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Wilsdruffer ÄMaN Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft/ Das .Wilsdruffer Tageblatt' erscheint an allen Werktagen nachmittags S UHr. Bezugspreis: Bei Abholung in der SeschZstsstrlle und den Ausgabestellen 2 AM. im Mona», bei Zustellung durch die Boten 2,so AM., bei Poftbestellung r AM. zuzüglich Abtrag- - ... ,, . — . . . gebühr. Einzelnummern lüRpsg.Alle-pofianstalt-n W0chenviatt für Wilsdruff u. Umgegend Postboten und unsereAus- IrigerundGrschSstsstcllen - — nehmen zu jeder Zeit Be ¬ stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder jonst. Betriebsstörungen besteht kein Anspruch ans Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — ÄL-Ksendung eingesandtcr Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto bciliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: die 8gespaltene Raumzelle 20 Rpfg., die 4gespaltene Zeile der amtlichen Bekenntmc.chungen 40 Reichs- Pfennige, die 3gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 RML. 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Dann würden mit dem Auf und Ab solcher Stimmungen auch die Ergebnisse späterer Wahlen jedenfalls für die Nationalsozialisten ungünstiger werden müssen. Statt dessen hat diese Partei bei den Gemeindewahlen in Baden und in Mecklenburg noch größere Erfolge erzielt als am 14. September, hat sogar noch Fortschritte gemacht in der Gunst der Wähler. Und diese Linie nach oben zeigt sich auch in mehreren bedeutsamen Wahlergebnissen des Sonntags, als der Staat Bremen seine „Bürgerschaft" neuwählen ließ und in Bielefeld Kommunalwahlen stattfanden; dazu kamen die Wahlen zum Lübecker Landesausschuß durch den Staat Lübeck. Das Charakteristische bei all den Wahl ergebnissen des Sonntags war also wieder ein weiteres Steigen der nationalsozialistischen Stimmen, starke Rückgänge bei den Deutschnationalen und namentlich bei den Mittelparteien, Verluste auch bei den Sozialdemokraten und einige Gewinne der Kommu nisten. Äußerlich ist besonders bemerkenswert der Sprung nach oben, den die Mandatsziffer der Nationalsozialisten in Bremen gemacht hat; ihr Gewinn beträgt 30 Mandate, während sie bisher nur zwei hatten. In der Hauptsache holten sie sich ihre Stimmen aus den Kreisen der bis herigen Anhänger der Volks-, der Wirtschafts-, der Staats- und der Hausbesitzerparteien, von den Deutsch nationalen und wohl auch von der Sozialdemokratischen Partei her, die zehn Mandate verlor, davon zwei an die Kommunisten. Die Nationalsozialisten haben jetzt fast soviel Mandate wie die übrigen nichtsozialdemokratischen Parteien zusammen und blieben nur um acht Mandate hinter der sozialdemokratischen Fraktionsstärke zurück. Bis her bestand in Bremen die Regierung einer Großen Koalition, die an sich auch jetzt noch die Mehrheit hat, selbst dann, wenn die um 75 Prozent zurückgegangene Wirtschaftspartei nicht mehr mitmacht. Aber auch eine reine Rechtsregierung wäre selbst mit Unterstützung der Volkspartei nicht möglich. * Schließlich liegen auch keine Gründe vor, die geeignet wären, jene Stimmung des 14. Septembers nach einer anderen politischen Richtung hinüberzulenken! Wenn bei dieser „Stimmung" damals wirtschaftliche Gründe von zweifellos wesentlicher Bedeutung waren, so ist die Ar beitslosigkeit seitdem noch beträchtlich gestiegen und mit ihr der a l l g e m e i n e Pessimismus, steckt auch der Preisabbau immer noch in den Anfängen und hat bisher jedenfalls die an ihn von den Massen geknüpften Erwartungen nicht erfüllt; er blieb hinter den Wünschen noch Weiler zurück. Und außenpolitisch ist das nationale Interesse Deutschlands gleichfalls wieder einigen harten Stößen