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Anzeiger für das Erzgebirge Donnerstag, äen S. Juli IS22 17. Jahrgang Nr. ISS zur Atzwr aller Anschläge auf seinen Bestand, j seine verfassungsmäßige Gestalt, seine Sicherheit und! Dw Demokraten unä äie Ansis. tVon unserm parlamentarischen Mitarbeiter.) 2Xe Demokratische Reichstagsfraktion Hal in der ers.cn Lesung des Gesetzes zum Schutze der Republik o e nachso.gende Erklärung im Reichstag abgegeben: Angesichts der furchtbaren Gewalttaten und des Abgrunoes, an den maßlose Verleumdungen und Ver- dächtigtmgen gegen die Neichsregieruug u>td die stän dige Beschimpfung der deutschen Republik und ihrer Führer unfern S.aat gebracht haben, srnd wir der, Meinung, dchß alle, denen es ernst mit dem Wohle des deutschen Volkes ist, alle Kräfte einsetzen mitten,' die -verfassungsmäßige demokratische deutsche Republik, den S.aat, in dessen Gestalt allein der Wiederauibau, des Vaterlandes möglich ist, zu stützen und zu de-! festigen. i Wir sehen hierin vor allem eine große Aufgabe der Erziehung, die nicht allein der Schule aller' Stufen, sondern allen politischen Verantwortlichen^ den Regierungen wie den Parteien, obliegt und hof fen, däß diese Aufgabe angesichts des furchtbaren Tief standes politischen Denkens und Fühlens, den die ge häuften Gewalttaten äufzeigen, nun von allen Be teiligten mit aller Kraft ausgenommen und weiterge- f-ührt wird. Wir sind weiter gewillt, für diese Zeit tiefer Erregung und Bedrohung dem Staate diejenigen strafrechtlichen Mittel in die Hand zu geben, deren er Deutscher Reichstag. Tie zweite der großen Fragen auf innenpolitischem Gebiet, die Erledigung des. Gesetzes zum Schutze der Republik, die noch bedeutsamer ist als die über die Getreideumlage, stand gestern im Reichstage im An fangsstadium der Parlamentarischen Behandlung. Tie Parteien hatten in den vorangegangenen 12 Stunden schnell fördernde und ernste Vorarbeit geleistet, indem sie sich auf Grund des ihnen sozusagen eben erst aus dem Retchsrat zugegangenen Wortlautes des Gesetze» über ihre Stellungnahme im einzelnen klar zu werden der- sucht hatten, im besonderen aber auch darüber, welch« Ergänzungs- und Verbesserungsforderungen sie gegebe nenfalls zu stellen hätten. Man kann wohl sagen, daß auf allen Seiten das Bestreben zutage trat, eine un nötige wettere Zuspitzung der Gesamtlage zu vermeiden. Auch bei der Regierung wurde dieser Wunsch sichtbar Der Ueberfall auf Haräen. Gin LSter verhaftet.—Der andere bekannt. I Maximilian Harden befand sich Dienstag übend bereits wieder so wohl, daß er einem dec Kommissare! der Politischen Abteilung genaue Mitteilungen über seine' Beobachtungen bei dem auf ihn verübten Ueberfall ma chen konnte. Nach den amtlichen Ermittelungen Haden bei dem Ueberfall zwei Personen mitgewirkt. Von den Tätern ist der eine, der 22jährige landwirtschaftliche l" 7' ' - - - " . „ 7 7 7 — glied des jüngst aufgelösten Verbandes na.ionaler. Sol daten und trug bet der Lat <ÄS Krawattennädel ein Hakenkreuz. AIS zweiter Täter ist der 24jährige Ober leutnant a. D., jetzige Kaufmann Walter Anker- mann ermittelt. Gr hat mit einem sogenannten Tot schläger auf den Kopf Harden» eingeschlagen, während - Weichardt Schmiere stand. - Weichardt und Ankermann Haden da» Attentat schon seit längerer Zeit vorbereitet, und man hat Grund, zu der Annahme, daß diese Vorbereitungen von einer Ge- heimorganisatton, der die beiden angehörten, an geordnet und kontrolliert worden sind. Die Verbrecher waren im