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Die „Wciheritz-Z«ltung" erscheint wöchentlich drei mal : Dienstag, Donners- tag und Sonnabend und wird anden vorhergehen- denAbendenausgcgcben. Preis vierteljährlich 1 M. 25 Pfg., zweinionatlich 84 Pfg-, cmmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 10 Pfg. - Alle Postan- stalten, Postboten, sowie UnsereArrsträgernchmen Bestellungen an. Mcheritz-Mung. Anzeiger für Dippoldiswalde und Nmgegend. Inserate werden mit 15 Pfg., solche aus unserer Amtshauptmannschast mit12Pfg.die Spaltzeil« oder deren Raum berech net. Bekanntmachungen auf der ersten Seite (nur von Behörden) die zwei gespaltene Zeile 35 bez. 30 Pfg- - Tabellarische und komplizierteJnserate mit entsprechendem Auf schlag. - Eingesandt, im redaktionellen Teile, die Spaltenzeile 30 Pfg. Amtsblatt für die Königliche Müshauptmannschafi, das Königliche Amtsgericht und den Stadtrat zu Dippoldiswalde. Mit achtseitigem „Illustrierten Anterhattungsblatt". Mit land- und hauswirtschastlicher Monats-Beilage. Für die Aufnahme eines Inserats an bestimmter Stelle nnd an beftiunnten Tagen wird keine Garantie übernommen. Verantwortlicher Redakteur: Paul Irhne. — Druck und Verlag von Carl Irhne in Dippoldiswalde. Nr. 88. Die Abkühlung in der englisch-französischen Freundschaft. Als der französische Minister Delcasse im Jahre 1904 die berühmte Konvention mit England abschloß, durch welche Frankreich den Engländern freie Hand in Egypten einräumte, und die Engländer dafür den Franzosen das nordwestliche Afrika überlassen zu wollen erklärten, da er schien den Franzosen die Konvention als eine himmlische Botschaft, als eine politische Freundschaft und als ein herzliches Einvernehmen von unermeßlichem Werte und un begrenzter Dauer. Schien diese Konvention doch auch einen Stützpunkt für Frankreichs Revanche an Deutschland zu bilden, und hofften tollkühne Franzosen, das vielleicht der Streit um Marokko den großen Stein gegen Deutch land ins Rollen bringen würde. Aber die leichtgläubige französische Schwärmerei hat in diesem Punkte schon mehr als eine Enttäuschung erlebt und jetzt beschäftigen sich die französischen Zeitungen schon wieder mit einer Ent täuschung, welche das englisch-französische Einvernehmen den Franzosen bereitet hat. Schon in der marokkanischen Frage mußten die Franzosen erkennen, daß sich Deutsch land nicht alles von ihnen bieten läßt, und daß es für Frankreich ein ungeheueres Wagnis gewesen wäre, wegen Marokko Deutschland zu einem Kriege herauszufordern. Und nun haben eine ganze Anzahl Erfahrungen den Franzosen auch noch bewiesen, daß England in allen seinen politischen Freundschaften doch nur mit kühlster Berechnung feinen Vorteil sucht So wirft jetzt der „Temps" den Eng ländern vor, daß sich ihre Haltung in Egypten in direktem Gegensätze zu dem Sinne des Vertrages befinde. Frank reich hätte sich sehr wohl verpflichtet, den Engländern in Egypten keine feindselige Politik entgegenzusetzen, aber im übrigen wären den Franzosen alle bisherigen Rechte und Freiheiten gewahrt worden, ganz besonders das Recht der Erhaltung der zahlreichen französischen Schulen und des unbeschränkten Wettbewerbes auf dem wirtschaftlichen und geistigen Gebiete. Frankreich habe in Egypien und in den Anlagen des Suezkanales und in Bodenspekulationen über drei Milliarden Franks angelegt, und es könne aus diesem Grunde nicht verzichten, seine Interessen voll und ganz wahrzunehmen. Auch sei die Erhaltung der fran zösischen Schulen in Egypten unbedingt notwendig, weil durch