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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.11.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-11-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18981101028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898110102
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898110102
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-11
- Tag 1898-11-01
-
Monat
1898-11
-
Jahr
1898
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Im Namen der deutschen katholischen Anstalten Palästina« hat Pater Biever die deutsche Schutzherrlichkrit über diese Anstalten und über die einzelnen Katholiken mit einer Wärme gefeiert, die nach dem vielbesprochenen Briefe «des Papstes an den Cardinal Langönieux und nach der Ansprache des Papstes an die französischen Pilger die Absicht erkennen läßt, die römische Curie zu überzeugen, daß es ein grober Jrrthum sein würde, wenn sie annchmen wollte, Deutsche, welcher Confession sie auch angehören, würden heute noch Schutz bei den Vertretern der französischen Staatsgewalt suchen. Einen nicht minder deutlichen Wink an dieselbe Adresse enthält die Antwort des Kaisers, die «ein für alle Mal" feststellt, daß auch in Palästina die deutschen Unterthanen katholischen Bekenntnisses unter dem Schutze des Reiches stehen. Die rasche Ernennung eines Nachfolgers für den abberufenen preußischen Gesandten beim päpstlichen Stuhle v. Bülow kann nach diesen Worte» dcS Kaisers nicht mehr als eine Unterwerfung unter die vaticauischen An schauungen gedeutet werden; Herr v. Notenban wird über die Protcctvratsfrage mit der vaticauischen Diplomatie sich nicht mehr anseinanderzusetzen haben; diese Frage ist durch die Ansprache des Vertreters der deutschen katholischen Anstalten und die Antwort deS Kaisers thatsächlich gelöst. Und wenn der franzosenfreundliche Cardiual-Staatssecretair durch diese Lösung sich peinlich berührt fühlt, so ist ihm andererseits durch den Kaiser eine Dankespflicht auserlegt worden durch das kaiserliche Geschenk der „vormitiou da la Saints Viergo" an den Palästina-Verein der Katholiken Deutschlands; eine Dankespflicht, die in noch größerem Maße den deutschen Katholiken obliegt. Ueber die Bedeutung dieses Geschenkes schreibt die „Köln. Ztg": „Eine Reihe der wichtigsten Stätte» der Erinnerung an den Stifter der christlichen Religion ist theils im Besitz der Mohamedaner und damit für voraussichtlich noch viele Jahre für die christlichen Confcssionen verloren, so der Abendmahlssaal und der Fußwaschungs« saal im Gebäude Neby Daud auf dem Berge Zion, in dessen unterstem Stocke das Grab David's sich befinden soll und von den Mohame- danern als eines ihrer höchsten Heiligthümer verehrt wird; theils sind sie, wie die beiden wichtigsten heiligen Stätten, die Geburts stätte und das Grab Christi, schon lange im gemeinsamen, aber viel umstrittenen Besitz der verschiedenen christlichen Confessioucn. Wie wenig erfreulich diese Zustände gemeinsamen Besitzes sind, das haben alljährlich zahlreiche, zum Theil blutige Fehden unter den Geistlichen, Klosterbrüdern und Confessionsgenossen um das Vorrecht des Zutritts bewiesen. So ist begreiflich, daß die einzelnen Con- sessionen und Nationalitäten in den letzten Jahrzehnten Alles auf geboten haben, um in den ausschließlichen und gesicherten Besitz einer solchen heiligen Erinnerungsstätte zu gelange». Ein bevor- zugter