Volltext Seite (XML)
8MMW W ZWche« AMiiW 182. zu Nr. 2S3 des Hauptblattes. 1924. Beauftragt mit der Herausgabe! Regierung-rat Brauße in Dresden. LavdtagStztrhaMMge«. 148. Litzung. Dienstag, den 1«. Dezember 1S24. Stellv. Präsident vr. Eckardt eröffnet'die Sitzung 1 Uhr 9 Minuten nachmittags. Am Regierungstische zu Beginn der Sitzung nie mand, dann die Minister Bünger, ElSner, Müller (Chemnitz), Müller (Leipzig), vr. Kaiser, vr. Rein hold und Regierungsvertreter. Die Punkte 1—4 der Tagesordnung werden zu sammen behandelt: 1. Kurze Anfrage (Drucksache Nr. 949) 3. Anfrage des Abg. Jähnig u. Gen., Bevorzugung der Konsumvereine betr. (Drucksache Nr. 952.) 3. Erste Beratung über den Antrag deS Abg. Günther (Plauen) u. Gen. auf Bereitstellung aus reichender Kredite für Industrie, Handel, Handwerk und Gewerbe. (Drucksache Nr. 947.) 4. Erste Beratung über den Antrag der Abgg. Mitschke, Schmidt u. Gen. auf Wiederherstellung des gewerblichen Mittelstandsfonds. (Drucksache Nr. 1038.) Abg. Schmidt (Plauen) (Dtsch. Vp.): Die kurze An frage Nr. 949 hat folgenden Wortlaut: Nach unwidersprochen gebliebenen Pressenachrichten hat das sächsische Arbeits- und Wohlfahrtsministerium mit Verfügung vom 2. Mai d. I. der Landesversiche rungsanstalt ein Warenangebot des Wirtschaftsaus schusses deutscher Arbeitergenossenschaften vermittelt, die Bersicherungsträger und Landesattstalten zur Be nützung desselben aufgefordert und darüber hinaus die Großeinkaufsgesellschaft Deutscher Konsumvereine den Landesanstalten als günstige Bezugsquelle emp fohlen, sowie dieselben zur Erwerbung der Mitglied schaft in den Konsumvereinen angehalten. Sind diese Pressemeldungen zutreffend? Bejahendenfalls, womit begründet die Regierung dieses Vorgehen? Das Arbeits- und Wohlfahrtsministerium hat mit Schreiben vom 17. Juli d. I. an meine Fraktion die eben vorgetragene Anfrage schon beantwortet. Die damit versuchte Rechtfertigung des Arbeits- und Wohl- fahrtsministeriums ist mir und meinen politischen Freunden aber nicht weitgehend genug. Ich vermisse vor allen Dingen in der Antwort des Arbeits- und Wohlfahrtsministenums ein Eingehen auf den Kern der Anfrage, inwieweit es Propaganda gemacht hat bei den Anstalten, daß dieselben die Mitgliedschaft in den Konsum- Vereinen erwerben sollen. Stellv. Präsident vr. Eckardt: Die Negierung ist leider nicht vertreten. (Hört, hört! bei den Dtschnat.) Aba. Jähnig (Dem. — Zur Begründung der An frage Nr. 952): Wir haben im Juli unter Drucksache Nr. 952 eine Anfrage folgenden Wortlauts eingebracht: Wie aus den Tageszeitungen ersichtlich ist, ist aus dem Arbeits- und Wohlfahrtsministcrium ein Schreiben, gezeichnet Hunger, an die Arbeitsgemeinschaft der Ver- sicherungsträger (Landesversicherungsanstalt) gerichtet worden, in dem auf die Möglichkeit gemeinschaftlicher Einkäufe durch Bezug von Massenartikeln von der Großeinkaussgesellschaft Deutscher Konsumvereine in Hamburg hingewiesen und ferner der Anschluß an die örtlicken Konsumvereine zum Zwecke des Bezuges der täglichen Bedarfsartikel als vorteilhaft empfohlen wird. Die Regierung wird deshalb befragt, ob dieses Schreiben tatsächlich aus dem Arbeits- und Wohl fahrtsministerium stammt, und ob die Regierung be reit ist, künftig eine solche einseitige Bevorzugung der Konsumvereine zu unterlassen Dazu habe ich zur Begründung zu bemerken, daß Handel, Handwerk und Gewerbe, wie überhaupt jeder Staatsbürger mit gutem Rechte verlangen können, daß die Regierung, die Behörden und die Landcsanstalten sich bei den auSzufechtenden Wirtschaftskümpfen neutral verhalten und nicht einseitig in die Wirtschaftsordnung eingreifen, sondern ihrer Pflicht, die ihnen in Artikel 164 der Reicksverfassung auferlegt ist, nachkommen. Diese Pflicht hat aber das sächsische Arbeitsministcrium in diesem Falle aufs gröblichste verletzt. Anstatt, daß cS hätte