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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 15.08.1912
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-08-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120815010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912081501
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912081501
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-08
- Tag 1912-08-15
-
Monat
1912-08
-
Jahr
1912
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BezugS-Preid I», Leivtlü und P»r»il« durch »n>«i, TlSaer und Epedttrur« rmal tdiltch in, nau» gebracht W Ps. monatU. r.7u Mk. virtteljadrl. Bet unlern Ailialen ». An. nadmestellen adaehatt 7» Vl. monatU, L» Äl. -terteliatzrl. »nrch »te V-«: Innerhalb Deutlchland» und der deutschen ilownten vierteliohrl. b.SV Ml.. monaU. auatchl. Polibrstellgetd. Ferner in Belgten. Danemarl. den Ddnauftaaten, Iialten. Uuremdura, -ttrdertande, Bor» weaen, Oesterreich. Ungarn Rubtand, Lckweben und schweij. In allen udrigen Staaten nur direkt durch die Gelchau»- stell« de» Blatte» erhältlich. la» Leipziger Tageblatt erichetnt 2mal täglich, Bonn» u. Ferettag» nur morgen». Adonnem«nt».Annahm«. 2»danni»gast» 8. »ei unleren Tragern, Filialen, Spediteure» »nd Annahmestellen, iowie Bonamiern und Briefträgern. Sini«lv»rkaut»pr«t» 10 Bi. Moraen-Arrsaabe. NiWgcrTMblM > !i Handelszeitttng. -.-»1.°.°-.! z 894 (F o s Dep,.«afs« Trimm. Steinweg L "LT'S Amtsblatt des Aales »nd des Aotizeiamtes -er §>1adt Leipzig. WUV Anzeigen-Preis f», Snterat» au» Leipzig und Umgebung di» Ilpaltig« Betttzeile LPf., die Beklame- ,«ll« I Ml. oon au»wärt» Zu Pt, Aeklamen 1^» Ml. Inserate oon Behörden im amt lichen Teil di« Petttjeile SU Pf. E«fchasr,ani«t,en mit Plagvorfchrtsten im Prell« erhöht Rabatt nach Tarif. Bellagegebühr Gelamt» auflag« 5 Ml. p Tausend erkl. Postgebühr. Terldeilage Höger. Fefterretlt, Auftrage können ntNU zurück» gezogen werben Für da» Erscheinen an vestimmten Tagen und Plagen wird kein« Garantie übernommen. Anzeigen »Annahme: 2»ha»ni»g«g« 8, bet sämtlichen Filialen u. allen Annoncen» Lzprdttionen de» In» und Auslände». »ruck und Verl«, »en Fische» ch Fürst« Inhaber Paul Fürste». Redaktion und Gelch»U»ft«kl«: Iohanni»ga!1« 8, Haupt - Ftli«t« Te«»deu: Seeitrag« <, 1 lT«l«phon <621). Nr. 414. 106. Jahrgang Vonnersmg, üen iS. Äugult 1912. iE' Unsere gestrige Abendausgabe umiaht 8 Seiten, die vorliegende Morgennummer 14 Seiten, zusammen Ä2 Leiten. Das Wichtigste. * Die Herzogin Elisabeth von Genua, geborene Prinzessin von Sachsen, ist am Mittwochabend in Stresa im Älter von 82 Jahren gestorben. (S. bes. Art. S. 3.) * Zum Sultan von Marokko ist Muley Jussuf ausgerufen worden. (S. Letzte Dep. Seite 3.) * Die Universität Rostock ernannte Johannes Trojan zum Ehrendoktor. (S. Kunst und Wissenschaft Seite 2.) * Theateranzeigen siehe Seite 12. Italien unü üle Neutralität üer Schweiz. Von Oberstleutnant Frobenius Bei der Erörterung eines Krieges zwischen Deutschland und Frankreich wird vielfach auch die Frage in Erwägung gezogen, inwieweit die Neu tralität Belgiens und der Schweiz seitens der Kriegführenden respektiert werden wird, oder vielmehr respektiert werden kann; denn schon die auf beiden Seiten zu verwendenden Streiter massen würden für freie Bewegung und zweckmässige Verwertung eine räumliche Ausdehnung des Kriegs schauplatzes bedingen, die leicht zur Spannung der auf beiden Flügeln ihnen angelegten Fesseln nötigen könnte. Bezüglich der Schweiz würde die deutsche Heeresleitung wohl unbedingt den Standpunkt Bismarcks von 1884 festhalten, der sich in den Worten aussprach: „Wir sind fest entschlossen, der Neutralität der Schweiz Rechnung zu trage n", und dies aus dem einfachen Grunde, weil ihre Nichtachtung