Gegenstand dieses Strebens war bisher das geräumige, süd- lich des Zionsthores und in der Nähe des Bahnhofes gelegene Grundstück Said Wahbe, aus dem einst das Sterbehaus der Mutter Gotte- gestanden haben soll. Es war zum Theil in Privat besitz (Mülk), zum Theil Wakuf (Lehngut). Wiederholt waren von verschiedenen Seiten hohe Kaufgesuche gemacht worden, wiederholt schien auch der Kaufabschluß fertig; er wurde aber immer wieder durch die Geltendmachung religiöser mohamedanischer Bedenken vereitelt. Auch der „Deutsche Verein vom heiligen Lande", dessen Vorsitzender der Landrath z.D. Janssen zu Burtscheid-Aachen, der Vorsitzende des Provinzial-Ausschusses der Rheinprovinz, ist und dessen Mitgliederzahl viele Tausende in allen deutschen Gauen er reicht, hat sich die Erwerbung dieses Grundstückes zur besonderen Aufgabe gemacht; er hatte bereits eine hohe Summe zum gelegen», lichen Erwerbe desselben mit der Absicht gesammelt, später aus diesem Grundstücke eine stattliche deutsche katholische Kirche zu er- baue». Aber alle seine Kaufbemühungen sind bisher vergeblich ge wesen. Jetzt hat kein Geringerer als Kaiser Wilhelm die Er werbung in die Hand genommen, und ihm ist cs gelungen, bei seinem jüngsten Aufenthalt in Konstantinopel alle Schwierigkeiten zu überwinden und das Grundstück dem Palästina-Verein zur Errichtung einer deutschen katholischen Kirche zur Verfügung zu stellen. Dieses kaiserliche Eintreten hat der Verein nicht zum Mindesten seiner bisherigen reichen und erfolggekrönte» Wirksamkeit zu verdanken. Obwohl erst im Jahre 1884 errichtet, hat er Loch bereits so reiche Geldquellen eröffnet, daß sie an verschiedenen Stellen des heiligen Landes eine erfreuliche Befruchtung der Cultur ausgeübt haben. Tie kaiserliche Schenkung wird sicherlich dem „Deutschen Verein vom heiligen Lande" die Erreichung seiner religiösen und kulturellen Aufgabe wesentlich erleichtern. Denn das Eintreten des deutschen Kaisers für ihn, das außergewöhnliche und mit aufrichtiger Dank- barkejt zu begrüßende Entgegenkommen des Sultans muß gerade nach den schweren Verdächtigungen, denen vor Monaten die Kaiser- reise von deutschfeindlicher Seite ausgesetzt war, ganz besonders dazu beitragen, das Ansehen Les Vereins, wie überhaupt Les deutschen Namens im gelobten Lande zu fördern und zu kräftigen.... Aber auch angesichts der ewigen unberechtigten Klagen und Be schwerden eines TheileS der Ultramontanen über die häufige Ver letzung der Parität in Preußen zu Ungunsten der Katholiken muß auch hier mit allem Nachdruck darauf hingewiesen werde», wie sehr dieses freiwillige kaiserliche Geschenk die Unbegründetheit solcher Klagen abermals beweist. Selbst wenn die ganze Kaiserreise ohne eine solche kaiserliche Aufmerksamkeit für die deutschen Katholiken verlaufe» wäre, so hätten diese nicht den geringsten Anlaß zur Beschwerde gehabt, denn sie konnten dem deutschen Kaiser unmöglich das Recht streitig machen, als aufrichtig gläubiger protestantischer Christ der feier- lichen Einweihung einer protestantischen Kirche an besonders geweihtem Platz in Jerusalem mit allem Pompe eines der mäch tigsten Fürsten beizuwohnen. Auch für sie mußte die große nationale Bedeutung einer solchen Feier im Vordergründe bleiben. Daß aber der Kaiser ans freien Stücken auch bei dieser Gelegenheit seiner katholischen Unterthanen öffentlich gedacht und ihnen ein besonders liebenswürdiges Zeichen seines großen