versuchen sollen, die in Sachsen herrschende Arbeits losigkeit dadurch zu beheben, daß eS den Landesanstalten den Bezug sächsischer Erzeugnisse empfahl, hat es den Warenbezug außersächsischer Fabrikate empfohlen. Wir müssen verlangen, daß die Regierung die Stände, die sie in besonderer Weise belastet, nicht obendrein noch schädigt und hindert, sich wirtschaftlich zu entfalten, und wir müssen weiter verlangen, daß die Regierung dafür sorgt, daß die Landesanstalten ihren Bedarf an Waren, soweit cS möglich ist, in Sachsen decken, um unser heimisches Wirtschaftsleben wieder zu beleben. Wir wollen keine Bevorzugung, wir fordern aber die Fern haltung wirtschaftlicher Schädigung durch den Staat, als dessen Mitträger sich Handel, Handwerk und Gewerbe fühlen. Ministerialrat vr. Maier: Meine Damen und Her ren! Bei der IV. Abteilung de- Ministeriums des Innern und späterhin beim Arbeits- und Wohlfahrts ministerium war eine Referentin beauftragt, den An kauf von Heeresgut, das zur Versorgung gemeinnütziger Anstalten geeignet war, für diese Anstalten zentral zu vermitteln In den Zeiten der Warenknappheit erwies sich hierbei die Ausnützung aller günstigen Bezugs möglichkeiten für die Anstalten durch das Eingreifen einer zentralen Vermittlungsstelle als eine Notwendig keit für das Fortbestehen der sehr schwer um ihre Existenz ringenden Anstalten der öffentlichen Wohl- fahrtspslege und freien Liebcstätigkeit. Bei den Be ratungen des Haushaltplanes der Landesanstalten, Kap. 70, ist im Haushaltausschuß ausdrücklich der Wunsch geäußert worden, den Vorteil gemeinschaftlichen Wareneintaufs für die Landesanstalten zu wahren. Im Interesse aller Anstalten der Wohlfahrtspflege hält das Arbeits- und Wohlfahrtsministerium es für erforderlich, die Möglichkeiten günstigen Warenbezugs sowie Gelegen heiten billigen Einkaufs auch den Anstalten der freien Liebestätigkeit mitzuteilen. Infolgedessen ist das frag liche Rundschreiben vom 2. Mai 1924 an den sächsischen Gemcindetag, den Verband der Bezirksverbände, die Arbeitsgemeinschaft der Bersicherungsträger, den Landes- verband für Innere Mission, den Earitas-Berband, den Verband der gemeinnützigen privaten Kranken- und Pflegcanstalten, das Sächsische Rote Kreuz, sowie an den Landesausschuß für Arbei'.krwohlkahrt gerichtet worden. Tas Arbeits- und Wohlfahrtsmimsterium hat m keiner Weise die Bevorzugung einer einzelnen Einkaufs gesellschaft wie des von den Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege geschaffenen Wirtschaftsverbandes gemeinnütziger Wohlfahrtseinrichtungen Deutschlands oder der Konsumvereine beabsichtigt. Wenn das Arbeits und Wohlfahrtsministerium diese beiden Einrichtungen in dem Rundschreiben von: 2. Mai erwähnt harte, so geschah es nur, weil diese beiden Organisationen sich zur Belieferung der Anstalten der öffentlichen und privaten Wohlfahrtspflege bereit erklärt hatten. Tas Arbeits- und Wohlfahrtsministerium hätte auch von Angeboten privater Unternehmen den Anstalten Nach richt gegeben, wie eS das Arbeits- und Wohlfahrts ministcrium für seine Pflicht hält, von allen sich ihm darbietenden Einkaufsgclegenheitcn die Anstalten in Kenntnis zu setzen. Das Arbeits- und Wohlfahrtsminijterlum wird sich auch in Zukunft jeder Parteinahme zu gunsten oder ungunsten einzelner Verkaufsorganijationen enthalten. Es wird aber, wie es auch in den im Haushaltausschuß geäußerten Wünschen entspricht, seiner Aufgabe nach kommen, den schwer um ihr Fortbestehen ringenden Anstalten der Wohlfahrtspflege Gelegenheit zu günstigen Bezugsmögllchkeiten von Gebrauchsgegenständen und Lebensmitteln bekanntzugcben. Im Interesse der not leidenden Teile der Bevölkerung hofft es hierbei auf die Mitwirkung aller Organisationen der Berufsstände. Im Zusammenwirken mit diesen wird es möglich sein, durch Zuweisung der Aufträge der Wohlfahrtsanstallen au das