.Journ.) Nach den letzten Nachrichten an- Chihuahua war die dortige Kathedrale, al- der Keuerlärm entstand, vollständig gefüllt und zwar meisten- mit Krauen und Kindern, w'lche der heiligen Jungfran Blu menspenden darbrachten. Sobald die Flammen am Altar bemerkt wurden, stürzte alle- den Aus gängen zu. Zwei Frauen und drei Kinder wur den erdrückt, etwa 30 Personen wurden schwer, viele andere leichter verwundet. Dresden, 4. Juni. Betrachtungen während der Reichstagsferien. Bei der gegenwärtig herrschenden politischen Ruhe, während welcher unseren Reichsboten nur die Auf gabe zufällt, bei freudigen Ereignissen, wie bei der Grundsteinlegung zum Nordostseelanal an der Schleuse in Holtenau, den Reichstag zu vertreten, darf man wohl einen Blick in die nächste Zukunft werfen und sich die Frage vorlegen, welche Aufgaben der Reichs tag nach seinem Wiederzusammentreten erledigen wird. Unzweifelhaft hat seine bisherige Thätigkeit, obwohl dieselbe erst im März begann, bereit- zu erfreulichen positiven Ergebnissen geführt. Der Reichstag hat in 5 Wochen den Nachtragsetat und die gewichtigen mili tärischen Vorlagen und daS Militärreliktengesetz zum Abschluß gebracht; auch läßt sich aus den bisherigen Ergebnissen der Kommissionsverhandlungen die Hoff nung schöpfen, daß die für die Vermehrung der Reichseinnahmen so wichtige Branntweinsteuervorlage zu stände kommen wird. Gleich günstig stellen sich die Aussichten hinsicht lich der Zuckersteuer. Dieselbe wird noch lebhafte Verhandlungen verursachen, allein der prinzipielle Widerstand kann als überwunden gelten. Nur über das der Ausfuhrvergütung zu Grunde zu legende Ausbeuteverhältnis gehen die Ansichten auseinander. Die Nationalliberalen hoffen auf das von Bennigfen vorgefchlagene Verhältnis von 9:1; ein Verhältnis, dem jedoch die Zuckerproduzen" — noch entschieden widerstreben. «n. Es bedarf nicht nochmals gefagi'zu werden, welche Bedeutung die Branntwein- und Zuckersteuer, von welcher letzteren die Erträgnisse leider von Jahr zu Jahr immer geringer wurden, für die finanzielle Selbständigkeit des Reichs besitzen Gelingt eS dem Reichstag, auch nach dieser Richtung zu einem posi tiven Ergebnis zu gelangen — worauf man nach dem bisherigen Verlaufe der Session hoffen darf — so stehen seine Leistungen sehr hoch. Das wesentlichste Verdienst bei den bisherigen Er folgen fällt der gemäßigten Mehrheit, den Konserva tiven, Freikonservativen und Nationalliberalen zu. Hoffen wir, daß auch bei dem ferneren Verlaufe der Verhandlungen die sachlichen Interessen diejenigen der Parteien in den Hintergrund drängen. In eine eigentümliche Lage ist das Zentrum ge drängt worden. Es ist nach den Kundgebungen des verstorbenen Kardinalstaatssekretärs Jacobini in dieser Session zur Ohnmacht verurteilt. Mit den Frei sinnigen kann eS nicht mehr zusammengehen, eS be müht sich daher, seine frühere OppositionSstellung ver gessen zu machen und sucht Anschluß an die konser vativen Parteien. ES thut dieses darum, weil eS die nationalen Bestrebungen nicht zu durchkreuzen vermag, und es bemüht sich daher gegenwärtig als brauch bare- Mitglieo einer konservativen Mehrheit zu er scheinen. Jedenfalls hat die Auflösung des früheren wider spenstigen Reichstags und die Anrufung der Wähler gute Früchte getragen. Neue Kräfte oder solche, welche schon seit geraumer Zeit dem politischen Leben entfremdet waren, nehmen an den Beratungen Teil. Die Einmütigkeit, mit welcher der Reichstag die mili tärischen Forderungen bewilligte, war überall von er hebendem Eindruck. Die neusten sogenannten „Ent hüllungen" des Generals Leflü haben wieder be wiesen, daß unsere Feinde niemals Ruhe halten. Der Zweck aller dieser sogenannten Enthüllungen, mögen sie nun in französischen, in russischen oder in — ungarischen Blättern erscheinen, ist immer, die Friedensliebe Deutschlands zu verdächtigen, seine ganze Politik als auf die vollständige Vernichtung Frankreichs gerichtet