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Milchst! G KAiliite» ßrtsbllltt für MrclWliin, Smuicsssiaiii. Ksßtrsljiiiii, Dtüch, Aorsdöif, Ma, Mimuchiii, Hßzhlim SnWmdttz. W>. AcinPSN, Sltinßmiitrg. LiüShttSi, Lt!frr!shA^ kiaslich, !pM. Wilftpi«. Zskküftiih M IImPSküd. Mit einer illustrierten Sonntags - Beilage. Dieses Blatt erscheint in Naunhof iedcn Dienstag, Donnerstag und Sonnabend, Nachmittag 6 Ubr, mit dem Datum de? nachfolgenden TageS und kostet monatlich 35 Pfg., vierteljährlich 1 Marl. Für Inserate wird die gewöhnliche einspaltige Zeile oder deren Naum mit 8 Pfennigen, für solche außerhalb der Amtshauptmannschaft Grimma, sowie sür Anzeigen am Kopfe und im Reklamcteilc, mit !0 Pfennigen, berechnet, bei Wiederholungen tritt Preisermäßigung ein. Nr. 134. Mittwoch, den 14. November 1900. 11. Jahrgang. Bekanntmachung. Einige Druckabzüge der kiesigen Bauordnung werden das Stück zu 20 Pfg. zu kaufen gesucht. Es ist anzunehmen, daß sich noch eine ganze Anzahl dieses seiner Zeit unentgeltlich verteilten, jetzt hier vergriffenen Statutes in Privathand befindet und entbehrlich ist. Naunhof, den 12 November 1900. Der Sta-tgemeinderat. Igel, Bürgermeister. Epilog zum Könitzer Meineidsprozetz. Wir scheinen in einer Periode der Riesenprozesse eingetreten zn sein. Gerichtsverhandlungen von einer und mehreren Wochen zählen durchaus nicht mehr zu den Seltenheiten und namentlich in jüngster Zeit wurde die Oeffentlichkeit von einer ganzen Reihe von solchen Monstreprozessen in Anspruch genommen. Neben den Berliner Spieler- und Sternberg-Prozessen waren und sind es besonders die großen Könitzer Prozesse, welche sich zu endlosen Dauerprozefsen auswachsen. Der Maß- loff'sche Meineidsprozeß dürfte als der umfangreichste zu hezeichnen sein; erst nach halbmonatiger Dauer ist er am verflossenen Sonnabend mit der Verurteilung zweier Angeklagter, des Arbeiters Maßloff und seiner Schwiegermutter Frau Roß, beendigt. Der kriminelle Vorwurf dieser Riesenprozedur war der Meineid. Fana tischer Glaubens- und Rassenhaß, dadurch belebte krank hafte Phantasterei der Angeklagten, — vielleicht auch unsaubere Gewinnmotive mit Bezug auf die auf Ent deckung der Wmter'schen Mörder gesetzten Geldbeloh- nungen haben hier zusammengewirkt, um »ine ganze Kette von Meineidsprozessen zu bilden. Der Prozeß Maslosf und Genoffen wurde wohl auf höhere Anord nung in ausgedehntester Breite geführt, weil mal', der Hoffnung war, vielleicht auf diese Weise Licht in das undurchdringliche Könitzer Drama zu bringen. Allein wie im Israelski-Prozesse, so schlug auch diesmal alle Hoffnung fehl. Man kam der Wahrheit um keinen Schritt näher und die bange Frage: ist ein Ritualmord möglich, liegt ein solcher oder ein Totschlag, ein Rache akt vor, ist unbeantwortet, unentschieden geblieben. Dec oder die Mörder des Gymnasiasten Winter sind unent deckt geblieben, auch nicht die leiseste Spur deutete auf bestimmte Thäter hin. Das Urteil gegen Maßloff und seine Schwieger- mutter lautet verhältnismäßig milde und scheint im Gegensatz zu den exorbitanten, von der Anklagebehörde beantragten Strafmaßen anzudeuten, daß der Gerichts hof die Schuld Maßloff's und seiner Mitbeschuldigten nicht nur nach der materiellen, sondern besonders auch nach der psychologischen Richtung hin geprüft und ge wertet hat. Und das entspricht wohl auch dem allge meinen und dem feineren Rechtsempfinden. Die Win- ter'sche Mordsache ist in der ganzen Könitzer Gegend zu einer unheimlichen Bedeutung ausgewachsen. Ter kon fessionelle Friede einer ganzen Provinz ist erschüttert worden, bis in die entlegensten Dörfer ist der Glut schein wildaufflammenden Rassenhasses gedrungen, Aber glaube und Unglaube, wirtschaftliche, konfessionelle und soziale Gegensätze haben in jenen von der Mordaffäre berührten Gegenden ganz ungewöhnliche, beunruhigende Zustände Hervorgernfen. In Konitz