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Dresdner Journal : 30.07.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-07-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189607306
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18960730
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18960730
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-07
- Tag 1896-07-30
-
Monat
1896-07
-
Jahr
1896
- Titel
- Dresdner Journal : 30.07.1896
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vei»,r>ret«: 8ür Trctden vierteljährlich 2 Mart 50 Ps., beiden«aiser- lich deulschen Postanstalten vierteljährlich 3 Mark; außer halb de« Teutschcn Reiches Post- und Stempelzuschlaa. Einzelne Nummern: 10 Pf Erscheinen: Täglich mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage abends. Fernspr -Anschluß: Nr 18-5. AnkündigungSgebühreu: Für den Raum einer gespal tenen Zeile kleiner Schrift 2<> Ps Unter „Eingesandt" die Zeile bl) Ps Bei laccUcn- und Zissernsatz entjplechendcr Aulschlag. Herausgeber: Königliche Expedition des Dresdner Journals Dresden, Zwingerstr 2V. Fernspr Anschluß: Nr12S5. ^175 18t»« DonncrStaff, dcu Ä>. Juli, abcade. Zlachtiekellungen auf das „Dresdner Journal" für die Monate August und September werden zum Preise von 1 M. 7t) Pf. angenommen für Dresden: bei der unterzeichneten Expedition (Zwingerstr. Nr. 20), für auswärts: bei den Postanstalten des betreffenden Orts zum Preise von 2 M. Lörngl. Expedition -es Dresdner Zouruats. Amtlicher Teil. WekcrnnLrnachung, die Jagdkarten auf das Jagdjahr 1Z00/07 betreffend. Die von dem Gendarmeriewirthschaftsdepot an die Jagdpolizeibehörden zu verabfolgenden Formulare zu Jagdkarten auf das Jagdjahr 1896/97 sind aus Kartonpapier von hellgrüner Farbe hergestellt worden. Dies wird zugleich zur Nachachtung für diejenigen Beamten, welchen nach tz 37 des Gesetzes über die Ausübung der Jagd vom 1. December 1864 und 8 7 des Gesetzes über die Schonzeit der jagdbaren Thiere vom 22. Juli 1876 die Aufsicht über die gehörige Befolgung dieser Gesetze obliegt, hierdurch zur öffentlichen Kenntniß gebracht. Dresden, am 29. Juli 1896. Ministerium des Innern, II. Abtheilung. v. «harpentier. Gebhardt. Srnevvtmgeu, Bersetzanften rc. im öffevtltcheo Dienste. Departement der Justiz. Das vom Rechtsanwalt Bürgermeister Wilhelm Ludwig Edgar Leuthold in Schöneck bekleidete Amt eines Notars ist durch Niedcrlegung dieses Amtes und Fiststcllung nach ß V9 der Notariatsverordnung vom b. September 1892 erloschen. Nichtamtlicher Teil. Über den Untergang des Kanonenboots „MS" sind gestern vormittag in Berlin folgende Depeschen von dem Chef der Kreuzerdivision aus Chefoo ein- getrofsen: I) „Iltis" am 23. abends 9 Meilen von Shantung SO.-Feuer gestrandet. Schiff verloren. Offiziere und Mannschaften ertrunken bis auf Mos- löhner, Mayfarth, Ofbruik, Westpunkt, Priebe, Rabe, Kühl, Habeck, Kiel, Zimmerling, Langenberg. Zu nächst „Cormoran" und „Arcona" entsendet. 2) Von „Iltis" hier zurückgelassen: Zahlmeister Loß, im Ho spital Voight. ES sind also elf Mann der Besatzung gerettet worden, 74 brave Seeleute haben als Helden im Kampf gegen die übermächtige Naturgewalt ihren Tod in den Wellen gefunden. Das Kanonenboot „Iltis" war ein ziemlich altes und kleines Schiff; es hatte nur ein Deplacement von 489 Tonnen, die Zahl der indizierten Pferdekräfte betrug 340. „Iltis" wurde nach Beendigung der Probefahrten im Jahre 1880 für die ostasiatische Station in den Dienst gestellt und kehrte im Herbst 1886 nach Wilhelmshaven zurück, nachdem es im Jahre 1885 auf der Insel Zap der Karolinengruppe unter dem Kommando des damaligen