heimische Gewerbe zugleich den Anstalten zu dienen, wie die sächsische Produktion zu fördern. Dieser Aufgabe ist auch das Arbeits- und Wohlfahrtsmimsterium nachgekommen. Inzwischen ist bei fünf sächsischen Unter nehmungen in größerem Maße der Bezug von Textilien in die Wege geleitet und durchgeführt worden. Abg. Günther (Plauen) (Dem. — Zur Begründung des Antrages Nr. 947): Unser Antrag lautet: Ter Landtag wolle beschließen: die Regierung zu ersuchen, angesichts der ungeheuren Kreditnot und der dadurch herbeigeführten Stillegung voll Betrieben aller Art, schnellstens Maßnahmen in die Wege zu leiten, um durch Bereitstellung von aus- reichenden Krediten Industrie, Handel, Handwerk und Gewerbe in seinen soliden Teilen lebensfähig zu er halten. Der Antrag ist am 3. Juli im Landtag eingebracht worden, also zu einer Zeit, wo die Kreditnot ungeheuer auf unsere Wirtschaft drückte und von vielem Seiten rasche Hilfe erhoff: wurde. Leider kam der Antrag trotz meines Protestes am 9. Juli in der Plenarsitzung nicht zur Beratung, sondern blieb bis heute unerledigt liegen, blieb also ein halbes Jahr lang unbeachtet. Und warum? Weil, wie damals gesagt wurde, der Antrag nicht mit dem Haushaltvlan in Verbindung stehe. Unserer Ansicht nach steht dieser Antrag insofern mit dem Hanshaltplan in direkter Verbindung, als doch die Landessteuern zu einem erheblichen Teile fü> Kredite Verwendung finden sollen. Was hätte alles getan werden können, um die Wirtschaft zu fördern, wenn noch vor der Vertagung des Landtages die Regierung Vollmacht erhalten hätte, dementsprechend zu verfahren! Durch die Vorauszahlung der Gewerbesteuer und anderer Steuern, wird der Wirt schaft ein großer Teil ihres Betriebskapitals entzogen. Ich will auf die Frage der Vorauszahlung nicht cin- gchen, möchte aber betonen, daß die Behauptung im Wahlkampfe, als habe die Deutschdemvkratijche Fraktion die Vorauszahlung eingeführt, gebilligt und dafür ge stimmt, nicht richtig ist. Die Bereitstellung eme- Teiles der StcuervorauS- Zahlung für Zwischcnkredite hätte natürlich die Kredit- not wesentlich herabmmdern können. Eine derartige Kreditunterstütznna bedarf vor allem unsere Au-suhr- industric. Wir sind überzeugt, daß in unserem kapital armen Reiche durch die Geldvermchtung, die eingetrcten ist, und oura- d:e Einführung einer stabilen Währung, die erst nach und nach dazu beitragen kann, neues Ka pital zu bilden, alles getan werden muß, um unsere Arbeit auf dem Weltmärkte so gut wie möglich zu ver kaufen. Tas kann nur geschehen durch Hebung der Ausfuhrindustrie. Wir sind nun der Meinung, daß die bereltgestellten Mittel eines Teiles der Steuersummen, nach dem Sollbetrag, wie sie im Haushaltplan 1924 eingestellt sind, ungefähr 160 Millionen Goldmark be tragen. Wenn nun diese Aktion von selten der Staats regierung durchgefuhrt würde, die wir hier in unserem Antrag empfehlen, dann dürfte nicht allein die Staats bank mit dieser Aufgabe betraut werden, sondern eS müßten alle soliden Banken mit dazu hcrangezogen werden. Wir meinen, es wird bei dieser Sache um so wirtschaftlicher gearbeitet, wenn keine Monopolstellung der Staatsbank zum Ausdruck kommt. Nun fragt cs sich, für wen die Kredite in erster Linie bereitgestellt werden sollen. Für den Waren handel sind ausländische Kredite in ausreichendem Um fange vorhanden, aber für die Finanzierung der In dustrie und der gewerblichen Betriebe aller Art besteht die Kreditnot nach wie vor in einschneidendster Weise. Im Ausschuß wird vor allen Tingen geprüft werden müssen, wo die größte Kreditnot vorhanden ist, und dafür gesorgt werden, daß man bei der Hergabe von Staatskrediten an die Banken auch die Banken be rücksichtigt, die hauptsächlich mit dem kleinen Gewerbe und dem Handwerk arbeiten und diesen kleinen Unter nehmen Kredite gewähren. Ich beantrage, daß unser Antrag dem