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WöchcnUilb «rslbcinm drei Nummern. Pränunitralions- »reiß 22j Sgr. (! Tbtr.) vleneljöbrüH, 3 THIr. für das ganze Jahr, ohne Er, Höhung, in allen Theilen der Preußische» Monarchie. Magazin für die Man oränumerirl auf diese« Lneralur-BIatt in Berlin in der Expedition der Mg. Pr. Siaal«,Zeitung (Friedrichöstr. Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslände bei den WcdUöbl. Post- Lemtern. Literatur des Auslandes. Berlin, Mittwoch Len 21. Juli 1841. Belgien. Was ist bisher für die Flamändische Literatur geschehen? Von einem Belgier. Es ist ein trauriges Eeständniß, in bas wir Belgier alle cin- stimmen müssen, die wir auf irgend eine Art im Interesse der Lite ratur Dinte und Feber gebrauchen, wir mögen es als Dichter, als Roman-SchriftsteUer, als Gelehrte ober Philosophen thun, daß alle unsere Bestrebungen nämlich, eine National«Literatur zu gründen, ihre Kraft verlieren, indem sie sich in zwei Sprachen spalten, von denen keine unser ausschließliches Eigenthum ist. Wenn wir sämmt- lich uns desselben Sprachzweiges bedienten, so gäbe eS Einheit der Tendenzen, Gleichartigkeit der Formen und mächtige gegenseitige Anregung und Nacheiferung unter den verschiedenen Tbeilen Belgiens. Allein, was man jetzt auch sage oder thue, es besteht, wenn nicht Kamps und Anfeindung, doch wenig Gleichheit der Gesinnung zwischen den Schriftstellern, welche Französtch, und denen, welche Flamändisch schreiben; und ein eigenthümlicher, scharf adgcgränzter Charakter ist bei den Schöpfungen der Belgischen Autoren füglich nicht zu erkennen. Zu sagen, welcher der beiden Sprachen man bei der gegenwärtigen Stimmung der Gcmüther den Vorzug einräumen müsse, ist unmög lich; doch welche von beiden bas Gedeihen unserer jungen Nationali tät begünstigen würde, dies ist außer Zweifel. Man kann auch in Flamänvischer Sprache die erhabenen Wassenthaten der Vorzeit, das stürmische Leben der Gegenwart schildern, man kann auch in ihr hohe poetische Gedanken und tiefe philosophische und religiöse For schungen niederlegen, so gut wie in der Französischen. Vielleicht werden wir von unseren Nachbarn im Süden weniger gelesen wer den, allein man wird uns in den Niederlanden und in Deutschland verstehen, und dies ist sicher nicht zu verachten. Fahret denn fort in eurem Wirken, ihr Schriftsteller beider Sprachen; das Land wird eure Verdienste stets anerkennen, sobald ihr seinen Ruhm und seine geistige Wohlfahrt fördert. Im lZten, 14ten, 1Stcn und l6ten Jahrhundert stand die Fla mändische Poesie in hoher Blüthe, daS haben uns Männer wie Mone, Grimm, Hoffmann von Fallersleben, Willems, Meper, Vandenbergh durch ihre Schriften gezeigt; seit Macrlant, dem Vater derselben, bis an das Ende des lkten Jahrhunderts begegnet uns eine Reihe von Männern, deren Werke, lange Zeit vergessen, jetzt wieder ans Licht gezogen werden und im höchsten Grade die Aufmerksamkeit der Deutschen, Holländischen und selbst der Englischen Philologen auf sich ziehen. Dichter, Historiker, Botaniker, ascetische Schriftsteller, Philosophen, Gelehrte aller Fächer müssen die Wahrheit unserer Be hauptung eingestebcn. Zu unserem Unglück hat später die Wiederbelebung der Römischen und Griechischen Literatur, die geistige Starrsucht, in die unser