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«r. LI«. Domrerst«g den LS. Mai LV07. W krlcheiitt tökltch «ach«, mit Ausnahme der 6onn> und ffesttaae. vezngSvrriS: Siiertelj I ^ »Nt ^ ivhnr «eltellqrld'. «ür Oester- reich 8 It vtt k. Bet a. a,Postanilalte» l.Zeitungspretsliste «r »i-K«. «ednttwn4^Svreitzstnn^^l^l«Nb-. UoadhSngigks Tageblatt sär Wahrheit, Recht»., > Inserate werden dte Ngespalt. PetttzeUe od. deren Raum mit 11»^. Reklame» nitt die geile berechn., bei Wiederli bedeut, iliadatr. «vuchdrulkcret, Stedaktion «nd Geschäftsstelle r Drekdr», Pillottzer «trabe 48. — Herniprecher I!r. IR». Für den Monat uni abonniert man auf die „Sächsische Balkszeitunz" mit der täglichen Roman- beilage sowie der wöchentlich erscheinenden Beilage „Feierabend" zum Preise van «« (,lM Seßellreld) Boten durch HauS ritz- Verständigung in der Pslenfrage. Aus parlaurentarischen Kreisen wird uns geschrieben: Nach unseren Informationen haben in der letzten Zeit allerlei Versuche eingesetzt, um eine Verständigung zwischen Zentrum nnd Polen herbeizuführen; es braucht nicht be sonders betont zu werden, daß eine solche Verständigung sehr erwünscht erscheint, ja, daß sie eine politische Nollvendigkeit wird. Anders ist es mit der Frage, ob eine solche Aussicht aiks Erfolg hat. Die Meinungen hierüber sind in beiden Lagern sehr get-nlt. Wir begrüßen es deshalb, daß das Zentrumsmitglied Graf von Oppersdorfs in der kürzlichen Tagung eine Rede gehalten hat, die uns als eine Grund lage zu einer Verständigung erscheint. Graf von Oppers dorfs ist auch Mitglied des Reichstages und gehört der Zen- trmnsfraktion an. Seine Ausführungen sind in Len Tagen der parlamentarischen Berichterstattung nicht entsprechend gewürdigt worden, so daß jetzt in der Ferienzeit ein näheres Eingehen auf diese doppelt angezeigt erscheint. Da ersckstüut an erster Stelle geboten, daß das Recht der Muttersprache im Religionsunterricht auf allen Seiten anerkannt wird; hierin besteht unseres Wissens volle Ein- niütigkeit zwischen beiden Parteien. Nur ganz moderne Pädagogen wollen dies nicht anerkennen. Der an Polnische Schulkinder erteilte deutsche Schulunterricht, zumal ein derartiger Religionsunterricht, ist eine in der Geschichte der Pädagogik ganz seltene Erscheinung. Ten so vorgehenden praktischen Pädagogen gegenüber hat aber die pädagogische Wissenschaft die Pflicht, zn reden, nnd das Recht, auch gehört zu werden, wenn auch in ihr selbst in mancher Hinsicht noch keine volle Einhelligkeit erreicht ist. Welche leitenden Gesichtspunkte gibt sie uns an die .Hand? Hier finden sich alle führenden Geister in voller Eintracht zusammen mit Commenius. Pestalozzi und Her bart. Commenius baut sein ganzes System auf die Pflege der Muttersprache. So hat er das Lateinische bewertet, so ist sein Trachten, die Jugend ihm nur allmählich entgegen- zuführen, die fremde Sprache in das an der Muttersprache erwachte Sprechbewußtsein sorgfältig einzupflanzen. Das Verfahren des Mittelalters, aus der lateinischen Gramma tik Latein zu lehren, tadelt er als ein Lehren des is?notnm t-ar ignntrim auf das strengste. Eine Commenius-Gesell- schaft wurde Ende des vorigen Jahrhunderts iir Preußen begründet. Wer ihr anhängt, kann jene Ansichten ihres Meisters unmöglich in das Gegenteil Verkehren. Pestalozzis Hauptverdienst ist, der Volksschule Imma- uiora zugesprochen zu haben, wie sie das Gymnasium an des alten Sprachen besitzt, und die er für das Volk in der Volkssprache findet. Tie schweizerische Mehrsprachigkeit »var seinen Bestrebungen in keiner Weise hinderlich. Das Prinzip ist: Einleben und sukzessives Begreifen des Baues -er Muttersprache und Vorschieben des Sprachkönnens von da aus in die fremde Sprache. Unter der Einwirkung die ser richtigen Einsicht steht die ganze Methodik des Sprach unterrichts, sogar des klassischen, und jedem Schnlmanne müßte sich daä wissenschaftliche nnd pädagogische Gewissen regen, »venu es hinter diese Linie zurückgehen soll. Herbart endlich