Äapitänlieutcnants Hofmeier unter schwierigen Verhältnissen die deutsche Flagge ge hißt hatte, ein Vorgang, der bekanntlich fast zu ernsten Differenzen mit Spanien geführt hatte. Nach einer auf der Kaiserlichen Werst zu Wilhelmshaven vor- genommenen Grundreparatur wurde „Iltis" wiederum im Herbst 1887 nach Ostasien entsandt und trat während des chinesisch - japanischen Krieges zunächst unter dem Kommando des Korvettenkapitäns Grasen v Baudissin in Korea und Formosa zum Schutz der deutschen Interessen in Aktion. Trotz seiner Kleinheit spielte es bei den chinesisch-japanischen Verwickelungen eine ganz hervorragende Rolle und brachte die deutsche Flagge überall zu Ehren Es rettete unter seinem damaligen Kommandanten Grafen Baudissin eine große Anzahl chinesischer Soldaten, welche dem Tode des Ertrinkens nahe waren; von feiten der chinesischen Behörden wurden dem Kommandanten der „Iltis", seinen Offizieren und Mannschaften für die helden mütige That große Aufmerksamkeiten zu teil; dem „Iltis" wurde das Docken auf einer chinesischen Werft gestattet. Nach Graf Baudissin erhielt der damalige Kapitänlieutenant Jngenohl, Adjutant des komman dierenden Admirals Frhrn. v d. Goltz, das Kommando des „Iltis". Unter ihm griff das Kanonenboot aktiv in die chinesischen Wirren ein, im Sommer vorigen Jahres bei Formosa. Es wird den Lesern will kommen sein, wenn wir heute den Bericht des Kapitäns über diese Aktion wiederholen: „Am 6. Juni um 7 ttdr morgens erhielt Kapitän Jnge- »ohl Vie Meldung, daß die Geschütze der Südbattericn, welche die Chinesen bei Tammi errichtet hatten, aus den deutschen Dampscr „Arthur" seuerten und einige Granaten in unmiüel barer Nähe des Schiffes eingeschlagen seien Der „Arthur" hißte gleich daraus das Signal: „Ich werde angegriffen und bitte um Hilse." Gleichzeitig ging er in höchster Eile Anker aus und legte sich ganz in der Nähe längsseit des „Iltis" vor Anker, um durch uns gegen das Geschützseuer gedeckt zu sein. Ich fuhr nun seibst zu dem Dampfer hinüber und erfuhr dort von dem in großer Aufregung befindlichen Kapitän, daß eine Granate in den Salon aus seinem Schiff eingeschlagcn sei und, ohne zu krepieren, einen Chinesen schwer verwundet habe. Ich ließ mir die Granate geben, die ich als eine Fünf- oder Sechs- centimetergranatc aus einem Kruppschen Geschütz erkannte, und wars sie, um weiteres Unglück damit zu verhüten, über Bord Dem Kapitän erteilte ich die Weisung, sein Schiff zunächst fv weit sacken zu lassen, daß das Schutzseld sür uns frei wäre, und dann, sobald genug Wasser aus der Barre wäre, so schnell wie möglich auszulaufen. Meine Milteilungen, daß ich nach dem nächsten Schuß ans der Batterie das Feuer aus diese eröffnen würde, beruhigte ihn sichtlich Ich fuhr nun an Bord zurück, wo mittlerweile die Geschütze klar zum Feuer gemacht waren ... Es wurde nur mit dem 12,5 om-Heckgeschütz geschossen Im ganzen sind drei 12.5 cm scharse Granaten gefeuert worden Tie Entfernung wurde aus der Karte enlnommen und zunächst 25U0 m am Heckgeschütz eingestellt. Nach dem nächsten Schuh aus der Batterie am Lande, der erst nach einiger Zeit erfolgte, wurde das Geschütz auf das Ziel, von dem außer dem Wall nur ein Geschütz, halb im Gebüsch versteckt, erkennbar war, eingerichtet und dann geseuert. Der Schuß war minii8 und rechts, es wurde daher 28vo m Aussatz genommen, die Seiien- vcrschiebung entsprechend korrigiert und nach dem nächsten Schuß aus dem Fort der zweite Schuß gefeuert. Dieser Schuß mar x»Iu8 bez., wie ans dem Umstand, daß die Chinesen Hals über Kops wegrannten, zu schließen, ein Treffer in der Batterie; die Eeitcnrichtung war gut. Mehrere Tage