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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 18.12.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-12-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19111218022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911121802
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911121802
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-12
- Tag 1911-12-18
-
Monat
1911-12
-
Jahr
1911
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BezuflS-Prei- W L»i»i«a «»o »»,« m,!«« Ikäa»« «uv Ep»dtt»»i» L*«I I-Glich t»» von» »»d«»<m -u VI. «»natU L?v Ml. »t«N»liovit V»i «ul«n> XUl»l«» » «»- «vhmeftellrn oda»d«lt 7S Pt. «»»all, LV Ml. o»«n«lt-hkl. »in» »- P»lt, limerbalv D«uttchlo»0» »nd der d«vtlch«» Kolonlen »lerlellührl. r.» Ml., «»«all. IM Ml ou»i^c Poltd»ll»ll»,ld Ferner t» Belg»«», Dünemarl. den ponoultoatt», Italien. Luremduia. Üllederland, «ak- roeaen t^enerreia. Ungarn, Slulrland. Echroeden E<dw»r« « Evanlen. In alle» tldriarn klaale» nur dlrekl durch dt» tbe>chatt»ll,U» de» Blau«« »rdatrttch. Da» Le«»««««« Taaedlon »rlchelnt r«al ISgllch. Sonn» ». Fererrag» nur morsen». Ldonn«menr»»llnnodm« I,da,»«»sal>» L derunierrn Irasern, gllrolen.Spediteure» ,»d lünnahmellellen. lowi» Popäintern u»d vrtetlraser». «l»,»l»«rra»f,»r»t» lv vl. Abend-Ausgabe. Mp.üger Tagtblaü LeU-Anschl. 14 «92 Macht»»,chl»N 14 69S 14694 Handelszeitung. Tel.-Änschl. 14 «92 Macht»»,chl»U 14 693 14 694 Amtsblatt des Rates «nd des Nokizeiamtes Ser Stadt Leipzig. Anzeigen-Preis slr 2»,eea», «»» »!»tp,«a und Umsebu«« dl, l!palti,,P«rtUeil» ÄPs, vl.A'Nam». »etl» l Ml. »on au.wdrt» VI. Vieklame» ll0Ml. Inlerat, oon »ehörden im amt- Uchen Teil di» Vellle«»' bll Pt ch»Ichäft»ant»«a«n mtl Pla»o»rtchrt,te» im Vretle «rdödt Nadatt nachTartl. «ellaaesedahr Setamt- aujlas» L Ml. o Taulenv ritt. Polisedühr. Teildellas« d^oer. Fefteneilt« llultraa, können ni»l »urück- aetoien werden. Fiir da» ikrichrinen an beftimmten Tanen und Pläxen wird ke>n« ibar.nti» üdernommrn. Sniets»»»Onnahm« I»da,»>«,»ll» 8, bet lämilichen Filialen a. allen Ännoncen» Ervedtttonen de» In- und Auslände». Druck »ad Verla, »»» Filcher ch llkrste» Inhaber Paul «iirltei». Xedaltio und »elchälisltell«: Iohannisgab« 8» Haupi-Filiale Dre»d«n: Seeftrahe < l (Telephon 48211. llr. 350 Montag, üea >8. verember lSll. 105. Zatzrgsng. Die »orliegeuse Ansgade umsaßl 8 Stile« Der Krieg «m Tripolis. Der Feind im Innern. lBon unserem römischen Mitarbeiter.) ,Menn die Regierenden glauben, mit uns so leicht fertig zu werden, wie ihre Heere mit den Türken in Tripolis, so dürfte der Irrtum des Herrn Erolirti zu ungeahnten Konsequenzen führen. Die Eeduls des genarrten Volkes ist erschöpft." So zu lesen in einem sozialistischen Blatt, das Herrn Eiolitti, dem Chef des gegenwärtigen Ka binetts, seit vielen Monaten manche Liebenswürdig keiten ins Stammbuch geschrieben hatte, weil er im Frühjahr den Einfall hatte, den Reformsozialisten Bissoiati in sein Ministerium zu rufen. Herr Bisso- lati ist dem Lockruf nicht gefolgt, weil ihm seine eigenen Genossen ein entschiedenes Halt geboten. Sie trauten Herrn Eiolitti nicht über den Weg, auch wenn er ihnen noch so schöne Versprechungen machte. Heute ist die Freundschaft zwischen den Negierenden und den Sozialisten gekündigt, da Herr Eiolitti trotz wiederholter dringender Vermahnungen keine An stalten traf, seine den Sozialdemokraten gemachten Verheißungen in Taten umzusetzen. Die Drohungen, die aus dem sozialdemokratischen