darzustellen. Bald ist eS Ruß land, bald Österreich - Ungarn, welches den Welt frieden rettet; bedroht ist derselbe immer nur durch Deutschland. Man sollte meinen, daß derartige Er zählungen angesichts der allbekannten Thatsachen einer siebzehnjährigen Vergangenheit in ganz Europa einem einstimmigen Hohngelächter begegnen müßten. Leider ist dem nicht so. Nicht nur unsere offenen Feinde nehmen alle diese Anklagen für bare Münze, auch unsere „Freunde" zeigen im allgemeinen wenig Eifer, sie zurückzuweisen. Man wird dabei an das altbe kannte Wort deS Grafen Moltke erinnert, daß wir durch unsere großen Siege an Achtung überall, an Liebe nirgends gewonnen haben. Mit Ruhe dürfen wir der weiteren Thätigkeit des Reichstags entgegensetzen. Deutschlands Macht be festigt sich und auch das Werk, zu welchem gestern in Holtenau der erste Stein gelegt wurde, ist ein neuer Schritt zur Erhöhung unserer maritimen Wehrfähig keit. Deutfchlands beide Kriegshäfen, Kiel und Wil helmshaven, werden in Zukunft durch eine gesicherte Straße verbunden sein; zugleich wird für den Handel die kürzeste Verbindung zwischen den Nordsee, nieder ländischen und englischen Häfen mit denjenigen der Ostsee und Schwedens hergestellt. Dänemark kann uns nicht mehr den Sund sperren und keine feind liche Flotte der Ostsee unserer Kriegs- und Handels flotte gefährlich werden. Layesgeschichte. * Dresden, 4 Juni. Von unserm Berichterstatter wird uns gemeldet: Ihre Königl. Hoheit die Prin zessin Wilhelm von Preußen, Höchstwelche gestern nachmittag Ihrer im Sendigschen Etablissement in Schandau aufhältlichen erlauchten Mutter, der Herzogin Adelheid von Schleswig-Holstein einen Besuch ab stattete, hat sich heute mittag nochmals dahin begeben und wird von hier aus um 6 Uhr 10 Min abends die Rückreise über Berlin nach Potsdam antreten. Dresden, 4. Juni. Vom Reichs-Gesetzblatt ist dar 16. Stück des Jahres 1887 heute hier eingetroffen. Dasselbe enthält: Nr. 1716) Gesetz vom 23. Mai d. I., die Errichtung eines Seminars für orienta lische Sprachen betreffend; Nr. 1717) Gesetz vom 25. Mai d. I., Abänderungen d«S ReichSbeamteu- gesetzeS vom 31. März 1873 betreffend. ' Berlin, 3. Juni Se. Majestät der Kaiser ist heute abend A12 Uhr auf dem Lehrter Bahnhof wieder von Kiel hierher zuruckgeketzn DaS Londoner ,Hoftournal" fchreibt in seiner vorletzten Nummer: ,Hhre Kaiserl. und Königl. Hoheiten der Kronprinz und die Kronprinzessin von Deutschland kommen zum Jubiläum der Königin herüber. Die gegenteiligen Meldungen entbehren der Begründung. Ihre Königl. Hoheit die Großherzogin von Baden hatte sich gestern nachmittag zum Besuch bei den kronprinzlichen Herrschaften von hier nach dem Neuen Palais bei Potsdam begeben und war abend» 8 Uhr 30 Minuten von dort nach Berlin zurück- gekehrt. Um A12 Uhr abends reiste die Groß- Herzogin nebst Gefolge, im allerstrengsten Jncognito, von hier über Hamburg nach Kiel und bestieg dort den bereitgehaltenen Dampfer, um sich nach Holte nau zur Feier der Grundsteinlegung zu begeben. Am heurigen Abende kehrt die Großherzogin zugleich mit dem Kaiser von Kiel mittels Exttazuges nach Berlin zurück. Wie wir aus den neuesten ausführlichen Berichten über die Grundsteinlegung zur Schleuse von Holtenau ersehen, war auch der sächsische BundeSratSbevollmäch- tigte und Gesandte Graf v. Hohenthal, bei der Feier zugegen. Wie gestern unter Konstantinopel gemeldet wurde, hat die Hohe Pforte in der „Turquie" die Leflüschen Mitteilungen über die Mission der Hrn. v. Rado- witz in St. Petersburg auf Grund ihr zugegangener amtlicher Kundgebungen als „durchaus erlogen" be zeichnen lassen. Der „Nordd. Allg Ztg." geht heute von unterrichteter Seite ein Schreiben zu, nach wel chem die ganze Fabel von dem Fürsten Gortscha- koff erfunden wurde. Derselbe habe in der Wahl des Hrn v. Radowitz als Vertreter des erkrankten deutschen Botschafters in St. Petersburg einen mehr persönlich als politisch gegen ihn