legt ein Hauptgewicht auf die Sub- struktion des Unterrichts, auf die Bereicherung, Erv-cite- rung des Unterrichts in Erfahrung und Umgang. Sein Augenmerk ist darauf gerichtet, »ins der Zögling dem Unter richtsstoffe entgegenbringt, und die analytische Bearbeitung davon ist ein Hauptaugenmerk der Herbartianer, ebenso das Zusammenarbeiten von Haus nnd Schule zur Bildung eines einheitlichen Gedankenkreises. Das Ueberspringen der Mirttersprache. das Hineinzwingen des kindlichen Geistes in ein fremdes Element, kann kein Herbartianer guthcißen und der Hauptvertreter dieser Richtung. Herr Professor Dr. Rein in Jena, hat sich auch in diesem Sinne ausgesprochen. Der Kampf um die Schicke ist schließlich in der Schule selbst ausgebrochen. Es erhebt sich die Frage — und sie ist auch im anderen Hause eingehend erörtert worden —: Ist der Schulstreik einzig durch politische Agitation, wie Fürst Bülow sagte: „zur Auffrischung der Gefühle", hervorgerufen Norden? Das stimmt nicht in dem Umfange, wie im Ab geordnetenhause behauptet »vorbei» ist. Es gibt andere Faktoren. Vor ungefähr vier Wochen- hielt der frühere Oberbürgermeister von Posen, Gehennrat Wittig, im Ber liner nat.-lib. Verein einen Vortrag über das Ostrnarken- Problein. Er verlangte für die Regierung und für die Be- urteilung der Ostmarken mehr praktische, mehr angewandte Psychologie. Es ist nicht uninteressant, unter diesem Ge sichtspunkte einmal die Geschichte der polnischen Bevölkerung iin letzten Jahrhundert zu überblicken. Auf die tief erreg ten Generationen, welche die drei Teilungen Polens durch lebten, folgte ein Menschenalter, das die napoleonischen Kriege sah, eine Epoche, die ganz Europa erschütterte. Dann kamen die Geschlechter, welche die drei polnischen Aufstände erblickten: die Revolution vom Jahre 1831, die nur auf Rußland beschränkt war, die Revolution von 1848, das tolle Jahr, und endlich die Revolution von 1863, die sich wieder nur auf Rußland beschränkte, aber die gemeinsame Sprache ließ immer und natürlicherweise auch die Ereig nisse jenseits der Grenze diesseits tief Mitempfinden. Tann kam der Kulturkampf, der gerade in den Ostmarken die Ge müter gewaltig beivegte; und endlich folgte im Jahre 1880 die heutige Polenpolitik, die bis zum lMitigen Tage an dauernde Entwickelung des Nassenl)asses zwischen Deutschen und Polen. Die Eltern der jungen Generation, die heute streikt, gingen in den 70er und 80er Jahren in die Schule, sahen die Kämpfe, die damals uni Schule und Kirche ge führt wurden. Damals wie heute litt die Autorität, da- mals wie heute litt die „Ehrfurcht", die auch Goethe schon vor 100 Jahren an der Jugend seiner Zeit vermißte. Vor den Augen der Kinder bekämpfen sich Staat und Kirche. Wir bedauern den Schulstreik tief, seine Kinder zum Schul streik anhalten heißt, objektiv genommen, so viel wie seine Kinder opfern. Das ist ein verzweifeltes Mittel. Die Re gierung ist in einer ernsten Lage: sie muß ihre Autorität außer Gefahr bringen. Wenn man einmal fragt: Warum wird eigentlich die polnische Unterrichtssprache nicht in wei- lerem Umfang in den Schulen benützt, »varmn wird insbe sondere nicht polnischer Schreib- und Leseunterricht, der dock) bis 1873 und in den Zeiten des Grafen Caprivi erteilt »vcr- den durste, der Bevölkerung geNxihrt? — so erfährt man zwei Gründe. Der eine Grund heißt Lehrermangel, und darüber ließe sich reden; der andere ist ein politischer Grund. Man will, wie man sagt, der „großpolnischen Agi tation" nicht nachgeben. Das Ziel derselben soll sein die Wiederherstellung eiires großen polnischen Rache- und Er- oüerungsstaates, eines rein nationalen Polenreiches, das möglichst viele Landesteile benachbarter Reiche annektieren will von Meer zu Meer. Ist dieses Ziel überhaupt erreich bar und möglich? Schon im Jahre 1867 hat Fürst Bis marck in einer großen Rede im Norddeutschen Reichstage sich dazu geäußert: „Der Gedanke der Wiederherstellung der Republik Polen in den Grenzen von 1772 — ich will