selbst konnte und kann auch jetzt noch nur durch militärischen Druck ein erneuter Ausbruch wildester Volksleidenschaften hintan gehalten werden. Ist durch die Entscheidung im Maßloffprozesse eine Wendung zum Bessern zu gewärtige», werden die Ge müter sich endlich beruhigen? Es ist bereits angedeutet. solange der Winter'sche Mord und seine ungeheuerlichen Begleitumstände nicht aufgeklärt werden, solange die öffentliche Meinung, das beunruhigte öffentliche Gewissen nicht durch Ergreifung und Richtung der Thäter Genug- thuung erhalten, solange ist au ein Nachlassen der ge fährlichen Spannung im Könitzer Bezirke wohl kaum zu denken Die große Masse hält an bestimmten Vor meinungen und an Sentiments solange zähe fest, bis ihr der Schuldige vorgeführt wird. Die Verurteilungen des Maßloff und Genossen, mögen sie noch so gerecht sein, gleiten von der Menge ziemlich wirkungslos ab; die Bestrafung der geleisteten Meineide bedeutet für sie keine Sühne des unentdeckten Mordes und je länger die polizeilichen Recherchen nach den Thatern vergeblich sind, um so fester klammern sich Vorurteile, Rassen- und Glau benshaß und tiefeingewurzelter Aberglaube an die Könitzer Mordaffäre an. Zum Eisenbahnunglück bei Offenbach, worüber wir bereits berichteten, erzählt der L-chaffner Harsche aus Berlin, der bei der Katastrophe verwundet wurde Folgendes: „Ich war gerade im Korridor des letzten l)-Wagens, in dem, weil es ein Nichtraucher- und Frauenwagen war, meistens Damen saßen. Auf einmal vernahm ich ein furchtbares Krachen und erhielt in demselben Augenblick einen heftigen Schlag gegen den Kopf, der mich betäubte. Tann weiß ich von nichts mehr, als daß ich zwischen brennenden Trümmern lag, als ich erwachte, und daß mich Jemand am Arm faßte und mir in die Ohren schrie, ich solle mich, retten. Mit Mühe schleppte ich mich aus dem Bereich der bren nenden Trümmer, in denen es entsetzlich zischte, knatterte, schrie und jammerte. Man blickte inmitten des undurch dringlichen Nebels in eine Feuermaffe, wie in einen Höllenschlnnd. Dabei ging von dem Brande eine solche Hitze ans, daß man weit weg gehen mußte, nur es auS- halten zu können. Durch Nebel und Glut sah man schreckliche Austritte. Aus dem Abteilffnstcrn des O- Wa enS streckten Frauen die Hände heraus und schrieen entsetzlich um Hilfe, aber Niemand konnte sie retten, weil die Hitze zu groß Ivar und weil die Trümmer der Wagen auch ihre unteren Gliedmaßen eingczwängt hatten. Sie kamen langsam in den Flammen um. Als die Feuerwehren ankamen und den Feuerherd dämpften, konnte inan erst näher kommen." — Dieser Augenzeuge, Schaffner Harsche, hat bei dein Unglück seinen eigenen Sohn veiloren, dieser war in dem O-Zuge und ist verschwunden. Als die Feuerwehren ihre Arbeit begannen, waren die furchtbaren Schreie in den bren nenden Wagen schon verstummt, die Opfer schon fast zu Asche geworden. Auch das Militär nahm an den Auf- räumungSarbeiten Teil und brachte die verkohlten Lei chenreste auf den Offenbacher Friedhof. Hier wurde ein verkohlter Arin aus den Trümmern hervorgezogen, dort stieß ein Mann mit dem Spaten auf die zermalm ten und verkohlten Ueberreste eines menschlichen Kopfes, ein anderer zog ein glimmendes Frauengewand, über und über mit Blut besudelt, aus den Flammen. Kurz, es ivar ein entsetzlicher Anblick. Ein Arbeiter sah au den Theilen der beschädigten Personenzugmaschiene einen menschlichen Körper hängen. Noch konnte man erkennen, daß der Unglückliche eine Mütze von Pelz getragen hatte, aber der Körper war weiß ivie bereift. Als man ihn anrührte, zerfiel er zu Staub, verbrannt uud verkohlt. Deutsches Reich. — Der Erlaß eines Reichsgesetzes zur Beschränk ung der gewerblichen Kinderarbeit ist von der alten- burgischen Regierung beim Bundesrat beantragt worden. Dieser Antrag wird die Ausführung 'des schon längst gehegten Planes, durch Neichögesetz die gewerbliche