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Wöchentlich »scheinen drei Nummern. Pränumeration« - Preii 22j Silbergr. Tdlr.) »ierteliährli», Z Tdlr. für da» ganze Zahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Veit u. Comp., Iäg'rüraße Nr. 25). so wie von allen Königl. Poß-Acmtern, angenommen. Literatur des Auslandes. 119 Berlin, Mittwoch den 4. Oktober 1843. Asien. Zur Charakteristik des Buddhismus. Der Buddhismus zählt mehr Anhänger als irgend eine andere Religion auf Erden. Schon lange war sein äußerer Kultus, waren seine Formen be kannt, nicht aber die Idee, die diesen Formen zu Grunde liegt. Die Fort schritte der orientalischen Studien werden es bald möglich machen, die in den Klöstern der Mongolei, Tibet's, Nepaul'S zu Tausenden ausgehäusten Bücher umfassender zu benutzen. Mit der Mongolei und Tibet hat schon Jakob Schmidt begonnen. Abel Remusat hat in chinesischen Werken merk würdige Details gefunden, aber sowohl über den Buddhismus als über die Sekte Lao-Tseu's viel Falsches zu Tage gefördert und später, wenigstens in Betreff des Buddhismus, seine Uebereilung bereut. Turnour hat ein heiliges Gedicht der Insel Ceylon in Tert und Uebersetzung herausgegeben, und Burnouf, der sich viel mit dem Zend beschäftigt und auch eine von den indischen Pursna'S interpretirt hat, erklärt jetzt eines der wichtigsten Bücher des Buddhismus. Seine Arbeit wird über einzelne Dunkelheiten dieser Religion ein helleres Licht verbreiten. Der Buddhismus ist aus dem Brahmanenthum hervorgegangen. Als sein Stifte' wird S»kya-Muni angeaeben, der sechshundert Jahre vor unserer Zeitrechnung lebte. Er entsagte der Welt, bcga, sich in die Wü .., und nach einer langen Zurückgezogenheit predigte er die neue Religion. Nach Ssikpa-Muni ist das Nichts das höchste Prinzip. Aus ihm kommt Alles, in das Nichts kehrt Alles zurück, alles Seyendc ist nur eine flüchtige und trügerische Form des Nichts. DaS Leere ist allein wirklich und ewig. Bor der Entstehung der Welt bewegten sich darin Myriaden von Atomen ; ei" großer Wind dlieS von oben herab, mischte und rührte sie durch einander, und au« ihrer Lombination entstanden die Wesen des Universums; aber diese Welt verwandelt sich unaufhörlich, es ist nichts Bleibendes und Wirkliches in ihr. Buddha läßt in einer seiner Inkarnationen mitten in einem Park ein Zauberschloß erscheinen, eine Vereinigung aller Herrlichkeiten, welche die Phantasie träumen kann. Aber dieses Zauberschloß eristirt nicht wirklich: cs scheint zu seyn, es ist nur Täuschung. Wer nicht von dem Zauber umstrickt ist, wird durch den königlichen Garten schreiten, ohne den wunderbaren Bau zu sehen. Dies ist das Bild des Weltalls. Auch die Welt ist nur ein solches Zauberschloß in den Räumen des Leeren. Der Mensch ist die letzte und vollkommenste Combination der Atome; er ist der wahre Gott deS Buddhismus. Buddha ist eigentlich nur ein anderer Name für die Menschheit. Daher ist er auch beständig inkarnirt. Er offen bart sich fortwährend in den heiligen Personen, und jeder Mensch ohne Unter schied kann Buddha werden, d. h. die Stufe erreichen, auf der er fähig ist, die höchste Seligkeit zu erlangen oder vom Nichts absorbirt zu werden. Denn das ganze Dascyn ist nur Arbeit und Qual, und alles Eristircnde ist einer beständigen Umwandlung, Zerstörung und Erneuerung unterworfen. Zwar