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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.05.1891
- Erscheinungsdatum
- 1891-05-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189105125
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18910512
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18910512
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1891
-
Monat
1891-05
- Tag 1891-05-12
-
Monat
1891-05
-
Jahr
1891
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.05.1891
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Redaktion und Lrpr-ilion JohanneSgasse 8. Sprechstunden drr Urdacliou Vormittag- 10—12 Udr. Nachmittags 5— 6 Uhr. k»> dt» NUckAadk Manuiciurl, ML»! sich di« Rcd^cuo» inLl »<rt„»r>ttt>. Nnnahme Ver für dir nüchstsolaentze Numiucr bcstimuite» Jnicratc au Wochciilagr» bis 3 llyr Nachmittags, a» Lo»n- und Frsttanc» früh bis' ,0 Uhr. 3n drn Filialen für Jns.-Xunalfme'. Ltt« kle«»> s Lortim. tAlsred Hahn), UniversitälSslraße 1, Lsnis Lüsche, Kothartnenstr. 14, part. und König-Platz 7, nur bis ' ,3 Uhr. Anzeiger. Organ fiir Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. vierteljährlich 4>/, Mk ln Mt-Leipzig, incl. Bringerloha - DU., durch die Post bezogen 6 Mk. Ein',eine Nru. 30 Pf. Belegexemplar 10 Ps. Gebühren sür Extrabeilage» <in Tageblatt-Format gesalzt) ahne Posldrsörderuag 6o Ml., wtt Postbesörderuug 70 Ml. Inserate 6 gespaltene Petitzeile 20 Pf. Größere Schritten laut uns. Preisverzeichnis Tabellarischer u. Ziffernsatz nach höherm Tarif Reklamen unter dem Redactionsstrich di» 4-espalt. Zeile äOPt., vor den Familirnnachrtchte» die 6gespalten« Zeile 40 Pf. Inserat« sind stet« an die GrheoittO» z» senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung praamiinsranäo oder dnrch Pag» Nachnahme. ^ 132. Dienstag den 12. Mai 1891. 85. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Gesucht töekanutmachnng. Die LoosungSscheiiir der im Jahre 1801 von der königlichen Krsatz-Cominission Leipzig Stab« II. gemusterten militatr- pftichtigen Manuschaitc», deren Familiennamen die Anfangs- buchstaben I- bis mit 2 habe», sind eingegangcn und liegen auf unserem Lnarttcramtr, Naschmarkt Nr. 2, im iSrdgkschosj liukS, Zimmer Nr. 30 (Altes Polizeigcbände) zum Abholen bereit, was hiermit zur Kenntniß der Bctheiligten gebracht wird. Leipzig, am 9. Mai 1891. Ter Rath der Stadt Leipzig. «tä X/äl. 7604. ' l>r. Georgi. Lamprecht. Lekanntmachung. Die Entschädigung sür die H. Lunte der vom H. bis mit 16. Januar die,es Jahres im Varsnstgätzchc», Vrühl, in der > Bnrgstraste. Otrostr» »nd kleinen Flcischergaffc, Hain- und Hallc'schcn Ltrastc, »losteraaffc. am Markt, Neukirchtzas, in I der Park- und Plane,,'scheu Straffe, Schloffgaste, Schutftratzr. Theatergasfe, am Theaterplaq, Thamasnrchhas und in der Töpscrstraffc cinguarliert acwc,enen Truppen vom königlich t». Jnsanteric-Negimcnt Nr. 107 kann in den nächsten 3 Tagen bei unserem Onartier-Amtc, Naschmarkt Nr. 2, im Srdgrschosz I links, Zimmer Nr. 30 iklltcs Polizrigebäude) erhoben werden Ter das Quartierbillet Borweisende gilt aiS zur Empfangnahme! berechtigt. Leipzig, am 9. Mai 1891. Ter Nath der Stadt Leipzig. X II. 7797. vr. Georgi. Lamprecht. In Gemäßheit des 8. 1 der Vorschriften für die Aussührung von Anlagen zur Benutzung der Stadtwasscrkunst vom 8. Februar 1888 und der 88. 