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Wöchentlich erscheinen drei Runnnern. Prlmnmer.UionS- Preis 22, Sgr. ' Tblr.) viericljäbttich, 3 Tbc.ler für das ganze Jahr, ohne 2r- Höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Litcratu r a z i n für dis Man vrär.umerirt anf dieses Beiblatt der Mg.Pr. StaatS- Zeitiing in Berlin in der Elpedbion (Mehren - Straße Nr. Z4>; in der Provinz so wie im Auslands bei Len Wobüöl'I. Post-Aemtern. c s A usl 6 !ide s. i)8. Berlin, Mittwoch den 12. September 1832 MÄ England. Capitain Basil Hall s Unterredung mit Napoleon auf St. Helena. *) Die Gesandtschaft des Lord Amherst verlieh Canton im Jahre 1817. Die Brigg „Lyra", welche ich kommandirtc, wurde daraus mit Depeschen an den General-Gouverneur nach .Kalkutta gesandt. Boli dort segelten wir nach Madras und Isle de France, und nach dem wir das Vorgebirge der guten Hoffnung glücklich umschifft bat ten, gingen wir am 1l. August bei St- Helena vor Anker. Nichts erregte natürlich aus dieser Insel so lebhast unsere Aus- mcrksamkeit, als ihr außerordcnllicher Bcwohnrr — Napoleon Bonaparte. Seit mehreren Wochen hatte die Möglichkeit, ihn zu sehen, unser Aller Gedanken in Anspruch genommen. Welche Bor- urtheile, welche Abneigung wir auch srübcr gegen seinen Charakter gehabt haben mochten, jedes andere Gefühl machte dem Wunsch Platz, dell Mann zu sehen, der einen so wunderbaren Einfluß aus das Schicksal der Welt auSgcübt hatte. Das mächtige Interesse, welches eilte weite Reise und das Vergnügen, die irrsten zu sehn, die unbekannte Nationen auffinden, in uns erregt hatten, war nichts mehr im Vergleich mit der Aufregung, in der unsere Herzen klopften, als wir uns in der Nahe Napoleons wußten. Selbst die, weiche vermöge ihrer Stellung gar keine Aussicht hatten, ihn zu sehen, wurden von dem Dicker y/s Augenblickes ergriffen; wie stand es erst um diejenigen, die, wie ich, sich mit der Hoffnung einer Audienz schmeicheln durstens Da ich den Gouverneur und seine Familie persönlich kannte und mich derselbe cingelade» kalte, in Plautation-Housc zu wohnen, so bofflc ich nm so mehr, zu der Zahl der begünstigten Personell zu gehören. Zu meinem großen Leidwesen vernahm ich daher, daß zwischen dem Kaiser und dem Gouverneur Mißhelligkeiten herrschten. Letzterer that indessen sür mich Atles, was er konnte, indem er an den Capitain Blakeney, der die Wache in Longwood haue, schrieb, daß ich den General Bonaparte zu sehen wünschte, und ihn bat, meinen Wunsch auf die zur Erfüllung geeignetste Weise vorzuiragen. Der Tag verging, ohne daß wir eine Antwort erhielten, und ich schloß die ganze Nacht über kein Auge. Eine bestimmte Weigerung würde wahrscheinlich eine andere Wirkung hervorgcbrachk, ich würde mich in mein Schicksal gesunde» haben; aber diese Ungewißheit regle mich ans eine unglaubliche Weise aus, die ich mir indessen heute er klären kann, wclin ich bedenke, wie sehr ich es bedauert haben würde, den merkwürdigsten Malin seines Jahrhunderts nicht gesehen zu babcn. Den Morgen brachte ich in nicht geringerer Unruhe zu, als die Nacht. Nach dem Frühstück erhielt ich eine Antwort aus Longwood. Der Capitain Blakeney ließ mich wissen, daß mein Name dem Käfter genannt und mein Wunsch ihm zu erkennen gegeben worden seh; er hätte aber kaum Acht daraus gegeben. Der Capitain fügte hinzu, daß er glaube, ich wurde eben so gut thun, mich nach Longwood zu begebens da Bonaparte mich vielleicht empfangen würde, wenn ich einmal dort wäre. Ich stieg daher sogleich zu Pserde; zwei Passa giere von meinem Schiffe begleiteten mich. Aus der Gränzc von Longwood wurden wir von dem Doktor D Meara „„d vem Capitain Blakeney empfangen, die uns aber wenig Hoffnung machten. Sie bedauerten cS, daß wir nicht einige Minuten früher gekommen wären, weil der Kaiser so eben einen Spaziergang durch den Garten gemacht hätte und wir ihn dann doch wenigstens voll weilen, halten selten können. Dies war in der That sür uns ein Zuwachs an Widerwärtigkeit. Ich habe eine solche lebhafte Neugierde ost sür eine Tborhcft erklären hören, und ich habe Leute gekannt, die behaupteten, daß sic keine» Schritt thun wurden, i„„ Napoleon zu sehen. Mit solchen Leuten kann ich nicht ubercinstimmcu, «nd aus die Gefahr, in ihren Augen für höchst geistlos zu gellen, wage ich cs, zu erklären, daß keine Bemühung meines Lebens mir so gur belohnt zu seyn schien, als die, die mich einen Augenblick IN die Nähe jenes großen Man nes führte. Wir begaben „ns indessen zu dem Grasen Bertrand, am Fuß des Hügels, aus dessen westlicher Seite die Wohnung des Kaisers lag. Zwischen den beiden Häusern sah man einen hübschen Blu mengarten, der von Sandwcgen durchschnitten und mit einer nicdri- *) Aus den bereits