Lager kommen, nehmen an Schärfe von Tag zu Tag zu und das Ministerium hat einen äußerst stürmischen Empfang bei Eröffnung der Kammer zu erwarten. Und da es mit dieser Tatsache als etwas Unabwendbarem rechnen muß, schiebt es die Einberufung des Parlamentes von einer Woche zur andern hinaus, was natürlich den sich düpiert glaubenden Feind immer mehr ergrimmen muß. Zuerst hieß es, spätestens in der ersten November woche würden die Deputierten auf dem Montecitorio Eclegenhcit haben, sich über die durch den Krieg ge schaffene Lage und vorzüglich auch über die Ver heißungen des Herrn Eiolitti, als da sind Wahl rechtserweiterung und Verstaatlichung der Lebensoersicherun.gen u. a. m., zu unterhalten. Im November aber wurde von der Regierung die Parole ausgegcbcn, eine solche Unter haltung wäre zeitgemäß erst, wenn die Kriegswehen vorüber wären. Sie sind wider Erwarten der Ita liener auch im Dezember noch zu spüren, und selbst im Felde stehende Generäle, die cs doch am besten wissen müssen, haben kein Hehl dar aus gemacht, daß der Feldzug in Afrika denn dochkein bloßer militärischer Spazier gang wäre, wie man sich ihn bei der Kriegserklärung erträumt hatte. Der Feldzug dürfte also, wenn die Türkei nicht aus freien Stücken einlenki, noch viele Monate dauern, und Herr Eiolitti denkt nach immer nicht an die Einberufung der Kammer. Er regiert, wie die sozialistischen Organe erregt ins Land hinausschreien, völlig absolutistisch. Sie sagen, er hat Angst vor den Reaktionären, die jetzt seine getreueste Eefolqsckiaft bilden und ihn zwingen, Wahlreform und Lebensversicherungsmono- vol unter den Tisch fallen zu lassen. Sie sagen ferner: Er hat Angst, der Volksvertretung Rechen schaft über die Kriegslage und Aufklärung über „afrikanische Geheimnisse" zu geben. Sie sagen endlich: Herr Eiolitti hat kein gutes Gewissen, sonst würde er vor das Volk hintreten und Rede und Antwort stehen. Vielleicht tut man ihm unrecht. Denn er steht durch den Mund seiner Presse Rede und Antwort. Die „Tribuna" z. B. schreibt in einer zweiten Abwehr der sozialistischen Angriffe: „Heute interessiert sich das italienische Publikum nicht allzu sehr für das Monopol, das Wahlrecht und die anderen Fragen, die vor einigen Monaten die Politiker erhitzt haben. . . ." Solch lendenlahme Entschuldigungen tragen natürlich nicht dazu bei, den Feind im Innern zu be» ruhigen. Er gebärdet sich wilder als je zuvor. Die Republikaner und Radikalen schlagen ähnliche Töne an. Wird Herr Eiolitti den Sturm überleben? G Wie aus Tripo^'S gemeldet wird, sind in Aziziah seit 2 T^en annähernd 5000 Araber eingetroffen. Tie Bewaffnung derselben soll vor züglich sein. Außerdem sind in Tripolis nach einem Gewaltmarsch von 48 Tagen ivciterc 2000 Araber aus Fezzan zur Verstärkung der türkischen Streit kräfte angekommen. * Schmuggel an der tunesisch-tripolitanischen Grenze. Nach zahlreichen übereinstimmenden Meldungen wird der Grenzschmuggel über Tunis ärger betrieben als je. Vom 4. bis 7. Tezember gelaugten im ganzen 510 mit Kriegsmaterial beladene Ka mele ins türtische Lager. Auch zwei türkische Aeroplane konnten ungehindert befördert wer den. Tie italienische Kolonie in Tunis zeigte diese Grenzverletzungen dem Minister des Aeußern, San Giuliano, und dem italienischen Botschafter in Paris, Tittoni, in Protestdcpeschen an und ver anstaltet im gleichen Sinne öfjentliche Kundgebun gen. 