2 und 7 des Regulativs sür Gasrohrleilungen und Gasbcleuchtungsaiilage» in Privalgcundslücken vom 2. März 1863! machen wir hierdurch bekannt, dass der Gürtler Herr August Löbschütz, Leipzig-Reudnitz, Feldstraße Nr. 31, zur Uebernahme solcher Arbeiten bei uns sich angemeldet und den Besitz der hierzu erforderlichen Vorrichtungen nachgewiesen hat. Leipzig, den 8. Mai 1891. Ter Nath der Stadt Leipzig. X. 2845. vr. Georgi. Wolfram. In Gemäßheit der 88. 2 und 7 des Regulativs für GaSrohr Icitungen und Gasbeleuchtungsanlagcn in Privatarundstückcn vom 2. März 1863 machen wir hierdurch bekannt, daß her Klempner Herr Srnst Nobert Hessel, L.-Angcr-Crottendorf, Zwcinaundorser Straße Nr. 29, zur Uebernahme solcher Arbeiten bei unt sich angemeldet und Besitz der hierzu erforderlichen Vorrichtungen nachgewiesen hat. t'einrin den « Mni 1801 den sechzig, den 8. Mai 1891 X. 2805. Ter Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Wolfram. Nutz- und iZrennholz-Äuclion. Freitag, de» 15. Mai d. I., sollen auf dem Holzschlag« im Nosenthale. dicht an der Leibnizbritckr. nachstehende Hölzer: I ^>«»tirt»i»lLdrr von Nachmittags 3 Uhr an, als: 3 Eichen. Klotze von 27—93 cm Mittenstärke und 4—6 m Länge 2 Buchen- - - 26—30 - - - 5 - . 16 Rüster» » » 17—34 » » » 3—9 » » 4 Eschen- - - 19—23 - - - ü—10 - - 1 Ahorn- -»20- - - 4 - - 1 Masholder » - 27 - - . b » - 9 Rüstern-Lchirrhülzer und 1 Rmtr. Lichen-Nutzschette gegen die übliche Anzahlung und II LI re ii ul» »Ire er von Nachmittag» ' ,4 Uhr an: 12 Rmtr. Eichen-Vreunschettr, 42 - Abraumrrisig, >8 - Lchlagreisig und >5 Stück liSnrrclhauscn gegen sofortige Baarzahluug »nd unter den auf dem Schlage aushängenden Bedingungen an den Meistbietenden verkauft werden. Zusammenkunft: um 3 und '/,4 Uhr aus dem Schlage. Leipzig, am 9. Mai 1891. Tes Nath» Forftdeputation. OiMulils-Lekailntmachung. Gestohlen wurde» laut bier erstatteter Anzeige: 1, ein altes brnunlcd Portemonnaie mit gelbem Schlößchen, enthaltend ea. 13.'» ./L in II Kronen, einer Doppelkrone und div. kleiner Münze, ei» kleines blaues AtlaSdentelchcil mit goldenem Ring, daran ei» kleines goldene» Medaillon mit 2 Knaben-Photo- araphien und der Inschrift: „Mit Gott", ein kleiner silberner Oicorgollialer und 3 kleine goldene Münzen, deren eine mit „Mutter Gvlles-Bildniß" versehen ist, während die anderen die Gravirungc» ..3. I». 1887" bez. „Lärm, Rotterclam" und ü. K." tragen, am 5. d. M.; 2, eine silberne TaiNkN-Cylliider-Nemsntptr-Uhr mit geriester Rnckieile, ohne Buge!, am -1. d. M.: 3, eine stlbcrm Ncmo»toir-Uhr mit Goldrand, Secund« und geriester Rückseite mit wappenähntichem Schildchen, sowie mit an hängender dvppi'lsuängigcr Nlckrlkctte mit Kaiser-Fricdrtch- Mniizc und ein schwarzledernes Portemonnaie mit weißem Schlößchen, enthaltend einen goldenen Trauring mit der Gravirung ,.l<. I-i. 2. !>. 78", einen goldenen glatten Ring mit der Gravirung „1). v." und mehrere Lotteric-Laose mit der Nummer 70946, vom 3. bis 4. d. M. Nachts: 4, ein Lpernglas mil schwarze», Lederbczug, in schwarzem LeLcr-Elui mit Tanber'S Firma, am 30. v. M.; />) ein Nack von dunkelbtaucarrirtcm Kammgarnstoss mit Borden rinsassuna, schwarzen Steinnußknövien, schwarzem Llothfutter und Stosfhcnkel, letzterer mit der Inschrift: „Huolc-mann L Xiaser, ("Iicsnnit/.", „nd rine Weste von demselben Stoff, am 2. d. M 6, eine Zirh-Harmontta, 3reihig, mit Etsenbelii-Tasten und rothcr Holzbelleidnng, am 3. d. M.; ...' ei» Piyp-ffarton mit ca. 25 Stücken halbsetdkncn Ba.tücr», am 1. d. M.; 6 Stück Hülincr, 6 grau- und 2 schwarzgefiederte, vom 6. bis 7. ü. M. Nachts; !», rine lrbrndc Zirgr, hochtragend (auf dem Rücken schwarz grau, an der Brust weißt, ain 29. v. M.; IM 7 Stück sogenannte Ftscher-tztarnsäckc. aus Bindfaden