gerichteten Schach zug erblickt. „Fürst Gortschakoff, der damals, nach feiner Ansicht, noch aus der Höhe feines politischen Könnens stand, hatte fich durch diplomatische ^ormlvngkeü eine Lektion zugezogen, welch« in der Sendung des hrn. v. Radowitz ihren Ausdruck sand. Zunächst um diese Lhatsache vor dem Kaiser Alexander und den sremden Diplomaten zu verdecken, wurde der Radowitzschen Mission daS erdichtete Motiv der „Sondierung über Frankreich" untergelegt. Mit dieser Fiktion war gleichzeitig der Zweck verbunden, dem Fürsten Gortschakoff die Anerkennung in der Pariser Bresse zu verschaffen, welche stets fein Bedürfnis war. Zn dieser Rich tung wurde, unter Mitwirkung deS derzeitigen sranzomchen Bot schafters in Berlin, Bikomte Honlaut-Biron, der Plan m Scene gesetzt, die sranzösische Presse und alle Gegner Deutschlands glauben zu machen, daß Deutschland Frankreich „überfallen" wollte und daran durch den Fürsten Gortschakoff verhindert werden müßte." Das Schreiben weist ferner darauf hin, daß in dem Buche: „Louvenira äs lu kresickaue« 6ll «mre- cdul 6s AlLc-klabou" von Ernest Daudet, wie e» scheint: auf Grund von unmittelbaren Mitteilungen des Duc Decaze», diese Darstellung der Radowitzschen Mission sich wiederfindet. Das Schreiben schließt: „Auch wenn Wittlich in politischen, militärischen oder publizistischen Kreisen in Deutschland damals kriegerische Gelüste vorhanden gewesen wären, so würde das immer an der That- sache nichts ändern, daß an der maßgebenden Stelle d. h. bei dem Kaiser und bei dem amtlichen Ratgebern Sr. Majestät, weder 187S noch zu irgend einer Zeit von 1871 bis heute niemals und in keinem Augenblick die Absicht bestanden hat, Frankreich anzugreisen." Ein zweiter offiziöser Artikel der „Nordd. Allg. Ztg." rechnet abermals mit dem „Pester Lloyd" und der „Neuen freien Presfe" ab. Über das erstere Blatt wird gesagt: Feuilleton. K. Loftbeater. — Altstadt. — Am 3. Juni: „Die Karlsschüler." Schauspiel von Heinrich Laube. Die Vorstellung des noch durchaus beliebten und gern gesehenen Stückes diente zugleich dem ersten Auf treten deS an unserer Bühne auf 3 Jahre angestellten Hrn. SchaufpielerS Grunert aus Hannover, der be kanntlich der Sohn de» verstorbenen, auch bei uns in bester Erinnerung stehenden berühmten Künstlers Karl Grunert au» Stuttgart ist. Daß da» Talent de» neuen Theatermitgliedes mehr auf da» Charakteristische, als auf da- jugendliche Hel den- und Liebhaberfach deutlich hinweist, habe ich schon bei Gelegenheit de» Gastspiels ausgesprochen. ES wird da» wahrscheinlich noch ost hervortreten, indes ist da mit die Möglichkeit nicht beeinträchtigt, daß der Ge nannte bei der umfangreichen Thätigkeit unferer Kunst anstalt nicht eine ungemein passende, seine weitere Ent wickelung und Klärung des Rollenfachs fördernde Ver wendung finden könnte. Auch die Darstellung deS Schiller bestätigte diese Ansicht und wies darauf hin, bei der Wahl der Auf gaben für Hrn. Grunert die darin enthaltene und vom Schauspieler verlangte Charakterzeichnung maßgebend zu machen. Allgemeine leidenschaftliche Erregung und Vie in den Worten liegende Überschwenglichkeit abge rechnet erinnerte die fleißige Leistung nicht an das Bild, welches man sich vom jugendlichen Schiller zu machen pflegt; wo aber der Darsteller mit seinem tie ¬ fen, männlich reifen Redeton aus der Welt der dich terischen Phantasie in daS Gebiet der charakteristischen Reflexion hinübertreten konnte, da zeigte er sehr be achtenswert seine tüchtige, freilich nur für anders ge artete Rollen brauchbare Begabung. Die Aufführung hat an Frau Bayer, Frl. Ul rich und Hrn. Porth in den Personen Generalin Rieger, Franziska und Herzog Karl bekanntlich vor zügliche Stützen. Als General Rieger war Hr. Klein durchaus nicht genügend, viel zu grell und gegen den guten Geschmack im Farbenauftrag. Ich hätte eine so starke Übertreibung nicht ermattet. O. B. Ohne Arbeit. Novelle von Berthold Paul