diese allein Frankreich seine Stellung sichern könne. Aber England arbeite in Egypten direkt der Stellung der Franzosen entgegen, indem die Engländer es durchgesetzt hätten, daß eine Menge früher von französischen Fach gelehrten besetzte Lehrerftellen letzt von Engländern einge nommen würden, und weil der englische Regierungs- kommissar angeordnet habe, daß nur diejenigen Personen sich um öffentliche Ämter in Egypten bewerben könnten, die auf englischen Fachschulen ihre Examina gemacht hätten. Dadurch würde die Steilung Frankreichs in Egypten geradezu untergraben, und es sei hohe Zeit, daß die französische Regierung die englische Freundschaft darauf aufmerksam mache, daß Frankreich seinen Verpflichtungen in Bezug auf Egypten loyal nachgekommen sei, und daß man deshalb von England dasselbe erwarte. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde. Ihre Majestät die Königin-Witwe Carola hatte Herrn Amtshauptmann vr. Mehnert, sowie die Herren Oberforstmeister v. Lindenau und Forstmeister Breitftld gestern mit einer Einladung zur Tafel im Jagd schloß Rehefeld ausgezeichnet. Dippoldiswalde. Jeder Landbriefträger und Post hilfsstelleninhaber hat bestimmungsgemäß ein Annahme- bury zu führen, das zur Eintragung der angenommenen Einschreibsendungen, Sendungen mit Wertangabe, Post anweisungen usw. dient. Den Auflieferern steht frei, die Eintragungen in das Annahmebuch selbst zu bewirken. Erfolgt die Eintragung der Gegenstände durch den Land briefträger oder Posthilfsstelleninhaber, so ist der Aus- kieserer befugt, sich von der erfolgten Buchung zu über- zeugen. Es wird besonders darauf hingewiesen, daß die Haftpflicht der Postverwaltung erst mit der durch die Ein tragung in das Annahmebuch nachweisbaren Uebergabe der Sendungen an den Landbriefträger beginnt. Zur Be gründung von Ersatzansprüchen ist daher die Eintragung in das Annahmebuch des Landbriefträgers — bezüglich der bei Posthifsstetten eingelieferten Sendungen besorgt diese der Pofthilfsstelleninhabcr — von entscheidender Be- Dienstag, den 30. Juli 1907. deutung. Der Posteinlieferungsschein wird erst bei der Ablieferung der Sendung an die Postanstalt ausgefertigt. Der Landbriesträger ist verpflichtet, ihn auf dem nächsten Bestellgange dem Absender abzuliefern. — Theater. Bei der Freitag-Ausführung, deren Besuch wohl unter der Witterung litt und für welche das schöne Volksschauspiel „Philippine Welser" gewählt war, schmeichelten sich besonders Frl. Wanonka und die Herren Waldeck, Schröder (der ja noch von seinem früheren Auf treten hier in bester Erinnerung steht) und Donnebaum bei den Zuschauern ein; auch alle anderen Darsteller leisteten Lobenswertes. Mehr Aufmerksamkeit verdiente die wirklich lobenswerte Zwischenaktsmusik; letzteres gilt auch für den Donnerstag-Abend. — Heute Montag haben wir in der Sudermannschen Komödie „Schmetter lingsschlacht" Gelegenheit, Frl. Hermine Bachmann vom Residenztheater Wiesbaden kennen zu lernen, die von der Direktion als erste jugendliche Liebhaberin engagiert wurde. — Theater. Was die Mitglieder der Zahnschen Theatertruppe in der Wiedergabe fein durchdachter Charakterrollen zu leisten vermögen, das zeigte sich am Sonntag im „Herrgottschnitzer". Welche prächtigen Typen, wie sie eben nur das Hochgebirge sein eigen meint, waren die Loni, der Pauli und der alte Pechkerlehnl, die Haupt personen des Stückes. Aber auch die anderen Rollen waren alle gut verteilt und das Zusammenspiel vorzüglich. Manchmal konnte man sich allerdings des Gesühls nicht erwehren, als ob der „Vettlbua" allzusehr den „Spaß macher" heraussteckte. Doch das hatte wohl auch seinen Grund. Kurz und gut: Der „Herrgottschnitzer" war wieder ein Genuß und eine vorzügliche Empfehlung für die Ge- sekischaft. — Heute Dienstag wird zur Eröffnungsvor stellung in Schmiedeberg das schöne Lustspiel „Der Störenfried" gegeben. — Die neueste Kurliste für Kipsdorf, Bärensels und Bärenburg weist 1186 Passanten und 2957 Gäste nach. — Das Personal der Kreischaer Straßenbahn erhält in diesem Jahre durchgängig 3 Tage Urlaub. — Mit dem t. August kommt auch in Sachsen das Abfahrtssignal mit der Lokomotivpfeise bis auf wenige Ausnahmen in Wegfall. — Eine Folge des Wegfalles der Rückfahrkarten ist, daß verschiedentlich die Fahrkartenschalter nicht ausreichen. (Wieder ein „Profit" der so „beliebten Neuerungen" im Eisenbahnwesen.) — Die neue kriegsmäßige graugrüne Uniform wird zurzeit auch für die beiden sächsischen Armeekorps herge stellt, sodaß in nicht zu ferner Zeit die Kammern mit diesen Kriegsgarnituren ausgestattet sein werden. — Als eine Folge der Siebenlehner Vorgänge nennt man eine baldige staatliche Beaufsichtigung der Freiwilligen Feuerwehren. Sadisdorf, 29. Juli. Heute morgen gegen 6 Uhr ist die hiesige Mühle niedergebrannt. Glashütte. Am kl. August wird Herr Direktor Dieterich-Helfenberg seinen am 28. Mai in Niederpoyritz gehaltenen Orientvortrag über „Eine Landreise durch Syrien und Palästina" mit über 100 Lichtbildern nach eigener Ausnahme der hiesigen Einwohnerschaft bieten. Der Vortrag soll zum Besten der Gemeindediakonie Glas hütte gehalten werden. Dresden. Wie aus Norderney berichtet wird, ist das Befinden des Königs und der königlichen Familie ein vor zügliches. Dresden. In einem Dresdner Briefe an die „Kreuz zeitung" wird darauf verwiesen, daß der Vorstoß des Lezationsrates von Nostitz-Wallwitz in konservativen Kreisen allerdings stark verstimmt habe, daß es aber hieße, die Bedeutung dieser Angelegenheit zu überschätzen, wollte man annehmen, daß dadurch fast die gesamte konservative Partei Sachsens aus Freunden zu Gegnern einer so ein schneidenden Regierungsvorlage geworden sei. Die säch sischen Konservativen dächten übrigens gar nicht an eine glatte Verwerfung der Vorlage. — In einer vom Nationalliberalen Reichsverein ein berufenen Versammlung nahmen die Dresdner National liberalen Stellung zur Landtagswahlreform. Nach einem Referate erklärte sich die Versammlung mit der vor kurzem in Leipzig erfolgten Stellungnahme des Landesausschusses der nationallibcralen Partei einverstanden. Der Referent hob besonders hervor, daß man für die Durchführung der Ideen der Nationalliberalen bei der Behandlung der Vor lage im Landtage mit der Negierung und dem linken 73. Jahrgang. Flügel der Konservativen eine Verständigung anzubahnen versuchen würde, da nur auf diesem Wege etwas Ordent liches zustande kommen könne. — Eine Verkäuferin klagte vor dem Kaufmanns gerichte Dresden auf ein Monatsgehalt wegen unbe rechtigter Entlassung. Sie war nicht zur Arbeit erschienen, weil ihr der Arzt bescheinigt hatte, daß sie „einen Er holungsurlaub nötig" habe. Nach Anhören eines ärzt lichen Sachverständigen sprach das Kaufmannsgericht seine Überzeugung dahin aus, daß die ärztliche Bescheinigung der Notwendigkeit eines Erholungsurlaubes lange noch nicht die Bescheinigung absoluter Arbeitsunfähigkeit sei. — Auf der Dresdner Vogelwiese ist eine Dame ohne Unterkörper eingekehrt. Miß Gabriele stellt sich als eine Herme dem Besucher dar, ein Torso, der auf rot- samtner Unterlage ruht. Auf diesem