gesiecht, vom 7. bis 9. d. M.; l 1, ci» Tcckbrtt mit weiß- und btaugesireistem Intet, während der letzten 3 Monate. Etwaige Wahrnehmungen über den Verblieb der gestohlenen Gegenstände oder den Tdäler sind ungesäumt bei unserer Eriminal« Abilieilnng zur Anzeige zu bringen. Leipzig, den 11. Mai 1891. Ta« Polizei-Amt per Stadt Leipzig. In Stellvertretung: vr. Sch arid. W. wird der Kürschner Carl Friedrich Nützler, geb. am 10. Juni 1847 zu Ernstthol, welcher zur Fürsorge sür seine hier der öffentlichen Waisenpslkge anheimgesallene Tochter Rosa Frida Ella anzu- hatten ist. Leipzig, den 1. Mai 1891. Ter Nath der Stadt Leipzig. tA r m e n a «t.) IV» 1147/91. Hentschel. H. Die Parteiverhältnisse in Frankreich. Die französische Dcputirlenkammcr hat am Freitag die Begnadigung der wegen ihrer Ausschreitungen am 1. Mai Verurtheiile» mit 318 gegen 199 Stimmen abgelchnt und damit eine sehr wichtige Entscheidung gefällt. Die Bedeutung des Votums wird klar durch die Worte des Justizministers: „Die Regierung lehnt jede Amnestie ab, weil gewiss« Agita toren, die von der Rebellion lebe», zur Rechenschaft gezogen und bestraft werden müssen, dagegen wird die Regierung Diejenigen begnadigen, welche verführt worden sind." Es handelte sich bei der Erörterung über die Anträge auf Begnadigung der wegen der Vorgänge am 1. Mar Ber- urtheilten in erster Linie um die Unruhen von FourmieS, welche durch die Verhaftung der die nicht am Streik thril- nchmeuden Arbeiter Bedrohenden entstanden waren. Die Truppen gingen mit Gewalt gegen Diejenigen vor, welche die Befreiung der Verhafteten erzwingen wollten. Clemcnceau nannte das „unschuldig vergossenes Blut". Damit war da- Schlagwort für Diejenigen gegeben, welche sür die Anträge auf Amnestie, also gegen die Regierung stimmten. Die Re gierung betrachtet die Angelegenheit von FourmieS übrigen» »och nicht für erledigt, sondern hat eine strenge Untersuchung angeordnet, aber ebenso entschieden die Zumuthung Tony Rcvillon'S abgelehnt, diese Untersuchung auch auf die Armee auSzudebnen. Freycinet erhob gegen diese Forderung mit Recht Widerspruch und fand damit auch auf der rechten Seile des Hauses Zustimmung. Ran sollte meinen, daß alle Freunde von Rübe und Ordnung die Haltung der Regierung in dieser Sache billigen müßten. DaS ist aber nicht der Fall, denn außer den Radi- calen haben auch etwa 40 Conservative gegen die Regierung gestimmt, abgesehen von den Socialisten und Boulanaisten. deren Opposition aus Grundsatz gegen Alles, was die Regie rung thut und empfiehlt, selbstverständlich ist. Ferner zieht man aus dem Parteiverhältniß der Abstimmenden in PariS den Schluß, daß die Stellung der Regierung geschwächt ist, weil sie nur noch die gemäßigten Republikaner aus ihrer Seite hat, aber nicht die radikale» Diese neue Lage ist so echt französisch, daß es Nicht-Franzosen schwer wird, sich in sie hineiuzuLcnken. Die radikalen Repu blikaner sind mit den gemäßigten völlig darüber ein verstanden, daß Ausschreitungen wie die in FourmieS im Interesse von Ruhe und Ordnung nicht geduldet werden dürfen, sondern daß die berufsmäßigen Hetzer, welche fort dauernd an den Grundlagen des Staates rütteln, in ihrer verderblichen Thätigkeit gestört werden müssen. DaS ist aber für die Partei-Fanatiker die Nebensache, ihnen kommt er darauf an, daß sic sich das Proletariat geneigt Hallen, um im Bunde mit ihm den Vertretern der Bourgeoisie und der Monarchie daS Gegengewicht halten zu können. Die An schauung ist so toll, so gegen alle Regeln der Vernunft, daß man sie nicht für möglich