Besitze von Totschlägern gewesen; außerdem hatten sie noch scharf geschliffene, im Grjsi feststehende Messer bet sich. Ms man Weichardt festnahm, trug er den Totschläger, eine schwere Bleikugel, die in Leder eingeflochten ist, noch an einem Riemen am Handgelenk. In der Wohnung der beiden hat man verschiedene Pa piere .Hwgefunden, darunter auch den Entwurf eine» Telegramms, in dem von dem Gelingen des Attentat- Meldung gemacht wird. Dieser Entwurf stammt, wie Weichardt behauptet, von Ankerincmn, trägt aber keine Adresse, weicharp bestreitet, daß er der in Hamburg aufgedeckten Gehetmorganisation angehört. Bestätigt sich diese Angabe, so muß man daraus schließen, daß man auf die Spur einer.weiieren Mvrdorgantsatlon ist, die starke Beziehungen oder vielleicht sogar ihren Sitz in Oldenburg hat. Bon dorther stammen die bei den Verbrecher, und sie sind vou Oldenburg eigens zur Ausführung des Attentats nach Berlin gekommen oder gesandt worden. Der Berliner Polizeipräsident hat aus die Ergreifung des Ankermann eine Belohnung von 10060 Mark ausgesetzt. Ter Ueberfall auf Harden zeigt so recht die voll kommene -politische Ahnungslosigkeit jener nationalisti schen Burschen, die sich anmaßen, mit der Mordwaffe in die politischen Geschicke Deutschlands einzugreifen. Har den har fast mit der gleichen Schärfe die Mitglieder der republikanischen Regierungen verfolgt, wie nur irgend ein Wulle oder Helfferich. Die Tatsache, daß Harden Jude ist, hat offenbar für die Mordbuben auSgeretcht, um ihn hinterrücks zu überfallen. Die Tat darf darum nicht leicht genommen werden, weil sie zeigt, wie- auch nach der Verhaftung eines großen Teiles der Geheim bündler noch zahlreiches Gesindel herumläufr, das Mord waffen für politisch zulässige Argumente hält. Ehre und der Anschläge auf Leben und Ehre seiner Führer bedarf. Verbrechen derart, wie wir sie nun mit strafrechtlichen Mitteln treffen müssen, kannte die deutsche Geschichte bisher nicht in der Häufung und Gefährlichkeit dieser Zett. Wenn hieraus die Notwen digkeit neuer, bisher nicht vorgesehener Strafbestim mungen folgt, so kann daraüs niemand den Vorwurf ableiten, daß ein Ausnahmegesetz gegen einzelne Volkskreise oder politische Richtungen geschaffen werde. ES Hann sich vielmehr um nichts anderes handeln, alS die leider notwendig gewordene Ergänzung unseres Strafrechts mit gleicher Geltung für alle Volksge nossen: Gewalt gegen Gewalt, Strafe gegen Aufleh nung und Bedrohung — gegenüber mißleiteter Ge sinnung aber Erziehung und Führung! Wir werden deshalb Mitarbeiten, mit Mer Beschleunigung den Entwurf .in einer Gestalt zu verabschieden, die die Lebensno:wendigkeiten des StaätoS mit dem liberalen Persönlichkeitsrechte der Staatsbürger auf Achtung vor innerer Ueberzeugung und mit ursprünglichen domo- kraiischen Grundrechten aller deutschen Bürger ver einigt. Wir hoffen, daß dies gelingt und so das Ge setz däzu beiträgt, die Republik zu sichern, die poli- :ische Atmosphäre zu entgiften und dem schwergeprüf ten Vaterland die innere Rühe und Ordnung zu brin gen, deren es in dieser Zeit außenpolitischer Be drängnis und einer noch kajum ausdenkbaren Erschüt terung aller WirtschaftSverhältnisse dringend bedarf. Wir vertrauen, daß unser Volk aüch diese Krise über windet in der Einigung aller Verständigen und wirk lich Vaterlandsliebenden zu einer großen Gemeinschaft des Schutzes und der Arbeit für da» bedrohte Deut sche Reich. Mess Erklärung gibt den einmütigen Standpunkt der Demokratischen ReichStagSfraktton