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Wöchentlich erschkinen drei Nummern. Pränumerations-Preis 22) Silbergr. Zkilr.) vierteljährlich, 3 Tblr. für das ganze Jadr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Bcit u. Com«., Jägerstraße Nr. 28), so wie von allen König!. Post < Aemtern, angenommen. Literatur des Auslandes. Berlin, Mittwoch den 15. November 1843. Dänemark. Aus dem Loggbuch Emanuel's, eines dänischen Hochbootsmannes. Don Heinrich Smidt. III. Ein Schiffsbrand.°) Der blinde Hermann erzählte: Weithin wogt das prächtige, majestätische Meer. Der fernste Rand desselben ist mit einem langen dunklen Streifen eingefaßt, dessen Oberfläche rvsenfarbcn erglänzt; das ist die im letzten Schimmer der Abendröthe auf glühende Küste von Biscaja. Auf den Wellen dehnt sich der stolze Rumpf einer Fregatte. Von dem Topp ihres großen MasteS weht der königliche Wimpel, von ihrer Gaffel die blutrothe Dancbrogsflagge mit dem weißen Kreuz. Von dem Verdeck bis zu der höchsten Spitze der Oberbramstengen ist das Schiff mit seinen Segeln bedeckt, aber eine schwache Brise hält sie kaum ge füllt, und nur langsam bewegt sich das Schiff der fernhin winkenden Küste entgegen. Die Seitcnborde sind mit einem glänzenden schwarzen Lack überzogen ; dazwischen laufen zwei weiße Linien in zierlicher Wölbung von der Back zur Schanze; cs sind die Einfassungen der Kanonenpforten, die geöffnet sind und fünfzig Feucrschlünde zeigen, die hell aufglänzcn im scheidenden Abendlicht. „Atalante" heißt die Fregatte, und das Gallon zeigt die Gestalt dieser kühnen, leichtgeschürzten Jungfrau, die noch schneller als das Schiff über die Wellen des Meeres dahin fliegen möchte. Der Spiegel leuchtet von Vergoldung und Schnitzwerk; aus den erleuchteten Fenstern tönt fröhliches Geschwätz; es schallt von der Tafel des Capitains her, der seine Offiziere zu einem fröhlichen Bankett um sich versammelt hat. Jetzt ertönt die silberne Pfeife des HochbootSmannS, und gleich darauf wird es lebendig auf dem Verdeck. Aus den Masten, aus den Schanzen, von der Back und vom Kabelgat kommen sie herbei und sammeln sich am Backbord des Mitteldecks; die Toppgasten gehen voran, die Uebrigcn folgen, doch hält sich Back und Back zusammen, stets acht Schüssclmaaten für eine Schüssel, und der Vordere von ihnen trägt das Gefäß. Der Zug beginnt und geht um die Cambiise; jede Backsgenossenschaft erhält ihr Theil. Sie entfernt sich mit demselben nach ihrem angewiesenen Platz, und die Abend-Mahlzeit wird in aller Ruhe gehalten; kaum daß die Maaten einer Back es wagen, der zunächst liegenden irgend eine Bemerkung oder einen Einfall mitzutheilen. Eine halbe Stunde vergeht; abermals ertönt der Schall der silbernen Pfeifen von einem Schiffsende zum anderen. Die Eßgeräthschaften sind längst entfernt; langsam und schweigend begeben sich die Matrosen nach dem Mittel deck. An dem großen Mast haben sich die Marine-Soldaten aufgestellt; sie schultern das Gewehr und schauen gleichgültig drein. Der letzte Schimmer des AbendrotheS ist längst verglommen; der Mond geht auf und wirft sein feenhaftes Licht auf diese eigenthümliche Scene. Die Offiziere kommen aus der Kajüte und begeben sich nach dem Backbord des Quarterdecks, der Marine- Offizier tritt zu seinen Soldaten; die Kadetten lehnen am Gangspill. Der Capitain betritt das Verdeck. Auf ein Zeichen des Marine-OffizierS wirbeln die Trommeln, und die Soldaten präsentiren das Gewehr. Der Capitain lüftet den Hut und dankt schweigend. Die Glocke läutet zum Gebet. Feierlich sammelt sich jetzt Alles um den Schiffsprediger, der mit ein töniger Stimme die üblichen Gebete spricht; er empfiehlt das Schiff und seine Besatzung dem Schutze dessen, der die Winde fesselt und den verschlingenden Wellen zuruft: Bis hierher und nicht weiter! Er erhebt die Hände zum Segen, und die wettergebräunten Seeleute beugen unwillkürlich das Haupt. Da stürzt athemlos, bleich, mit gesträubtem Haar ein Halbmatrose von dem Lazareih herauf, durchdringt den Kreis der Beter, schreit mit herzzcr- schneidendem Tone: „Feuer!" und stürzt ohnmächtig zusammen. Feuer! — Ein Schrei des Entsetzens ertönt; der Prediger verstummt, und die Matrosen stäuben nach allen Richtungen hin aus einander. Auch die Soldaten schwanken, ihre Kniee schlottern, die Gewehre senken sich; aber das eiserne Kommandowort fesselt sic, und hochaufgerichtet stehen sie in geschloffener Reihe. Die Offiziere umringen ihren Chef, während die Kadetten den Halb matrosen aufrichten und ihn zu ermuntern suchen. Er schlägt die Augen auf und stammelt: „Ich stand vor der Hängematte des alten Ralph, um ihm den Trank einzugeben, wie der Doktor befohlen hat. Da verbreitet sich plötzlich ein Heller Schein. Ralph lag im Fieber und sagte, das se- das SchiffS- ') Vgl. Nr. 120 u. Nr. I2L de« Magazin», Gespenst. Erschreckt