für unsere Armeen voraussichtlich durchaus keinen Vor teil bieten würde. Bezweckte man damit etwa eine Umgehung der starken Festung Belfort, so würde man damit rechnen müssen, in der schweizerischen Hochebene durch die eidgenössischen Truppen auf gehalten zu werden, die eine sehr beachtenswerte Stärke und Gefechtskraft besitzen, um dann auf die inzwischen verstärkte Stellung Pontarlier—Lomont zu stoßen. Anders liegen die Verhältnisse für Frank reich, das bei dem Vormarsch durch Schweizer- gebiet zwischen Basel und Bodensee eine vollständig offene deutsche Grenze antreffen würde. Und auch die Schweiz hat ihre Juragrenze nicht befestigt. Die größte Bedeutung würde aber di« Verletzung der I Neutralität der Schweiz gewinnen, wenn sich 1 Italien, den Dreibund verlassend, an England und Frankreich anschlösse und von Süden in Tessin und Graubünden eindränge. Es würde dadurch einen erheblichen Teil der eidgenössischen Truppen fesseln und dadurch den Franzosen den Durchmarsch erleich. tern, ferner aber non Graubünden aus die öfter- reichische Stellung in Tirol umgehen und im Rücken fassen. Da nun aber die italienische Offensive sich unbedingt durch Venetien gegen Kärnten und Krain wenden müßte, hierbei aber durch die österreichische Stellung im Trentino und den Dolomiten in Flanke und Rücken bedroht würde, ist es von größter Wich tigkeit für Italien, von Graubünden aus diese Ge fahr zu beseitigen. Es ist deshalo von großem Interesse, welche Stel. lung Italien zur Neutralität der Schweiz einnimmt Selbstverständlich fehlt der internationalen Neu» lralitätsgarantte die Unterschrift des Königreichs Italien, da es zuizeit noch nicht existierte; aber rs ist auch den Staatsvertrügen vom 18. Oktober 1907 betreffend d.n Landkrieg nicht beigetreten, hat sich also sowohl bezüglich der Eröffnung von Feind- seligkeiten ohne vorausgehende Benachrichtigung (Kriegserklärung oder Ultimatums als betreffend die Rechte und Pflichten der neutralen Mächte und Personen im Kriegsfall vollständig freie Hand ge wahrt. Daraus ergibt sich für die Eidgenossenschaft die außerordentlich ungünstige Lage, daß sie niemals zur Offensiv« greifen darf, bevor der Gegner den Krieg begonnen hat, und daß Jtänen überfallartig in ihr Gebiet eindringen und sich wichtiger Punkte bemächtigen kann. Dabei kommt Italien seine stehende Armee den erst durch Bundesbeschluß zu formierenden Miliztruppen der Schweiz gegenüber ... hohem Maße zustatten. Dies um so mehr, als es, abweichend von den Bestimmungen der Verträge von 1907, die es ja nicht unterzeichnete, die zu den Waffen greifenden Wehrmänner, solange sie nicht uniformiert und zu festen Truppenkörpern zusammen, gezogen find, nicht al, berechtigt zur Kriegführung anerkennt, sondern als Straßenräuber behandeln kann. Angesichts der nicht zu leugnenden Tatsache, daß die Bevölkerung Italiens von dem leitenden Gedanken durchdrungen ist, alle Länder italienischer Zunge zum Einheitsstaate vereinigen zu müssen, ist die Politik bemerkenswert, die der Anlage oon Eisenbahnen an der schweizerischen Grenze zugrunde liegt. Sie ist durch Schriften unü öffentliche Reden vor aller Augen dokumentiert worden. Sie gilt der Eroberung des Tessin und Graubündens. Deshalb der Bau der Bahn Lecco—Colico—Sondrio und Brescia—Edolo, die binnen kurzem auch nach Sondrio geführt werden wird und dann eine vor zügliche Stellung nördlich der Bergamasker Alpen, Graubünden gegenüber, repräsentiert. Die geplante Fortsetzung der Bahn bis Bormio wird den Kanton ebenso im Osten umfassen, wie die Linie Colico— Chiavenna bereits im Westen. So rächt sich jetzt an Oesterreich, daß -s 1815 die beiden in Schweizer Ge biet vorspringenden Zipfel des Giacomo- und Livignotals mit d-m Veltlin den Eidgenossen entriß. In