Wohlwollens gegeben hat, daS erhebt diese nationale That gleichzeitig zu einem Denkmal offen kundiger Parität, die von allen unbefangenen Katholiken in ihrem vollen Werthe auch sicherlich gerne gewürdigt werden wird." WelchePflichten die Centrumsfra ctionen im Reiche und den Einzelstaaten für sich aus vem kaiserlichen Geschenke her leiten, wird man ja bald nach der Eröffnung des Reichstags und des preußischen Landtags erfahren. In dem neuen preußischen Abgeordnetenhause will die Centrumspartei, wie es scheint, die Frage zur Entscheidung bringen, ob ein Mitglied deS Rcichögcrtchtö des Urlaubs zum Eintritt in dieses Haus bedarf. Herr Reichsgerichtsrath Spahn hatte bekanntlich dem Aachener „Echo der Gegenwart" zufolge erklärt, daß er ein Mandat für das Abgeordnetenhaus nicht mehr annehmcn könne, da ihm von seiner Behörde der Urlaub zur Vertretung des Landtagsmandats verweigert worden sei. Gleich nach seiner Ernennung zum Reichsgerichtsrath wurden Zweifel darüber laut, ob er künftig überhaupt eine parlamentarische Thätig- leit werde ausüben können, da eine Stellvertretung der Mit glieder des Reichsgerichts durch Hilfsrichter gesetzlich nicht zulässig und bei der Ueberbürdung des höchsten Gerichtshofes die Vertretung durch ReichSgerichtSräthe nicht thunlich sei. Die Neichsverfassung enthalt aber die Bestimmung, daß Beamte zum Eintritt in den Reichstag keines Urlaubes be dürfen, es konnte daher Herrn Spahn, sobald er auf der Annahme eines Reichstagsmandates bestand, der Urlaub nicht vorenthalten werden. Nun handelt es sich aber um ein preußisches Landtagsmandat. Allerdings bedarf auch nach der preußischen Verfassung ein Beamter keines Urlaubes für den Eintritt in die Kammer; indessen ist wohl die von der „Nat.-Ztg." anläßlich dieses Falles angedeutete Deduktion nicht ungerechtfertigt, daß diese Bestimmung der preußi schen Verfassung, welche sich bei ihrem Erlaß nur auf preußische Beamte beziehen konnte, den Präsidenten des Reichsgerichtes nicht nothige, einem Reichsbeamten die Aus übung eine« preußischen Landtagsmandats zu gestatten. Jedenfalls läge es nickt im Interesse des rechlsuchendeu Pziblicums, wenn ein Mitglied deS Reichsgerichts bei der großen Arbeitslast dieser Behörde sich den größten Theil des Jahres — vom Herbst bis zum Hochsommer — von den Geschäften seines Amtes völlig fernhalten würde. Die CentrumSpartei scheint nun, wie gesagt, im Abgeordneten bause eine Entscheidung herbeisühren zu wollen, denn aus Aachen wird berichtet, daS dortige CentrumScomitv halte a» der Candidatur Spahn fest. Der Pariser Caffatioushof wird wahrscheinlich am Donnerstag die Untersuchungscommission für die Dreyfus- Angelegenheit ernennen. Die Enquete, welche dieselbe ver anstalten soll, kann zu drei Lösungen führen: 1) der Caffa- tionShof erachtet, die Schuld DreyfuS' sei erwiesen, und verwirft das Revisionsgesuch, in welchem Falle DreyfuS endgiltig verurtheilt bliebe; 2) der Cassationshof erachtet, der Justizirrtum sei wahrscheinlich, aber nicht sicher, und dann würde DreyfuS vor ein neues Kriegsgericht verwiesen, 3) der Cassationshof erachtet, daß kein Verrath rorliegt, oder daß der Verrath von einem Anderen verübt wurde oder daß DreyfuS unschuldig ist, und dann erfolgt die sofortige Frei sprechung ohne Verweisung vor ein anderes Kriegsgericht. Kommt die Angelegenheit nochmals vor das Forum eines Kriegsgerichts, so könnte dieses seinem Urtheil doch nur