halten sollte, und dennoch ist sie als Richtschnur erwählt von Leuten, welche nach der Herrschaft streben, nicht weil sie vernünftig wäre, sondern weil sie ge eignet erscheint, zum Ziele zu führen. DaS ist das Unmoralische an allen derartigenPartcibiltungen. daß sie eigennützige Bestrebungen höher stellen als daS StaatS- wokl. Diese Leute reden immer von Patriotismus, von allgemeinen Menschenrechten, von Republik, von politischer Freiheit und Gleichheit, und wenn ibre eigenen Interessen in Frage kommen, dann sink sie die rücksichtslosesten Despoten, die man sich denken kann. Ob Ruhe und Ordnung im Staate anfrecht erhalten oder zerstört werden, ja selbst ob die DiSciplin in der Armee Gefahr läuft, ist ihnen völlig gleichgiltig, wenn Partei Interessen in Frage komme». E« ist charakteristisch für di« Bedeutung de« gegenwärtigen Streites, daß eS den Parteien als die Hauptsache erscheint, ob die Stellung des Ministerium« gestärkt oder geschwächt ist durch seine Haltung in der Begnadigungs-Angelegenheit. Was kümmert cS die Partei, die ans Ruder kommen will, ob die Axt an die Wurzeln der Staatsordnung gelegt wird wenn sie nur dadurch ihre auf Herrschaft gerichteten Zwecke erreicht. An erster Stelle wird auch bei diesem Anlaß wieder der Name Elrmenceau genannt, wenn man aber ein Plcbiscit darüber veranstaltete, ob Elcmenceau ein Lertretcr der össeitt lichen Wohlfahrt Frankreichs ist oder nicht, so würde riese Frage sicher mit großer Mehrheit verneint werden, obwohl damit nicht da« Plebiscit als geeignete Form für Ermitte lung dessen anerkannt werden soll, was der Gesammtheit frommt. Der Name Clemrnceau'lß wird immer dann ge nannt, wenn eine bestehende Regierung gestürzt werde» soll DaS Ministerium Freycinet besteht schon länger, als der Durchschnitt der Regierungsdauer der Ministerien seit dem 4. September 1870 beträgt, al'v muß es fallen nach der Theorie de« gewerbsmäßigen Ministerstürzers Elcmenceau Wir ersehen daraus, daß die Aenderung der Verhältnisse welche sich seit der Wahl Earnot'S zum Präsidenten der Re publik und der Vrrurtbeilung Koulanaer's entwickelt haben nicht als definitiv, sondern nur als provisorisch zu be trachten sind. Die große Mehrzahl der Monarchisten hat sich mit der Regierung solidarisch erklärt in Bekämpfung des SocialiSmuS und Anarchismus, nur bei einem kleinen Bruchtheil der Monarchisten hat der Gegensatz zwischen Monarchie und Republik in der Amnestiesrage den Ausschlag gegeben DaS ist bemerkenSwerth, denn e« legt aus« Neu« dafür Zeugniß ab, daß die Vertreter des monarchischen Staatsgedankens in Frankreich in grundlegenden Fragen, die sür die Wohlfahrt der Gesammtheit entscheidend sind mit patriotischen und nicht mit parteitaktischen Waffen kämpfen. Die Monarchisten habe» allen Maßregeln ihre Zustimmung gegeben, welche die Wehrkraft Frankreich- zu heben geeignet sind, und sie thun dasselbe, wenn c« sich um Bekämpfung de« SocialiSmuS und de« Anarchismus bandelt DaS aicbt zu denke». Tie Monarchisten waren bereit, den gemäßigten Revublikanern die Hand zu bieten, um auf einem gemeiniamrn Bodeu für das Wohl de» Ganzen zusammen zu tehen. Diese Vereinigung ist thatsächlich aber noch nicht ormell zum Ausdruck gelangt, dagegen haben die radicalcn ikepublikaner sich nicht gescheut, mit den Boulangisten und den Socialisten gemeinschaftliche Sache zu machen, um ihren Neigungen, die Herrschaft zu erlangen, Vorschub zu leisten. Für uuS Deutsche haben bic Partcikämpse ter Franzosen nur insofern Interesse, als wir daran- Gründe sür oder wider die Möglichkeit