Volltext Seite (XML)
Nummer 73 — 25. Jahrgang 6nM wöch. Bezugspreis siir März 3— einschl- Bestellgeld. Anzeigenpreise: Die Igejp. Peittzeile Sü^, Stellengesuche 20 L. Di, Petitreklamezeile. 89 Milli, Meter breit, 1 Osfertengebühren für Selbstabholer 20 L. bet Uebersenbung durch di« Post außerdem Portozuschlag. Einzel«Nr. 10 L, Sonntags-Nr. 18 Geschästlicher Teil: Iolef Fohmann. Dresden. SöcklWe Sonntag, 28. März 1926 gm Fall« höher«! Gewalt erlischt jede Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung v. Anzeigenaufträgen u. Leistung v. Schadenersatz. Für undeutl. u. d. Fern« ruf übermitt. Anzeigen übernehmen wir keine Ver. antwortung. Unverlangt eingesanüte u. m. Rückporto nicht versehene Manuskripte werS. nicht aufbemahrt. Kauptlchriftleit.: Dr. Joseph Albert. Dresden. Sprechstunde d. Redaktion k bis ö Uhr nachmittags. volrszmuna Seit I8Z0 vreeäen - kniiiilrilil Für christliche Politik und Kultur ,«r «itchiis ch-u B»lk«iettaog DreSden-Nttst. iS, Hoibemftraj,« 18. Frrnruj M72, und SS838. Cvnflanttn Fehrenbach -j- Gestern kurz nach Redaktionsschlutz kam aus Frei bürg die Nachricht, daß der frühere Reichskanzler Fehrenbachgegen it» Uhr nachmittag verschieden ist. nachdem schon in der Nacht der Todeskampf eingesetzt hatte. Aus Freiburg kommt die Trauernachricht» daß Constantin Fehrenbach, Reichskanzler a. D. und Vorsitzender der Zentrumsfrak tion des Deutschen Reichstags, entschlafen ist. Mit Wehmut und Trauer werden die deut schen Katholiken und ganz besonders die Deut sche Zentrumspartei diese Nachricht empfan gen. Mit Fehrenbach scheidet einer jener alten Parlamentariertypen aus dem Leben, die schon so recht selten geworden sind. Er ge hörte zu den populärsten und beliebtesten Po litikern nicht bloß im Kreise seiner engeren Parteifreunde, sondern ebenso sehr bei allen anderen Parteien. Ueber seinen Werdegang ist folgendes zu sagen: Constantin Fehrenbach wurde am 11. Januar 1852 in Wellendingen im Badi schen Schwarzwald, Bezirksamt Bonndorf, als Sohn eines Bolksschullehrers geboren. In Freiburg i. B. besuchte er zunächst das Gym nasium und dann die Universität, wo er sich zuerst dem Studium der katholischen Theolo gie und dann dem der Rechtswissenschaft zu wandte. 1882 ließ er sich in Fretburg als Rechtsanwalt nieder und begann bald, auf dem Boden der Zentrumspartei stehend, sich am öffentlichen Leben zu beteiligen. Zunächst führte ihn das Vertrauen der Freiburger Bür ger in den Stadtvorstand und bald auch in den Badischen Landtag. Dort galt er als einer der Zentrumsführer und das An sehen, das er genoß, zeigte sich am besten darin, daß er tm Jahre 1907 als erster Zen trumsmann zum Präsidenten dieser Kammer gewählt wurde. Inzwischen war er seit 1903 als Vertreter des 6. badischen Reichstagswahl kreises für Ettenheim-Lahr-Wolfach in den Reichstag eingezogen, dem er von da an ununterbrochen angehörte. Nun widmete er sich fast ausschließlich der großen Reichs politik und war bald in allen wichtigen Aus schüssen des Reichstags tätig. Am 8. Juli 1918 wählte ihn der Reichstag mit großer Mehrheit zu seinem Präsidenten, und diese Präsidentschaft bekleidete er auch in der verfassunggebenden deutschen National versammlung in Weimar und später in Berlin. Dieses Amt leitete er unter den chwierigsten Verhältnissen mit außerordent