das Material zu Grunde legen, das der Cassativnshof ihm zu weist. Es verlautete gestern in den Wandelgängen deS Pariser Justizpalastes, zwei Räthe des CassationShofeS hätten sich in dasKricgSministcrium begeben,umKenntnißvondem „ultra ge he i m e n " D o s s i e r zu nehmen. Lockroy dürfte aberSchwierigkeiten machen, das Aktenstück herauszugeben und nur die Durchsicht gewisser Theile desselben gestatte». Sobald daS neue Ministe rium endgiltig constituirt ist, wird das Verlangen nochmals gestellt werde». Die Entscheidung steht zunächst dem Justiz minister in Gemeinschaft mit dem KriegSminister zu. Kann eine Einigung nickt erzielt werden, so entscheidet der Minister rath, der sich nach der einmüthigen Annahme der die Supre matie der Civilgewalt über die Militairgewalt ausspreckeuden Tagesordnung Ribot durch die Kammer nur auf dir Seite des CassationShofeS stellen könnte. Wie verlautet, stellte der in Aussicht genommene neue KriegSminister Freycinet als Bedingung seines Eintrittes in daS Ministerium Dupuy, daß ihm in der Maßregelung der Generale, die in der Dreyfus- sache ihre Pflicht verletzten, freie Hand gelassen werde. Weiter forderte Freycinet, daß die Regierung die Action des CassationShofeS iu keiner Weis« hindere. Da der CassationS- hof nach den Grundsätzen der civilen Justiz verfährt, ist an- zunehmen, daß er nachholt, was da« Kriegsgericht versäumte, nämlich DreyfuS und seinem Vertheidiger sämmtliche be lastenden Stücke, über die wir an anderer Stelle Genaueres mittheilen, vorzulegen. Alsdann ist unvermeidlich, daß DreyfuS zurückkehrt, wenn auch formell als Verurtheilter und Gefangener. Eine große e«gltsche Tchiff»-«m«»stration in der Aaschovaangelcgcitheit soll, wie Londoner Blätter überein stimmend berichten und wie schon im heutigen Morgenblatt kurz mitgetheilt wurde, im Werke sei». Wir erhalten hierzu noch folgende Meldung: * Lsntzon, 31. October. Wie das „Reuter'sche Bureau" berichtet, herrscht, Meldungen auS Devoaport, Plymouth und Portsmouth zufolge, daselbst größte Rührigkeit. Die dortigen Kriegsschiffe werden in Seebereitschaft gebracht und nehmen Kohlenvorräthe und Kriegsmaterial ein. Auch Maooschasten werden an Bord gesandt uud die Beurlaubung der Artilleristen wurde ein gestellt. „Pall Mall Gazette" sagt, sie sei iu der Lage, zu rrNären, Laß Vorkehrungen getroffen wurden zur Einberufung der Reserven uud Mobilisirung der Freiwilligen, sowie zur Bildung großer Lager von Regulären, Miliz uud Freiwilligen. Jusanterie iu der Nähe verschiedener wichtiger Eiseubahnkooten- puncte. Jo Cardiff bestellte die englische Regieruog 106 000 Tonnen der besten Kohle, die zwischen jetzt und dem Juni nächsten Jahres zu liefern sind. Daß diese Kriegsvorbereitungen mit der Faschodafrage w Beziehung stehen, bedarf kaum noch der Versicherung. Wir haben den englisch-französischen Conflict von vornherein sehr ernst genommen uud sind deshalb von ter neuen Wendung nicht überrascht. Die Regelung der Sache ist heute weiter entfernt denn je. Die „Times" melden auS Paris, Frankreich werde zwar Faschoda bald räumen, da eS sich dieses eine» PuncteS wegen mit England nicht Überwerfen wolle, nachdem eS das fünfzehn Jahre hindurch wegen Egyptens nicht gethan habe, eS werde aber jede Verhandlung über die Abgrenzung der beiderseitigen Gebiete jetzt ablehnen, sich die ganze egyp tische Frage, di« nicht nur Frank reich, sondern auch das übrige Europa angeht, Vorbehalten