italienischer Hand bilden sie den Schlüssel zum westlichen Tirol und Vorarlberg. Und der geplante Ausbau der Eraubündener Bahnen kommt besten Benutzung entgegen. Graubündens Gebirgsmasten werden durch drei parallele, von Südwest nach Nordost lausende Tal furchen gegliedert: Dorderrhein und Rheintal, Hinterrhein und Landwastertal (Davos) und Maira- Jnntal (Bergell und Oberengadins; der Rheintal furche folgt die Bahn Chur—Reichenau, die über Somoix nach Andermatt und sogar bis Brig im Nh.lnetal verlängert werden soll. Zur zweiten Furche führt die Bahn im Prätigau auf der einen Seite, durch das Domleschg über Thusis anderseits: di« Engadinbahn endlich ist durch die Albulabahn mit der Daooslinie verknüpft. Sie soll im Westen über den Malojapaß mit Chiaoenne (auf italienischem Gebiets, im Osten durch Verbindung zwischen Schulz und Landeck mit der Arlbergbahn und durch eine Bahn von Zernetz durch das Münster- tal (Ofener Paßs nach Mals mit der Etschtalbahn (beide auf österreichischem Gebiets in unmittelbare Verbindung gebracht werden. Tirol ist auf dieser Seite nur bei Eomagoi (Stilfserjoch-Straßes und bei Nauders durch veraltet« Befestigungen gesichert. Selbst diese werden aber durch die geplanten Eisen bahnlinien umgangen. Dem Bau dieser Bahnstrecken wird Oesterreich kaum widerstreben, da sie für den Verkehr unbedingt notwendig sind und, solange nur die neutrale Schweiz in Frage kommt, auch keine Gefahr zu bergen scheinen; wogegen es wohl dem Projekt einer Ortlerbahn, di« auf italienischem Gebiet münden würde, nicht zustimmen möchte. Jene Bahnen werden aber bedenklich, sobald die Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß sie leicht in italienischen Besitz fallen. Und dem würde das fernere Projekt unmittelbar dienen, das die Bahn im Rheintal über den Splügen mit dem italienischen Eisenbahnnetz bei Chiavenna in Verbindung bringen will. An den Paß tritt die Grenze unmittelbar heran, so daß das SUdportal des Tunnels unbedingt auf italienischem Gebiet liegen müßte und eine Besitzergreifung des ganzen Ein- gangstores durch Ueberrumpelung sehr aussichts- reich wäre. Während es sich bei allen anderen zu erstellenden Eebirgsbahnprojekten um Schmalspur sekundärbahnen handelt, würde aber hier eine Voll spurbahn gebaut werden, die unmittelbar in das Rheintal führt und mit besten Besitz nicht nur Grau bünden vollständig isoliert und den Italienern aus liefert, sondern auch den Zugang zu allen westlichen Verbindungen von Tirol in ihre Hände gibt. Durch den Besitz des Rheintales von Somoix bis Sargans wird die Ausnutzung der Verkehrslinien im Engadin gegen jede feindliche Maßnahme der eidgenössischen Truppen geschützt. So verständlich der Wunsch ist, der Ostschweiz eine Tunneloerbindung mit den italienischen Verkehrs zentren zu schaffen, so wenig ist die Wahl gerade dieses Passes zu billigen, der auch wirtschaftlich nicht besonders vorteilhaft ist. In Italien hat man längst eingesehen, daß man bei dem St. Gotthardtunnel den Fehler beging, die südliche Mündung dem schweizerischen Gebiet zu überlasten, und hat es des halb durchqesetzt, daß der Simplontunnel auf ita lienischem Boden mündet. Es wäre deshalb in ihrem eigenen und im Interesse Oesterreich-Ungarns zu wünschen, daß die Eidgenosten hieraus für sich die Lehr« zögen, nicht den Fehler des Simplon noch einmal zu begehen. Wenn sie dagegen die neue Linie von Somoix im gleichnamigen Tal zum Greinapaß und nach dessen Durchbohrung im Brena- tal über Olivone nach Biasca führten, so würden sie auf eigenem Gebiet hier die St. Gotthardbahn er reichen. also von Italiens Beistimmung ganz un abhängig sein. Dagegen wird von den Vertretern der Splügenbahn nur geltend zu machen sein, daß dann keine Subvention Italiens zu gewinnen ist. ohne die