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önburaer Taaeblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Lage nach Sonn- und Festtagen. Annahme von Inseraten für dis nächster scheinende Nummer bis nachmittags 2 Uhr. Der Bbonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 25 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., Einges. 20 Pf. Expedition: Waldenburg, Kirchgasse 255. und Waldenburger Anzeiger. Amtsblatt für den AadtrM za Waldenburg. Filialen: in Sltstadtwaldeabnrg bei Herr« Kaufmann Beruh. Schupp«; in Penig bet Herrn Kaufmann Rob. Härtig, Mandelgaffe; in Rochsburq bei Herrn Buchhalter Fautb-, in Lunzenau bei Hrn. Buchhdlr. E. Dietz«, in Wechselburg bei Herrn Schmied Weber; in Lichtenstein b. Hrn.Buchh. I. Wehrmann. Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Lichtenftein-Callnberg und in dm Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Braunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursoorf, Langen leuba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Obergräfenhain, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Steinbach, Wechselburg, Wiederau, Wolkenburg und Ziegelheim. 1887. 27«. Dienstag, den 29. November Witterungsaussichten für den 2S. November: Bei westlicher Windrichtung meist veränderliches Wetter ohne wesentlichen Temperaturwechsel. Barometerstand am 28. November, nachmittags 3 Uhr: 763 ivw. Bekanntmachung. Die noch rückständigen Commuu-Anlageu sind binnen 3 Tagen und längstens den 3. Tecember dieses Jahres zur hiesigen Stadtsteuer-Einnahme zu bezahlen. Nach Ablauf dieser Frist wird wider die säumigen Zahler unnachsichtlich das Zwangsvollstreckuugsverfah- ren eingeleitet werden. Waldenburg, am 28. November 1887. Der Stadtrat h. Kretzschmar, B. Gereidezölle seit 26. d. erhöht. "Waldenburg, 28. November 1887. i Ueber die Unterredung zwischen dem russischen Kai- ser und dem Fürsten Bismarck wird jetzt als ver bürgt mitgetheilt, daß dieselbe nicht auf speciellen Wunsch < des Czaren zu Stande gekommen ist, sondern daß Fürst < Bismarck durch den russischen Botschafter, Grafen Schu- - walow, eine Audienz bei dem Kaiser Alexander III. : nachgesucht hat und daß der Czar demzufolge am 18. : d. M. den Botschaftsrath Grafen Murawiew zum ! Reichskanzler mit den; Bemerken sandte, demselben mit- : zutheilen, daß er bereit sei, den Fürsten Bismarck in - besonderer Audienz nachmittags 3'/r Uhr zu empfan- ' gen. Ueber die Unterredung selbst wird von informir- 's ter Seite noch Folgendes bekannt: Beide Theile, Anfangs kühl, traten sich gegensei- ! tig mit gemessener Höflichkeit, beziehungsweise mit s schuldiger Ehrfurcht entgegen; beide Theile fühlten sehr ! wohl das Schwergewicht des Momentes und waren : sich vollkommen klar, wie viel von dem abhänge, was : sie sich zu sagen die Absicht hatten. Es schien übri- ! gens, als wäre jeder mit der Absicht zu der Bespre- s chung gekommen, möglichste Offenheit walten zu lassen. Allmählich erwärmten sich Beide, und in dem Augen blick, in welchem Kaiser Alexander die unberechtigsten Anklagen gegen Deutschlands Politik und ausdrücklich gegen die Haltung des Fürsten Bismarck vorbrachte, hatte es fast den Anschein, als würde der Reichskanz ler seine Gemüthsruhe, ja seine Geduld verlieren. Die Art und Weise, in welcher er dem Czaren rundweg erklärte, daß man es gewagt, ihn, den Kaiser zu be trügen, der Ton, in welchem er constatirte, daß man sich Fälschungen erlaubt habe, diese Art und Weise, dieser Ton entsprachen nicht ganz dem Herkommen. Kaiser Alexander hatte nach dem ihm vom Reichskanz ler gegebenen Aufklärungen in bestimmter Weise ver sichert, daß er überhaupt die Erhaltung des Friedens wünsche und jetzt sehr gern die Versicherung wieder hole, daß ihm