später hörte ich, daß dieser Schuß thatsächlich ein Treffer in der Batterie war und, wie mir der Lomwwmonor ok ou8tow8 Mr. Morse schrieb, dreizehn Chinesen getötet bez. verwundet haben soll Da gerade nach diesem Schuß der „Arthur" mit großer Fahrt aus dem Hasen dampste, so ließ ich zur Sicherheit und zur Beschleunigung der Flucht aus die Chinesen in dem Fort noch einen dritten Schuß feuern, der unmittelbar unter der Krone in den Wall einschlug und ebenso wie die beiden ersten Schüsse krepierte Die Chinesen sollen sehr verwundert gewesen sein, daß ein so kleines Schiss wie der „JltiS" mit seinen Ge schützen so weit und so hoch schießen und auch treffen konnte Als Kuriosum möchte ich noch erwähnen, daß von da ab während der nächsten Tage säst alle Dschunken und Fahrzeuge der Chinesen, die im Hasen verkehrten, eine deutsche Flagge an ihrem Mast gehißt hatten " Auf der ostasiatischen Station befanden sich früher die beiden Kanonenboote „Wolf" und „Iltis"; „Wojf" ist zurückbernfen und zur Zeit auf der Werft in Danzig einer Reparatur unterworfen, nach Beendigung derselben sollte es wieder nach Ostasien gehen, für diesen Zeitpunkt war dann die Rückbeorderung des „Iltis" in die Heimat ins Ange gefaßt. Die Kanonen boote haben sich nämlich in Ostasien gut bewährt. Sie hatten häufig große Reisen zu machen. Im Jahre 189l führte eine solche den „Iltis" bis nach Wladiwostok. Ihr Hauptzweck besteht darin, daß sie kleine Küstenplätze und flache Fahrwasser in den chinesischen Gewässern beiuchen können, um dort unsere Handelsschiffe zu schützen. Oft müssen sie, wozu sic ihr flacher Gang besonders geeignet macht, weit in die Flüsse hinauffahren, um, unserer Handelsschisfahrt die Wege vorzubereiten und seeräuberische Anfälle chinesischer Dschunken sofort zu strafen. Die gegenwärtige Besatzung (Mannschaft) des „Iltis" hatte Deutschland am 26. März 1895 ver lassen. Der Kommandant, der als einer der tüchtigsten Offiziere der Kaiser! Marine gegolten hat, hatte erst in diesem Frühjahr das Kommando übernommen, die übrigen Offiziere waren nn Laufe des Jahres 189.5 hinausgegangen. Tie französische Sozialdemokratie und der Frankfurter Friede. Unter dieser Überschrift veröffentlicht die „K. Z." eine Zuschrift ihres Brüsseler Mitarbeiters, die wir als lesenswerten Epilog zu den Vorgängen in Lille nachstehend wiedergeben: Die Borgänge in Lille rücken noch einen Punkt ins Licht, der, soweit wir von hier aus ersehen konmen, bis jetzt in der deutschen Presse wenig oder gar keine Beachtung gesunden Hal. Das ist die Stellung der sranzösischcn Sozialdcmol/atie zu dem antideutschen Charakter dieser Kundgebungen. Ihre Presse möchte ihn wie überhaupt die Borgänge verwischen und die ge mäßigte Presse Frankreichs ihn ganz hinter den antisozialisli- schen Charakter zurückdrängcn. Es dürste aber umso an gebrachter sein, diese Stellung bei dieser Gelegenheit wiederum klarzustellen, als manche deutsche Leser aus den unttr dem Fcldgejchrci „Nieder mit den Deutschen!" und „Es lebe Elsaß- Lothringcn!" erfolgten Zusammenstößen der Liller Patrioten mit ihren sozialdcmokratiichen Landsleuten zu dem Schlüsse ge neigt sein könnten, daß die letztem anders über Deutsch land und die sogenannte „elsaß-lothringische Frage" dächten, als jene. Tas ist aber ganz und gar nicht der Fall Im Gegenteil ist die französische Sozialdemokratie in dieser Frage geradeso chauvinistisch gesinnt, als der Pariser und andere Radaupatriotismus, dessen teste Vertreter, die Bou- langisten, bezeichnenderweise ja auch nach Beendigung der boulanglstischen Komödie zu ihr übergegangen sind und mit ihrem Chauvinismus sehr gut in ihr