und mit der Wiedereröffnung dieser Frage warten, bis es in der Lage sei, nicht länger auf «inen Monolog be schränkt zu sein. Vielleicht ist eS gerade der Hinweis auf die egyptischc Frage, welcher England zu rascherem Handeln treibt. ÄuS Paris wurde dieser Tage berichtet und i» den Londoner Blättern ohne Commeotar weiterverbreitet, England beabsichtige, das Protectorat über Egypten zu pro- Fanilletoii. Die kleine Lulu. 25j Seeroman von Clark Russell. Nachdruck vtrdokn. Nach dem achten Tage ließ der günstige Wind, welcher uns die herrliche Fahrt von 1628 Meilen hatte machen lassen, langsam nach. Um zehn Uhr Morgens fing er an abzunehmen, und um fünf Uhr Nachmittags war die See so glatt wie Seide und kein Lüftchen kräuselte ihre Oberfläche. Windstillen dauern in diesen Gewässern in der Regel nur so kurze Zeit, daß djr See nicht Zeit hat, ruhig zu werden. Wir lagen deshalb schlingernd auf einer glasigen Dünung, welche um den ganzen Horizont Berge aufthürmte; das Schiff gehorchte weder Steuer noch Segeln; es war nicht möglich, auch nur einen Schritt aufrecht zu gehen, ohne sich anzuhalten. Wie eine Schaukel wurde die Brigg von einer Seite auf die andere ge worfen, so daß bald auf Steuerbord, bald auf Backbord die unteren Raanockcn beinahe in die See tauchten und das Wasser bis in die Höhe der oberen Schanzkleidung spülte. Ueber uns wölbte sich ein stahkfarbiger Himmel und im Süden lag eine unbewegliche Nebelbank fest und niedrig auf dem Wasser. Da ich fand, daß der Barometer fiel und ich der Windstille so mißtraute wie einer zum Sprung geduckten Tigerkatze, ließ ich alle Segel einnehmen bis auf das einfach gereffte Briggsegel. Ich hatte Ursache, mir zu meiner Vorsicht zu gratuliren, denn kurz vor acht Uhr begann es von Nordwesten her zu blasen, und in unglaublich kurzer Zeit wuchs die mäßige Brise zu einem heftigcn Sturm cm, in welchem di« Brigg schwer arbeitete. Wir kämpften mühsam unter dem dicht gerefften Brigg- und Fock-Segel, mehr Leinwand hätte die Brigg nicht zu tragen ver mocht. Schwere Wolken trieb der Sturm herauf, die uns ab wechselnd mit Hagel- und Regenschauern überschütteten; dann und wann zuckten heftige Blitze. Doch die Gewalt des Sturmes gewann die Herrschaft über die südliche Dünung und di« großen nordwestlichen Roller traten in ihr Recht. Dies gab uns wieder sicheren Halt und gute Fahrt. Ich hatte Kissen Grund, zu klagen. Um elf Uhr ging die Mannschaft nach unten, um die Kleider zu wechseln, und die Freiwache gleichzeitig, um zu schlafen. Zwei Mann waren auf dem Ausguck, Banyard hatte die Auf sicht. In gewissem Sinne war mir die» schlechte Wetter günstig; es hielt nicht nur die Leute ruhig, sondern gab ihnen auch immer mehr Verständniß für meine Unentbehrlichkeit. Hätte ich mich geweigert, die Brigg zu führen, so war kein Mann an Bord, der zwölf Stunden nach Niederlegung meines Amtes gewußt hätte, ob die Brigg den richtigen Curs steuere. Müde und total durchnäßt, verließ auch ich nunmehr das Deck; ich freute mich auf einen Schluck Brandy. Im Vorbei gehen an Miß Franklin's Cajüt« sah ich nach der Thür, die ich noch nicht verschlossen hatte, weil ich von Deck nicht hatte ab kommen können; dabei bemerkte ich, daß die Thür nur angelehnt war und je nach der Bewegung des Schiffes, ohne Geräusch zu machen, hin- und herschaukelte. Dies fiel mir auf, und zwar um so mehr, als es in der Cajüte dunkel war. Ich war im Begriff, die