'Nack dem „Corricre della Sera" weilen 200 türkische Offiziere in Aegypten. Infolge Italiens Protest erklärte ihnen die ägyptische Regierung, sie erlaube ihnen nicht, die Grenze nach der Cyrenaika zu überschreiten und richtete zugleich einen schärfe ren Grenz wachtdien st ein. Alle nach Tripolis eingeführten Waren, auch italienische, unterliegen einem Wertzoll von 11 Proz., ausgenommen einige Lebensmittel und Petroleum, für die 4 Prozent zu zahlen sind. Die „Tribuna" über den Dreibund. Tie römische Zeitung „Tribuna" schreibt: Tie unzeitgemäße Erörterung der Beziehungen zwischen Italien und seinen beiden Verbündeten, die einige Blätter fortsetzen, ist geeignet, irn Auslande, wo Italien leider noch wenig bekannt ist, und wo infolgedessen allem, was sich in Italien in Wirklich keit ereignet, eine der Wahrheit widersprechende Be deutung beigemessen wird, ungenaue Aus legungen Hervorzurusen. Tie Sprache einiger auswärtiger Blätter, die diese Erörterung hervor- gerufen hat, gibt keineswegs den Standpunkt der betreffenden Regierungen wieder. Wir können sogar auf das entschiedenste versichern, daß die Regie rungen von Oe st erreich-Ungarn und Deutschland Italien gegenüber seit Beginn des Krieges immer ein loyales und sreundj chaft- lich es Verhalten beobachtet haben und noch beobachten. Tas ist ein um so größeres Verdienst, als sie große wirtschaftliche und politische Inter essen haben, wclck-e die Aufrechterhaltung guter Be ziehungen zur Türkei erfordern, und als sie starken Strömungen der öffentlichen Meinung der beiden Lander zu widerstehen haben, Strömungen, die zum Teil durch finanzielle Interessen und durch die Furcht vor politischen Komplikationen, die der italienisch-tnrkisck>e Krieg ihrer Meinung nach Hervor rufen könnte, teils durch ungenügende Kenntnis der er wahren Ursachen des Krieges bestimmt werden. WaS insbesondere die Beziehungen Italiens zu Oesterreich-Ungarn betrifft, so ist es zu be dauern, daß in beiden Ländern die Blätter ost über treiben oder Episoden erfinden, die, selbst wenn sie wahr wären, nur untergeordnete Bedeutung hätten, und daß sie daraus widersinnige Schlüsse ziehen. Italien und Oesterrcicl>-Ungarn haben ein hervor ragendes Interesse daran, gemeinsam z u m a r s ch i e r e n, und die beiden Regierungen sind sick dessen ebenso wie die maßgebenden Faktoren der beiden Länder vollbcwußt. Tas ist so richtig, daß, selbst wenn sick eine vereinzelte Stimme in ent gegengesetztem Sinne äußern sollte, dasselbe Blatt, das diese Stimme veröffentlicht, wie es die „Vita" heute getan hat, erklärt, daß «S mit dieser Aeußerung nickt übercinstimmt. Zwischen Italien und Oester reich-Ungarn besteht ein ausdrücklich ausgesproche nes und von beiden Leiten loval bcobaeytetcs Ein verständnis über die hauptsächlichen internatio nalen Fragen, das die feste Grundlage einer Freundschaft bildet, die, dessen sind wir sicher, immer enger und herzlicher werden wird. Intervention Englands und Japans vorläufig ver schoben. Tokio, 18. Dezember. zRemerburcau.) Das Ministerium des Acußeren erklärt die Blätter meldung für verfrüht, daß England und Japan übercingekommen find, eine gemeinsame Intervention in China zu unternehmen. Nichtsdestoweniger wird hier ein solcher Schritt erwartet. Ein Blatt erklärt, falls die vorge- schlagcnen Friedensbcdingunaeu abgelehnt wer den, würden die beiden Mächte entscheidende Maßnahmen ergreifen. Gin Protest ües Leipziger MitteMsnües gegen wittiüröstttche Schsülgungcn. Am Sonnabend traten die Leipziger Vorstands mitglieder der Mittetstandsvereinigung im König reich Sachsen zu einer Sitzung zusammen, an der auch die Vorstandsmitglieder