Haushaltausschuß -4 zur weiteren Beratung überwiesen wird. Wirtschastsminister Mütter (Leipzig): Meine Tomen und Herren! Ter Herr Abgeordnete Günther hat sich darüber beschwert, daß der Antrag liegen geblieben ist, und hat gemeint, es hätte sehr viel geschehen können, wenn der Antrag früher behandelt worden wäre. Ich möchte zu seiner Beruhigung sagen, daß durch die Ver tagung nichis versäumt worden ist, da die Regierung sich bereits mit ver Frage eingehend beschäftigt hat. Ein ähnlicher Antrag — durch vr. Schneider und Mitglieder der TVP. gestellt — hat den Landtag und seine Haushaltausschüsse bereits Ende 1923 beschäftigt, und zwar damals vor allen Tingen von dem Ge sichtspunkte der immer stärker überhandnehmenden Arbeitslosigkeit aus. Die Verhandlungen hatten da mals daö Ergebnis, daß die Regierung erklärte, mit vem Grundgedanken des Antrags, Verminderung der Arbeitslosigkeit durch Förderung des Exportes völlig einverstanden zu sein, eigene, durch allgemeine Steuern aufzubringende Mittel zur Verfügung zu stellen, sich aber bei der allgemeinen Lage der Landesfinanzen nicht entschließen könne, zumal die Erwcrbsloscnfürsorge schließlich zur Zuständigkeit des Reiches gehöre. Ta bei hat sie hinsichtlich der Frage der Sicherheitsleistung des Staates für private Auslandskredite unter gewissen Voraussetzungen wohlwollende Stellung zugesichert und unter Umständen sogar die Übernahme von Bürg schaften in Erwägung gestellt. Tie Einzelheiten soll ten den weiteren Beratungen Vorbehalten bleiben m die jeweils erst dann eingetrcten werden sollte, wenn Auslandskredite in greifbare Nähe gerückt wären. Es wurde damals noch ausdrücklich hervor- gchobcn, daß die Bürgschaft des Staates sich nur auf Kredite an solche sächsische Firmen beschränken sollte, die die Gewähr dafür bieten, daß der Kredit die Arbeitslosigkeit auch wirklich vermindere und eine ungerechte Ausnützung der Bürgschaft ausgeschlossen sei. In der Folgezeit haben darauf mehrfach Verhand lungen stattgesunden mit der Industrie und anderen Interessentenkreisen, die alle den Zweck hatten, für die Industrie und das Gewerbe Kredite, eventuell auch Auslandskreditc zu vermitteln. Es hat sich dabei heraus- gestellt, daß die Bedingungen, unter denen die Kredite an die Industrie und das Gewerbe herangcbracht werden könnten, für diese gänzlich unannehmbar waren. Eine Bürgschaft des Staates hierfür ist daher bisher auch nicht in Betracht gekommen. Ich bemerke, daß noch in der letzten Woche derartige Anträge an unS gekommen sind, die zunächst einmal sehr günstig aus sahen, bei denen sich dann aber im Laufe der weiteren Verhandlungen berausstellte, daß sie nur unter so schweren Bedingungen zu haben waren, daß sie weder für die Industrie noch für Handel und Gewerbe in Betracht kommen konnten. Heute kann die Regierung keine wesentlich andere Erklärung abgeben. Soweit dem Staate freie Mittel zur Verfügung stehen, die er, wenn auch nur kürzere Zeit, entbehren kann, werden durch Vermittelung der Sächsischen Staatsbank in weitgehendstem Umfange Kredite für Industrie, Handel, Handwerk und Gewerbe zur Verfügung gestellt. Ferner soll auch jetzt noch — trotzdem festzustcllcn ist, daß die Arbeitslosigkeit im letzten Jahre ganz erheblich zurückgegangen ist — in geeignet liegenden Fällen nach entsprechenden Vorverhandlungen die Sicherheitsleistung und die eventuelle Bürgschaft deS Staates in Erwägung gezogen werden. Allerdings nur, wie der Antrag cs vorsieht, zur Erhaltung der Lebens fähigkeit von Industrie, Handel, Handwerk und Gewerbe in ihren soliden Teilen Weitere Mittel oes Staates zur Mehrdcschäftrgung von Industrie, Handel und Gewerbe aufzunchmcn, kann nach wie vor auS bekannten Gründen nicht in Frage kommen. Schließlich würde ein wlcheS Vorgehen nur in höherem Maße inflationistisch wirken, wa- gegenwärtig — worüber wir uns alle klar sind —