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1 Riesaer G Tageblatt rrr»d Anzeiger Wttlttt mü Lycher). rclv»—»reM «-»-chft— .» ,«»« t « AG AKT U «,.» der König!. Amtshauptmannschaft Großenhain, des König!. Amtsgerichts md des StadtrathS zu Mesa. 71 Dienstag, S«. März 1885, Abends. 48. Jahr,. Da» Riesaer Tageblatt erscheint jeden Tag Abend« mtt Ausnahme der Sonn, und Festtage. Vierteljährlicher vr»ng«prri» bet Abhelung in den Axpedtttane» in Nt^a und Strehla, b« SnIgMDMW^ - sarot« am Schalt« d« lat»ert. Postanftalten 1 Mart 25 Pf., durch die Trüger frei in« Hau» 1 Mark SV Pf., durch den Bri^trLgrr frei in» Han» 1 Mark GS Pf. Angrigrn Annah» ptk HA M»» de» Ausgabetage» bi» vormittag S Uhr ohne Gewähr. Druck und Verlag von Langer ü «interlich in Mala. — Geschäft-stelle: Kastantenstrah« kV. — Mir die Rrdactiwt lwr«twortlich: H„» GchmGt D Mal» Im Hosraume des Hotels zum „Kronprinz" hier kommt Sonnabend, den 30. März 1895, Borm. v Uhr ein Tafelwagen gegen sofortige Bezahlung meistbietend zur Versteigerung. Riesa, 25. März 18S5. Der Gerichtsvollzieher des Königl. Amtsgerichts. Sekr Eidam. Die Anmeldung der Ostern 18VS schulpflichtig werde« Kinder von Boberse«, Merzdorf und Pochra soll, so Gott will, Sonnabend, den 30. März 1895 Mittag 1 Uhr in den betr. Schulen stattfinden. Beizubringen ist der Impfschein, sowie für auswärts Geborene Taufschein und Geburtsurkunde. Gröba, dm 23. März 1895. Der Ortsschulinspektor. k. Werner. Aus Friedrichsrith. Nachdem gestern die 3 Sonderzüge mit den Parlamentariern eingetroffen und die Abgeordneten von den Grafen Herbert und Wilhelm Bismarck, dem Grafen Rantzau und dem Ge neral Graf Waldersee empfangen worden waren, erschien um 1^/4 Uhr Fürst Bismarck in der Uniform seiner Halber stadter Kürassiere am Bahnhofe und begrüßte die Abgeord neten mit den Worten: „Wil.kommen, meine Herren, in Lauenburg!" Der Fürst bestieg sodann mit dem Präsidenten des Abgeordnetenhauses v. Köller den Wage» und fuhr nach dem Schlosse. Die 418 Abgeordneten, von denen 110 dem Reichstage und 60 dem Herrenhause angehörten, folgten nach dem Schloßparke. Dir Reihe der Anreden, welche vom Balkon des Schlosses gehalten wurden, eröffnete der Präsident des Herrenhauses, Fürst zu Stolberg-Wernigerode. Das Herrenhaus, führte er aus, habe seinen Gesammtoorstand beauftragt, dem Fürsten die allerherzlichstcn Glückwünsche darzububringen, durchdrungen von ernstem Danke für seine dem Königthume, dem Baterlande und dem ganzen Volke geleisteten Dienste, für die durch seinen unerschrockenen Muth für die Krone und das Vaterland geschaffenen Werke „Gott erhalte Ew. Durchlaucht", schloß der Fürst, „er erhalte Ihr kostbares Leben noch aus lange Zeit!" Der Präsident des Abgeordnetenhauses v. Köller, der die Glückwünsche dieser Körperschaft überbrachte, hob hervor, wie so Biele stolz darauf seien, daß ihnen vergönnt gewesen, gemeinsam mit dem Für sten Bismarck für das Vaterland zu arbeiten, und schloß mit dem Wunsche, daß es dem Fürsten noch lange vergönnt sein möge, nach dem anstrengenden Lebenswerke sich der Ruhe zu erfreuen, und daß auch das neue, von ihm angetretene De- cennium ein glückliches für ihn sein möge. Der blsherige Präsident des Reichstages