lichem Geschick und wußte dabei stets sowohl als Parlamentarier wie als wahrer Volks mann den richtigen Ton zu treffen. Im Juni 1920 übernahm er in schwierigster Zeit das dornenvolle Amt des Reichskanzlers, als die Sozialdemokraten nach dem Wahlsieg der Rechten die weitere Beteiligung an der Regierung ablehnten. Damals stand die Kon ferenz von Spaa vor der Türe und ihm fiel als erste Aufgabe zu, auf dieser Konferenz zum ersten Male mit den ehemaligen Gegnern Auge in Auge zu verhandeln. Dann Kain die Konferenz in London im Frühjahr 1921, die «ensalls schwere Verhandlungen mit sich brachte und doch nicht zu einer Klärung der Reparationsfrage führten. Da die Entente abermals mit einem Ultimatum kam, trat Fehrenbach zurück, weil er es für seine Person und sein Bewußtsein als echter Deut- scher mcht über sich zu bringen vermochte, sich diesem Ultimatum zu unterwerfen. Zwei Trauerkundgebung des Reichstags Berlin. 27. März. Der Aeltestenausschuh hat nach dem Be kanntwerden der Trauerkunde vom Hin scheiden Fehrenbachs sofort eine Sitzung abgehalten, in welcher bereits der Präsident Löbe ehrende Worte des Gedenkens für den Verstorbenen sprach. Als die Vollsitzung des Reichstags wieder eröffnet wurde, lag auf dem Platze des ver storbenen Fraktionsvorsitzenden des Zen trums ein großer Kranz mit Lorbeer und Li lien. Unter der Führung des Reichskanzlers und des Reichsaußenministers war das ge samte Kabinett erschienen. Die Vertre ter der einzelnen Länder, sowie sämtlicher Reichsministerien, auch der Reichswehr, wa ren zugegen. Der Sitzungssaal selbst war fast vollständig gefüllt. Auch die Tribünen des Hauses, die Diplomaten- und Ministerlogeu waren besetzt. Als Präsident Löbe das Wort zum Nach ruf Fehrenbachs ergreift, erheben sich sämt liche Anwesenden von ihren Sitzen. Die Aus führungen Löbes machen im ganzen Hause einen tiefen Eindruck. Löbe führt aus, daß der Reichstag das Ableben eines seiner an gesehensten Mitglieder zu gedenken, die schmerzliche Aufgabe habe: Unser Präsident und früherer Reichskanzler Constantin Fehrenbach hat sich zu den Großen seiner Partei versammelt, zu dem Spahn und Hitze, dem Gröber, Trimborn und B u r l a g e. Um Fehrenbach trauert aber nicht eine einzelne Fraktion, um ihn trauert derganze Reichstag, und seiner gedenkt dasganze Jahre später zeichnet ihn die Zentrums- sraktion des Reichstags dadurch aus, daß sie ihn zum ersten Borsitzenden wählte, ein Amt, das viel Takt und Umsicht erforderte, und das er bis zu seinem leider jetzt erfolgten Tode bekleidete. In all den verschiedenen Aufgaben hat Fehrenbach sich glänzend bewährt. Die schwie rigste vor allem war die oben schon erwähnte Kanzlerschaft in der politisch ungünstigsten Zeit, zü der er sich nur mit großem Wider streben und auf härteste Bedrängnis seiner Parteifreunde bewegen ließ. Spau und Lon don waren keine Glückssterne der deutschen Außenpolitik, weil beide noch unter den starken Einwirkungen des verlorenen Krieges und der gehässigen Stimmung gegen Deutsch land standen. Als Präsident des Reichstages wie auch der Nationalversammlung hat Feh renbach sich unbestritten große Verdienste er worben. In dieser schwierigen, von Revolu tionswirren durchzitterten Zeit die Weimarer Nationalversammlung zu leiten, war ebenso ehrenvoll wie schwierig. Man kann ruhig