Thür zu schließen, zündete aber, weil mich auf einmal «in Gefühl der Unruhe be schlich, erst die Lampe an, um zu sehen, ob Alles in Ordnung sei, eh« ich den Schlüssel umdrehte. Ihre Schlummerstätte war mir ein geheiligter Ort, und nur die mich überwältigende Angst, daß irgend eine Gefahr in ihrer Nähe lauern könnte, besiegte meinen Scrupel, in ihr Gemach hinrinzusehen. Die Lampe hoch haltend, trat ich in die geöffnet« Thür und rief leise ihren Namen. Sie antwortete nicht. Noch einen Schritt vortretend, sah ich sie fest eingeschlafen, ihr holdes Gesicht im Traume lächelnd, ihr starkes, dunkles Haar, theilweis« aufgesteckt, theilweise lose vom Kopfkissen herabhängend. Es lag etwas unendlich Rührendes in ihrem friedlichen Schlaf. Mir war, als ob ihre geschlossenen Augen und ihr un bewußtes, sanftrs Lächeln sagen wollten, daß sie unter meinem Schutz ja ruhig schlafen könne. In tiefem Schlummer lag sie da, während alles Holzwerk unter den heftigen Bewegungen des Schiffes ächzte und knarrte und der Anprall der mächtigen Wogen dicht unter und neben ihr donnerte. Ich erhob dis Lampe über meinen Kopf, erblickte einen Schatten hinter dem Armstuhl in der Ecke der Cajüte, der mir dunkler erschien, als der Stuhl ihn werfen tonnte, schlich näher und in der nächsten Secunde faßte meine rechte Hand nach Deacon's Kehle. Sein Anblick an diesem Ort verlieh meinem Arm die Kraft eines Riesen. Nur «inen erstickten Ton ließ er hören, als ich ihn herausschleppte, sprechen konnte er nicht» denn wie ein Schraubstock lag sein Hals zwischen meinen Fingern. Ich sah nach Miß Franklin, — sie rührte sich nicht. Die große Cajüte betretend, schleifte ich meine Last erst bis zum Tisch, um die Lampe aus der Hand setzen zu können, dann wieder zurück bis zur Thür d«r LapitainS-Cajüte, und nun erst, nachdem ich dies« verlassen hatte, ließ ich den Schuft los. Er fiel glatt auf den Boden zu meinen Füßen. Ich zitterte am ganzen Leibe. Der Zorn machte mich bei nahe wahnsinnig. Meine Wuth war so groß, daß, hätte sich der Kerl gerührt, ich ihn noch einmal gewürgt und nicht losgelaffcn haben würde, bis er eine Leiche gewesen wäre. Mit Kistenschnürcn, die ich mir schnell aus meiner Cajüte geholt hatte, band ich ihm nun Arme und Beine. Darauf trug ich den leblosen Körper in seine eigene Koje und goß ihm einen halben Eimer Wasser über das Gesicht. So ließ ich ihn liegen, verschloß die Thür und ging, um Banyard zuzurufen: „Ich werde heute Nacht für Deacon Wache halten. Wecken Sie mich, wenn cs an der Zeit ist." Er stellte keine Frage. Noch einmal ging ich an Miß Franklin's Thür, um mich zu überzeugen, daß sie fest verschlossen sei; dann untersuchte ich meinen Revolver, ehe ich ihn unter mein Kopfkissen schob, warf mich auf mein Lager und schlief vor Ueberanstrengung und Ermüdung bald ein. Als die Leute am nächsten Morgen bei ihrem Frühstück saßen, befahl ich dem Koch, sie zu mir zu schicken, da ich ihnen etwas Besonderes zu sagen hätte. Sie kamen eilig, denn sie waren neugierig, zu erfahren, was dies sein könne, und ließen ihre Augen argwöhnisch umher schweifen. Es war ein schwieriges Unternehmen, zu ihnen zu sprechen, denn bei dem Schlingern des Schiffes taumelte man wie ein Betrunkener, wenn man sich nicht fcsthielt, und außerdem peitschte der Wind Einem den salzigen Gischt der sich an den Backen brechenden Wogen in die Augen. Unter sic tretend, theilte ich ihnen d«n Verrath mit, wrlchen