Förster. (Fortsetzung.) Sehnsüchtig wandte sie sich nach dem Zuge um, welcher sie in kürzester Frist heimgefühtt haben würde, wenn sie ihn hätte benutzen kön nen; nun aber jagte er unaufhaltsam dahin und umkreiste die weite Ebene — ferner, immer ferner — dann verschwand er. Sie hatte bemerkt, daß einige Schaffner, welche aus den Waggons saßen, ihr winkten, auch rief man ihr etwas zu, was sie jedoch nicht ver stehen konnte. Was wollten die Leute — trieben sie Scherz mit ihr? Ein leiser Seufzer rana sich au» der Brust der einsamen Frau; doch im nächsten Augenblick schritt sie wieder mutig durch da» feuchte Gra». Am Himmel über dem Horizonte stand nur noch ein matter, gelber Schein, und wie ein gespenstischer Hauch stieg eS au» dem Wiefengrund« hervor. Sich mehr und mehr verdichtend, lagerte der Nebel unbe weglich über der weiten Ebene; Anna blickte über ihn dahin wie über ein stilles, ruhiges Wasser. Aber langsam hob sich der weiße Dunst höher und höher; eS schien, als ob Nähe und Ferne Alles — Alles lautlos in ihm versinke. Eiliger noch setzte Anna ihren Weg sott; ihre Füße schmerzten, das Blut klopfte ihr heftig gegen die Schläfen und ganz leise emvfand sie jenes unheimliche Gefühl, welches einem Schwindel vorauszugehen pflegt. Gewaltsam raffte sie ihre Kräfte zusammen — nur vorwärts, weiter — weiter. Aber wieder kam jenes Gefühl, immer wieder und jede- Mal stärker und heftiger wie zuvor. Plötz lich aber wurde e- Frau Anna klar, daß es nicht ihr Körper war, welcher zitterte und schwankte, sondern der Boden unter ihren Füßen. Wie gelähmt blieb sie stehen und flüsterte tonlos und mit bleichen Lippen: „DaS Moor " Der Nebel umgab sie jetzt so dicht, daß sie keine zwei Schritte weit sehen konnte und schon war sie so weit auf da» Moor hinauf geraten, daß der Boden, während fie stille stand, ihre Last nicht mehr zu tragen vermochte und mit unheimlich gurgelndem Tone lang sam tiefer und tiefer sank. Entsetzen packte die Frau. ,HanS — Han-1" schrie sie angstvoll in die Nacht hinaus. Niemand Hötte sie; niemand konnte sie hören. Dann aber, wie vom plötzlichen Instinkte getrieben lief sie, so schnell ihre Füße sie zu tragen vermochten, über die schaurige, tückische Fläche. Ihr Bündel, welche ihre Sachen enthielt, schleuderte sie weit von sich, weil eS ihre Last erhöhte und sie auch in ihrer Eile hemmte. So flog sie dahin wie ein gehetztes Wild. Plötzlich aber prallte sie zurück: noch einen Schritt weiter und sie stürzte in einen Bach, dessen tiefschwarze Flut mit leisem Rauschen durch das Moor floß. Nach kurzem Besinnen wandte sie sich nach rechts, immer am Bache entlang eilend. Endlich lichtete sich der Nebel; der Boden wurde fester und in geringer Entfernung gewahrte Anna einen Hellen Streifen, welcher sich über die Fläche hinzog — eS war ein Weg. Bald hatte sie ihn er reicht, und wie zuvor der Angstruf, so kam eS jetzt wie ein Jubelton von ihren Lippen: ,HanS — Han»!" Eine Weile noch lief der Pfad am Bache entlang, >ann hörte er auf, und ein schmale» Brett führte über >aS dunNe Wasser. Frau Anna zitterte: e» erfaßte ie stets ein Schwindel, wenn sie über solch ein chwankendeS Brett gehen mußte und niemals hatte ie e» ohne Hilfe thun können. Jetzt aber gedachte ie des Geliebten und mit festem, sicherem Fuß über» chritt sie den haltlosen Steg. Und weiter ging sie, immer weiter. Endlich tauchte aus dem sich mehr und mehr ver ziehenden Nebel eine dunkle Pappelallee, welche zu der nahegelegenen Stadt führte, geisterhaft hervor. Hier hatte Anna einmal mit ihrem Manne gestanden und indem er nach dem Moor hinüberdeutete, sagte er: „Wehe demjenigen, welcher dort hinübergeht und de» Weges unkundig ist." Anna schauderte, wie sie die bekannte Allee erreicht hatte und noch einmal zurückblickte; sie fühlte, wie ihre Kräfte schwanden und wankte auf einen am Wege liegenden großen Stein zu. Doch in demselben Augen-
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