allerdings diese Verbindung nicht herzu stellen sein würde, da italienischerseits doch auch der Bahnanschluß des Tunnels bis Chiavenna gebaut werden müßte. Die Greinabahn ist weder schwieriger zu bauen, noch kostspieliger, noch wesentlich länger als die Splügenbahn. Nur muß die Schweiz dabei auf die finanzielle Unterstützung Italiens verzichten. Ole Mittel Les LeutsHen Imperialismus. Doppelter Natur sind die zur Verfügung imoeria- liftifcher Politik notwendigen Mittel. Es bedarf der Mach: mittel unü oer Geld mittel. Konnten wir uns ehedem beschränken auf unsere kontinentale Verteidigung, jo zwingt die heutige Weltlage, zwingt unsere heutige enge Verknüpfung mit der Weltwirt schaft, zwingt der heutige Stand der Technik uns dazu, sozusagen in allen Elementen gewappnet zu sein: auf dem festen Lande, im Wasser und in oer Luft. Die Zeiten haben sich auch insofern gewandelt, als wir uns heut« nicht «infach auf die Regierung verlosten können, die schon für alles Nötige sorgen wird und der gegenüber die Volksvertretung höchstens oie Aufgabe yat, den Daumen auf den Beutel zu drücken und von dem Geforderten möglichst viel abzu streichen. Nein! Da in der imperialistischen Be wegung selbst nach dem Muster der ehemaligen, auf die Reichsgründunq abzielenden nationalen Be wegung aus dem Volke heraus die Triebkräfte sich regen müssen, so müssen sie sich auch regen, um Wache zu halten, daß wir auf allen drei Gebieten hinläng lich gewappnet sind. Sehen wir es nicht deutlich genug an der Sammlung für die Nationalflug« spende, daß wir Helsen müssen! Da müssen wir auch den alten Gedanken fallen lasten, daß die Re gierung für Heer und Flotte immer oon sich aus das Ausreichende tut und wir uns nur zu hüten hätten, ihr überflüssig viel zu bewilligen. Unmöglich kann man in Halbwegs moderner Auf fassung Volk und Regierung in dieser Beziehung immer noch in einen gewißen Gegensatz zueinander stellen. Wem soll unsere Wehrmacht zu Lande, zu Master und in der Luft dienen? Der Regierung? Nein: Dem Schutz des Volkes und Vaterlandes, dem Smolensk. „Seit wir den Niemen überschritten, beschäftigte ein Gedanke, ein« Hoffnung, ein allgemeiner Wumch den Kaiser und seine Armee: der Gedanke an eine große Schlacht", so erzählt der Schlachtenmaler Al brecht Adam, der im Gefolge des Vizekönigs Eugen an dem Feldzug gegen Rußland teilnahm. „Man sprach von einer Schlacht wie von einem großen Feste, freute sich auf si«, und ließ oen Kopf hängen, so oft man sich in der Erwartung getäuscht sah.' Bei Smolensk glaubte Napoleon endlich diesen großen Moment erreicht zu haben. Am 14. August stieg die Vorhut der großen Armee bei Krasnoi auf eine zur Arme« des russischen Feldherrn Bagratton gehörige Division, die Murat im kühnen Reiterangriff mit großen Verlusten auf Smolensk zurückwarf. Aoer die Rusten erkannten nun die Gefahr, daß Napoleon di« Vereinigung der Armeen von Bagration und Barolay verhindern wollte, waren auf ihrer Hut, uno die Abteilung des Generals Rayewskqs verteidigte zwei Tag« lang die „heilige Stadt" gegen die an dringenden Korps. Damit wurde das „schöne Ma növer von Smolensk", einer der glänzendsten Pläne des Kaisers, zerstört, der wie einst vor Jena, an oer feindlichen Armee vorübermarschieren, ihren linken Flügel umfassen, und so die Rückzugsftraße nach Moskau abschneiden wollte. Di« beiden Hauptarmeen der Rusten konnten sich vereinigen, und es blieb dem Korsen nur das noch übrig, was er „«ine gewöhnliche Schlacht" zu nennen pflegte. Doch auch hier wurde ihm seine stolze Hoffnung auf ein neues Austerlitz zerstört, denn di« Feinde verteidigten die Stadt nur so lange, um sich ungehindert zuruckziehen zu können. Das sind die Kämpfe um Smolensk, die vom 14. bis zum 19. August dauerten und Sturm auf Sturm der todesmutigen