auskommen. Daß die Liller Patrioten gleichwohl die Teutschenhrtze gegen die Sozialisten auSspiclten, geschah, weil sie damit zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen hofften, die Deutschen und diu ihnen ver haßten sozialdemokratischen Gemeinderat von Lille, den sie nicht besser und nicht wirksamer in den Augen ihrer Mitbürger vcr- öächtigen und herabsetzcn zu können glaubten, als indem sic ihn der Verbrüderung mit den Deutschen beschuldigten Und daß das Mittel sich so zugkräftig erwies, macht sür uns die Vor- sälle umso lehrreicher. Gegen die Liller Sozialdemokratie ge richtet war es aber doch nur ein Manöver Ein Beweis dafür ist schon, daß diese ja die Liebknecht und Bebel gerade als die jenigen Mänmr von ihren Landsleuten geseiert wissen wollten, die 1871 sich der Einverleibung Elfaß-Lothriugens widersetzt hatten, die sür alle Fianzosen den lebendigen deutschen Wider spruch gegen den Jranksurter Frieden bedeuteten Es war also ein nationaler Appell der französische» Sozialdemokratie und als solcher ein Hohn und eine schallende Ohrfeige sür die Führer der deutschen Sozialdemokratie, die vor diesem Ausdrucke der Vaterlandsliebe und des nationalen Empfindens der sranzösischcn Genossen in der ganzen Jämmerlichkeit ihrer cigen-n Laterlands- losigkeit dastanden AIS Mitangehörigc der großen internationalen Proletarierverschwörung gegen eine andere Gesellschaftsklasse lassen sich die französischen Sozialdemokraten zu gelegentlichen Begrüßungen und Händedrücke» herab, als Franzosen aber geben sie ihnen zugleich einen Fußtritt Es ist nicht das erste Mal, daß deutschen Sozialdemokraten dies von den Franzosen geschieht und diese ihnen erklären, daß sie den Begriff Vater land nicht gleich ihnen über Bord geworfen haben Am klarsten und deutlichsten sprachen sie sich aus dem im September vorigen Jahres in Brüssel abgehalieucn sozialdemokratischen Frcidcnker- kongreß aus, den bei dieser Gelegenheit in Erinnerung zu bringen von Jnieresje ist Zu dem cistcu Punkte dcr Tages ordnung, betreffend die Abschaffung dcS Krieges, lag ein Kom missionsantrag vor, der sich sür den allgemeinen militärischen Ausstand aussprach Das gab den Franzosen sofort den Anlaß, die elsaß lothringische Frage auszuwersen Der ehemalige Kommunarde Alix erklärte, dem nicht zustimmen zu können, so lange die Frankreich geschlagene Wunde nicht vernarbt und Elsaß Lothringen nicht zurückgegcben sei Von deutscher Eeitc erklärte daraus eine Frau Wilhelmi Stuttgait, cs gehe ein Sturni durch Deutschland gegen den Militarismus und den Krieg Und zu dcn Franzosen gewandt, sügle sie hinzu: „Wir haben uns nicht mit plawnüchc» Erklärungen begnügt, sondern gehandelt Am Vorabende des Jahrestages von Sedan haben dir deutsche» Sozialdemokraten ihren, Abscheu über dieses schmachvolle Fest durch eine Adresse an ihre sranzösiichen Brüder Ausdruck gegeben " Sie erhie t die Quittung über diese Brüderschaft von den Franzosen mit folgenden Worten: „Die elfaß - lothringische Frage hat mit der sozialen Frage nichts zu ihun Unsere patriotischen Forderungen aus Rück gabe Elsaß - Lothringens sind der Einspruch gegen eine brutale That, wogegen die ganze Menschheit Einspruch er hebt Eure Theorien von dem weit entfernten Ideal des Schieds genchts wirken nur cinschläsernd." In gleich deutlicher Weife drückte sich der elsässische Sozialdemokrat Schacre aus Aus den Widerspruch der Franzosen wurde denn auch Lie Stelle des KommissionsantragS, die den militärischen Ausstand anriet, ge strichen. Unser Bericht beruht auf dem „Peuple". dem Partei organ dcr belgischen Sozialdemokratie, und ist also unverdächtig. Auch letztere kennt