Land im achtzehnten Jahrhundert gefallen war, die geistige Uebcrlegenheit des Zeitalters Luvwig's XIV. und die geringe Aufmunterung, die unseren nationalen Schriftstellern wurde, sich vereint, um den Sinn für die Literatur unserer Väter gänzlich zu ersticken. Die Fran zösische Regierung suchte ihn natürlich nicht wieder zu erwecken, und unter der Herrschaft der Niederlande hatte die Verpflichtung, daS Holländische zu lernen, einen tiefen Widerwillen gegen Alles einge flößt, was an die Literatur Vondel's, Cats' und Bilberdyck's auch nur von fern erinnerte. Auch die Revolution von 1830 war der Entwickelung unserer Literatur nicht günstig; in dieser Zeit machten sich Reactionen jeder Art geltend, und Wenige hätten gewagt, irgend ein Kunstwerk in Flamändischcr Sprache abzufaffcn, aus Furcht, des Orangismus, des Anschlusses an die Holländische Regierung oder der Verachtung der neuen Verfassung verdächtig zu werden. Doch als der Frieden mehr und mehr hergestcüt war, traten Männer auf, welche sehr wohl glaubten den Namen Belgier sort- führen zu dürfen, wenn sie der alten Sprache ihrer Väter sich be dienten. Einzelne Blüthcn der Poesie tauchten auf, die Vorboten des neuen herannahcnben Frühlings. Willems erschien unter den Ersten aus dem Schauplatz. Angeblich wegen politischer Ansichten von der Universität verwiesen, riß er seine Landsleute aus ihrer literarischen Verdumpfung, indem er 1834 seine schöne Uebersetzung des „Reinacrt de Vos" hcrausgab, deren glühende Vorrede gleich sam eine offene Erklärung, ein Ausruf an seine literarischen Genossen «ar. Er beklagte sich vorzüglich über die Vernachlässigung, in der die Flamändische Literatur lag, und drang voll Kraft darauf, daß man die Flamändische Sprache zu neuer Blüthe erbebe, sie wenig stens in gleichem Maße pflege, wie die Französische. Bald nach die sem kühnen Versuch ließ Blanmacrt ein historisches Gedicht in drei Gesängen unter dem Titel „Liedcrik ve Buck" erscheinen. Hieraus verband er sich mit Serrure, Vcrvicr, Willems, Fräulein Doolaghc (jetzt Frau van Acker), Blick, Schayes, van Dupse, Rens, Vers- precuwen, Ledcganck und gab, yon ihnen unterstützt, einige Lieserungen einer interessanten Zeitschrift heraus, „l^eleecfinnülxe Neüeninge". Doch noch war die Zeit einem Unternehmen der Art nicht günstig. Die Anstrengungen, welche einige muthvolle Schriftsteller machten, blieben erfolglos. Wir haben jedoch zu erwähnen vergessen, daß derselben Zeit eine Sammlung poetischer Stücke angebört, „Xeser- üuirsch lercooßumllx .lueilwesizc", welche unter NenS' Leitung bis auf den heutigen Tag fortgeführt worden ist (daS achte Heft ist Anfangs dieses Jahres ausgcgcben worden). Gegenwärtig giebt es Stücke von mehr als 30 Dichtern. Im Jahre 1838 gab Cannaert, früherer Rath am Appellations-Gericht zu Brüssel, ein Buch von hohem In teresse über Flanderns altes.Uriminalrecht heraus, daS vielen Anklang gefunden hat und eine vielfach vermehrte und umgestaltete Ausgabe eines vor langen Jahren gedruckten Merkchens ist. Das Jahr 1836 kann man als die Epoche betrachten, von wel cher sich das Wicbercrwachcn der Flamändische» Literatur in unseren Provinzen schreibt. Die Bewegung, welche man kaum bemerkte, empfing einen neuen Impuls und stieg seither sichtlich zu stets reicherer Entwickelung