ausgesetzt worden, ohne daß es gelang, diese wirkungsvoll parieren zu können. Man braucht ja nur die beiden Worte „Tardieu" und „Polen" auszusprechen! * Vor kurzem hat Dr. Brüning den melancholischen Satz geprägt, daß die Regierung den Mut haben müßte, einige Monate hindurch unpopulär zu sein. Im Reichstag jedenfalls ist sie es zur Genüge und der Grad ihrer dortigen Unpopularität wird natürlich durch die Wahl ergebnisse des Sonntags eher noch etwas höher gestiegen sein. Die Proben aufs Erempel werden dort ja nun sehr bald gemacht werden. Da sind — um von dem weniger Wichtigen zuerst zu sprechen — die Notverordnun gen vom Juli d. I., die ja eingehend beraten wurden, ohne daß es aber zu einer Einigung über die zahlreichen Abänderungsanträge kam. Infolgedessen würde es für die einzelnen Anträge auch keine Mehrheit im Reichstag geben. Zu gewissen Änderungen der damaligen Bestim mungen hat sich aber die Reichsregierung selbst entschlossen und sie dürfte dieser Stellungnahme durch den Erlaß ent sprechender neuer Notverordnungen praktisch Ausdruck geben. Noch vor Zusammentritt des Reichstages erfolgt aber nun auch die Veröffentlichung der dritten, sehr langen Kolonne von Notverordnungen, nämlich der über die Finanz- und Steuerresormgesetze, wie sie der Reichsrat beschlossen hat —, allerdings auch hier mit einigen Ausnahmen. Kolonne 2 und Kolonne 3 werden Natürlich gleich dem Reichstag zugeführt und es werden schon bei den Nationalsozialisten und den Kommunisten die Anträge vorbereitet, diese Kolonnen v o n d e r p a r l a- Mentarischen Erde zu vertilgen, also die Notverordnungen wieder aufzuheben. Dann dürfte sich das Spiel der letzten Oktobcrwoche im Reichstag wieder holen, weil die Sozialdemokratie entschlossen zu sein scheint, gerade wie damals die Angriffe der radikalen Nügclparteien auf die Regierung Brüning nicht mitzu wachen, besonders da ja einigen Abänderungswünschen der Sozialdemokratie hinsichtlich des Aussehens der Ko lonne 1, also der Notverordnungen vom Juli, durch In- Marschsetzung der Kolonne 2 Rechnung getragen werden soll. * So ziehen von hüben wie drüben die Truppen auf das parlamentarische Schlachtfeld und in den nächsten Tagen wird aus dem Haus am Platz der Republik ein wildes ^oasfengeklirr und ein lautes Kampfgetöse herausschallen. Jie Ilene MemdiiW imerzeWet Die neue Notverordnung. Beschluß des Reichskabinetts. Das Reichskabinett faßte in einer langen Sitzung, die sich von Sonntag bks Montag früh 4 Uhr hinzog, den Beschluß, dem Reichspräsidenten zu empfehlen, die der Finanzgesundung dienenden Gesetze durch Verordnung nach Artikel 48 der Verfassung in Kraft zu setzen. Alle rechtlichen Fragen wurden eingehend geprüft. Reichs kanzler Brüning legte das größte Gewicht darauf, daß das Sanierungswerk ein geschlossenes Ganzes sei, aus dem keine Einzelbestimmung herausgenommcn werden könne, ohne nicht das Gesamtwert zu gefährden. Aus diesem Grunde hat man alle Bestimmungen, zum Teil unter Abänderung ihres ursprünglich vcrfassungs- ändernden Charakters, in die neuen Notverordnungen mit ausgenommen. Dies dürfte auch von dem sogenannten 'Lachgesctz gelten. über die Fragen des Steuervereinheitlichungsgesetzes und des Personalauswandskürzungsgesetzes — beides Vorlagen, die in erster Linie die Haushalte der Länder betreffen und der Sache nach verfassungs ändernden Charakter tragen — wird der Reichs kanzler sofort mit den nach Berlin berufenen Minister präsidenten der Länder beraten. Der Kanzler befragt den Reichspräsidenten. Unterdessen begibt sich Reichskanzler Dr. Brüning zum Reichspräsidenten, um in Ausführung der Kabinetts beschlüsse von ihm die Unterschrift unter die Notverord nung zu erbitten. Die