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" Flemmmgfeier in Hartenstein. m Hartenstein, 26. September. Eine der Perlen im «rzgebirgischen Städtekranz bildet die Stadt Hartenstein. Umgelben von rauschenden Wäldern, aus deren Grün die Eberesche hervorleuchtet, liegt Hartenstein am sanften Abhang eines nicht zu weit gestreckten, aber dennoch statt lichen Tales, das sich gegen die Mulde hin öffnet. Plätschernd schlängelt sich ein kristallhelles Bächle n in der Sohle des Tales durch blumige, duftend« Wiesen hindurch, um sich mit dem Flusse Zu vereinigen. Wo das geschieht, ragt, sich stolz erhebens), Schiech Stein empor. Eine alte Ritterfeste, die ein gut Stück der heimatlichen Geschichte an sich hat vorüber ziehen sehen. Das Tal trennt sie vom Schloß Hartenstein, der Residenz des fürstlichen Hauses Schönburg-Hartenstein. Aus dem Tft» Vorsprung einer steilen Talwand erbaut, steht es hier, «in Zeuge vergangener Zeiten und dennoch voller Pracht und Festigkeit. Es ist «ine historische Stätte, dieses Schloß Hartenstein, das t. 1.1280 vom Kaiser Rudolf von Habsburg mit der Grafschaft ^öartenstein einem Burggrafen von Meßen zum Wildlehcn ge geben wurde. Hier brachte Prinz Ernst mit den Rittern von Mosen und Schönfels die erste Nacht zu, nachdem er aus der Gefangenschaft des Ritters Kunz von Kaufungen befreit worden war. Denn dicht «bei Hortensie n hat der historische Prinzen raub sein Ende gefunden Noch heute kann man bekanntlich die Felshöhle sehen, in der Prinz Ernst gefangen gehalten wurde. Schloß Hartenstein war auch «ine jener Stätten in Sachsen, die zuerst der Reformation Eingang verschafften. Im Jahre 1572 ließ der damalige Burggraf Hugo II. eine Rüstkammer in eine evangelische Kapelle umbauen.*) Und noch vieles andere hat in alten Zeiten das Schloß Hartenstein an sich vorüberziehen sehen. / Es war Zeuge der Bauernrevolution, der Verheerungen des 30- DaS heutige Fürstengeschlecht bekennt sich allerdings wieder zum Katholizismus. jährigen Krieges und der anderen geschichtlichen Ereignisse, die in unserm Sachsenlande sich abspielten oder es wenigstens be rührten. Es sah ,wie der Würgengel Cholera die Reihen der braven Erzgebirgler lichtete, sah die entsetzlichen Zeiten schwerer Hungersnöte und sah, wie des Feuers Gewalt in dem lieblichen Hartenstein das Werk der Verwüstung trieb. Oftmals hallten die aMüern des Schlosses aber auch von prunkvollen Festen wieder. Es beherbergte den Landgrafen von Hessen (1666), den Kurfürsten Johann Georg (1762) und endlich Sachsens Kö nige Friedrich August (1838) und Johann (1867). Ist Hartenstein so für alle Zeiten zu einer historischen Stätte geweiht, so darf es sich rühmen, auch der Geburtsort mehrerer bedeutender Männer zu sein. Der hervorragendste unter ihnen aber ist unbestritten P a u l F l e m m i n g, der beste Lyriker des 17. Jahrhunderts, der Dichter Lies schönen Eesangbuchliedcs: In allen seinen Taten, laß ich den Höchsten raten . . . Ihn, zu Ehren wurde heute hier eine große, erhebende Feier veranstaltet, die seinem 300. Geburtstag galt. Paul Flemming wurde am 5. Oktober 1609 in Hartenstein geboren, die Feier wurde um einige Tage früher gelegt, weil besondere Umstände dies tunlich «seinen ließen. Es ist das nicht die erste Ehrung, die Harten stein seinem großen Sohne bereitete. Am 28. Mai 1896 wurde ihm auf dem Marktplätze ein Denkmal gesetzt, während sein Ge burtshaus, die alt« Schule, eine Gedenktasel trägt Nach diesem Haufe ist auch der Blick des Standbildes-gerichtet. Auf einen, hohen Sockel aus geschliffenem F.chtelberggranit steht