die Baterlandsverlcugnung nicht, und noch weniger dürste sie wagen, sie mit dcr cqnischen Offenheit aus zusprcchen, womit die Wortsührer der deutschen Sozialdemokratie stets vor die Franzosen und das Ausland hintreten, um sich von ihnen durch die unerbittliche, alle internationalen Traum- gcbilde umwer>cnde Geltendmachung ihrer nationalen Forder ungen reg lmäßig die eigene Schmach bescheinigen zu lassen. Wenn sie wenigstens logisch und konsequent den Mut ihrer Meinung zeigten und die Franzosen aus den alles nivellierenden großen Kladderadatsch hinwiesen, bei dem ja doch alle Grenzen sollen Statt dessen aber legen sie sich vor ihnen gnadcdettelnd nilt der Entschuldigung auf dcn Bauch, an dem Unglück Frank reichs keinen Anteil zu haben. Wo ist die „deutsche" Bedienten seele, von der Bebel redete? Lagesgeschichk. Dresden, 30. Juli. Se. Majestät dcr König zeichneten gestern, Mittwoch, die hiesige Ausstellung des Sächsischen Handwerks und Kunstgewerbes wiederum mit Allerhöchstfeinem Besuche aus. Von Pillnitz kommend, trafen Se. Majestät in Begleitung Sr. Excellenz des Generaladjutanten Generallieutenants v. Treitschke gegen 6 Uhr am Ausstellungspalaste, wo zahlreiches Publikum der Ankunft des Monarchen harrte, ein und wurden am Haupteingange von einer Deputation des Ausstellungskomitees, bestehend aus den Herren Stadtrat Wetzlich, Stadtrat Lungwitz und Stadtverordneten Fabrikant Bierling, empfangen. Unter Führung dieser Herren besichtigten Se Majestät zunächst die im linken Flügel- und Ecksaale ausge stellten Zimmereinrichtungen und Drechslerarbeiten rc. Hierbei interessierte den Monarchen insbesondere das vom Billardfabrikanten Ludwig Starke angefertigte Tischbillard, welches an der Zierbande in Laubsäge arbeit en winiature die Nachbildungen des Sächsischen Fürstenzuges (wie er im Originale an der Gewehr galerie auf der hiesigen Augustusstraße zu sehen ist) sowie des Königl. Jagdschlosses Moritzburg und der König!. Albrechtsburg zu Meißen zeigt. Danach be gaben Sich Se Majestät durch den linken Seilensaal und dcn Hanplsaal nach dem rechten Seiten- und Gartensaale, um die Erzeugnisse der Sächsischen Serpentinstein-Gesellschaft zu Zöblitz sowie der Dresdner Tischlerinnnng in Augenschein zu nehmen. Die dort ausgestellten, von der König!. Säch sischen Hofglasmalerei von Türcke in Zittau ge malten beiden Fenster, den heil. Georg und St. Hu bertus darstellend, fielen dem Monarchen besonders auf. Sodann besichtigten Se. Majestät die Kollektiv ausstellungen der Dresdner Schlosser- und der Klempnerinnung. Schließlich besuchten der Monarch noch die Ausstellung in der Maschinenhalle, wo Sich Allerhöchstdcrselbe die Hillcschen Gasmotoren, die Petrojenmmotorcn von Grob u. Co. in Leipzig, die Patentfeilenmaschinen von Meyer, Focke u. Co in Radeberg und die Holzbearbeitungsmaschine von Kieß ling u. Co. in Leipzig-Plagwitz, welche sämtlich in Betrieb waren, erklären ließen. Se. Majestät ge ruhten während des Rundganges wiederholt Aller höchstseine Freude und Anerkennung über das Ge sehene, namentlich über das Emporblühen der Möbel fabrikation, des Klempner und Kunstschlosserhandwerks auszusprechen. Nachdem Se. Majestät dcr König Sich Kunst und Wissenschaft. Die deutschen Klassiker in dcr Gegenwart. Von Adolf Bartels Die deutschen Litteraturgeschichtsschreibcr haben bekannt lich sechs im vorigen Jahrhundert geborenen deutschen Dichtern den Rang und die Würde von „Klassikern" ver liehen, Klopstock, Lessing, Wieland, Herder, Goethe, Schiller, und die Schule überliefert sie uns als solche. Nicht frei lich die Volksschule; für diese giebt cs nur zwei deutsche Klassiker, Goethe