schloß ich die Augen, aber ich konnte nicht anders, ich mußte sie wieder öffnen und sah deutlich, wie eine Flamme an der Scheer wand hinaufleckte. Da konnte ich nicht ausdauern, ich mußte es ausrufen." „Geschwind, meine Herren, gehe Einer von Ihnen und sehe, was Wahres an der Sache ist, und die Uebrigen halten sich bereit, sogleich die wirksamsten Vorkehrungen zu treffen." Der Capitain sprach's, und die Mannschaften machten den Offizieren Platz. Es bedurfte des Einziehens der Erkundigungen nicht, denn als der dienst- thuende Offizier an den Eingang des Lazareths kam, drang ihm ein er stickender Rauch entgegen; das Gestöhn der Kranken war herzzerschneidend. „Mir nach! Mir nach!" ruft der muthvollc Offizier und drang in die Räume des Unglücks ein. Einzelne beherzte Matrosen folgten ihm und entrissen ihre unglücklichen Kameraden dem entsetzlichen Feuertode. Die Kranken auf dem Rücken, erschienen sie oberhalb der Luken und legten ihre Last schweigend auf dezn Backbord des Quarterdecks nieder. Unterdessen hatten die Offiziere mit großer Umsicht Anstalten zum Löschen getroffen; die äußeren Schiffspumpen waren im vollen Gange, und ein dichter Wasserstrahl schoß in die Räume des Lazareths hinab. Andere zogen in Eimern und anderen Behältern Wasser herauf und netzten unaufhörlich das Verdeck von einem Ende zum anderen. Zwei unerschrockene Kadetten wurden zur Pulverkammer beordert, um genau nachzusehen, ob jede Vorsichtsmaßregel getroffen sep, diese zu schützen. Zwei andere begleiteten den Proviantmeister hinab zu den Vorräthen, mit dem Auftrage, sobald cS nöthig sep, alle feuerfangenden Gegenstände zu ent fernen und, wenn eS sepn müsse, sie über Bord zu werfen. Sie drangen in die finsteren Räume ein; um irgend sehen zu können, mußten sie die Thür auflassen, der Feuerschein gewährte ihnen hinlängliches Licht. Aber an dem entgegengesetzten Ende der Kammer waren die Luftklappen geöffnet; der Wind gewann einen freien Durchzug und flog zu dem Feuer herüber; wild prasselte die Flamme auf und leckte die Balken des Verdecks- „Ueber Bord mit dem Rum und dem Spriet!" schrie der Proviantmeister außer sich und rollte ein Faß vor sich her, ohne zu wissen, wie es auf das Verdeck zu bringen scy, um cS dort über Bord zu rollen. Aber kräftige Hülfe war zur Hand; es wurde eine Takel herabgelassen und das Faß gehißt; die Takel war schwach, sie konnte die angehängte Last nicht tragen und riß. Das Faß stürzte herab und platzte aus einander, glühende Funken fielen in das nach allen Seiten hinströmende Feuerwasser, und brennende Wellen brachen sich an den Seitenborden des Zwischendecks. Die Kunde des neuen Unglücks gelangte aus das Verdeck. Die Offiziere wandten die erbleichenden Gesichter ab und eilten dann zur weiteren Hülfe fort, die mit jedxr Sekunde ohnmächtiger ward. Der Capitain war allgegen wärtig und muntert« mit kräftigen, entschlossenen Worten die Leute zu neuen Anstrengungen aus. Längst waren die Segel fcstgemacht und das Schiff den Wellen überlassen; überdies hatte der schwächste Windhauch aufgehört, und die Atmosphäre war unbeweglich. Der Mond schien klar und hell, und einzelne Sterne blitzten freundlich auf die Unglücksstelle herab. Aber fern im Westen änderte sich die Scene, und eine Wolkenmaffe stieg aus der Tiefe des Meeres heraus; hätten die Leute noch auf irgend etwas Anderes achten können, als auf die Flammen, die in dem Innern ihres Schiffes wütheten, sie würden gesehen haben, daß sich ein zweites Element zu ihrem Untergange geschäftig rüstete. Zum Tode erschöpft ließen die Matrosen die Arme hängen; die Offiziere gingen von Einem zum Anderen, feuerten sie durch ermuthigende Worte an und erquickten sie mit stärkendem Wein. Aufs neue begann die Arbeit, die Verzweiflung verlieh ihnen übermenschliche Kräfte, und einen Augenblick lang dämmerte ihnen eine trügerisch« Hoffnung auf. Aber da sprangen mit lautem Geprassel die Luken des Kabelgats aus einander, die Flamme stieg riesengroß empor, umarmte den Fockmast und ergriff die Takelage desselben, von der untersten Webelcine bis zur Bramsahling mit rasender Schnelle emporsteigend. „Die Böte! Die Böte! Rettet die Böte!" lautete der allgemeine Ruf, und Alle ließen ab von den unnützen Löscharbeiten, um sich diesen letzten Rettungsanker zu erhalten. Kaum berührte das erste Boot den Wasserspiegel, und das zweite sollte folgen, als die finsteren Wolken, die aus dem Abgrunde aufsticgen, den höchsten Gipfel erreicht hatten; ein lauter Donner hallte vorüber, ein zischender Blitz riß sie aus einander, und ein fliegender Sturm stürzte sich aus das unglückliche Schiff. An den Stagen, die von dem Fockmast zum großen Mast führen, zün gelte das Feuer wie eine Schlange hinauf, und in einem Nu stand auch dieser in Flammen; ein dichter Funkenregen fiel auf die Raaen und Stengen des