die Figur Flem mings in Lebensgröße. Aufrecht und erhaben zeigt sich seine mann hafte Gestalt. Um die Schulter hängt ihm der Gelohrtenmantel, während die Hände Griffel und Papier halten. Der Dichter, w e er sich anschickt, seiner Muse zu folgen! Vielleicht hat derSchöpfer des Denkmals den Moment festhalten wollen, als Flemming seiner teuren Heimat gedachte, als er, auf seiner großen Reise nach Persien begriffen, sich mitten in dem üppigen Leben des Orients befand. In all der ihn umgebenden Herrlichkeit des Morgen landes, in der schwülen Pracht des Orients, gedachte damals der Dichter des erzgebirgischen Heimatstädtchens voller Wehmut und voller Poesie: Ach, daß ich mich einmal doch wieder sollt' erfrischen An deiner reichen Luft, du edler MuLenfluß. Da du sanfte gehst in bergigen Gebüschen, Da, wo mein Hartenstein mir bot den ersten Kuß..., Der Dichter hat seine Heimatsstadt nicht wieder gesehen. Von seiner 1636 angetretenen Reise nach Persien, die er im Anschluß an eine Gesandtschaft des Herzogs von Holstein-Gottorp unternahm, der die Aufgabe zufiel, Persien zu erforschen und Handelsbeziehungen mit diesem Lande anzuknüpfen, zurückge kehrt, erwarb er sich auf der Universität Leyden die medizinische Doktorwürde, worauf er sich in Hamburg niederlieb. Hier starb er am 2. April 1640 im jugendlichen Alter von noch nicht ein mal 31 Jahren. Wenige Tage vorher hatte Flemming seine eigen« GraUchrift gedichtet, die mit den Versen schließt: Ich sag Euch gute Nacht und trete willig ab: Sonst alles ist getan bis an das schwarze Grab. Was frei dem Tode steht, das tu' er feinem Feinde, Was bin ich viel besorgt, den Odem aufzugeben? An mir ist minder nichts, das lebet, als mein Leben. Aus diesen Versen erkennt man Len gottergebenen Sinn des Dichters, der aus allen seinen Liedern spricht. Sein ganzes Leben verbrachte er in aufrichtiger Frömmigkeit. Entstammte er doch einem frommen Hause, in dem er eine durchaus religiöse und tiefgehende Erziehung erhielt. Sein Vater führte IN Har tenstein den Titel lullt Magister, er war also Schulmeister. Und da er vermögend war, konnte er seinem Sohne eine tüch tige, wissenschaftliche Ausbildung mit auf den leider so kurz be messenen Lebensweg geben. Paul Flemming besuchte die Fürsten schule zu Meißen und bezog dann di« Landesuniversität in Leipzig, um Medizin zu studieren- Das geschah im Alter von > Diese Nummer umfaßt 6 Seiten. vir a«t»»rn SexanntmaAungen brklnckrn sich in cker Vellage. Das Wichtigste vom Tage. Die Krankheit des früheren sächsischen Staats min i st e r s von Hohental hat sich derart ver schlimmert, daß für die nächsten Tage das Ab- . leben des Ministers zu befürchten steht. » Der Landesausschuß der nationalliberalen Partei für das Königreich Sachsen hielt am Sonntag in Dres- den eine Versammlung ab, in der er sich mit den bevor st ehe n den Landtagswahlen beschäftigte. (S. Art. i. Hptbl). In französischen Blätten wird die Gründung einer na tionalen Stiftung zur Erinnerung au die Opfer der Lenkballonkatastrophe und zum Ausbau der Luft schiffahrt angeregt. (S. Art. i. Beil.) In London, Petersburg und Stockhol m, sowie in Amerika ist am Sonnabendabend eine starke mag netische L u fl e r s ch e i n un g (Nordlicht) beobachtet worden, die im Telephon- und Telegraphen- dienst stundenlange Störungen hervor rief. * Aus Melilla wird amtlich gemeldet: Die Spanier ha ben N ad or und die umliegenden Anhöhen besetzt. Zahlreiche Mauren haben sich unterworfen und 60 Gewehre ausgelicfert. Ein baldiger Friedensschluss soll bevorstehen. (S. Tel.) HW- Mutmaßliche