entnehmen können, den Frieden aufrecht zu erhallen. Es ist traurig, aber wahr, daß ein in Partcikämpfen ich verstrickendes und aufreibendes Frankreich sür den Frieden örderlicher ist als ein einige« und das Gcsainmtwohl berück- ichtigcndeS. Die Geschichkc Frankreichs lehrt, daß die Entwickelung dieses Landes nicht die Aufrechthaltung dcS Bestehenden, sondern die Veränderung und die Umwälzung erstrebt. So wie Frankreich sür die Emancipirung de« dritten Stande« die Führung übernommen hat, so ist eS «tzl bemüht, den vierten Stand auf den Sockel zu beben. )>e socialistischen Bestrebungen haben seit zwei Jahrzehnten in Pari« ihren Mittelpunkt. Dort ist daS Experiment mit der Pariser Eommunc gemacht worden, dort ist der Gedanke ur Maifeier entstanden, durch welchen der achtstündige IkaxiinalarbcitStag überall angestrrbt werden soll. Die ganze Bewegung, welche seit einem Jahrhundert von Frankreich auSgcgangen ist, erscheint in ihren Ursachen und ihren ?eben«äußcrungen als eine kranke, cS wird ibr deshalb an einer sie paralysircnden gesunden Gegenwirkung nicht fehlen. * * Leipzig, 12. Mni. * Die Commission für die zweite Lesung dcS Bürger lichen Gesetzbuches erledigte in ihren Sitzungen vom 4. bi« 6. Mai zunächst de» Rest des Abschnittes über die iZorm der Rechtsgeschäfte (tzts. 9l bis 94). Tie Vorschriften des EnttvurseS, nach welchen, wen» die schrist liche Form sür eine» Vertrag vorgeschrieben ist, eine besondere Ur künde von den Parteien aufzunehinen und zu unterzeichne» ist, wurden angenommen und der Antrag, i» solchem Falle auch de» Abschluß durch Briefwechsel zu gestatten, abaelehnt. Abweichend vom Enl- würfe wurde bet der durch Gesetz vorgelchriebene» schriftlichen Form die telegraphische Ueberinittelung für unzulässig erklärt, wogegen dieselbe im Zweifel genügen soll, wenn die Beobachtung der schrist lichen 'Form »ur durch Vertrag zwischen den Beiheiligten vereinbart ist. Auch in diesem Falle soll jedoch jeder Theil berechtigt sein, die nachträglich« schriftlich« Feststellung zu verlangen. Die Eommission wandte sich dann zu dem schnnerigen und vielbcslrittenen Abschnitte tzher Willens Mängel M 9b bis 104), welche eine sehr eingehende und lebhafte Discusston hervorrief. Uebercuislimmend mit dem Entwurf wurde angenommen, daß die og' Mentalreservation nicht berücksichtigt werde, sofern nicht etwa Empfänger der Willenserklärung den Willens,nangek gekannt. Tas Scheingeschäst dagegen ist immer nichtig. Abgclehnt wurde» die Anträge, welche demselben zu Gunsten gutgläubiger Dritter Wirt amkeit beilegen wollten. Nichtig sollen nach dem Beschlüsse der LomiMion auch solche nicht ernstlich gemeinte Willenserklärungen ein, bei. welchen der Erklärende vorausgesetzt hat, daß der Mangel der Ernstlichkeit nicht verkannt werde, z. B. scherzhaften Aeußerüngen Abweichend von dem Entwurie sollen solche Erklärungen auch bei grober Fahrlässigkeit des Erklärenden nicht giltig sein, dieser aber unbedingt, also auch wenn ihm keine Fahrlässigkeit zur Last ällt, verpflichtet sein, .den Schaden zu ersetzen, welche» der andere Theil dadurch gehabt hat, daß er auf die Giltigkeit der Willenserklärung vertraut hat, sofern er nach den Umständen den Mangel der Ernstlichkeit nicht hätte erkennen muffen. Fiir den wich, tigslen Fall de« Willensmangels, den nämlich, in welchen die Willens, erklärung in Folge eines Jrrthums des Erklärenden seinem wirk wirklichen Willen nicht entspricht, wurde zwar der Antrag, die Willenserklärung regelmäßig als giltig zu betrachten, abgelehnt, ab- weichend vom Entwurf