Truppen an den starken Mauern zer schellen ließen, bis schließlich die große Armee als Herrin in der brennenden, in Trümmer gelegten Stadt blieb. Die Hauptkämpf« haben am 17. August stattgefunden. An ihnen waren auch deutsch« Truppen beteiligt, und in anschaulichen Bildern er- zählen die Erinnerungen, di« Paul Holzhausen so sorgfältig gesammelt hat, von den Taten und Leiden der deutschen Mitkämpfer in diesem ersten großen Kampf des russischen Feldzuges. Mit hochklopfendem Herzen schauten die Truppen auf di« malerisch hoch über dem Dniepertal ge legene Feste, auf die „Stadt der heiligen Jungfrau", die das Zugangstor zum eigentlichen Rußland bil dete. Unter diesen breiten, von wuchtigen Zinnen bekrönten Mauern, unter diesen Zinnen und Grüben also sollte oie Schlacht geschlagen werden, die alle er sehnten, wie der Wüstenwanderer die Oase. Na poleon befahl den Sturm auf oie Stadt, an dem von deutscher Seite besonders die Württemberger oes Korps Neu beteiligt waren. Anschaulich schildert Oberst v. Stockmayer diesen blutigen Angriff: Den 17. August, nachmittags um 1 Uhr, kam Marschall Ney zu mtl uno befahl mir, mit der Brigade sogleich aufzubrechrn uno den Feind aus der Vorstadt Stas- naia an dem linken Dnieperufer zu verjagen und diese Vorstadt dis unter die Wälle von Smolensk zu besetzen, indem Kaiser Napoleon auf der ganzen Linie einen Angriff machen werde. Meinem Bataillon übergab ich nun die Avantgarde und rückte somit in einem dreifach sich kreuzenoen Kanonenfeuer vor. Nach einigen Chargen ließ ich die Vorstadt stürmen und verfolgte d«n bald darauf fliehenden Feind, nach dem ich mehrere Gefangene gemacht hatte, bis unter die Mauern von Smolensk? Die Russen wurden aus allen Vorstädten herausgeworfen; nur die Pe tersburger Vorstadt verteidigten sie noch am 18. hartnäckig, um ihren Abzug zu decken; sic hatten in der Nacht die innere Stadt geräumt und die Brücken zerstört. Von der Eroberung dieser letzten Vorstadt erzählt Martens, wi« sie in die Gärten eindrangen und unterstützt von ihrer Artillerie, ein heftiges Kleingewehrfeuer begannen. Er kam dabei einem jungen französischen Offizier zu Hilfe. „Hocherfreut über den unerwarteten Zuwachs faßt« mich der feurig« französisch« Offizier bei der Hand mit den Worten: ..Vener, rnon arm, poi-ta-reons notrv sor-t!" und ließ mir «inen Schluck geistigen Ge tränkes aus seiner Feldflasche zukommen. Kaum hatte ich mich aber für den labenden Trunk bedankt und zu meinen Leuten gewendet, die mit den Franzosen an d«r Hecke des Gartens verteilt waren, als eine feind- liche Kartätschenkugel den Kopf dieses wackeren Jüng lings, dessen Bekanntschaft ich erst vor einigen Mi nuten gemacht hatte, so zerschmetterte, daß Teile seines Hirns und Bluts an der hölzernen Wand des Garten häuschens hängen blieben. Welch ergreifender An blick für mich! Zum erstenmal in meinem Leben sausten die feindlichen Kugeln gleich einem Hag«l- Wetter, welches da» Laub von den Bäumen zu Boden niederschmetterte, um meinen Kopf." Als die Rusten Smolensk endlich aufgaben, waren die Vorstädte in rauchende Trümmer verwandelt, zwischen denen Masten halbverbrannter Leichen lagen. „Die abziehendcn Rusten hatten alles ver wüstet, was irgend hätte von Nutten sein können", erzählt ein Mitkämpfer. „Leichen überall, aber welche Leichen! Die Körper waren zerschmettert, platt ge fahren und getreten, oas Blut hatte sich mit dem Staube vermischt und war mit demselben zu einer festen Masse zuiammengeknetet; oie Straßen waren wie mit einem dicken, weichen Teppich bedeckt. Mit Schaudern dachte man: das waren Menschen wie ou, das kann auch aus dir werden! Auch ich zog darüber hinweg, wie Tausend« vor und nach mir, als ich zwilchen zwei niedergebrannten Häusern einen schma len Garten bemerkte, in