Witterung am 28. September: Nordwind, Veränderlich, kühl, kein erheblicher N.ederschlag. Kla fch. Z Fast alle Jahre, wenn esHerbst wird, kann man das «treuliche Schauspiel erleben, daß um Liese Zeit, wo das Parla ment nicht tagt und zumeist auf dem Gebiete der inneren Poli tik etwas Ruhe herrscht, der politische Klatsch sein Haupt «hebt. Bald ist es ein Jagdzug gegen ein ministerliches W ld — und tatsächlich ist es durch derartige Machenschaften mehr ab ¬ einmal gekommen, daß beim Erklingen des Halali das Wild zur Strecke gebracht war — bald wieder erscheinen Verdächti gungen gegen politische Persönlichkeiten, die nicht immer seine Polemiken zur Folge haben, und was dergleichen mehr ist. In diesem Jahre ist es der Rücktrittdes FürstenBül otw, der die Gemüter nicht zur Ruhe kommen taffen will und der in allerlei Publikationen weiterspukt. Die Interview-Affäre mit den Novemberstürmen taucht wieder aus der Versenkung her vor und muß dazu herhalten, gegen den Fürsten Bülow loszu gehen, in einer Manier, die fast an den Eselsritt erinnert, der dem toten Löwen verabreicht wird. Ja in ein« neuen Publi kation scheut man sich nicht einmal, gegen den Fürsten Bülow Len Vorwurf zu erheben, er habe die O e f f en t l ichkei t ge täuscht und über den Zusammenhang jener leidigen Affäre falsche Mitteilungen gemacht, indem er den Kaiser bloßstellte, anstatt ihn zu decken. Welchen Zweck dies Treiben hat, ist wenig erfindlich, weder wird damit dem Sensationsbedürfnis gedient — denn diese alten Geschichten vermögen das Publikum kaum noch zu erwärmen — noch können dadurch die Vorgänge bei der Be handlung der Finanzreform verwischt werden, da hier die Taktik der einzelnen Parteien durchaus klar vor aller Augen liegt. Andererseits spricht man auch davon, daß die jüngste Publikation, über die wir unsere Leser am letzten Sonnabend unterrichteten und in der Fürst Bülow der Felonie beschul digt wird, von einem nicht ganz unbekannten, in unmöglichen Flugproblemen machenden, zwangsweise pensionierten Regierungsrat herrührt, der auf solche Weise sich rächen und sein Mütchen an den früheren Reichskanzler kühlen wollte, der ihm nach seiner Meinung das bitterste Unrecht zugefügt habe! Ist das der Sachverhalt, so hat die Veröffentlichung überhaupt keinen Wert und an ihrer Objektivität sind dann erst recht die größten Zweifel am Platzer Andererseits glaubt man in dem Verfasser das Werkzeug einer Kamarilla zu sehen, die bemüht gewesen war, den Fürsten Bülow unter allen Um ständen zu beseitigen, weil ihr sein E'nfluß bei dem Kaiser zu groß geworden war, während sie selbst als unverantwortliche Ratgeber zurückgedrängt worden wären. Ob Kamarilla oder nicht, das Vorhandensein unverantwort licher Ratgeber läßt sich nicht wegleugnen, denn es liegt auf der Hand, daß der Kaiser mit seiner llmgllbung auch poli tische Gespräche führt, und daß bei solcher Gelegenheit dem Monarchen auch absichtslos manchmal ein falsches Bild von irgendeiner Tagesfrage gegeben wird. Sehr viel ist dabei von dem intimen Freund des Kaisers die Rede, dem Für st en zu Fürstenberg, der ihn viel auf Reisen begleitet. Auch der Name des Pariser Botschafters Fürsten Radolin wird ge nannt, weil dieser wegen der Marokkosrage eine scharfe Mei nungsdifferenz mit dem Fürsten Bülow hatte? und überdies iir dem ErafenOppersdorf.der ebenfalls jetzt vorgeschoben wird, einen Schwager besitzt, der in Zentrumskreisen beträcht lichen Einfluß sitzt. Vergebens aber fragt man sich: Wozu d er Lärm? Um alis Kurzweil zu dienen, ist die Sache zu ernst, und um Geschichtsklitterung