nicht weiter znrückgreifen — diesen Gedanken braucht man nur auszudenkcn, um sich von seiner Unaussührbarkeit zu überzeugen. Er ist eine Unmöglichkeit, aus dem einfachen Grunde, weil es dazu nicht genug Polen gibt." Und dann weiter: „Zählen Sie diese alle zusammen (nur diejenigen aber, die kompakt genug wohnen, um ein Gemeinwesen zu bilden und die bei sich zn Hause doch wenigstens in der Ma jorität sind), dann bekommen Sie, wenn ich mich nicht irre, (U/ö Millionen Polen heraus — es Nxir im Jahre 1867. als Fürst Bismarck das sagte — und im Namen dieser 6s/. Millionen Polen fordern sie die Herrschaft über 24 Mil lionen zurück." Weiter sagte Bismarck: „Das ganze ver schwindet in Utopie, namentlich wenn man zur Verwirk lichung der Utopie darauf ansgeheik muß, zunächst drei große Reiche zu zerstören: Oesterreich, Preußen und Ruß land, drei unter den fünf oder sechs europäischen Groß mächten in die Lust zu sprengen, um auf den Trümmern derselben eine neue phantastische Herrschaft von 6 Mil lionen Polen über 18 Millionen Nichtpolen zu begründen." Zu ganz demselben Ergebnis kommt der Militärschrift steiler Generalleutnant von Liebert, der im Jahre 1882 unter dem Namen Sarmatikus eine militärgeographische Studie über den polnischen Kriegsschauplatz veröffentlichte. In dieser Studie heißt es auf Seite >04: „Ein modernes polnisches Reich in seinen mittelalterlichen Grenzen ist ein? Utopie, die sich schon durch Aufzählung folgender statisti scher Daten als haltlos ergibt: im ehemaligen Königreich Polen wohnen jetzt nach Eckert etwa 28 Millionen. Davon sind 8,0 Millionen Polen, 8,8 Millionen Russen, 3,6 Mil lionen Deutsche, 2.1 Millionen Littauer und 2,3 Millionen Juden und 200 000 verschiedener Nationalität." Ein groß- polnisches Reich, ein nationalpolnisches Gebilde, das als Racke- und Eroberungsstaat so oit als Ziel der großpolni schen Agitation ernsthaft angegeben wird, ist eine Utopie. Einem jeden Preußen und Deutschen muß es schmerzlich sein, zu sehen, wie die Negierung seines Vaterlandes, eines mächtigen Landes von 60 Millionen, sich gegenüber 3ich Millionen Polen in Verlegenheit befindet, von denen Herr von Gerlach zutreffend sagte, das; sie wohl eine Unbequem lichkeit. aber keine Gefahr für das Vaterland bilden kön nen. Wir sehen auf der anderen Seite das Polentum Heu- tigentages zusammenstehen wie noch nie. so geschlossen, so verärgert und so gestärkt. Tic Frage, wie das weiter- gehen wird, ob sich der Rassenhaß aus dem Fortissimo in ein Furioso entwickeln wird, ist mehr als interessant. So weit die wesentlichen Ausführungen des Grasen von Oppersdorfs. Wir meinen, daß diese da? Fundament für eine Verständigung bilden könnten. Möge es auf allen Seiten beachtet werden, so muß sich eine Verständigung, auch in den Reihen der Regierung, finden lassen. In erster Linie aber müssen die polnischen Blätter die Angriffe gegen den Klerus einstellen und sich lot)al zinn Zentrum stellen. Die unglücklich Preßfehde hat am meisten zur Erbitterung beigctragen. Zehnter Delegiertentag des Verbandes der kath. Arbeiter-Vereine (Sitz Berlin). fK Berlin, den 21. Mai 1!X>7. Die vom Verband arrangierte übliche Begrüßungs feier zu Ehren der erschienenen Delegierten und Präsides fand abends im Leohospiz, Rüdersdorfer Straße statt. Der große Saal war dickst besetzt, die Galerien waren von der Damemoelt gefüllt. Herr Lizentiat Fo u r n e l l e begrüßle die Erschienenen, besonders die Gäste, darunter den bischöflichen Delegaten Herrn Prälaten Kleineidam- Berlin, Bischöflichen Kommissarius Osburg-Heiligenstadt und andere. Freudig begrüßt, ergriff nach einem Vortrag der Gcsangsabteilung des Vereins von St. Joseph-Moabit Herr Prälat Klein ei dam das Wort. Er gab seiner Freude Ausdruck über die überaus schöne stattliche Ver sammlung und die Einigkeit der katholischen Arbeiter, welche hier so trefflich zum Ausdruck komme. Redner versicherte die Arbeiter seiner steten Sympathie. Er betonte es als gutes Zeick>en, daß die Delegierten