Deacon an mir verübt hatte. Ich wollte fort fahren, bemerkte aber, daß selbst der mir zunächst stehende Mann meine Worte kaum verstand. Deshalb forderte ich Alle auf, in die Cajüte zu kommen. Hier nahmen meine Zuhörer ohne Weiteres auf d«n Bänken und dem Tisch Platz und spritzten in ungenirtester Weise den Tabakssaft auf den Teppich. So unangenehm mir da» auch war, konnte ich doch dagegen nichts thun und begann also: „Zuerst muß Deacon hergrbracht werden, um die Anklage zu hören, die ich gegen ihn vorzubringen habe", und, auf die Koje deutend, sagte ich: „Holt ihn her!" Ich hatte keine Vorstellung von der Wirkung, die mein Druck auf sein« Kehle gehabt haben mochte, und ahnte daher nicht, ob er todt oder lebendig zum Vorschein kommest würde. Als Blunt und Jimmy ihn brachten, waren all« Leute sehr erstaunt, ihn an Händen und Füßen gebunden zu sehen; seine Augen waren jedoch weit offen und als er mich erblickte, schrie er: „So 'ne verflüchtig«, unminschlichen Passen! — Wat scggt Ji, Maats, sid gistern Nacht Klock twölf hat hei mi in drsen Taustand smachten laten; hei het mi würgt, dat ik beinah dod blewen wier, un so fast Kunden, dat ik de Kramp in all' Gledern hew. — Sneid't mi los!" „Daß Du noch am Leben bist, ist mehr Glück, als Du ver dienst", sagte ich, nachdem ich gewartet hatte, bis er frei gemacht war und sich nach allen Seiten gestreckt und gereckt hatte, um wieder gelenkig zu werden. „Du hast in ehrloser Weise unseren Vertrag gebrochen, und wenn ich Dir im Zorn hierüber Deinen Lebensfaden abgeschnitten hätte, so könnte mir kein Vorwurf daraus gemacht werden. Leute, ich will jetzt meine Anklage vor Euch bringen, Ihr sollt richten." „Hebben Sei em allein so bunden, Mister?" fragte Welchy mit einer gewissen Hochachtung. „Ja", antwortete ich. Das schien die Burschen sehr zu amüsiren, und sie fingen an, Deacon zu hänseln; ich forderte sie aber zum Stillschweigen auf, um mit meiner Anklage beginnen zu können. „Maats", rief ich, „seit den letzten acht Tagen bin ich Euer Sckiffer gewesen und habe meine Schuldigkeit gethan nach besten Kräften. Ich bin die ganze Nacht auf den Beinen gewesen, um für Eure Sicherheit zu sorgen, und habe Euch eine weite Strecke Eurer Insel entgrgengeführt. Wie lautete Euer Uebereinkommen mit mir? Die Dame sollte mir allein gehören, Niemand von Euch sollte sich ihr nahen. Ahr Alle habt Euer Versprechen wie Männer gehalten, — nur Einer nicht. Auch ich hielt treu, was ich versprach, — oder that ich das nicht?" „Je, jo, dat het all'ns sie» Richtigkeit", antworteten sie. „Du allein", donnezte ich nun Deacon an, ihm mit der ge ballten Faust drohend, „Du allein hast Dein Wort gebrochen, — Du, dessen Leben ich rettete und d«r mir mehr hätte ein Freund sein sollen als irgend ein anderer Mann dieser Brigg. Wenn ich jetzt sagte: Das mir gegebene Versprechen ist gebrochen wor den, ich will das Schiff keinen Faden mchr weiter steuern; wenn ich das sagen wollte, was würde Hann werden? Verschlagen würdet Ihr werden, irgend wohin, und dann festgenommen und gehangen oder ringekerkert auf Lebenszeit, wegen Seeräuberei und Mord; ja, das würde Euer Schicksal sein, — und wem würdet Ihr es zu verdanken haben? — Diesem Burschen da!" Dabei starrte ich unter allgemeinem Stillschweigen in sein weißes Gesicht. „Nu äwer tum Dünner, wat bedüd dat All'n», wat hat Deacon bahn?" schrie vlunt.
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