aber angenommen, daß die Willenserklärung in solchem Falle nicht unbedingt nichtig, sondere nur anfechtbar ein und der Aniechtende ohne Rücksicht aus Fahrlässigkeit verpflichtet sein solle, das sogenannte negative Bertragsintereffe in demselben Umfange, wie im Falle des Scherzes zu ersetzen Die Beralhung wurde indessen nicht zu Ende geführt und eine Reihe einschlagender Fragen auf die nächste Sitzung vertagt. * Aus Anlaß der Eenlcnarfeier der polnischen Verfassung vom 3 Mai 1791 hat der polnische Gymnasiallehrer Anton EhudzinSki zu Strasburg in Westpreußcn unter dem Titel: pc,I»Icrc v I'rw>i»c.k" (Die polnische Frage in Preuße») eine kleine Schrift veröffentlicht, welche ihre- Inhalt« wegen in den deutschen Kreisen allgemeines Aufsehen erregen dürfte. Der Verfasser bestreitet zunächst, daß e» ein« „allgemeine" polnische Frage gebe. Es könne höchsten« von einer polnisch-russischen und von einer polnisch-österreichischen Frage geredet werden. EhudzinSki meint, die Polen i» Preußen müßten jeden Gedanken einer Los- reißung von der vreußffchen Monarchie entschieden von sich weisen und bei jeder Gelegenheit zeigen, daß sie eine solche Losreißunc nicht erstreben wollen. Preußen könne die „polnischen Provinzen' niemals herausgeben, müsse dieselben vielmehr mit allen Mitteln ver. theidigc», da dieselben sür den Bestand des Staates unbedingt noth. wendig seien. Seinen Landsleuten, den Polen, macht Ehubzinskt den Borwnrs, sie hätten die Preßfreiheit nicht zur geistigen und sittlichen Hebung der polnischen Gesellschaft, sondern nur dazu benutzt, gegen die „Teutonen" und die „teutonische"Regierung die schniachvollslen Beleidi- aunaen zu erheben. Ebenso hätlenauch die polnischen Parlamentsrcdner die Freiheit der Rednertribüne gemißbraucht, um die deutsche Nation und die deutsche Regierung zu verunglimpsen und zu reizen. Tie Polen müßten der Regierung beweisen, daß sie, ohne ihre Sprache und ihre Nationalität auszugebe», ebenso gute Preußen seien wie ihre Mitbürger dcutschrr Nationalität. „Zu diesem Zwecke müssen wir", so schreibt EhudzinSki, „die Polen zu Boiksversamiiiluiigen einderusen und auf diesen offen aussprechen, daß wir nicht nur jeden Gedanken einer Losreißung von Preußen von uns weisen, sondern vielmehr bereit sind, die Integrität der preußischen Monarchie und unsere Zugehörigkeit zu ihr mit dem letzten Blutstropie» und dem letzten Rest unserer Habe gegen Jede» zu vcrthridigrn, der mit der Versuchung dazu an uns herantreten sollte." Diese Vorschläge inacht ein gibildeicr Pole. Man darf gespannt darauf sein, was die polnische Presse dazu sagen wird und wie sie sich gegen den Borwnrs des Mißbrauchs der Preßfreiheit vertbeidige» wird. Im scharfen Eontraste zu den Ausführungen dcS Gymnasial lehrerS EyudzinSki steht die polnische Äqitalion untci den ermländische» Katholiken in Ostpreußen. Nach einer Mittbeilung des „Kuryer Poznanski" nimmt die Agi tation dort einen sehr „aünsti.zcn" Verlaus. Die „Gazcta OlSztynSka" (Allensteiner „Zeitung), da« Organ der polnischen Bestrebungen im Ermlandc, findet immer größere Ver breitung; ferner werden Vereine zur Belehrung gegründet und Vcrsammlunge» mit Vorträgen und Gesängen abgekallcn Möglicherweise wird es die rührige polnische Agitation i» kurzer Zeit dahin dringen, daß sich die ermländischen Kalho liken polnischer Zunge und die wcslprcußischen Kassuben als echte Polen fühlen lernen — Die Posener Polnische Rusticalbank (Bank WloscianSki) bat da- Rittergut Nzeczyce jm Kreise Jnowrazlaw im Wege der Subhaslation für 220 OVO -F erworben. * Der