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Feierabend. KMH«lt»>i»-Kkil>ßk der „Sachs. BrlkSzeitung". j M 44. Sonntag, den 29. Oktober 1»V5. Der Weg zum Glück. Eine wahre Geschichte. N«ch de« Aufzeichnungen eines Konvertiten, bearbeitet von S«t«»ie Hauvt. «chlutz. (»«chtr^ Dieser reiche und doch so arme Herr stand ohne Ange» j hörige allein in der Welt. Seine Gattin und mehrere Kin- der hatte er durch den Tod verloren, den noch übrig gebliebe« neu Sohn hatte er, dessen leichtsinnigen Lebenswandels hal ber, verstoßen. Sein Geld hätte den kunstsinnigen, bochge- bildcten Herrn nun dazu befähigt, sich fast alle Genüsse der Welt zu verschaffen: aber ein schmerzhaftes Leiden bannte ! ihn ans Hans, in die Krankenstube. Auf die Gnade einer ! launischen Hansbälterin, die er für unentbehrlich hielt, war er angewiesen. „Ich bekomme nur das zu essen, was die sechs Katzen meiner alten Here durch sichtliches Behagen für ein gutes Gericht erklärt haben. Meine sämtlichen Leibspeisen aber mag das verdammte Viehzeug nicht, und so muß ich aus alles, was mir schmeckt, verzichten," klagte er mir mit komi schem Aerger. Ich fand jedoch, daß die Verpflegung, welche das alte Fräulein Torette uns angedeihen ließ, eine ganz vortreff liche war. Da ich aus angeborener Lierfreuudlichkeit mich sogleich auch ein wenig der Katzen annahm, so hatte ich un beabsichtigt gar bald des alten Fräuleins Herz gewonnen. Während ich den kranken Herrn verpflegte, wurde ich selber so köstlich verpflegt, wie es mir iu meinem Leben noch nicht geboten war. Meine Krankheit milderte sich sofort bei dieser guten Behandlung und blieb schließlich ganz fern. Aber auch die Krankheit meines gütigen Herrn besserte sich unter meiner Sorgsamkeit. Nach zwei Jahren sagte der Mann, den ich wie ein Vater liebgewonnen hatte, und den ich nun verlassen mußte, weil er meiner Hilfe nicht mehr be durfte, zu mir: „Ihnen danke ich es. daß ich gesund geworden bin. Ich möchte meine Schuld in etwa an Sie abtragen, indem ich Sie studieren lasse. Sie mit Ihrer feinen, weichen Hand, Ihrem zarten Mitgefühl und Ihrer chirurgischen Geschicklich keit wären wie geschaffen zum Zahnarzt. Doch ich fürchte, daß Sie bei Ihren ungeregelten Schulkenntnissen sich diesen Titel hier in Deutschland nicht erringen können. Ich werde Ihnen aber bei meinen vielen Verbindungen im Auslande Mittel gewähren, die geeigneten Studien zu machen, um dereinst eine ehrenvolle Stellung in hiesiger Stadt einzu nehmen." Der großmütige Herr hielt sein Wort. Er behandelte mich wie einen eigenen Sohn und gab mir alle Mittel zum Studium. Leider starb er bald nach dieser menschenfreund lichen Handlung. So war es mir denn möglich, im November des Jahres 1882 mich als selbständiger Zahnarzt in meiner Geburts stadt niederzulassen und mir einen eigenen Haushalt zu gründen. Ich durfte eine Jungfrau zum Altar führen, die ich seit Jahren schon heiß und innig liebte, nicht allein um ihrer Schönheit willen, sondern hauptsächlich wegen ihrer Fröm migkeit und Her-enSreinheit, wegen ihres kindlich bescheide nen Wesens. Und der liebe Gott segnete unseren Bund. Im Anfang war cs mir freilich reckt schwer, unseren täglichen Lebensunterhalt zu verdienen; doch meine liebe, fromme Frau und ich, wir verloren nicht das Gottvertrauen und beteten desto eifriger, dann wurde uns immer geholfen. Etwa ein Jahr nach unserer Vermählung feierte unsere Stadt mit vielem Prunk das vierhundertjährige Geburtsfest des „großen Reformators" Luther. Ein mir wohlgesinnter Kollege kam zu mir und redete mir freundlich zu: „Sie müssen auch illuminieren. Das Einkommen aus Ihrer Praris beziehen Sie doch nur von Lutherischen." Leider hatte der Kollege recht; die Katholiken bezeigten kein Vertrauen zu mir und unterstützten mich in keiner Weise. Dennoch sprach ich ein entschiedenes „Nein!" Am selben Abend aber kam der mir wirklich Wohlmeinende noch mals und drängte: „Lieber Freund, alle klugen Katholiken, die ein öffent liches Geschäft führen, haben illuminiert; ich nenne Ihnen nur die hervorragenden Firmen Kohlrausch, Langhorst und Weishaie. Lassen Sie doch ein paar Lämpchen holen. Wenn Sie das Geld nicht dafür ausgeben können, so will ich Ihnen gern einige Lichter besorgen. Ich versichere Ihnen, die gut Lutberischen sehen darauf. Welchen Vorteil haben Sie da gegen von der Meinung der Katholiken, die sich nicht im mindesten um Sie kümmern?" Das tuar eine arge Versuchung! Mit Gottes Gnade aber siegte ich. Mein Vater im Himmel bat meine Stand- baftigkeit reichlich belohnt. Ich bin der festen Ueberzeugung, wenn ich damals feige nachgegeben hätte, so wäre ich heute nicht in so glänzenden Verhältnissen. Und alle die Katho liken, welche den Mut nickt hatten, ihren Glauben zu be kennen, würden ganz gewiß keinen Schaden gehabt haben, wenn sie das Illuminieren unterlassen hätten, denn Gott allein kann geben und nehmen. Ihre Nachgiebigkeit gegen die Protestanten hat ibnen nickt so viel Gewinn eingebracht, daß ibr Vermögcnsruin aufgehalten wurde. So hat zum Beispiel eine der von meinem wohlmeinenden Kollegen mir bezeicknetell Firmen in diesem letzten Jahre falliert, wäh- rend meine Anstalt blüht und gedeiht. Der Kollege selber aber, der dazumal als der erste und bedeutendste Zahnarzt in diesiger Stadt galt, befindet sich heute in so drückenden Der- hältnissen, daß er vor kurzem einen Selbstmordversuch machte. Ein anderer katholischer Kollege von großem Rufe, welcher damals illuminierte, und mir als Beispiel aufgestellt wurde, starb als in den besten Jahren stehender Mann arm und unglücklich Vor seinem Ende wurde er längere Zeit vom Vincenz-Derein unterstützt. Oft sagte ich zu meiner Frau: „Wenn dieser Mann den zehnten Teil von dem, was er verschwendete, den Armen gegeben hätte, so wäre er kei- nenfalls so traurig zu gninde gegangen." Im tiefsten Abgrunde des Elends faßen wir wenige Tage nach dem Lutherfeste. Ich hatte kein Einkommen, und es ging uns recht schleckt. Ja, wir waren in solcher Not, daß ich nach eifrigem Beten eS unternahm, mich schriftlich an einen mir bekannten reichen Herrn mit der Bitte zu wenden, mir dreihundert Mark zu leihen. Mein Frauchen schalt und sagte: „Wie kannst du nur so unsinnig sein und Hilfe von diesem als Geizhals bekannten Manne erwarten?" Doch siehe, am anderen Morgen klingelte es. Ich öffne, und ein Bote de» betreffenden Herrn steht vor mir, überreicht