von Levetzow führte aus: Er spreche leider ohne Auftrag des Reichstages, aber im Namen aller Mitglieder desselben, die sich seit Jahr- zehnten unausgesetzt dessen erinnerten, was Fürst Bismarck für das Vaterland gethan; sein schwacher Mund könne es nicht verkünden, die Geschichte aber habe es mit goldenen Lettern verzeichnet. Wie Sturmwind durchwehe ganz Deutsch land das Gefühl der Dankbarkeit und der Ergebenheit für den ersten Reichskanzler. Segenswünsche für ihn ertönen brausend überall, wo Nationalbewußtsein vorhanden ist. Es war unser Recht und unsere Pflicht, auszusprechen, daß nicht vergessen ist und nie vergessen wird, was Ew. Durchlaucht für uns gethan. Gott segne, was Ew. Durchlaucht unter unserem großen ersten Kaiser für Deutschland errungen." Diese, wie die vorhergehenden Ansprachen wurden wiederholt von dem lebhaften Beifall der Versammelten unterbrochen. Nachdem Herr v. Levetzow noch eine Glückwunschadresse des Brandenburger Prooinzialausschusses zur Verlesung ge bracht hatte, nahm Fürst Bismarck das Wort zu seiner Erwiderung. „Ich erlaube mir, meine Herren", begann der Fürst, „Ihnen meinen Dank auszusprechen für die hohe Aus zeichnung und Ehre, Sie in Anerkennung meiner Leistungen im Sachsenwalde zu sehen. Sie gilt nicht meiner Person, sondern der Sache, den politischen Ergebnissen, die wir er rungen haben. Was wir errungen haben, ist zwar unvoll kommen, aber das Beste, was wir haben konnten." Sichtlich ergriffen gedachte der Fürst nun all' der Verstorbenen, die an dem Werke mitgearbeitet haben. Der Fürst stockte lange vor Rührung in seiner Rede, als er auch des seligen Kai sers Wilhelm 1. gedachte. „Was hätte ich", fuhr er dann fort, „ohne ihn und sein Kriegsherr leisten können? Sie wissen, meine Herren, daß man die Dynastien und das Preußenthum injuriren wollte. Gottlob find die Dynastien stark in ihren Wurzeln in jedem deutschen Einzelstaate, die Militärmacht und Preußen« Führung sind stark gewesen. Dem alten Kaiser und seinen Bundesgenossen verdanken wir «ehr, al« ein Kanzler .je hätte leisten können. Hätte der Kaiser seine Unterschrift unter die Mobilmachung nicht ge- geben, mein Werk wäre nichts gewesen. Wir haben mehr erreicht, als eine parlamentarische Fraktion hätte erreichen können. Wir haben mit Bayern und Sachsen schwere Kämpfe geführt, als der nationale Gedanke auftauchte, uns aber dann die Bruderhand gereicht. Die Bundesgenossen haben sich besser bewährt, als Fraktionen. Bei den letzteren steht der lautere und unlautere Wettbewerb im Vorder gründe, bei den Bundesgenossen das nationale Interesse. Mir ist nicht bange, daß wir nicht Herren der etwa ange- richteten Verwirrung werden. Es möge nur der natio nale Gedanke, ebenso wie er in den Dynastien fest be- gründet ist, auch in den einzelnen Landtagen der deutschen Staaten zum Ausdrucke kommen. Rian muß sich in den einzelnen Landtagen darum kümmern, was die Gesammtver- tt'tung Deutschlands, der Reichstag, treibe, daß sie den na tionalen Gedanken Hochhalte. Die einzelnen Landtage müssen deutsche Politik treiben. Ich freue mich, wenn die Reichs. Politik auch in den einzelnen Landtagen kritisirt wird. Auch in dem preußischen Landtage sollte die deutsche Politik kriti