welchem unter Obstbäumen, die verkohlte Früchte trugen, fünf oder sechs im eigentlichen Sinne o«s Wortes gebratene Menschen lagen. Dis Hitze hatte die Sehnen der Arme und Deine zusammengezogen und in gräßlicher Verzerrung krumm gegen die schwarzgesenaten Leiber gebogen. Dl- Lippen waren von d«n weißen, schrecklich hervor stehenden Zähnen zurückgezerrt, und tiefe finstere Löcher bezeichneten die Stelle der Augen. Furchtbar schön, grausig großartig war der Anblick des brennen den Smolensk, dessen Mauern und Türme gespenste- risch aus ocm Flammenmeer ragten. „Die glühende Abendsonne vermischt« ihre Strah den mit der Glut d«s Brandes", berichtet der Maler Adam. „Nie in meinem Leben sah ich wieder solch zauberische Lichteffekt«; selbst der Rauch der Lager feuer erhielt durch 'oen Widerschein eine rötliche Farbe und gab dem ganzen Treiben in dem lichten Wald« etwas Geisterhaftes." Jules Massenei -j-. Pari», 13. August. Der Komponist Jale» Massen et ist (wie berichtet) heut« hier gestorben. Zu den interessantesten Erscheinungen im musi kalischen Leben von Pari» gehörte Jules Mas. senet. dessen Tod am 13. d. M. gemeldet ward. Mastenei ist Vollblutfranzose mit all den Vor- zögen und Fehlern seiner Nation. Mit Seinewaster getauft, hat er seine Vaterstadt mit Ausnahme eines kurzen Exils in der Knabenzeit niemals verlassen. Di« wechs«loollen Zeiten des Sturzes des Bürger königs Louis Philipp, des zweiten Kaiserreichs und der Gründung der zweiten Republik zogen an ihm vorüber. Seine erste Klavierstunde, die ihm die zärtliche Mutter am 24. Februar 1818 erteilte, fand ein schnelles Ende, als Regierungs truppen und Revolutionäre in den benachbarten Straßen die ersten Schüsse wechselten. Und 22 Jahr« später verläßt Mastenet sein Künstlerheim in Fon- tainebleau, um auf den Wällen des Mont-Martre als Vaterlandsverteidiger die schlimmen Prussiens abwehren zu helfen. Aber in den Ruhepausen ar beitet er, umgeben von patriotischem Volksgescbrei und den Klängen der Marseillaise, unverdrossen weiter an der Partitur seiner „Medusa". Mastenet schenkte stets allen Vorgängen auf den Gebieten der Kunst und Literatur vollste Aufmerk samkeit. Und nicht umsonst lauschte er dem Puls schlage der Zeit. Einer ihrer begabtesten Schüler, faßte er leicht auf, was si« verlangte. Bei allem modernen Bestreben und willigem Eingehen auf die Forderungen des Tages oon heut« und morgen machte sich in des Künstlers vielseitigem Schaffen ein retrogrades Moment geltend. Seine schöpferische Emsigkeit hielt ihn keineswegs ab, alles zu suchen, aufzunebmen und zu benutzen, was sein eigene» Schönheitsideal fördern mochte. Von drei Meistern zog er insbesondere Nutzen. Don Natur mit male- rischem Auge begabt, neigte er durch eine entschiedene Neigung zu Berlioz hin. schätzte er tonmalerische Potenzen oft höher als d«n aus reiner Innerlichkeit herausgeborenen Ausdruck der menschlichen Emp, findung. Von seinem Landsmann Gounod übernahm er die von höchster Delikatesse umsponnene Dar stellung aller Eefühlsvarianten, jener „Morbidczza", die den Gang seiner Melodien und ihre fein ziselier ten Begleitungen charakterisiert. Und von d«m Deutschen Mendelssohn lernte der Franzose die Leichtigkeit und Eleganz der Handhabung der Form, die spielend leichte Lösung der mannigfachsten satztechnischen Probleme und die oft graziöse In strumentation. Einer der Glaubenssätze Mastenets mochte wohl lauten: „Im Anfang war das Weib." Es kommt dabei nicht entfernt darauf an. ob es in seiner tief- sten Erniedrigung als Allmutter Eva oder in seiner höchsten Glon« als Mater Toelorum ihm, dem visionär schauenden Künstler, sich darbiete. Genug, DE" Man beachte anch die Inserate in der Abend-An»gabe. "WW
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