und Schiller. Es unterliegt nun gar keinem Zweifel, daß jene sechs Dichter die hervorragende Stellung, die ihnen die Litteraturgeschichte verleiht, ge schichtlich wirklich verdienen, daß man keinen von ihnen aus der Reihe weglassen kann, ohne das klare Bild dcr Entwickelung unserer Dichtung erheblich zu stören, daß ferner auch kein einziger der zeitgenössischen Dichter An spruch darauf hat, in die Reihe ausgenommen zu werden, nicht einmal Bürger, obwohl er an dichterischem Talent über dem einen und dem anderen jener Sechs steht Ist also an der geschichtlichen Bedeutung dcr sechs Klassiker nicht zu rühren, wie steht es mit ihrer Bedeutung für die Gegenwart? Eine Definition des Begriffs „Klassiker" ist nicht leicht zu geben, aber soviel ist doch klar, daß er die langdauernde Wirkung auf die weitesten Kreise, und zwar nicht bloß mit diesem oder jenem Werke, sondern möglichst mit der Gesamtheit der Werke und der aus dieser klar hervortretenden Persönlichkeit in sich schließt; Klassiker sind fortwirkende Kulturfaktoren, sind die Dichter und Schriftsteller, in denen die Eigenart eine» Volkes und eine bestimmte Höhe seiner Entwickelung so getreuen Ausdruck gewonnen, daß für die Folgezeit jede Einzelentwickelung durch sie hindurch muß (Von der rein künstlerischen Wirkung der klastischen Dichter, die immer und immer wieder die höchsten geistigen Genüsse zu Wege bringt, sehe ich hier zunächst ab ) Sind nun alle unsere klassischen Dichter heute noch solche Kultur saktoren? Sie müßten es wohl sein; denn erst einer von ihnen ist jetzt über hundert Jahre tot — und was wollen hundert Jahre besagen, da doch die Alten, die Klassiker zurr <-r- cGwvc« über Jahrtausende hinweggewirkt? Nun ist freilich nicht gesagt, daß jeder Klassiker ununterbrochen fortwirken muß, es genügt, wenn er periodenweise immer wieder zur Geltung gelangt. Ist wenigstens dies von allen sechs deutschen Klassikern zu erhoffen ? Wer das geistige Leben der Gegenwart einigermaßen übersieht, der wird sich nicht verhehlen, daß mehrere un serer Klassiker seit längerer Zeit den weitesten Kreisen, auch den Gebildeten unbekannt geworden sind und kaum noch eine Wirkung üben Gewiß beschäftigt sich die heute fast fabrikmäßig betriebene Litteratursorschung mit ihnen, und die höheren Schulen versuchen, wenigstens eine Ahn ung ihres Wesens zu geben, aber außer Fachwissenschaft und Schule kümmert sich niemand um sie, ins Leben dringen sie nicht mehr Das gilt vor allem von Klopstock Er hat, wenn man Lessings bekanntem Epi gramm trauen darf, immer zu den Dichtern gehört, die man mehr lobt als liest, doch ist soviel jedenfalls sicher, daß es eine Zeit gegeben hat, wo der gebildete Deutsche wenigstens einige Gesänge des „Messias" und die schönsten Oden des Meisters kannte und gelegentlich wieder las, von dcn Perioden, wo die ersten Gesänge des „MessiaS" unmittelbar ergreifend wirkten, wo der „OssianismuS", wenn ich so sagen darf, Klopstock« und seine Bardendichtung Mode waren, hier ganz abgesehen Aber jene Zeit ist längst vorbei, Klopstock« Ruhm ist heute beinahe zum Schatten geworden, kaum, daß hier und da ein Litteraturfreund in seinen Werken gelegentlich nascht Und wenn wir nun fragen: Ist das Schicksal, da» den MefsiaSsänger getroffen, gerecht? Wird er nicht wieder auferstehen? so wird wohl leider die Antwort im ersten Falle „Ja", im zweiten „Nein" lauten müssen. Die ganze unplastische Art Klop stocks schließt eine Wirkung für jetzt und für dieZukunft aus,der unleugbare Empfindung«- und Stimmungsgehalt seiner Dicht ung allein vermag uns nicht festzuhalten, zumal auch seine Persönlichkeit, so bedeutend und ehrenwert