sirt und der Minister des Auswärtigen darauf hin kontrolirt werden. Die deutsche Regierung und die preußisch-deutsche, die bayerisch-deutsche, die sächsisch-deutschejRegierung sind gar nicht mehr von einander zu trennen. Kein Minister kann sich lossagen v»n der Politik der Reichsregierung, und diese kann ohne Fühlung mit den Partikular-Regierungen sich nimmermehr bewähren. Meine Herren! Wenn ich gesund genug wäre, ich hätte Ihnen noch viel zu sagen! Ich bin Ihnen dankbar für die mir erwiesene Aufmerksamkeit und hohe Ehre. Ich bedauere, daß ich nicht mit Ihnen Zusam menarbeiten kann, dazu bin ich nicht gesund genug. Ich bin alt und bequem, und ich wünsche, in diesen Räumen mein Leben zu beschließen, aber meine Gedanken sind mit Ihnen und verlassen Sie auch nicht. Ich kann noch nicht aus jede Antheilnahme verzichten; ich thue cs weniger, als für mein Aller schicklich ist. Ich kann meinem Empfinden nicht besser Ausdruck geben, als indem ich Sie bitte, den Reichsgedanken feflzuhalten und dem Kaiser, unserem König, zu helfen. In diesem Sinne bitte ich Sie, mit mir in den Ruf einzu summen: „Se. Majestät der Kaiser und Köniz von Preußen lebe hoch!" Die Versammlung stimnue be geistert in den Ruf ein. Danach wendete sich der Fürst noch mals an die Erschienene» und dankte erneut für die ihm erwiesene Ehre. Er drückte sein Bedauern aus, daß er sie nicht alle bewirthen könne. Raum sei zwar in der kleinsten Hütte für ein glücklich liebend Paar, aber nicht für mehr denn 400 in dieser engen Behausung. Aus der Mitte der Versammelten brachte hierauf der Reichstagsabgeordnete Liebermann v. Sonnenberg ein Hoch auf den Fürsten aus, das jubelnde Zustimmung fand. Fürst Bismarck zog sich darauf mit verschiedenen der Erschienenen zum Frühstücke zurück. Die Abgeordneten kehrten in drei Sonderzügen, von d nen der erste um 3 Uhr 35 Min., der zweite um 3 Uhr 45 Min. und der dritte kurz vor 4 Uhr abging, nach Berlin zurück. Das Wetter war inzwischen prächtig geworden, klarer Himmel und Sonenschein. (Vorläufiger telegraphischer Bericht über die Anwesenheit Sr. Majestät.des Kaisers m FriedrichSruh untern Neuesten Nachrichten.) geht durchras deutsche Volk au« Anlaß de« Beschlusses ö7s RetchStags betreffend die Ehrung de« Fürsten Bismarck. In der nationalen Presse wirs der Vorgang mit seltener Ein- müthigkeit und stärkster Entrüstung verurtheilt. Der „Hamb. Korr." schreibt: Gewiß! Ein Glück- wünsch für den Fürsten Bismarck — und käme er selbst zum 80. Geburtstage, wo die rein menschlichen Gefühle der Ehrfurcht vor dem Greise mitsprechen — ist keine unpolitische That des Reichstages, und sie soll es auch nicht sein. Nein, der Glückwunsch des Reichstages hatte eine politische Be deutung: er galt dem Gründer des Reiches, der unser deutsches Volk an« der Zerrissenheit und Schwäche mit starker Hand zu Einheit und Macht geführt hat. Und darum können wir es verstehen, wenn Pölen, Welfen, Dänen und reichsländische Protestler, die in dem Reiche nur einen lästigen Zwang, aber keine liebe H imath sehen, sich abseits stellen. Wir begreifen es, daß die Sozialdemokraten den gewaltigen Schirmherr» der bestehenden Ordnung hassen und verfolgen. Viel Feind, viel Ehr l- Aber daß in der