mehrfach erwähnten reichhaltigen Beobachtungen und Reiseberichte» des Cavitains. gen Hecke umgeben war. Einige Bäume, von denen man glauben tonnte, daß sic durch Zufall in diese Wüste nicdcrgcfallcn wären, zeichneten diese Gegend vor der dürren traurigen Einsamkeit aus, die überall herrschte. Die Gräfin Bertrand empfing uns im Kreise ihrer Familie, in einem niedrigen, engen Zimmer, das, an sich schon nicht sehr behaglich, durch einige Reparaturen, die in einem anderen Theil des Hauses vorgcuommeu wurden, noch unbequemer geworden war, indem man alle Möbeln daselbst aufgehäust hatte. Die gute Gräfin selbst schien an heftigen Zahnschmerzen z» leiden. Das Wet ter war kalt, und ein schwaches Feuer erwärmte kaum die Stube, ein kleines Kind weinte auf dem Arm der Mutter; kurz, es war ein Anblick der Traurigkeit und der Unordnung, der das Herz ergriff. Diejenige indessen / die am meisten dabei inlcresfirt war, schien am wenigstcn davon zu empfinden; die Gräfin empfing uns mit einem reizenden Lächeln des Wohlwollens und ersparte uns die langweili gen Entschuldigungs-Formeln. Mehrere hübsche Kinder liefen, als sie fremde Stimmen vernahmen, herbei und spielten fröhlich nm uns herum; sic wußten nicht, die armen Kleinen, welches traurige Ge schick sie mit ihren Eltern theilten. Die Gräfin sprach sehr gut Englisch und gewann uns bald durch ihre Thcilnahmc an der An gelegenheit, welche uns so sehr am Herzen lag. Auch Graf Bertrand bewies sich sehr artig gegen unS; aber er besaß nicht die Lebhaftig keit seiner Frau und schien sehr betrübt über seine Lage. Er crzählfe uns Alles, was er durch die Gefangenschaft und durch die ungesunde Lust auf St. Helena zu leiden hätte. Nach einer halbstündigen Unterredung sagte uns der Graf Ber trand, es scy wohl möglich, daß der Kaiser uns empfangen würde, er wolle jedenfalls zu ihm gehen, ihm unseren Wunsch vortragen und augenblicklich zurückkchren, um uns das Resultat seines Gesuches mitzuthcilcu. Die Zwischenzeit bis zu seiner Wiederkehr wurde in einem Zustand unglaublicher Spannung verbracht. Bei jedem Ge räusch glaubten wir den Tritt des Groß-Marschalls zu vernehmen und erhoben uns in der Hoffnung, die Einladung zu erhalten, ihm zu folgen. Die Gräfin tröstete und neckte uns abwechselnd über un sere Ungeduld. Endlich, nach Verlaus einer zweiten halben Stunde, öffnete sich die Thür; aber statt des Groß-Marschalls trat ein Be diente ein, der uns in seinem Namen sagte, daß der Kaiser, vom Spaziergänge zurückgekommcn, seinen Ucberrock ausgczogen und sich aufs Sopha gcworsen habe; mit einem Worte, daß er keinen Be such empfangen wolle. Und somit waren wir denn mit unseren Hoffnungen ani Ende. Wir standen auf, um mit einer Mischung von großem Bedauern und etwas Acrger gegen Napoleon Abschied zu nehmen. — Wir wa ren wieder zu Pferde gestiegen und auch vielleicht schon eine Vier telstunde von Longwood entfernt, als uns einsicl, daß wir keinen Besuch bei dem Doktor O'Meara abgcstatlet hätten, der alle Ge wohnheiten und den Charakter Napoleons genau kannte. Wir kehr ten also inn und fanden den Doktor vor feiner Thür. Er gab uns wenig Hoffnung, und wir wollten nun in vollem Ernst zurückkchren, als ich zufällig die Bemerkung fallen ließ, daß ich es um so mehr bedauerte, den Kaiser nicht zu sehen, als ich gern mit ihm von der Militair-Schule in Briennc gesprochen hätte, wo mein Vater, Sir James Hall, zu gleicher Zeit'mit Napoleon gewesen sey. Der Dok tor bemerkte, daß dies den Fall wesentlich ändere, weil Bonaparte sich lebhast für Alles intercsfirc, was ihn an Brienne erinnere. ,,Dcr Kaiser", fügte er hinzu, „würde Sie höchst wahrscheinlich em pfangen haben, wenn er genauer davon unterrichtet worden wäre, wer Sie sind. Er hat schon einige Fragen über die Reisen der „Lyra" gemacht; aber er schien sich zu wenig dafür zu interessiren, uni Ihnen aus dieser Ursache allein eine Audienz zu gestatten; ein Grimo mehr kann ihn leicht dazu bestimmen. Unglücklicherweise ist die Stunde, wo er gewöhnlich zu empfangen Pflegt, schon längst vorüber, und ich rathe Ihnen daher, für jetzt zuriickzukchren, ver spreche Ihnen aber, die Gelegenheit wahrzunehmen, von Ihnen zu reden und, wenn cs mir gelingt, den Gouverneur durch den Te legraphen davon in Kenntniß zu setzen. Mit dieser schwachen Hoffnung verließen wir Longwood: meine Begleiter begaben sich direkt nach James-Town und ich »ach Plan- lakion - House. , Wir wunderten uns sehr, am anderen Morgen keine Botschaft, weder eine günstige noch ungünstige, durch de» Telegraphen zu rr- balten; aber ich hielt mein Pferd gesattelt und gezäumt, so daß ick, auf den ersten Wink mich auf den Weg machen konnte. Um 1 Ubr Mittags erfuhr ich, daß fchon vor einer Stunde in Plamation-