zu dem vorliegender'. Schutzgesetz unabhängig von aNen parteitakttschen Er wägungen wieder. Ttie Bereitwilligkeit Mr wetteren Mitarbeit an dem Gesetz schließt natürlich in sich, daß auch di« Demokraten bemüht sein werden, Abänderunas- und VerbesserungSaNträge in den Ausschüssen zu stellen. Die Abgeordneten Koch (Weser), Brodaus und Dr. Schlickt ntz werden die Fraktion bet der Ausschußbera tung vertreten. Neben der Beratung de» Schutzgesetzes soll auch noch der Gesetzentwurf über Straffreiheit für politisch« Straftaten beraten werden. E» ist die» da» Amnestie gasetz, da» von Rn soztalt- sttschen Parteien am Tage der Ermordung Rathenau» Muer Tageblatt 1 »«ch "s"' »UM - _ —M. /iNALiger sur vLlv Las,Statt Enthalten- -le amtlich,« Bekanntmachungen -es Nate» -er Sta-t UN- -es Amtsgericht» Bue. p,gfitz,«.e»ni», ftmt L,tp,i, Nr. Ise, Das Wichtigste vom Tage. gfw Atvtlckau ist die Ruhe wieder hergestellt, slkt« Ultzbvr'tv'r sind heute früh wieder an ihren Orbelt»stätten erschienen. > Der Gesetzentwurf zum Schutze der Repu blik liegt im Wortlaut vor. Die Gerüchte über RücktrittSab sichten des Reichtzwe'hrministerS Geßler werden von auto- rnativer Seite dementiert. , u Ter Präsident des Reichsgerichts Dr. Del brück ist gestorben. daß man über Einzelheiten noch miteinander reden könn te, fügte aber allerdings hinzu, daß da» Kabinett mit dem Gesetz stehe und falle. Im übrigen mahme er das hohe Haus berechtigterweise zu größter Eile. Tie Er klärungen der Parteien waren insgesamt auf den Ton abgestimmt: wir sind bereit, im Ausschuß positive Mit« arbei, zu leisten. In diesem Sinne äußerte sich der Mehrheitssozialist Silbers!ch.midt und der Zentrums redner Dr. Bell, der über Einzelheiten des Gesetze» bemerkenswerte scharfe Vorbehalte andeutete. Verhält nismäßig kurz, würdig und treffend war die Erklärung, die Abg. Tr. Petersen namens der Demokratischen Fraktion abgab. (Vergl. Leitartikel.) Tie Deutsch natio nalen schickten eines ihrer ernsthaftesten und ruhigsten Mitglieder, den Abg. DÄriNtze°r vür.. ES «Vvte» sich, daß dieser Schachzug erfolgreich wckr; kaum ein anderer zus der Fraktion wäre wohl zu Ende gehört worden. Tenn selbst gegenüber der Ruhe Düringers tobte, sich kommunistische Krawallsuchi beim Abg. Hölle in aus. Dis Sensation des Tages war. die Rede des Abg. Dr. Stresemann, dessen unerwartetes Wiedererscheinen in einer Stunde parlamentarischer Hochspannung schon am Tage zuvor allgemein bemerkt worden war, und dessen Rede erfreulicherweise einen andern Ton an- Beamte Herbert Weichardt, ergriffen. Er ist Mit- klingen ließ, als man in letzter Zeit vom Abg. Becker- Hessen gewöhnt war. Wiederholt bezog sich Stresemann auf die Erklärungen Petersens mit der Feststellung, daß die Ternsche Volkspartei ganz ähnlicher Auffassung wäre. Im übrigen skizzierte auch er die Bedenken, di« er und seine Fraktion gegen gewisse Teile de» Entwurf» hegen. Aber darüber wird man sich, wie gesagt, noch des nähe ren im Ausschuß unterhalten, und hoffentlich in der- selben ruhigen Art und Weise wie gestern im Plenum. LNelne politk-1« Achtung vor der deutschen Geeflagg«. In Frankfurt a. M. hat eine von Deutschland, Belgien und Holland beschickte, vom Deutschen V^rkehrsbund einberufene Zusammen kunft stattgefundcn, in der beschlossen wurde, deutsche Fahr- zeuge, die die schwarz-weiß-rote Flagge ohne die schwarz, rot-goldene Gösch führen, weder zu laden noch zu löschen, noch zu bebunkern noch zu verschleppen. ES ist ein traurige- Zei chen der Zeit, daß es