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Wöchentlich »scheinen drei Nummern. Pränumeration«, Drei« 22^ Sgr. (j THIr.) oierieijäbrii», Z Thlr. für da» ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man prSnumerirt auf dieses Literatur-Blatt in Berlin in der Expedition der Mg. Pr. Staatö-Zeitting (griedrichöstr. Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wohllöbl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. Berlin, Montag den 30. August 1841 Rußland. Einiges aus dem Allrussischen Volkskalender.') Bei dem hohen Interesse, welches besonders Sacharov's in den Russischen Schulen eingcführteS Werk: „Alte Sitten und Gebräuche" (4 Bände), nebst der wahrhaft klassisch zu nennen den Sammlung Sacharev's: „Sprüchwörter und NedenS- arten"°°) für diese Gegenstände mit Recht erweckt haben, dürsten auch die nachstehenden Mittheilungcn einige Beachtung finden, zumal sie vielleicht nicht uninteressante Vergleichungen veranlassen könnten. Die Altslawische Gastfreundlichkeit, welche selbst da» Ausland als auszcichnendeS Charakteristikon auch den Russen ehrend zuerkennt, ist bei diesen in der That so gänzlich naturalisirt, daß sogar deren Bezeichnung durch „Salzbrod" und „Salzbrodthum" °°°) völlig unerreichbar erscheint. Fast alle feierliche Gebräuche hängen hiermit, mehr oder miyder genau, zusammen; dafür zeugen die hier zunächst folgenden Sitten, LcbcnSrcgcln und Sprüchwörter: Trat Jemand zur Zeit des Mittags- oder des Abendessens in ein Haus ein, so sprach er erst sein Gebet vor dem Weihbildc des Schutzheiligen im Zimmer, grüßte dann, mit den Worten: „Brod und Salz", und erhielt vom Hausherrn den Willkommen: „Brod zu essen, lassen wir Dich ein." — Nach der Mahlzeit wurde ein neues Tischtuch aufgelegt und Brod und Salz aufgetragen, woraus die Redensart: „Brod und Salz kommt nicht vom Tische" wahrscheinlich entstanden ist. Diese soll ausbrücken, daß Jemand gastfrei und in seinem Hause Alles vollauf sep — und ist also gleichbedeutend mit der: „Sein Haus ist eine volle Schale", oder: „Eine Hand im Honig, die andere im Syrup", und: „Was hält' er sich nicht gefühlt, wie der Käs' in der Butter sich sielt." — Gastfreundschaft war stets und s» sehr Leidenschaft der Russen, daß, wenn Jemand zu einer Zeit eingetrossen, in welcher ihm Weber ein Mittags- noch ein Abendbrod angebvten werden konnte, der Wirth, indem er ihm das Geleit gab, gewiß ernstlich betrübt zu ihm sagte: „Sep nicht böS; Du Haft wie beim kalten Ofen gesessen." Als Danksagung galt der Spruch: „Bei'm Brodtc Salz genug" — oder: „Die Augen sehen nicht" (nach Mehr). — Eine alte Bekanntschaft und Freundschaft anzudeuten, sagt man: „Unsere Väter schon führten Brod und Salz zusammen." — Vor Alters meinte man auch, der Mensch, der zu Hause gclicb- kost werde, thuc nichts Böses — und sagte deshalb: „Salz und Brod (also Häuslichkeit) führt auf nichts Böses." Bei per Grundsteinlegung zu einem neuen Hause wurde ein Geistlicher eingelaben, ein Mol eben (Gebet für den bestimmten Fall) gesungen und unter den Grundstein eine Anzahl Münzen ge legt, der Schluß der Ceremonie aber durch Bcwirthung aller dabei Anwesenden mit einer Mahlzeit gemacht. — Bei Richtung des Gebäudes beobachtete man folgenden abergläubischen Gebrauch: damit die Hausbesitzer glücklich und gesund bleiben möchten, er stachen sie einen Hahn, schnitten ihm den Kopf ab und verscharrten diesen in der vorderen (Wcihbild-k) Ecke; und alles dies geschah mit vieler Geheimnißkrämerei. — Nach Vollendung des Baues wurde wieder ein Molüben gehalten und das ganze Haus, zu- sammt der Dienerschaft, mit Weihwasser besprengt — (wie noch jetzt nicht selten bei einem bloßen Quarticrwechscl geschieht). Beim Einzuge in das neue Haus oder in eine neue Wohnung, brachte (und bringt) man vor Allem zuerst das Weihbild nebst Brod und Salz, demnächst aber einen Hahn und eine Henne da hin Sobald HAgeordnet ist, erfolgt das Nowosselje (NeuhauS): der Wclheschmaus mit den Bekannten und Verwandten, welche ihrerseits den Gastmahlgebern Brod und Salz (oft in Ge stalt von Kuchen) zuschicken. Bei dieser Gelegenheit pflegte daS Brod aus einem Teige von Butter und Eiern zu sepn; und je reich licher diese Sendung, desto großer erschien des Senders Aufmerk samkeit und die Ehrenbezeigung. Die Reichen schickten wohl auch ein silbernes Salznäpschen mit, und Viele fügten dazu noch Geschenke an Thee, Zucker und Federvieh, (lebendes oder todtes Geflügel — heutzutage ost die kostbarsten Geschenke jeder Art, immer aber auch etwas Brod und Sälz). ) Nach „Notizen über die vaterländische Vorzeit", von Mad- Awdeiev, im „ Russi scheu Courier" Ium-Heft ts- d- Magazin Nr- 97)- "t Aehulich der Deutschen von Körte. ) Eigentlich- Vrod-und-Saiz — Brod-und-Sali-thum Für den Verreisenden war das ganze HauS beschäftigt: die Einen heizten die Baoestube, die Anderen backten Zuckerbrod (Zwieback), Pirogen (Kuchen)"), Brezeln und andern Mundvorrath, als „Wegezehrung". Am Tage der Abreise selbst hielt man eine Messe ab und ließ den Priester ein Gebet um glückliche Reise (Proxrmplikon) lesen. Auf den Tisch legte man ein Schwarzbrot), daneben stellte man das Salz; dann setzten sich Alle, schloffen zu vörderst jede Thür und verrichieten, nachdem sic eine Zeit lang zu sammengesessen hatten, stehend ein Gebet. Nach der Trennung fegte man die Zimmer nicht und brachte das Kehricht auch nicht hinaus, „um nicht die Spur des Geschiedenen zu verwischen." DaS Brod, welches beim Abschiede auf dem Tische gelegen, ließ man volle 24 Stunden lang unangeschuitten. Bei der Geburt eines Kindes legte man, wenn dasselbe gewaschen wurde, Silber- und Gold-Münzen — unter Armen: einen silbernen Ring — in den Waschnapf (wie hier, für die Bademuttcr?). Der Kindbetterin brachte man Brodschnitten, mit Salz bestreut, welche sie durchaus, wenngleich in ganz kleinen Biffen, verzehren mußte. Bevor der Mutter und dem Kinde daS Gebet gesprochen, verließ Niemand ihr Haus. Beide wurden täglich ins Bad ge bracht, gewaschen und mit dem Badebcsen (aus Birkenreisern) ge rieben; dabei rief man: „Das Bad ist die zweite Mutter." Hierauf gab man dem Kinde ein Dekokt von Bier, gebackenen Pflau men, Rosinen, Ingber und Galgantwurzel (maruittüu gslanga). Eine Diät nach der'Entbindung wurde in keiner Hinsicht beobachtet, sondern Alles: sauer, salzig, seit, gegeben; ja man redete sogar der Kranken zu, mehr zu essen, indem man sagte, dapon verginge die Krankheit rascher. Eben so reichte man der Wöchnerin spitzqlaSwcise einen Kräuterwein. Alle Bekannten und Verwandten besuchen sie und bringen ihr Gold-, Silber-, oder mindestens doch Kupfer-Mün zen, auf dem Lande außerdem noch Pirogen, Pfefferkuchen und Acpfel, „für's Zähnchen." (Dies wird ihr unter das Kopfkissen gelegt und soll dem Kinde daS Zahnen erleichtern. Für das erste Zähnchen bekommt die Amme ein ähnliches Geschenk noch jetzt). Bis zur Tause legte man den Säugling nicht in die Wiege. Ge wöhnlich taufte man am dritten Tage, bei Schwäche des Kindes jedoch unmittelbar nach der Geburt. Dem Neugeborenen legte man den Namen desjenigen Heiligen, auf dessen Tag die Geburt gefallen, oder den vom achten Tage nach derselben, bei. Nicsetc das Kind bei der Taufe, so rief man ihm zu: „Bekreuze dich, Christus ist mit dir!" Bei der Tause schickte man dem Vater oder der Mutter bis weilen eine runde süße Piroge. An etlichen Orten herrscht jetzt noch die Sitte, der Wöchnerin nach dem Kindtaufen eine Schüssel mit Pirogen und Le Peschken (Pfannenkuchen) zu schicken; unter diesen Pirogen liegt dann ein Geldgeschenk, und dazu ergeht für den Säugling der Glückwunsch: „Dich lasse Gott trinken, nähren, großwachsen und unter dem goldenen Kranze stehen, uns aber auf deiner Hochzeit schmausen!" Nach Verlauf von neun Tagen mußte sich die Wöchnerin mit der Hebeamme die Hände waschen. Dies bestand darin, daß Erstere der Letzteren dreimal die Hände benetzte, während die Gäste Silbergeld in das Wasser legten, zuletzt aber die Bademuttcr Geld nebst Seife, Lein wand und HauSlinnen bekam. — Nach dem ersten heil. Ab end - mahlsgcnusse empfing man den jungen Christen, bei seiner Rück kunft aus der Kirche, mit Brod und Salz; und in die Wiege") legte man ihm Brodrinden — dazu, wenn es ein Knabe war: einetr kleinen Bogen und Pfeil; war es aber ein Mädchen: eine Spin del. Wurde das Kind unruhig, so fügte man hierzu noch ein Sträußchen Mannstreu. (6»rüuu8 acanrkoiüe«, oder Oeutaure» beneüicta l^ep.?) Die Hochzcitfcierlichkeiten waren in Rußland früher sehr verschiedenartig. °°°) Bei der Mitgift, die in des Bräutigams HauS gesendet wurde, befand sich jederzeit ein Wcihbiid nebst Brod und Salz; an einigen Orten auch eiü ganz besonderer Kuchen, dem dann aber Brod und Salz erst am zweiten Hochzeitstage folgten. Man führte zur Trauung und bewillkommte nach derselben mit Brod und Salz; in Kurök trug man sogar in die Kirche ein Stück Brod in einer mit einer Serviette bedeckten Schüssel. Bei ') Oder auch Pasteten? ") Denn auch llnmiindiqe geniesten schon das steil Abendmahl "') Für die von Sibirien und von Kursk bezieht sich die Versagerin ans deren umständliche Darstellunq in ihren „Schilderungen von Ei» tirien" und in ihrem früheren Artikel „Beschreibung von Kurs k."