in der Pfingstwoche. also unter dem Zeichen des heiligen Geistes, tagten. Mit dem Geiste der Kraft möge man mutvoll die Bestrebungen der katholischen Arbeitervereine fördern. Vor allein möge der Geist der Einigkeit vorhanden sein. Seid einig, drei mal einig, das ist für uns Katholiken besonders notwendig. Aber auch die ertvärmende Liebe dürfe nicht vergessen »mü den, die bei Meinungsverschiedenheiten versöhne. Unter dem Geiste der Wärme, Liebe, Kraft und Einigkeit möchten die Verhandlungen den katholischen Arbeitern segensreiche Früchte bringen. Nachdem der Beifall sich gelegt lullte, nahm auch der bischöfliche Kommissarius Osburg Veranlassung zn einer Ansprache, worin er in humorvollen Wendungen die Oe- ganisat ionsfragen. Sorgen, Erfolge und Aussichtei» streifte. Das Fundament sei gut gelegt, möge man also ruhig sort- bauen, und selbst Fehler sollten uns Grund sein, es bald besser zu machen. Die sckiöne Versammlung gab ihm Anlaß, zu erklären, daß die oft besprochene Frage, »veshalb inan in Berlin keine Katbölikenversammlung abhalten würde, beute gelöst sei, da die Katholikenversammlung heute abend eigentlich schon fertig sei. In» Anschlüsse an das Wort, daß die kirchliche Autorität der Maßstab unseres Wirkens sei, erinnerte er an das Wort des Fürstbischofs von Breslau: „Ich will, daß alle katholischen Arbeiter in Arbeitervereinen ihr Unterkommen finden." Uns eins wissend mit den Be strebungen der lirchlickum Autorität, seien »vir aber auch einig mit unserem Kaiser, der sich und sein Volk unter das Kreuz gestellt habe. In das Hoch aus die obersten Autori täten Kaiser nnd Papst stimmte die Versammlung stür misch ein. In bunter Abwechselung folgten nun die Begrüßungs ansprachen der Delegierten ans den verschiedenen Bezirken. Den Aitfang machte Arbeitersekretär Koßmann aus Neun kirchen (Saar). Er gab der Trauer des Saarbezirkes Aus druck über die schvereu Heimsuchungen der Arbeiter durch die Grnbenkatastropheu von Reden, Klein-Nosseln und Grube Gerhard und dankte den Kameraden aus dem Reiche für die Teilnahme und materielle Unterstützung: anderer seits gab er auch der Freude Ausdruck über die großen Fort schritte der Verbandssache im Saarrevier, für die in Neun- kircheu schon das zweite Arbeitersekretariat notnxmdig wurde. Psarrer Doiwan aus Tetingen kLuremburg), entledigte sich des ihm erteilten Auftrages von seinen» Bischof, welcher den. katholischen Arbeitern im Berliner Verband seine höchste Sympathie ausspreche. Die Delegierte» Globisch-Langenbielau und Strauch- Dchlegel gedachten des schönen Erfolges durch die Wahl des Verbaudssekretärs Dr. Fleischer in den Reichstag. Musiol Köuigshütte svracb mit Ueberzeuguug über den Kamps und Sieg des Kreuzes und hielt auch eine packende polnische Ansprache. Beifall fanden auch die Ansprachen der Delegierten Jonsli Erfurt. Heutrisch-Bernburg. Boosen- beck-Kreuznacb, Holz Metti ich «Hochwald», Schraden' Stettin. Knschinsky-AIlensieiu. Micke-Katschbacb. Frau Bacbmann- Jena (für den Verband erwerbtätiger Frauen». Klavw'r aus La Madelaiue. französische Grenze, hielt im besonderen Auftrag der französischen .Kameraden eine französische An sprache. Nachdem noch der Diözesaupräses, Pfarrer Stein ans Trier, gesprochen, nahm der Präses des Arbeitervereins St. Pius, in dessen Bezirke die Festversammlnng tagte, das Wort, um einen Vergleich zu ziehen zwischen dem Geiste der schwarzen und roten Arbeiterzentrale in der Reichs- banptstadt. Nach Vorsübrung einiger linematoai'apbiscker Bilder zur Unterhaltung mußte der Generalsekretär mit warmen Worten des Dankes die anregend und schm ver laufene Festversammlnng bei vorgeschrittener Zeit schießen, obgleich noch eine Reibe Redner sich gemeldet batten, die gern ihrer Begeisterung Ausdruck gegeben hätten. PolittsiLe Ntkridschar» Dre«nen. den 22 Ina?. — Gouverneur v. Lindeyuist ist zmn Unterstaats sekretär im Kolonialamt und Geheimer Legationkr t v Sch»ckmann zum Gouverneur von Deutsch Südwestafrika ernannt worden. ff -