weder ein Angriff gegen Deutschland, noch die Theilnahme an einer gegen Deutschland gerich teten Coalition in den Sinn komme. Darauf nahm Fürst Bismarck Veranlassung, den Kaiser zu bitten, daß er auch der von Deutschland abgeschlossenen Bünd nisse gedenken möge. Fürst Bismarck machte kein Hehl daraus, daß, wer mit Deutschland in Frieden leben wolle, auch dessen Verbündete nicht angreifen dürfe. Er führte ganz direct dem Czaren den Kernpunkt des Bündnisses vor Augen und ließ sich hierüber so deut lich aus, daß Kaiser Alexander ausdrücklich erklärte, die Bemerkungen des Fürsten in Bezug auf die Allian zen Deutschlands und auf den durch Verträge verein barten Bündnißfall enthielten eigentlich für ihn nichts Ueberraschendes, aber er nehme Act davon, daß Deutsch land, woran er übrigens nie gezweifelt, seine vertrags mäßigen Verpflichtungen ernst aussoffe. Es gelang dem Fürsten Bismarck, die Besprechung derart zu lenken, daß Kaiser Alexander in weiterer Folge äußerte, er ergänze seine frühere Versicherung, gegen Deutsch- la nd keinen Angriff und keine'Theilnahme an dem An griff! von anderer Seite zu planen, bereitwillig dahin, daß ML dasselbe auch mit Bezug auf Oesterreich- Ungarn seine Geltung habe, unter der selbstverständ- s lichen Voraussetzung, daß von dieser Seite keinerlei Provocationen gegen Rußland erfolgen. Der jetzige Besuch des deutschen Botschafters Prin zen Reuß aus Wien in Berlin steht mit der Ange legenheit der Fälschung von Telegrammen und Noten des Reichskanzlers, welche dem Czaren vorgelegen haben, i in Zusammenhang. Der Botschafter, welcher sich auch > zum Kanzler nach Friedrichsruhe begiebt, sollte dem - Kaiser Wilhelm die Fälschungen persönlich und amtlich i erhärten. Die Untersuchungen sind übrigens nach kei- ; ner Seite hin abgeschlossen, und schon aus diesem Grunde sind fürs Erste schwerlich amtliche Mitther- ! lungen zu erwarten. Also werden die Leute in Berlin, wie in Paris und anderswo, so bemerkt die „K. Ztg.", deren Gewissen beschwert, noch einige Zeil in schweben der Pein bleiben müssen. Die Präsidentenkrisis in Frankreich dürfte im Laufe dieser Woche ihre Lösung finden, wenn nicht unerwartete Zwischenfälle eintreten. Unter Grovy's Vorsitz fand am Sonntag Vormittag eine Berathung des bis zur neuen Präsidentschaftswahl im Amte bleibenden Mini steriums Rouvier statt. Der Präsident zeigte officiell seinen Rücktritt an, und die Demissionsbotschaft, die heute Montag in den Kammern verlesen werden soll, wurde festgestellt. Grsvy betont darin, er gehe, weil er glaube, dem Lande durch seinen Rücktritt einen Dienst leisten zu können und spricht die herzlichsten Wünsche für die Zukunft der Republik aus. Am Dienstag tritt dann der aus beiden Kammern bestehende, 860 Mit glieder starke Nationalcongreß in Versailles zusammm, um einen neuen Präsidenten der Republik zu wählen. Der Congreß enthält etwa 220 Monarchisten und 640 Republikaner. Von diesen werden, wie man annimmt, 240 für Ferri), 200 für Freycinet, 100 für Floquet stimmen und 100 sich zersplittern. Den Ausschlag giebt vermuthlich die Rechte. Die Republikaner haben sich über einen bestimmten Candidaten immer noch nicht einigen können, doch scheint schließlich Freycinet als Sieger aus dem Wahlstreit hervorgehen zu sollen. General Sauffier, der von den gemäßigten Republi kanern als Präsidentschaftscandidat genannt wurde, hat bekanntlich diese Ehre abgelehnt. Der General hat offenbar keine Lust, sich an den Parteistreit einzumischen, er behält lieber sein Amt als Generalgouverneur von Paris. Sobald ein Präsident gewählt ist, wird dann die definitive Bildung eines neuen Ministeriums er folgen. Von Boulanger als Kriegsminister ist keine Rede mehr. Man strebt dahin, den Posten des Kriegs ministers mit einem Nichtmilitär zu besetzen, dem ein geeigneter General zur Seite treten soll. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Das Befinden des Kaisers läßt fortdauernd nichts zu wünschen übrig. Am Sonnabend empfing der Kaiser eine Anzahl höhere Officier, darunter den Ge neralfeldmarschall Grafen Moltke, den Generalquartier meister Grafen Waldersee, den General von Albedyll und den aus San Remo eingetroffenen Generalmajor von Winterfeld. Um 2 Uhr unternahm der Monarch eine Spazierfahrt und conserirte nach der Rückkehr noch mit dem Grafen Herbert Bismarck. Am Sonn tag ertheilte der Kaiser dem Reichstagspräsidium, be stehend aus den Abgeordneten von Wedell-Piesdorf, vr. Buhl und Freiherrn von Unruhe-Bomst, eine Au dienz, um die Meldung von der erfolgten Constituirung des Reichstages entgegen zu nehmen. Der Kaiser er schien äußerst rüstig und frisch und bewegte sich in strammer Haltung sogar mit lebhaften Geberden wäh rend der ganzen Dauer der fast halbstündigen Audienz; die Stimme klang ein wenig rauh, aber durchaus nicht heiser. „Ich freue Mich über die Wiederwahl der Herren und freue Mich, Sie hier begrüßen zu können", mit diesen Worten empfing der Kaiser das Präsidium. Als Herr v. Wedell der Theilnahme des Reichstages wegen der Krankheit des Kronprinzen Ausdruck verliehen hatte, erwiderte Seine Majestät: „Sie können sich wohl denken, wie tief es Mich in Meinem Alter er schüttert, daß ein Mann, der körperlich und geistig die besten Garantien für die Zukunft des Reiches zu ge währen schien, von einem Leiden ergriffen ist, das ihn zwischen Tod und Leben schweben läßt, so daß die völlige Wiederherstellung nach menschlichem Ermessen fast wie ein Wunder erscheinen muß." Auf die Er öffnung des Reichstages eingehend, sagte der Kaiser: „Es hat Mich recht tief geschmerzt, den Act der Er öffnung nicht persönlich vornehmen zu können, Ich hätte gern namentlich die Schlußworte der Thronrede zu Ihnen gesprochen." Seine Majestät trat einen Schritt zurück und sprach darauf sich hoch aufrichtend und mit besonders kräftiger Betonung: „Ich hätte Ihnen gern persönlich gesagt, daß Ich den Frieden will, aber wenn Ich angegriffen werde, dann !" Se. Majestät gedachte auch der Finanzlage des Reiches. Wenn bezüglich derselben auch noch Manches zu wün schen übrig bleibe, so seien die Schritte zum Besseren doch nicht zu verkennen und zwar beziehe sich das nicht nur auf das Reich, sondern auch auf die Einzelstaaten, wobei Seine Majestät namentlich Sachsen erwähnte. Allerhöchstderselbe kam auf die auswärtige Lage zurück: „Warum sollten wir den Frieden nicht behalten? Keine Großmacht hat ein Interesse daran, ihn zu stören." Der Kaiser bezeichnete es ferner als einen großen Fehler des Reichs tages, die erste Militärvorlage trotz der klaren Dar legung des Kriegsministers abgelehnt zu haben; die Ansprüche seien wahrlich mäßig genug gewesen, in Frank reich würde da kein Sou verweigert, und daß preußi sche Mitglieder hier auf der Seite der Opposition ge wesen seien, habe ihn besonders geschmerzt. Aber die Scharte sei ja nun ausgewetzt und der Reichstag werde hoffentlich auf dem beschrittenen Wege fortfahren. Im Laufe der Unterhaltung wies der Kaiser auf die gegen wärtige Lage Frankreichs hin, dessen jetziger Präsident im redlichsten Sinne thätig gewesen sei und so conser- vativ für die Republik eingetreten fei, wie wir es für die Monarchie nur können. Die Zukunft erscheine da nicht ganz unbedenklich, da man nicht wissen könne, wer die Stelle des Herrn Grevy einnehmen werde. Der Kaiser wandte sich darauf persönlich an die Mit glieder des Präsidiums. „Daß es Ihnen gut geht, sieht man," sprach er, sich an Herrn v. Unruhe-Bomst wen dend, „wie ist auf Ihren Besitzungen die Ernte aus-