Postament wird sie umhergetragen, so daß von einer Illusion keine Rede sein kann. Dies lebende Wunder ist in solcher Gestalt auf die Welt gekommen. Virchow hat es als Kind untersucht und einen Bericht darüber aufgesetzt. Miß Gabriele ist oberhalb ihres Piedestals ein wohlgeformtes weibliches Wesen. — Am 7. und 8. September soll in Dresden eine große Hunde-Ausstellung stattsinden; man hofft auf 1000 Stück. — Im Botanischen Garten in Dresden blüht jetzt wieder die Biktoriaregia und bringt etwa jeden dritten Tag eine Blüte hervor, die ungefähr 24 Stunden lang blüht. Die Blätter haben jetzt einen Durchmesser von l,60m. — Ein Dresdner Ingenieur hat eine neue Kraftspar maschine erfunden, die geeignet ist, Ersparnisse an elektrischer oder Gaskraft von 25 bis zu 40 Prozent zu erzielen; sie stellt sich als ein sogenanntes Federgetriebe dar, zu dem als Beigabe eine andere Kraft, am besten ein Elektromotor, notwendig ist, welcher der Maschine zum Antrieb und zum Überwinden des toten Punktes dient. Die Maschine be findet sich noch im Anfangsstadium und bedarf noch mannigfacher Verbesserungen. — Ein Auto Omnibusverkehr Rumburg—Seifhenners dorf—Warnsdorf—Großschönau wird demnächst eröffnet. — Einer Verhandlung vor dem Schöffengericht zu Freiberg wohnte ein altes Mütterchen bei. Nach Schluß tippelte es den Richlertisch entlang und gab jedem der an wesenden Herren die Hand zum Abschied, indem es auf gut sächsisch sagte: „Mer muß immer hibsch heeflich sin!" — Eine niedliche Bescherung richteten zwei kleine sich bei Verwandten in der Nähe Freibergs aufhaltende Berliner an. Der Onkel ertappte die beiden sechs- und siebenjährigen Knaben dabei, wie sie aus dem Hühnerstall alle Eier entnahmen und sie in die Erde vergruben. Be fragt nach dem Zweck ihres Tuns, gaben sie zur Ant wort, sie wollten die Eier — einpflanzen, um daraus Ostereierbäume zu ziehen! — Seit mehr als 12 Jahren betreiben die Produkten händler Henker und Scheiblich in Meißen außerhalb des Gemeindebezirks ihres Wohnortes den Verkauf von Fisch- waren aller Art — geräucherte, gesalzene und marinierte Heringe, Sardinen -c. — im Umherziehen, ohne bislang angehalten worden zu sein, sich einen Wandergewerbe schein zu beschaffen. Die Händler hatten sich, um ganz sicher zu sein, bei dem Sekretär des Gewerbeamtes Meißen erkundigt, ob zum Feilbieten von Fischwaren im Umher ziehen ein Wandergewerbeschein erforderlich und ob für das Gewerbe eine Gewerbesteuer zu entrichten sei. Die Auskunft der Behöbe lautete: „Nein." Am 13. Dezember v. I. wurden die genannten Händler aus dem Großen hainer Markte plötzlich angehalten. Sie waren natürlich nicht im Besitze des verlangten Wandergewerbescheines, wurden aber, obgleich sie sich aus die ihnen erteilte Aus kunft der Behörde beriefen, zu einer Geldstrafe von 10 M. verurteilt. Das Landgericht sprach jedoch die Angeklagten kostenlos frei, weil sie im Vertrauen auf die behördliche Auskunft sich nicht einen Wandergewerbeschein zugelegt hätten. Die Bezirkssteuereinnahme Großenhain legte Re vision ein, die vom Oberlandesgericht verworfen wurde. Der höchste sächsische Gerichtshof führte aus, daß die An sicht der Steuerbehörde, weil ein subjektives Moment ge geben sei, nun auch eine Verurteilung erfolgen müsse, nicht den Anschauungen des Oberlandesgerichts entspreche. Die Angeklagten hätten von der Behörde ausdrücklich die Aus kunft erhalten, daß zum Vertrieb von Fischwaren im Um herziehen weder ein Wandergewerbeschein erforderlich, noch daß die Ausübung dieses Gewerbes steuerpflichtig sei.