bzw. Vertrauensmänner hiesiger maßgebender, in der Mittelsrandsvereini- guna zusammengeschlosjener gewerblicher Korpora tionen teilnahmen. Generalsekretär Ludwig Fah renbach gab rn längeren Ausführungen den Zweck der Zusammenkunft bekannt. Es gelte Stellung zu nehmen zu der beabsichtigten Gründung einer Ge meinnützigen Nahrungsmittel-Ver trieb s g e s e l l s ch a f t m. b. H. in Leipzig und zu der rührigen Agitation, die der Beamten- Konsumverein von Leipzig und Um gebung gegenwärtig in den Kreisen der Reichs-, Staats-, Gemeinde- und Prioatbeamten, sowie unter den Arbeitern der Reichs-, Staats- und Gemeinde betriebe entfalte. Ter Plan zur Schaffung einer gemeinnützi ge n N a b r u n g s m i t t e l - V c r t r i e b s g e s e li sch a f t gehe vom Leipziger Kommunalvercin (Bür gerlicher Mietervereins aus. In einem Ausrufe zur Zeichnung von Beiträgen für dieses Unternehmen heißt es u. a.: . . . Es handelt sick um eine genossenschaftliche Vereinigung, die der im Volke schwer empfundenen Nahrungsmittelteuerung entgegcnwirken soll. Unter stützt von zuverlässigen Sachkennern, wird sich die in der Bildung begritsene „Gemeinnützige NahrungS- mittcl-Vertricbsgesellschast m b H." zunächst mit der Beschaffung und Abgabe von Schweinefleisch zu möglichst billigen Preisen besassen. Es wird beab sichtigt, das Vieh direkt einzukaufen und es in eigenen Geschäftsstellen au die minderbemittelte Bevöllerung zum Verkauf zu bringen. Ter Ein- und Verkauf anderer Volksnahrungsmittcl (Kartoffeln usw.- soll sich gegebenen Falles anschließcn . . Wie sehr unser gemeinnütziges Unternehmen als Erfolg versprechen des Mittel zur Milderung der Teuerungsverhältuisse gewürdigt wird, zeigt die Reibe hochangesehener Her ren und Mitbürger, die mit ihrem Namen die Sache befürworten, wie aus dem ergebeust beigefüglen Ver zeichnis ersichtlich ist. Auch vom Rat der Stadt Leipzig wissen wir, daß er unserem Unternehmen freundlich gcgcnübcrsteht . . . In der Tat, so führte Herr Fahrenbach weiter aus, enthalte die dem Werbeschreiben bcigesügte Liste un gefähr hundert Namen aus unserer höchsten Gescll- ichast und aus den Kreisen des freien und beamteten Mittelstandes. Ganz merkwürdig aber mute es an, daß der Vorsitzende der hiesigen Gewerbekauimcr sick ebenfalls auf der sogenannten „Ehrcuförder- liste" befinde. Hier könne es sick doch jedenfalls nur um ein Mißverständnis handeln, da unter keinen Die Revolution in Shins Wie aus den nachstehenden Meldungen sichtlich ist, haben die Aufständischen eine größere Niederlage erlitten. Tie Unruhen sollen sich noch weiter ansbrciten. Demgegen über besagt eine Meldung aus Schanghai, daß der Friedensdelegiertc Nuanschikais Tang- shavyi in Schanghai eingetroffcn ist, um mit den Aufständischen zu verhandeln. Ter Friede scheint also in unmittelbare Nähe gerückt zu sein. Tas Nähere ist aus den folgenden Telegrammen zu ersehen: Niederlage und Verluste der Aufständischen. Peking, 18. Dezember. (Rcuterbnreau.) Die Aufständischen hatten in dem Kampfe bei Niangtsekuan 40 Tote und 200 Ver wundete. Sic ließen Geschütze, Munition und anderes Kriegsmaterial auf dem Schlachtfclde zurück. In der Nähe von Pukow wurde der Bahnkörper 'dec Tientsin Pnkow-Eisenbahn von den Aufständischen zerstört. Vom nörd-- lichen Kriegsschauplätze norden kleinere Ge fechte gemeldet. Berichte ans anderen Gegen den lassen erkennen, daß die Unruhen sich a u s b r e i t c n. Peking, 18. Dezember. (Reuterbureau.) Die Mand s ch ua a r n i s o n von Kintschau hat sich