Veröffentlichung der neuen Not verordnung, die ein umfangreiches starkbändigcs Werl oarstellt, soll in allerkürzester, nur auf Stunden bemessener Frist erfolgen. Sie enthält 25 von den erst in Aussicht genommenen Gesetzen. Sie hat sich um die drei Gesetz entwürfe, die verfassungsändernden Charakter trugen, vermindert, da Bedenken der Regierung obwalteten, auch diese mit Hilfe des Paragraphen 48 ins Leben zu rufen. Es handelt sich um den Finanzausgleich zwischen Reich und Ländern, das Gesetz zur Begrenzung des Aufwandes in den Ländern und Gemeinden (dazu gehört das Besoldungssperrgesetz) und das „Plafond"- Gesetz, das Reich, Länder und Gemeinden verpflichtet, sich nach der Decke zu strecken, das heißt, während der nächsten drei Jahre sich in den Grenzen des für 1931 festgelegten Etats zu halten. Das Gesetz betrifft nur die Länder, während für das Reich die gleiche Verpflichtung schon festgelegt wird. Das Gehaltkürzungsgesetz für hie Be amten wird seines verfassungsändernden Charakters ent kleidet, die Notverordnuna erlassen. Milderungen der alten Notverordnung. Mit der jetzigen Notverordnung werden Änderungen der Notverordnung vom Juli bekanntgegeben werden, die sich aus den Krankenschein, die Bürgersteuer und aus die Einschränkungen bei der Arbeitslosenversicherung be ziehen. Die Krankenscheingebühr soll für Erwerbslose, Unterstützungsempfänger und für Schwerkranke herab gesetzt werden, von der Bürgersteuer sollen außer den Arbeitslosen und Unterstützungsempfängern auch die Sozial- und Kleinrentner befreit werden sowie alle Per sonen, die nicht ein eigenes Einkommen haben. Außerdem soll sie nach dem Einkommen gestaffeli werden. Diese Änderungen sind der Ausfluß der Verhandlun gen des Kanzlers mit den Führern der Sozialdemokratie, die unter diesen Voraussetzungen bereit sein soll, der neuen Notverordnung im Reichstage nicht zu wider sprechen. Würde sich also im Reichstage dann eine Mehrheit für den Willen der Reichsregierung aus sprechen, so ginge die Notverordnung, welcher der Reichsra 1 bereits zugestimmt hat, zunächst an den Haushaltsausschutz, träte aber unverzüglich in Wirk samkeit. Anträge auf Wiederaufhebung der zu erlassenden Notverordnungen sind bisher von den Kommunisten und Nationalsozialisten angekündigt. Es ist damit zu rechnen, daß die Sozialdemokraten gegen die Anträge stimmen werden. Reichskanzler Dr. Brüning und Reichsfinanz minister Dietrich hielten bereits mit zahlreichen in Berlin eingetroffenen Länderministern und den wirtschaft lichen Sachverständigen des Reichsrates eine vertrauliche Besprechung über die gesamten Finanzfragen ab. Briimg Seim ReichMiWeuttn. Der Reichspräsident empfing den Reichskanzler Dr. Brüning zu einem abschließenden Bericht über die Vor schläge der Neichsregierung wegen des Erlasses einer Ver ordnung zur Sicherung der Wirtschafts- und Finanzlage. Der Reichspräsident dankte dem Reichskanzler für die geleistete mühevolle Arbeit und bat ihn, diesen Dank auch den Reichsministern und ihren Mitarbeitern sowie dem Reichsbankpräsidenten Dr. Luther zu übermitteln. Der Text der Notverordnung wird am Dienstag ver öffentlicht. Amtlich wird mitgeteilt: Der Herr Reichspräsident hat die ihm von der Reichsregierung vorgcschlagene Verord nung zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen auf Gruud des Artikels 48 der Reichsvcrfassung in den späten Abendstunden vollzogen und zur Verkündung au das Rcichsgesetzblatt weitergeleitet. * Der Haushaltsausschuß des Reichstages beschloß ein mütig, die Aussprache über die Julinotverordnung als abgeschlossen zu betrachten und die Abstimmung über diejenigen Anträge vorzunehmen, die eine völlige Aufhebungder Notverordnung verlangen. 