freisinnigen Volkspartei und in der süddeutschen Demokratie, die doch von ihrer Vaterlands liebe oft genug reden, nicht so viel Ritterlichkeit ist, dem großen Gegner, der mit ihnen manchen Strauß auSgefochtcn hat, mit gesenktem Degen heute zu grüßen, stimmt trübe und bitter! Und das Zentrum? Bei ihm stand auch tieSmal die Entscheidung: es hat es nicht über sich vermpcht, der alte Haß ist in Hellen Flammen emporgeschlagen. Das Ober haupt der Katholiken, Papst Leo, dachte schon vor zehn Jahren, als noch der Kulturkampf glühte, anders: „Ihre Staats weisheit" — so schrieb er damals bei Verleihung seines höchsten Ordens an den Fürsten Bismarck — „hat e« vor nehmlich zu Stande gebracht, Deutschland solche Größe zu verschaffen, wie die ganze Welt sie unumwunden anerkennt." Ja, die ganze Welt — aber beileibe nicht die „unentwegten Vertreter des Freisinns und der Zentrumspartei!' Es ist die richtige Antwort auf diesen Schlag ins Gesicht des deutschen Volkes gewesen, daß die Herren von Levetzow und Bürllin ihre Aemter im Vorsitz dieses Reichstages sofort niedergelegt haben. Der „Vorwärts" frohlockt über den Beschluß in den leidenschaftlichsten Schmähungen Bismarcks, die wiederzugeben sich nicht lohnt; das Blatt meint, Bismarck sei politisch ein Todter — wenn auch ein „widerspenstiger Leichnam". Die „Freisinnige Zeitung" will in den Verhandlungen nur den Versuch sehen, die Frage der Geburtstagsfeier zur Ver hetzung der Partei-n und zu parteipolitischen Zwecken ganz besonderer Art auszubauschen. Dem „B erl. Ta gebt." er- weckt die kaiserliche Kundgebung lebhaftes Unbehagen ; es be zeichnet sie als einen scharfen Streich gegen das Ansehen und die Autorität der vom Volke gewählten Majorität des Reichs tags. Als ob dieser Reichstag nicht sein Ansehen selbst preis gegeben hätte! Ls heißt dann weiter: Es läßt sich ohne Prophetengabe voraussehcn, daß die gegenwärtige Reichstags mehrheit den Abbruch, der dem Prestige der Volksvertretung zu Theil wurde, nicht ruhig verzeichnen wird. Rian muß sich daher aus ernste Vorgänge in dem immer noch inschrifts losen Reichstagshause gefaßt machen. Das End: aber dieser Wirrsale kann voraussichtlich nur eine Auflösung des Reichs tags und einen Appell an das Volk bedeuten. Auch natwnalliberale Blätter rechnen mit der Möglich keit einer ReichsiagSauflösung. So bemerkt die „Magdeb. Ztg.": Die Depesche, die der Kaiser sofort an den Alten im Sachsenwalde gerichtet hat, giebt den Empfindungen, die der ReichStagsbeschtuß im deutschen Volke wschrufen muß, im Lapidarstile Ausdruck. Nach einer so herben Berurrheilunz von solcher Seite scheint uns dieser Reichstag dem Tode ge- weiht zu sein. Seine Auflösung kann darnach unmöglich noch lange aufgeschoben werden. Möge in diesem Falle da» Nationalgesühl der Deutschen nicht vergeben« bei den Neu wahlen angerufen werden! Gott schütze Kaiser und Reichl Per „Hannov. Kour." ist weniger zuversichtlich. Er meint : Der Wunsch, einen Reichstag zu erhalten, der das deutsche Volk im Innern in ersprießlicher Weise vertritt und der davor gesichert ist, durch seine Beschlüsse den Spott und den Hohn der Feinde de« Reichs hervorzurufen, dieser Wunsch wird erst in Erfüllung gehen, wenn die Parteien, deren