im vorigen Jahre :nm AuSlrag gelangte Straf- proccß gegen verschiedene Werftlieferanten in Kiel wegen Bestechung bat zu einem Nachspiel geführt. Drr in diesem Proccffr vielgenannte Werst-Verwaltung-secretair Mkc wurde von der königlichen DiSciplinarkammer zu Schleswig des Tisciplinarvergchens für schuldig befupden und gegen denselben auf Dienstentlassung erkannt. * Wie dem „Rishkij Wjestnik" (Rigaer Bote) mitgetheilt wird, soll in nächster Zeit eine Verfügung erlassen werden, welche das Tragen einer Uniforni für alle Schüler der mittleren Lehranstalten (Gymnasien :c.) in den Ostsee- rrovinzcn obligatorisch macht. Im übrigen Rußland be tank dieser Uniforinzwang schon längst für alle vom Staate unterhaltenen Lehranstalten. — DaS Ministerium der BolkS- aufklärung hat im Rcichsrath daS Project cingebracht, in St. Petersburg die ärztlichen Eurse sür Frauen wieder Herrustellen unter dem Namen: „Weibliche- incdicinische- Jnstitut". Für die Aufzunehmenden wird ein Alter von 20 bis 35 Jahren gefordert und die Reifeprüfung in den beiden alten Sprachen. — Mit dem Lehrjahre 1891/92 sollen in allen finländischen Schulen als ein besonderer Lebr- gegenstand Sprechübungen in drr russischen Sprache eingcführt werden. * Die Türkei ist vollständig in ihrem Recht, wenn sie die russischen Schiffe der sogenannten Freiwilligcn- Flotle nicht als Handelsschiffe ansiehl und ihnen somit die Fahrt durch den Bosporus verweigert; nur ist zu verwundern, daß daS Verbot nicht schon seit Jahren erfolgt ist. E- ist ein offenes Geheimniß, daß dieselben, »eben anderen Zwecken, wie B. der Ucberführung von Strafgefangenen nach Sachalin, zur Beförderung von Schicßvorratb, Geschützen und Waffen nach Wladiwostok und Lstsibiricn überhaupt, dienen. An, genauesten muß die englische Regierung hierüber Bescheid wissen, denn der englische Eonsul in Odessa verfehlt niemals, seiner Negierung ein ganz genaue« Verzcichniß ter auf jedem derartigen Schiff »iilgesübrlen KricgSbedürfnissc einzureichen. Er »st durch seine Oucllen eingehend darüber unterrichtet. Bei der Untersuchung in indischen Häfen drücken die englischen Osficiere ein Auge zu, wissen aber so genau, daß die russische» Angaben über die Befrachtung dcS Schiffe« alsch sind, daß sic hier und da im gcmütbllchcn Verkehr mir den Ofsiriercn der russische» Besatzung diesen ihre Kennlniß nicht verheimlichen. Die russische Entrüstung über da- durch aus richtige Verhallen der türkischen Regierung ist daher unbegründet. * Am 3. Mai lagen dem Berner Volke wieder einmal ein Beschluß und zwei Gesetze zur Abstimmung vor. der. Beschluß, betreffend Fortsetzung einer besonder» LlaatSstcuer für Erweiterung der Jrrcnpslegc, das Gesetz, betreffend Auf hebung der nationalen Branniwei» Fabrikationsgesetze unk da« EinkührungSgesetz zum BuntcSgcsetz über Schuld betreibung und ConcurS Dabei hat da« Referendum wieder einmal einen recht absonderlichen Streich gespielt: während die beiden ersten Vorlagen dci geringer Tkcilnahme an genommen worden sind, ist das EinführuiigSgcsetz zum BundcS- gcscy über Schultbetrcibung und Eoncurö mit 19 3.31 gegen 17 494 Stimmen verworfen worden. Da nun die cantonalen EinführungSgescpc zu jenem BunteSgesetz dem BundeSralk bis rum I. Juli zur Genebmigung vorliegen müssen, wirb der BuntcSratli da« verworfene EinnibrungSgescy von sich aus provisorisch in Kraft getreten erklären muffen, bis daS Berner Volk auf einen neuen, an daS Volk ergangenen Appell gesteht, sich eine- Bessern besonnen zu haben. * Zur Lage in Italien wird der „Politischen