werden die Bösen in der Seelenwanderung bestraft und die Guten be lohnt, indem jene in scheußliche Ungeheuer verwandelt, diese zu immer höheren Stufen deS DaseynS erhoben werden. Aber das Daseyn an sich ist immer mit Qual verbunden, und vollkommene Seligkeit giebt es nur im Nichtseyn. Zum Nichtseyn kommt man durch Nichthandcln, und so ist der Quietismus die letzte Konsequenz der Buddhalehre. Nach Milliarden von Jahren löst sich die Welt endlich auf. Die Wollust zerstört sie durch das Feuer, der Zorn durch das Wasser, die Unwissenheit durch den Wind. Wenn dann die zerstreuten Atome wieder im Leeren schwim men, so bläst der Urwind aufs neue unter sie, eS entsteht eine neue Welt, und der qualvolle Traum beginnt wieder in der ewigen Nacht, und so geht es fort ins Unendliche. Diese Lehre erinnert in mehr als einer Beziehung an die Epikuräische. In beiden giebt es kein höchstes Wesen, nur Atome, die im Leeren umherirren, den Wind oder den Zufall, der sic verbindet, und zur Moral den Quietismus oder die Atararie. Aber Säkpa-Muni hat seinen Atheismus unter tausend Vergötterungen versteckt und ihm einen gewissen Mystizismus und die großartigen Umrisse einer Religion zu geben gewußt. Für den Buddhisten hat die Welt jeden Reiz verloren, da Alles nur ein Traum ist; die Folge dieser Ansicht ist aber keineswegeS Murren, Klagen oder Verzweiflung. Er ruft mit ruhigem Lächeln das ewige Nichts herbei; er hofft und verlangt keine andere Ruhe. Man fühlt in dieser Weisheit den eisigen Hauch des Grabes. Hier haben wir nicht die glühende Leidenschaft der Götter Indiens. Buddha, wenn er sich inkarnirt, stürzt sich nicht in die Lust wie Wischnu, oder in eine grausame Wuth wie Schiwa. Er vermischt sich nicht mit der Welt wie der Gott des Pantheismus. Er sucht keine Gattin unter den Töchtern der Erde oder den Apsara's, den Töchtern des Himmels. Er vermählt sich mit der ewigen Weisheit, jener Königin der Welt, die den gewöhnlichen Menschen wie eine alte runzlige Bettlerin erscheint, während sie den erleuchteten Augen in herrlicher Schönheit strahlt. Der Buddhismus hat die indische Mythologie beibehalten, indem er Buddha, den zum Nichts gewordenen Menschen, über alle Götter erhebt. Er hat die Moral der Veda's, die sich schon durch eine besondere Sanftmuth auszcichnet, noch milder und liebreicher gemacht. Der Buddhismus ist von Mitleiden für alles Lebendige durchdrungen: denn alles Lebendige wird im Laufe der Scelenwandcrung zum Menschen, und wer also irgend einem leben digen Geschöpfe wehe thut oder gar es tödtet, hat sich an einem gewesenen oder künftigen Mitmenschen vergangen. Er befiehlt, Alles zu schonen, was leiden kann, und damit das Blut nicht die Altäre röthe, hat er die Opfer der Veda'S aufgehoben. Diese Sorgfalt leidet jedoch an einer kindischen Uebcrtreibung, die ein falsches Prinzip verräth. So heißt cs einmal: „In der Flamme der Lampe oder der Kerze befinden sich kleine Thierchen, die vom Lichte leben. Wenn du das Licht mit dem Munde ausbläsest, so folgen sie deinem Hauche und sterben auf der Stelle. Lösche also nicht die Lampe oder Kerze mit dem Hauch des Mundes aus." In einer sehr schönen Geschichte, die zuweilen eine evangelische Reinheit athmet, macht der Hausgott einem chinesischen Gelehrten, der sich für einen Gerechten hält, Vorwürfe: „ES ist wahr, daß du keine