Kin derarbeit zu regeln, hoffentlich beschleunigen und dazu beitragen, daß ein vielfach tief beklagten Mißstand im ganzen Reiche beseitigt werde. — Zum Eisenbahnunglück bei Offenbach meldet der Reichsanzeiger: Das Unglück ist dadurch entstan den, daß der Blockwarter telegraphisch die Strecke von Mühlheim die frei meldete, obwohl der O-Zug noch vor dein Blocksignal hielt. Der preußische Eisenbahnministtr und Geh. Oberbaurat im Reichseisenbahnamt von Mi- sani haben sich an Ort und Stelle begeben. Nach Privatuachrichten haben sich gegen dreißig Personen bei der Katastrophe teils schwere teils leichte Verletzungen zugezozeu. — Konitz. Im Prozes Maßloff und Genossen wurde das Urteil gesprochen: Maßloff wurde zu I Jahr Zuchthaus, Frau Roß zu 2Vr Jahr Zuchthaus verurteilt, außerdem zu 3 Jahr Ehrenrechtsverlust und dauernder Unfähigkeit zur Vernehmung als Zeugin. Frau Maß'off und Frau Berger wurden freigesprochen. — Auf der Drehscheibe eines Schlafwagens zwi schen der Achse uud der Feder eingeklemmt, hat ein blinder Passag'er die 53 Stunden dauernde Fahrt des Orient-Expreßzugcs von Konstantinopel nach Berlin mitgemacht und ist hier halbtot vor Hunger und Durst und Strapazen, aber sonst ohne Verletzung eingetrosfen, — 180 Wohnbaracken für das ostasiatische Armee korps werden gegenwärtig in Bremerhaven verladen. Die deutsche Regierung hat mit der Erbauung dieser Baracken zwei Hamburger und zwei Charlottenburger Baugeschäfte beauftragt, welche innerhalb 6 Wochen die Baracken, welche den Truppen gegen Hitze sowohl wie gegen Kälte Schutz gewähren sollen, herzustellen hatten. Ebenso wurden von den obigen Firmen mehrere Lazarett - und 80 Stallbaracken geliefert. — Im chemischen Institute der Universität Halle wurden dem Studenten Hans Sachse durch die Explo sion eines selbstgefertigten Präparats beide Hände ab gerissen. Zur Eisenbahnkatastrophe von Offenbach liegt folgende Nachricht vor: Nach allen Angaben der mit dem Leben davonkommenden Insassen der beiden letzten Wagen des bei Offenbach verunglückten O-Zuges scheint d e seither angegebene Zahl der Todten zu niedrig ge griffen zu sein. Der mehrfach erwähnte Reisende Klein aus Mainz wird zwar vermißt, indessen besteht kein Anhalt dafür, daß Klein mit dem Zug von Berlin ab- gereist ist. Ferner scheinen zwei Russen dem Brand zum Opfer gefallen zu sein. Wenigstens lasten ver schiedene vorgefundene Gegenstände mit russischer In schrift darauf schließen, daß Russen beim Brande um gekommen sind. Ausland. Peking. Auf dem Rückmarsch von Paotingfu nach Peking nahm ein italienisches Detachement 3 Bataillone chinesischer Truppen gefangen, von denen es angegriffen worden war. Peking. Der russischen Beschlagnahme des Gelän des am linken Peihoufer bei Tientsin wird lediglich vor übergehende militärische Bedeutung beigemessen. Deshalb hat der englische Gesandte auf eine Verwahrung ver zichtet Shanghai. Der Händler, der in Tientsin den Schwarzen Adlerorden, den Kaiser Wilhelm samt einem eigenhändigen Handschreiben dem Kaiser von China übersandt hatte, an einen russischen Offizier für 3000 Dott, verkauft hatte, hat den Orden für die deutsche Regierung um 20000 Doll, zurückgekauft. Kopenhagen, 10 Nov. Als die kaiserlich russische Pacht „Polarstern" gestern die Rhede verlasten hatte, wurde eine Hinrichtung an Bord vorgenommen. Ein russischer Matrose, der wegen grober Insubordination zum Tode verurteilt war, wurde gehenkt, seine Leiche ins Meer versenkt. Der Handlungsreisende Schwarz ist im Eisenbahn wagen auf der Strecke Balagsfala —Sorard ermordet und auf das Geleis geworfen worden. Es wurde ihm eine Handtasche mit Schmucksachen im Werte von 1200 Kronen geraubt. Petersburg. Der Hetze gegen den Dreibund haben sich auch die „Petersburgskija Wedomosti" angeschlosten. Das Blatt wirft die Frage auf, ob d s 1901 ablau fende Bündnis erneuert werden würde. In Italien