empor. Um Brabant, Limburg, die Provinz Antwerpen und die beiden Flandern aus dem Schlafe zu rütteln, in den sie versenkt lagen, nm bei allen Ständen den Sinn für eine Sprache, die een mächtiges Element der Belgischen Nationalität bil det, wieder zu beleben, beschloß man, eine große, allgemeine Ver bindung zu gründen und in dieselbe aus dem ganzen Lande alle Unterrichteten aufzunchmen, die sich für Vie Fortschritte der Flamän- dischen Literatur inlercssircn. Unter die Aufsicht der Regierung ge stellt, war diese Verbindung dazu bestimmt, einen gemeinsamen Mittel punkt für den Flamändischcn Theil Belgiens zu bilden; doch der Plan war so großartig, daß er bisher nicht in voller Ausdehnung ins Leben treten konnte; auch waren die Geister, zumal anfänglich, noch zu sehr mit der politischen Zukunft des Landes beschäftigt, denn noch bürgte uns kein fester Vertrag mit Holland für unsere nationale Eristenz. Doch so wenig der Plan in seiner ursprünglichen Größe auch ausführbar war, so wurde er, in verschiedenen Punkten geän- dert, doch die Grundlage eines literarischen Vereins, der bereits viel gewirkt hat; wir sprechen von der Gesellschaft, die unter dem Namen „ük 'l'uel ix xmwiü, fier Volk" noch beute besteht und deren ordent liche Mitglieder sich alle Mittwoch-Abende zu Gent versammeln. Sie ward von Anfang nach einem großen Maßstabc eingerichtet, und weit entfernt, sich an irgend eine Öertlichkeit zu knüpfen, ernannte sic korrespondircnde Mitglieder in fast allen Städten Flanderns, Bra bants, Antwerpens und Limburgs. Sic wählte zum Organ ihrer Miltheilungcn die Zeitung von Gent, tu welcher seit fast vier Jahren die wichtigsten historischen, literarischen und philologischen Aufsätze dem Publikum vorgelegt werden. In gleiche Zeit mit dem Entstehen der Gentischen Gesellschaft fällt Lie Stiftung der Antwerpener, welche sich „Olystak" taufte und nicht minder tbätig war, als ihre Neben buhlerin. Um dieselbe Zeit erkannte die Regierung, über die geistigen Bedürfnisse des Flamändischcn Theiles Belgiens außer Zweifel ge setzt, die Nothwrndigkcit, die Entwickelung bcr Literatur zu unter stutzen und den Bestrebungen gewisser vereinzelt wirkender Schrift steller die Hand zu bieten. Sie ließ eine Art von Kommission zur Förderung Flamändischcr Litcratur inS Leben treten, welche den Namen einer Gesellschaft annahm, aus dreißig Mitgliedern bestand und zuerst eine Preis-Aufgabe von der höchsten Bedeutung stellte, nämlich die, yic bis dahin sehr unsicheren Gesetze der Orthographie festzustellen. Die Frage wurde mit dem größten Beifall ausgenom men. ES gingen dreizehn Abhandlungen ein, und obgleich kemc bcS Preises für würdig erkannt wurde, so geschah doch der Schrift des Herrn Museiy-Bauvcwpn ehrenvoll Erwähnung und der Verfasser erhielt eine Gratification. Der Bericht über diese Preisfrage und die dreizehn einaeschickten Abhandlungen bildet ein größeres Werk, daS Herr Professor Borrcman zu Lüttich binnen kurzem vcröffent lichen wird und dem man voll Ungeduld cntgegenficht; man hofft, daß cs den Streit enden wird, dcr seit so langer Zeit zwilchen Bchaghel, dem Verscchtcr eines grammatischen Systems, das sich auf rein willkürliche Regeln stützt, und zwischen Willems, Blan macrt, Consciencc, van Dupse, Sncllacrt und ihren McinungSgcnvsieu