Eorre- spondenz" auS Nom geschrieben: Das EabinetRudini hat neuerdings zwei parlamentarische Erfolge errungen, durch welche seine Position aus eine breite und feste Grundlage gestellt erscheint. Tie Debatte über das Verhalten der Regierung anläßlich der Vorgänge am 1. Mai hat mit einer Tagesordnung zu Gunsten der »rsteren geschloffen, die mit 235 gegen 113 Stimmen angenommen wurde und die Abstimmung, auf welche die sech-tägig» Verhandlung über die afrikanischen Ange- legenheiten hinausliet, ergab sür das Eabinct eine noch bedeutendere Majorität. Alle die krtsenacrüchte, welche speciell während der Be- rathungen über die Maßnahmen der Regierung betreffs der Arbeiter kundgebungen am I. Mai aukgetaucht waren, rührten aus Kreisen her, welch« dem Eabinet Rudini-Nieotera ein kurzes Dasein vorher- gesagt batte» und die sich mit dem Gedanken einer längeren Dauer dieses Ministeriums selbst heute, wo die Thatsachen die Lebens fähigkeit desselben zur Genüge erwiesen haben, noch nicht befreunden zu «vollen scheine» Das Schicksal des CabtnelS ist überhaupt in Folge der Aushebung des Listenscrutiniums dis zu einem gewissen Mage gegen parlamentarische Gefahren gesichert worden. Sollt« sich seine Lage in unvvrhergeicbcner Weise verschlimmern, so hat es nunmehr das Mittel in der Hand, sich den Entscheidungen der Kammer zu entziehen und das Land selbst zu befragen. Es läßt sich heute kaum eine Vermulhung darüber aussprechcn, Ivan» für die Regierung der Augenblick koniine» dürste, von diesem Mittel Ge- brauch zu machcn: iinmerhiu glaubt man in Tepntirtenkreisen mit der Möglichkeit, daß die Auslösung des Parlaments im Herbst er- folgt, rechnen zu sollen. Al» eine nothwendige logische oder mora- tische Conjequenz der Einführung einer neuen Wahlordnung fiir die Parlament-Wahlen kann diefe Maßregel nicht bezeichnet werden, und der Minister des Innern, Baron Nicotera, ist der Ausstellung eines solchen Postulats ausdrücklich entgcgengelreten. Aber in der Fassung der Erklärungen des Ministers konnte mau immerhin, ohne jede gewaltsame Auslegung, eine Andeutung in dem Sinne entdecken, daß der Regierung selbst der Gedanke der Kamnierauslösuag in einer mehr oder minder nahen Zukunft nicht fern liegt. * Der Bericht, welchen die große Jur» von New- Orlean« über da« Lynchvcrfahren gegen die Italiener erstattet bat, ruft selbstverständlich in ganz Italien lebhasle Entrüstung hervor. Werden doch in teinsclben Grundsätze für die Gerechtigkeit-Pflege verkündet, die der Eivilisation Hohn sprechen. Die Unionsregicrnng macht keine Miene, de» Forderungen Italien« und den unabweisbaren Geboten beS Völkerrechtes Rechnung zu tragen und sucht bas Wesen der Sache durch allerlei kleinliche diplomatische Winkelzüge und Buchstabenkrämereik» zu umgehe». Der diplomatische Bruch zwischen den beide» Staate» ist somit, mag derselbe auch durch die Belastung von beiderseitigen Geschäftsträgern in Rom und Wasbinglon einigermaßen verschleiert werden, nneermcik- lich geworden. Der „Pvpolo Romano", welcher in der gegen die Union geführten Preßcampagiie an der Spitze der hiesigen Blätter stand, ist jedoch rer Ansicht, daß die italienische Re gierung mit diesem Bruch die Angelegenheit keineswegs als abgethan betrachten dürfe. „Wir wissen nicht — sagt da« Blatt — ob die andere» europäischen Staaten bereit sei» würden, sich unS anzuschließcn, um der Sache der Eivilisation zum Siege z» verhelfen, aber es scheint uns, daß eine Action in diesem Sinne nicht unterlassen werden sollte."
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