ergeben. Tie Aufständische n in --chansi sind demoralisiert und fliehen vor den Kaiser lichen. Friedensverhandlungen. Schanghai, 18. Dezember. (Neuterbnreau.) Tan g s hao y i, der Friedensdelcgierte Mauschi- kais, ist von Peking hier cingetroffen und von einer großen Anzahl von Personen, darunter dem englischen, russischen und amerikanischen Konsul, sowie den offiziellen Vertretern der Aufständischen empfangen worden. Tangshaoyi wird mit dem Friedcnsdelegierten der Aufständischen Wutingfang am Diens tag Zusammentreffen. Ru; enter kbe. Romau vou H. EourthS-Mahler. 2) (Nachdruck verboten.) Die alte Dame hatte schon fehnlichst auf daS Stickgarn gewartet. Sie ließ sich über die Stadtneuigkeiten Bericht erstatten. Dann sagte sie: „Nun kannst du ein Stündchen musizieren, Eva." Eva nickte mechanisch. Sie setzte sich an den Flügel, der einen großen Teil des Zimmers einnahm. Ihr Vater hatte ihr denselben vor Jahren geschenkt, weil sie viel musikalische Be gabung hatte. Durch Zufall war ein vorzüg licher Mustklehrer in das Städtchen verschlagen worden. Dessen Lieblingsschülerin war Eva ge wesen, bis er vor wenig Monaten starb. Der alte Sonderling hatte Eva alles gelehrt, was er zu geben hatte. Auch ihre Stimme hatte xr m?t Liebe und Sorgfalt gebildet. Die Musik war daS einzige, was Eva über ihren engen Kreis hinaushob. In Tönen sprach sie aus, was ihr Mund verschwieg. Das gab ihrem Spiel etwas wundervoll Beseeltes und ihren Liedern, die sie mit ihrer weichen, süßen Stimme sang, etwas Ergreifendes. Auch heute suchte sie Befreiung in der Musik. Aber es wollte ihr nicht gelingen wie sonst. Mitten im Spiel hörte sie plötzlich auf und drehte sich nach der alten Dame um. In ihrem blassen Gesicht brannten die dunklen Augen mit unruhigem Ausdruck. „Tante Klarissa!" Das alte Fräulein schrank zusammen. Ihr Name klang wie ein Notschrei an ihr Ohr. „Mein Gott, Eva — hast du mich erschreckt! DaS willst du denn? Deshalb hörst du mitten tm.Stück <v»j.?^ Eva erhob sich und trat vor sie hin. „Ich möchte dich etwas fragen, Tante. Glaubst du, daß meine Mutter noch lebt?" Auf Klarissas Wangen erschienen rote Flecken der Erregung. „Aber Kind, — diese Frage hat doch nicht so große Eile." Eva drückte die Hände jäh an das Herz und atmete tief auf. Ihr Gesicht wurde nock bleicher. „Doch Tante! — Ich konnte es plötzlich nicht mehr aushalten; ich mußte dich danach fragen. Du sprichst nie von meiner Mutter, schon seit langen Jahren nicht. Aber ich muß immerzu an sie denken, und ich habe oft eine so qual volle Sehnsucht, wenigstens von ihr zu sprechen. Du sagtest nur, als ich noch zur Schule ging, Mutter sei verschollen, in Amerika. Ich solle nicht mehr von ihr sprechen, nicht an sie denken. Aber daS kann ich nicht. Tante, — glaubst du, daß meine Mutter noch lebt?" Klarissa lehnte den Kopf zurück wie er schöpft. Betroffen schaute sie in Evas erregtes Gesicht. So hatte sie das Kind noch nie gesehen,, nie solche Worte von ihr gehört. i „Was ist nur geschehen, Kind? Weshalb forderst du plötzlich so leidenschaftlich eine Ant wort auf diese Frage?" Ein mattes, gequältes Lächeln huschte schat tenhaft über Evas Gesicht. Sie glitt in einen Stuhl nieder. Die Knie zitterten ihr und trugen sie nicht mehr. Mit einer heftigen Gebärde warf sie die Arme auf den Tisch und barg darin ihr Gesicht. So blieb sie einige Augenblicke ruhen in tiefster, seelischer Erschöpfung. Dann richtete sie sich wieder auf. In dem weichen, kindlichen Gesicht lag ein Ausdruck großer Traurigkeit. „Warum?