zu treiben, dazu sind die jüngsten Vorgänge noch allzu frisch in Erinnerung. Ebenso muß sich jeder Einsichtige sagen, daß über die Vorgänge, die sich hinter den Kulissen abgespielt haben, ein Unberufener nichts Mitteilen kann und daß die Eingeweihten sich hüten werden. Außenstehende zu informieren. Bei all dem Klatsch wird es sich um mehr oder weniger geschickte Kombinationen handeln. Fürst Bülow tut daher sehr wohl daran, wenn er von dem Standpunkt aus geht, guieta von wovere und sich in keinerlei Polemik mehr einlaffen will, zumal er ja feinen Standpunkt vor Monaten be reits zur Genüge dargelegt hat. Der gewissenhafte Chronist wird alle diese Vorgänge zwar zur Kenntnis nehmen müssen, ini übrigen aber ruhig zur Tagesordnung über sie hinweggehen, wie Lieser Lärm ja auch von selber wieder aufhören wird. Tagung -es Lanvesausschustes -er nationalli-eralen Partei. st. Dresden, 26. September. Unter außerordentlich starker Beteiligung trat der Landes ausschuß des Nationalliberalen Landesvereins für das König reich Sachsen heute in Dresden zusammen, um vor den Land- tagswahlen Wehr und Waffen zu prüfen. Fast alle Vereine hatten ihre gewähltes Vertreter entsandt, 169 an der Zahl. Auch die Kandidaten der nationalliberalen Partei waren, wenige ausgenommen, erschienen. Der erste Vorsitzende, Herr Franz Gontar d-Leipzig war leider durch eine Erkrankung verhindert. An seiner Stelle führte Herr Professor Dr. Bran denburg-Leipzig den Vorsitz. Er eröffnete kurz nach 12 Uhr die Verhandlungen mit der Begrüßung der Parteifreunde und wies auf die große Bedeutung des bevorstehenden Wahl kampfes hin. Generalsekretär Dr. Westenberger gab als dann einen Ueberblick über die politische Lage und bezeichnete das Hineinspielen der Frage der Reichsfinanzreform als unvermeidlich. Wie sie wirke, habe die Re i chs t a g ser- satzwahl in Stollberg- Schneeberg gezeigt, wo sich die nativnallibcralc Partei geradezu geopfert habe. Besonocrrn Tank verdient der i.ationalltberale KandidatVorwerk. (Beifall). I» Zukunft müsse der Vorsatz gewahrt werden in ähnlichen Fällen einzig und allein die nationalliberale Politik vellreten. Im bevorstehenden Landtagswahlkampf haben wir zu rechnen: Erstens mit der durch die Finanzreform gesteigerten Stoßkraft 27. September IVOS Veit wr SS00 uUnti ßtiiintn! Rr.2S4. Vierter Jahrgang. Druck und Verlag «aer vni» s.vtrl,,,-«ttt!lr<»»tt m. b. kf. In Aue I. Lrzgeb. Verantwortlicher Redakteur: Pelt, «radoia. ja« bi« Inserate verantwortlich: lvalttr ifteur. Beide in Au« i. Erzgeb. Wezugiprrir: Durch unser« Boten frei ins Hau, monatlich ro pfg. Bei der Geschäftsstelle abgeholt monatlich pfg. und wdchentlich >o pfg. — Bei der Post bestellt und selbst abgeholt vierteljährlich t.so Mk. — Durch Ven Briefträger frei ins Kaur vierteljährlich t.gr Mk. — Einzeln» Nummer io pfg. — Deutscher Postzeitungs katalog. — Erscheint täglich in den Mittagsstunden, mit Ausnahme von Sonn- und Feiertagen. Annahme von Anzeigen bi, spätesten, Uhr vormittag,. Für Aufnahme von grdßeren Anzeigen an bestimmte» Stellen kann nur dann gebürgt werden, wenn st« am Tage vorher bei uns eingehen Insertionspreis-. Vie fiebengespaltene Aorpuszeile oder deren Raum u» pfg., Reklamen r, Dia. Bei grdßeren Aufträgen entsprechender Rabatt. und Anzeiger Mr das Erzgebirge mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Sonntagsblatt. Sprechstand« der Redaktion mit Ausnahme der Sonntage nachmittag, von s Uhr. — Telegramm-Adress«: Tageblatt Au«. — Fernsprecher ist. Für unverlangt «ingesandt« Manuskript« kann Gewähr nicht geleistet werden.