sie immerhin ist, einen starken Reiz nicht ausüben kann Es gehört eine gewaltige Überwindung dazu, den „MessiaS" auszu lesen, sehr wenige Deutsche unserer Generation werden sie besessen haben, und selbst die Mehrzahl der Oden ist un genießbar geworden Klopstock hat die deutsche lyrische Sprache geschaffen, aber ist Vann früh in Manier verfallen, und nur wenige seiner Dichtungen haben jene Vollendung in der Schlichtheit und die Kraft, die wahrhaft unsterb lich, klassisch macht. Man wird fortsahren, diese, aufs höchste ein Dutzend, in Anthologien und Lesebüchern ab zudrucken, sie werden des Dichters "Namen erhalten, ein lebendiger Klassiker aber wird Klopstock kaum wieder werden Ganz anders wie mit Klopstock sieht es mit Lessing aus, seine Werke besitzt jeder Gebildete, drei seiner Dra men üben von der Bühne herab immer aufs neue ihre Wirkung, und kaum wird ein geistiger Kampf in Deutsch land ausgefochten, in dem nicht das Gewicht seiner Persön lichkeit zur Verstärkung der einen oder anderen Partei dienen müßte, ja, der Dichter selbst ist noch wiederholt der Gegenstand des Streites zweier Parteien geworden, als wäre er eine Erscheinung der Gegenwart und nicht über hundert Jahre tot Dieser Streit war übrigens voll ständig überflüssig; es wird ebenso wenig gelingen, Lessing zu einem Genie und dem normaideutschen Dichter zu er heben, wie ihn zu einem Nichtdichter und undeutschcn Manne herabzusetzen, auch ist es thöricht, den Standpunkt, den Lessing im einzelnen in den Kämpfen seiner Zeit ein genommen, in der Gegenwart gänzlich unhistorisch zu loben oder zu verdammen. Sowohl über den Dichter nie den Schriftsteller Lessing steht sür jeden Unparteiischen das Urteil fest, und zwar schon seit längerer Zeit Es lautet dahin: Lessing ist, wie er es sich ja auch selbst bewußt war, kein Genie, aber er ist doch das glücklichste Talent, das sich in Deutschland mit dem Drama befaßt hat; mögen seine drei Meisterdramen immer hin mehr wunderbar geschickte Verstandeskombinationen (Uhrwerke, sagt Hebbel) als freie und große Phantasie- fchöpsungcn sein, sie liegen in der Richtung des echten deutschen Dramas, das leider eine reichere und zusammen hängende Entwickelung bis auf diesen Tag nicht gehabt hat, — haben sich die theatralische Wirkung annähernd voll bewahrt, sodaß Lessing denn unzweifelhaft ein wirkender Klassiker ist Er wird es meiner Ansicht nach bleiben, bis das deutsche Drama einmal die zusammen hängende Entwickelung findet, und das kann noch sehr lange dauern Ter Schriftsteller Lessing aber ist in vielem veraltet; nicht, daß seine mannhafte Persönlichkeit nicht noch Bewunderung erwecken, sein Stil den einen oder den anderen anregen könnte, aber den Gehalt der Prosaschristen Lessings in sich aufzunehmen, ist heute niemand mehr ge zwungen; weder der Ästhetiker noch der Theologe hat sür uns mehr als rein geschichtliche Bedeutung In Wirklich keit lesen wenige Gebildete mehr dcn ganzen Lessing, ob schon alle seine Werke besitzen; im höchsten Sinne lebendig sind allein die drei Meisterdramen und einigermaßen sort- wirkend die Haupterkenntnisse des „Laokoon" und der „Hamburgischen Dramaturgie" In Lessing haben wir also einen Klassiker, dessen Werke zum Teil noch bedeutend sortwirken, zum Teil aber nur durch künstliche Konser vierung erhaiten werden Wielands Klassikerrang ist wohl nie so recht über allen Zweifel erhaben gewesen, und namentlich Wilman hat den guten Alten heftig angegriffen und seine litteratur- geschichtliche Stellung erschüttern wollen Da« konnte nun nicht gelingen; mochte Wieland vor allen Dingen, und
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