4- Oer Inhalt -er Notverordnung. Zu der amtlichen Mitteilung über die inKraft gesetzt« Notverordnung veröffentlicht die Negierung noch fol gende Mitteilung: Der Herr Reichspräsident hat die ihm von dei Neichsregierung vorgelegle Notverordnung unter den heutigen Tage vollzogen und bereits zur Veröffentlichung dem Reichsgesetzblatt weitergeleitet. Damit tritt aus Grund von Artikel 48 Absatz 2 der Reichsverfassung ein bedeutsames und umfang reiches Gesetzeswerk in Kraft. Die Notverordnung besteht im wesentlichen aus dre Teilen. Zunächst enthält sie auf Grund der inzwischen ge sammelten Erfahrungen und wertvoller politischer Anre gungen gewisse Abänderungen der Notverordnung von 26. Juli, insbesondere hinsichtlich der Krankenversiche rung, der Arbeitslosenversicherung und der Gemeinde finanzen. Sodann umfaßt die neue Notverordnung der Wirtschafts- und Finanzplan der Neichsregierung, Wil er inzwischen vom Neichsrat verabschiedet ist. Nur in sofern sind gewisse Änderungen vogenommen worden, al verfassungsändernde Bestimmungen ausgeschlossen wor den sind. Der dritte bedeutsame Teil der Notverordnung um faßt Maßnahmen zur Stützung der notleidenden Land Wirtschaft. In diesem Abschnitt sind zur Sicherung der heimi scheu Produktion gewisse Zolländcrungen vorgesehen ferner wichtige Bestimmungen in das Brotgesetz u. a hinsichtlich des Veimischnngszwanges beigefügt und di Vorschriften des dem Reichstag bereits vorgelegten Han delsklassengesctz aufgenommen worden. Die gesamte Notverordnung gliedert sich in nein Teile und zwar mit den Untertiteln: 1. „Änderung de Notverordnung vom 26. Juli 1930"; 2. „Sicherungen de« Haushalts"; 3. „Steuervereinfachung und Steuerverein heitlichung"; 4. „Senkung von Nealstenern und Verkehrs steuern"; 5. „Finanzausgleich"; 6. „Fragen der Reichs bank, der Golddisköntbank und der Nentenbank" 7. „Wohnungswirtschaft"; 8. „Schutz der Landwirtschaft' und schließlich 9. „Vereinfachung und Ersparnisse auf den Gebiete der Rechtspflege". Wie amtlich mitgeteilt wird, wird von einer weiterer Einzelbegründung der Notverordnnug in Gestalt eine: amtlichen Verlautbarung im Augenblick abgesehen, zu mal der Wirtschafts- und Finanzplan, der den weiteren Inhalt der Notverordnung bildet, bereits am 30 Sep tember d. I. eine eingehende amtliche Begründung er fahren hat. Eine Ergänzung der Begründung der neuen Notverordnung behält sich die Reichsregierung für die un mittelbar bevorstehenden Beratungen des Reichstages vor, der sich bekanntlich vom 3. Dezember ab mit der ersten Lesung des Reichshaushaltplanes 1931 befassen wird. Au den einzelnen Kapiteln ist vorläufig folgendes zu bemer ken: Bei der Erschließung von Einnahmen für die Gemeinden handelt es sich um die Aenderungen der bereits im Juli durch Verordnung erlassenen Steuergesetze, vor allem um die Staffelung der Bürgersteuer, die in folgender Weise vorgesehen ist: Sie beträgt bei einem Ein kommen bis zu 4500 Mark im Jahre 6 Mark jährlich und er mäßigt sich bei Personen, die lohnsteuerfrci und einkommensteuer frei sind, auf die Hälfte, also auf 3 Mark. Sozialrentner bleiben frei wenn sie ein Einkommen unter 900 Mark haben, ebenso sind Arbeitslose befreit. Bei einem Einkommen von 4500 Mark bis 6000' Mark sind 9 Mark jährlich zu zahlen. Bei Einkommen von 6000 bis 8000 Mark beträgt die Bürgersteuer 12 Mark. Die Staffelung endet damit, daß bei einem Einkommen von 100 000 bis 2!50 OM Mark 500 Mark und von 250 000 bis 16 Million Mark 1000 Mark Bürgersteuer entrichtet werden müssen. Die Höchstgrenze ist 2000 Mark bei Einkommen über 500 000 Mark. Die neuen Bestimmungen zur Krankenversicherung sehen vor: Dauert die Krankheit länger als 10 Tage, so fällt