sagen: Er war einer der tüchtigsten und geschicktesten Präsidenten, die das deutsche Parlament gehabt hat und einer der besten Kenner der Geschäftsordnung. Wie Fehrenbach bei seinen Landsleuten sich un geheurer Beliebtheit erfreute, so auch im Reichstag. Seine natürliche Frische, seine glänzende Auffassungsgabe und große Red- nergewandtkeit befähigten ihn ganz beson der» in kritischen Lagen sowohl auf die Frak- deutsche Volk. Sein einziges Ziel ist es gewesen, dem Volke und dem Vaterlands zu dienen. Durch drei Jahrzehnte deutscher Par- lamentsgeschichte leuchtet sein Name als Par teiführer und Präsident unvergänglich. Das Schicksal hat ihn in der schwersten Zeit auf die schwierigsten Posten gestellt, die das deut sche Volk zu vergeben hatte. Fehrenbach hatte den Mut zur Verantwortung, in einer Zeit, in der Verantwortung so selten war. und ln der Verantwortung so wenig gedankt wurde. Der Schmerz über das, was Deutsch land durchzumachen hatte, beugte ihn tief nie der. Was ihm aber nicht geraubt werden konnte, das war seine menschliche Güte lind die innere Bescheidenheit, mit der er allen begegnete. Sein hohes Pflichtgefühl veran- laßte ihn dazu, noch als Siebzigjähriger, als er das Kanzleramt niederlegte, erneut au die Spitze seiner Partei zu treten. Löbe schil dert, wie Fehrenbach noch vor seinem Ab schied aus Berlin auf die Erledigung der lau fenden Arbeiten drängte: „Ich will mich nicht niederlegen, bevor ich nicht meine Pflicht erfüllt habe". Mit diesem Bekenntnis ist er aus diesem Hause hinausgegangen. Löbe stellt tiefbewegt' fest, daß das gesamte Haus zu Ehren des Verstor benen sich erhoben hat. Der Reichskanzler Luther begab sich zu Löbe, um ihm herzlichst zu danken. Zuvor sprach er Herrn von Guerard, als dem stellvertretenden Vorsitzenden der Fraktion, sein eigenes und das Beileid der Reichs regierung aus. Das gleiche taten die Führer aller anderen Fraktionen. tion bestimmend zu wirken, wie auch in Ver- Handlungen mit anderen Parteien Konflikts fragen auszugleichen. Dabei mar der Grund- ton seines politischen Wollens ehrlich demo- kratisch und national. Er war lebensfroh, humoristisch und stets Optimist. Mit diesen drei Eigenschaften hat er in mancher kriti schen Lage seinen politischen Freunden über schwierige Dinge hinweggeholfen Auch das katholische Deutschland verliert in ihm einen seiner treuesten und besten Kämpfer. Von tiefernster kirchlicher Gesinnung und lauterstein Charakter erfüllt, gehörte er seit Jahrzehnten mit zu den füh- renden Persönlichkeiten auf den General- Versammlungen der deutschen Katholiken. Ganz besonders aber schätzen ihn die katho lischen Studenten, die in ihm einen herzlichen Freund und mit seiner ewig jungen lebens frohen Art einen allerbesten Führer hatten. Fehrenbach war eigentlich bis in sein hohes Alter immer noch von herzlicher Studenten, fröhlichkeit beseelt. Alle, die ihm persönlich nähergestanden haben, werden sein Vorbild als Politiker und Katholik stets im Auge behalten. Das katholische Deutschland und vor allem dte Deutsche Zentrumspartei steht trauernd an dem Grabe einer ihrer besten Kämpfer und Freunde mit der Zuversicht, daß sein reiches, selbstloses Leben und Schaffen, das nie den eigenen Interessen, sondern stets der Allgemeinheit galt, den wohlverdienten Lohn finden werde.