solcher Maßnahmen bedarf, um die Schiffseigner zur Achtung vor dem Gesetz und den Hoheits zeichen des Staates zu zwingen. Die Räumung de« »brrschlefischen Gebietes wird von den interalliierten Truppen nach dem ursprünglich festgesetzten Plan fortgeführt. Da- den Polen zugeschanzte Gebiet ist bereit vollständig geräumt, es ift^u hoffen, daß auch die beim Vaterland gebliebemn Teile den unwillkommenen Besuch bi» zum 16. Juli losgewordcn sein werden.. stürmisch gefordert worden ist und das eine Art Au»-, gleich dafür schaffen soll, daß so zahlreich« Angehörige der Linksparteien wegen politischer Vergehen büßen, Iwährend ebenso schwere und noch schwerere Vergehen von Angehörigen der Rechtsparteien bisher ungesühnt geblieben sind. Die Demokraten haben bisher immer, wenn Amnestieforderungen auftauchten, den Standpunkt vertreten, daß der ohnehin schwache gegenwärtige Staat mit Amnestierung politischer Missetäter überaus sparsam umgehen müsse. Sie werden gegenüber dem vorlie genden Gesetzentwurf sorgfältig prüfen, wie wett dieser ihr grundsätzlicher Standpunkt im -gegenwärtigen Augen blick aufrecht erhalten werden kann. Während diese gesetzgeberischen Aufgaben alle Frak tionen lebhaft beschäftigen, wird zwischen den Regie rungsparteien jetzt die Frage der Erweiterung der Reg-ierungskoalition behandelt. Am gestrigen Mittwoch hat der Reichskanzler die Führer der drei Koalitionsparteien zu einer Besprechung ver Erweite- runpsfrage eingeläden.' Es ist dort von oen Mehrheits- so .ialdemokraten die Anfrage an die Demokraten und das Zentrum gestellt worden, wie sich beide zur Ein beziehung der U.S.P.D, in die Regierungskoalition stel len würden. Eine endgültige Antwort konnte um so weniger von beiden Parteien gegeben werden, als die- Bedingungen, unter denen die U.S.P.D. an der Regie rungsverantwortung teilnehmen will, im einzelnen iim - mer noch nicht festgelegt waren. Aber einheitlich wurde i von Zentrum und Demokraten die Gegenfrage aufgewor-l fen, wie sich im Fälle der Verbreiterung der Koalition l näch- links die MehrheitSsozialdemokrcrten gegenwärtig- zu einer Einbeziehung der Deutschen Volkspartei!j in die Regierung stellen würden. Natürlich konnte auch hier wieder keine abschließende Antwort gegeben weris den, zumäl mit der Deutschen Volkspartei über ihren etwaigen Eintritt in die Koalition noch garnicht ver handelt worden ist. Man konnte Mo lediglich eins starke!! Abneigung der Sozialdemokratie gegen die Heranziehung der Deutschen Volkspartei feststellen, die indessen natür lich nicht.verhindern kann, daß von den beiden bürger-! ... ... , ... lichen Parteien nunmehr ebenso ernsthaft der Versuch ge-j Reichsminister Tr.K öste'r'der' das Gesetz"miHner mach, wird, die Deutsche Volkspartei nach rechts hin zu kurzen Einführungsrede begleitete, erklärte ausdrücklich, gewinnen, wie die Sozialdemokratie sich bemüht, dies U.S.P.D. von links heranzuziehen. Eigentlich sollte die > Deutsche Volkspartei gar keine Einladung zu Verhand lungen über ihren Eintritt in die Regierung abwarten!, wenn sie die Möglichkeit einer Verstärkung per Regie-!! rung nach links hin vor sich steht. Außenpolitische und 'innenpolitische Gründe müßten sie aufs stärkste bewe gen, ihrerseits auf Mitregierung zu drängen, weil dip Zukinft des deutschen Volke» nicht in einer stark nach links gerichteten Regierung liegen kann, sondern nur! in einer auf breitester Mitt« aufgebaulen Reichs, lei.ung. an der das Bürgertum in weitestem Sinne Mit beteiligt lein mutz. - , . ! 7