schimpfliche Handlung begehst; aber wenn du eine schöne Frau bemerkst, so ergreift dich eine plötzliche Verwirrung, und du hast einen Ehebruch in deinem Herzen begangen. Ich sehe nur Gedanken der Habsucht, de» Neides, des Egoismus, des Stolzes in dir. Die Güte hat nie dein Herz Du lassest Krebse auf deinem Tische austragen ; find sie nicht auch mit dem Prinzip des Lebens begabt?" Die Hauptlchre des Buddhismus ist die Menschenliebe. Nur die Beschau lichkeit, die sich ins Nichts versenkt, ist eine höhere Tugend. Er hat mehr Humanität als jede andere Religion, außer dem Christenthnm. Der Brah manismus hatte die Kasten geschaffen. Das indische Gesetzbuch, sonst so nach sichtig, zeigt hier eine unerbittliche Strenge. Man erschrickt über den niedrigen Zustand der zahlreichen Paria-Klaffen; er ist schlimmer als die härteste Skla verei. Nie war der Mensch so grausam gegen den Menschen. Ganze Massen leben in den schönsten Gegenden Indiens wie die Thiere des Feldes, ohne einen anderen Zufluchtsort als den Wald, ohne Priester, ohne Ehe, ohne alles Recht, ausgeschlossen von dem Verkehr mit Göttern und Menschen, in äußerster Verachtung und Dürftigkeit. Der Buddhismus protestirte gegen diese Barba rei. Er hob die Kasten auf, er erklärte alle Menschen für Gleiche und Brüder, er erkannte keinen der Unterschiede an, welche sie in feindliche Stämme tren nen. Er wandte sich an die Armen, an die Unterdrückten, und sie hörte» auf die befreiende Stimme. Der Buddhismus wollte eine große gesellschaftliche Ungerechtigkeit gut machen. Aber die Brahmanen und die Krieger, die sich in ihren Vorrechten bedroht sahen, setzten einen starken Widerstand entgegen. Der Kampf war heftig und lang: der Buddhismus, der zuerst Sieger war, unterlag zuletzt, und nun zählte er Tausende von Märtyrern. Er wurde in Indien so radikal auSgerottet, daß er nicht einmal in der Erinnerung des Volkes Spuren seines DaseynS zurückgclaffcn. Aber er hatte inzwischen das Centrum und den Osten Asiens erobert, und er herrschte über ein weiteres Ge biet als sein Nebenbuhler. Der Buddhismus verbreitete sich rasch nach dem östlichen Persien, nach Kandahar, Kaschmir, Ceylon, dann in Siam und bei den Birmanen in China, Korea, Japan, Tibet, endlich in der Mongolei und bis nach Sibirien. Er er oberte die eine Hälfte der Welt, während das Christenthum der andere» sich bemächtigte. Es war im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung, als er nach China vordrang. Doch widersprach er zu sehr den, Nationalgeist dieses Reichs, um daselbst leicht Eingang zu finden. Die Chinesen waren an eine Lehre gewöhnt, welche nur für die Pflichten des praktischen Lebens berechnet war, und die Buddhisten brachten ihnen den Quietismus und die Verachtung der Welt. Der Buddhismus empfiehlt Cölibat und religiöse Abschlicßung, und das ganze chinesische Leben ist vom Familiengeist durchzogen. Die Bud dhistischen Klöster bildeten in China einen seltsamen Kontrast gegen jene Schulen, wo man von Konfuzius die RcgierungSkunst und die kindliche Liebe lernte. Das entartete Volk mußte schon viel von seinen Tendenzen eingebüßt haben, um eine Religion anzunehmen, die sie zerstörte. Die Sekte Lao-Tseu hatte übrigens schon China für diese» fremden Kultus vorbereitet; denn seine Lehre hat mit der Buddhistischen auffallende Aehnlichkcitem Uebrigcns war