_ AL Tante, M sqL vpzH.hr gut der Straße eine Frau mit ihrem Kinde. Sie herzte und küßte es und hielt es fest und warm in ihren Armen. Und siehst du, — da fragte ich mich: Warum hat dich deine Mutter nicht so gehalten und so geliebt, warum gab sie dich hin, als du noch so ein kleines, hilfloses Wesen warst, — kaum älter als ein Jahr? Und warum läßt meine Mutter nichts von sich hören? Kann es sein, daß eine Mutter ihr Kind vergißt?" Klarissa Sonntag zuckte nervös mit den Augen brauen, ein Zeichen großer Erregung. Evas plötzliches Ungestüm erschreckte sie. Seufzend richtete sie sich empor. „Kind, es wäre besser, du quältest dich und mich nicht mit solchen Fragen. Du warst doch bisher glücklich und zufrieden." Eva ballte die Hände fest zusammen. „Glücklich und zufrieden? Ach nein, Tante Klarissa. Das war ich eigentlich nie. Sei nicht böse, — du hast cs gewiß immer gut mit mir gemeint, hast mich als hilfloses Kind bei dir ausgenommen. Fast nie habe ich ein rauhes Wort von dir gehört; und wenn dich deine Schmerzen nicht plagten, bist du auch manchmal lieb und zärtlich zu mir gewesen. Aber trotz dem, — schilt mich nicht undankbar — trotzdem habe ich doch am besten gedarbt, was der Mensch haben kann: ich hatte nicht Vater und Mutter, — keine eigentliche Heimat. Ich muß mir daS alles einmal von der Seele sprechen, kann es nicht länger stumm mit mir Herumtragen. Du hast mir Lknmal erzählt, daß meine Mutter meinen Vater nach zweijähriger Ehe verlassen hat, um wieder Schauspielerin zu werden, wie zuvor. Mein Vater hat sich von ihr scheiden lassen. In Amerika hat sich meine Mutter bald darauf wieder verheiratet; sie hat uns nicht einmal mitgeteilt, welchen Namen sie führt. Seitdem hörst du nichts von ihr, nicht wahrAL - rMt e,vt „Und mein Vater hat auch eine zweite Frau genommen. Er sieht wohl jedes Jahr einmal nach, wie es mir geht. Dann wechseln wir wenige höfliche Worte. Zivei Menschen, die zu einander gehören und sich doch fremd sind. In der Zwischenzeit wechseln wir wenige Briefe über alltägliche Aeußerlichkeiten. Das ist alles, was ich von meinem Vater habe, den ich doch von Herzen lieben möchte. Ach Tante, — ich bin ärmer als das ärmste Bettelkind!" Sie schlug die Hände vor das Antlitz und schluchzte krampfhaft auf. Fräulein Klarissa saß beklommen und hilflos diesem leidenschaftlichen Ausbruch gegenüber. Sie hatte keine Ahnung gehabt, was in Eva vor ging. Kränkliche Menschen sind sehr egoistisch. Klarissa machte darin keine Ausnahme. Als sie Eva zu sich nahm, hatte sie es nur getan, um ihr ödes Leben inhaltsvoller zu gestalten. Immer hatte sie nur daran gedacht, wie gut es war, daß sie dies junge Wesen bei sich hatte, daß sie nicht allein war. Der Gedanke, Eva könne neben ihr an Leib und Seele darben, war ihr gar nicht gekommen. Jetzt zum ersten Male wurde sie wachgerütteit aus ihrem Egoismus, aus dem Wahn, daß Eva bei ihr glücklich und zufrieden sei. Erschrocken schaute sie den Jammer, der aus ihrem sonst so verschlossenen Wesen hervorbrach wie ein Strom, der sich nicht mehr eindämmen läßt. Ihr im Grunde gütiges Herz suchte nach Trost und Hilfe für dies junge Wesen. Unbe holfen legte sie ihre Hand auf den braunen Müd- chenkopf. Evas weiches Haar hatte die Farbe Weiser Kastanien. Rötliche Lichter spielten darauf. Klarissa mußte daran denken, daß ihre einzige Schwester, EvaS Mutter, auch diesem seltsam glänzenden Schimmer über ihrem Haar gehabt hatte. ' (Fortsrtzullg ia d«r Morge»aa4gabe)
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