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Voigtliindilcher Anzeiger. 8iebeimndsech8zigster Jahrgang. Verantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Dieses Blatt erscheint wöchentlich dreimal, uni zwar Dienstag». Donnerstags und SonnabendJährlicher Abonnementsprei». auch bei Beziehung durch die Post, 1 Thlr. 1V Ngr. — Annoncen, die bis Mittag- 12 Uhr eingehen. werden in die Ta^S darauf erscheinende Nummer ausgenommen, Ipäter eingehende Annoncen finden in der nächstfolgenden Nummer Aufnahme. — Inserate werden mit 1 Ngr. für die gespaltene tLorpuS-Zcile berechnet. Dienstag. MAM, 30. December 18S». Preußen und die Schweiz. Ein wahres Glück für unsere Leser war es, daß wahrend der Weih nachtsfeiertage unser Blatt nicht erscheinen konnte, wir halten ihnen sonst den srohcn und friedlichen Genuß derselben sammt Stollen und Kuchen wider Willen vergällen nnd ihre Herzen in Furcht setzen müssen. Denn nicht blos im Kalender — dort ist er ganz unschädlich — sondern auch in der Politik regierte während deö Christfestes der Schütze, der preu ßische Scharfschütze nämlich, dem der schweizerische Steinbock seine Horner wicS. Die telegraphischen Depeschen flogen an den electro-magnetischen Drähten hin und her, eine drohender unk gefährlicher klingend, als die andere, und gießt nicht der Wassermann seine löschende Flüssigkeit in die Lohe, so verbrennen vielleicht im Kurzen preußische Pickelhauben und schwei zerische Käppi's einander die Fische im Rhein und im Bodensee. „Die Lage wird ernst." „Die schweizerische Bundesversammlung ist einberufcn." „DaS ganze schweizerische Heer sammt Reserve und Land wehr ist aufs Piquet gestellt, d. h. muß sich marschfertig halten." „Zwei Divisionen (20 — 24,000 M.) Schweizer besetzen die Grenzkantonc Basel unk Schaffhausen." „Preußen mobilisirt 140,000 M., General von der Gröben wird den Oberbefehl führen." „Alle diplomatischen Unterhand lungen sink gescheitert, die Schweiz ist aus daS Aeußerfte gefaßt." So lautete »ine Hiobspost nach der ankern. Da sollte Einem nicht bange werken! Das unglückselige Neuenburger Stück spielt nun so lange und schien so wenig bedeutend, daß man glauben durste, cS werde noch in cinem Vergleich zwischen beiden Parteien sich friedlich verlausen; wie es aber jetzt den Anschein hat, ist dazu wenig Aussicht. Man weiß zwar aus Erfahrung, daß der Starke einen Schritt zurückweicht, daß Gesandte abberufen, diplomatische Verbindungen abgebrochen, kostspielige Rüstungen und Mobilisirungen getroffen, Befehls- und Oberbefehlshaber ernannt, grimmige Gesichter hinüber und herüber geschnitten, Ultimata (letzte Worte), UlNmatissima (allerletzte Worte), Ultimatisissima (allerallerletzte Worte) inS Unendliche gewechselt werden können, ohne daß cs deshalb mehr Blut kostet, als etwa ein Schimmel bei Bronzell verliert; man kennt auch den alten Kunstgriff, daß Mancher im Termine vor dem Gcnchtöamte nur deshalb recht bärbeißig thut, um der Widerpart desto eher einen Vergleich abzugewinnen; aber dieser ganze preußisch-nenenburgisch-schweizerische Krie- gclkragel kann doch möglicher Weise sich krebsartig clnfrcssen und um sich greisen am deutschen und europäischen Staatenleibe und am Ende mehr verbittern, als die Weihnachlsfeiertage, zumal Louis Napoleon gar so ge fällig und zuvorkommend gegen Preußen ist. Alinea I)nnuo8 et ctonu tvrentos, d. h. allzuhöslichen Leuten ist nicht recht zu trauen. Um was handelt eS sich denn? Ei, um daö Zwitterding zwischen einem Schweizcr-Canton und preußischen Fürstenthum, um das Bischen Nemenburg, kaum so groß als unser Voigtland. Da hat 1815 vor Eon- greß in Wren festgesetzt, daß dieses Ländchen zugleich republikanisch (ein schweizerischer Kanton oder Staatchen) und monarchisch (preußisches Fürsten- t'.um) sein sollte. Bis 1848 hielt daS Machwerk. Da aber lunutzten die Neuenburger den Rummel und rissen sich von Preußen los. Seitdem wurde hin unk her geschrieben, Preußen gab sein Recht auf daö Ländchen nicht auf, die Schweiz letzteres nicht zurück. Nun versuchten cs vor Kur zem die Königlichgesinnten des Ländchens mit Gewalt daS Recht deö PreußcnkönigS Herstellen zu wollen. Dieß mißlang, die Anführer wurden gefangen und brummen in Gefängnissen. Nun verlangt Preußen, die Schweiz sollte die Gefangenen unbedingt und ohne Weiteres loslaffen, da sie nur für daö Recht aufgestanden wären. Die Schweizer aber meinten, Aufstand sei und bleibe Aufstand und müsse von den Gerichten bestraft werken, wollte indessen die Gefangenen losgeben, wenn Preußen auf daS Ländchen Verzicht leiste. Das thut aber Preußen nicht; weniger um des großen Verlustes willen, den so eine Großmacht leicht verschmerzen könnte, sondern ehrenhalber, damit eö nicht auösicht, als sei ihm daS Ländchen mit Gewalt abgcnommen worden, ohne daß eS die Wegnahme habe hin dern können und wollen. So steht der Prozeß. Preußens Recht auf Neuenburg ist klarer, als das Sonnenlicht, und man kann es ihm nicht verargen, wenn eS sich eine Besitzung nicht deshalb entreißen lassen will, weil eS vor acht Jahren ge lang, die preußischen Behörden daraus zu verjagen. Andererseits ist so ein republikanisch-monarchisches Zwitterding von einem Staatchen, politisch betrachtet, doch ein gar zu kurioses Stück Staat, als daß eS nicht eins oder daS andere vollständig zu werden wünschen sollte. Alle Welt lebt nun ur Spannung ans die Dinge, die da weiter kommen sollen. Eine Part, die der Schwei; grundsätzlich nicht grün ist, wünscht und hofft, daß bei dieser Gelegenheit dieses ganze Demokraten- und Wühlhnbernest gründlich ausgefegt, wohl gar getheilt werden möge. Ein anderer Theil stellt Berechnungen an, ob die Schweizer im Stande sein würden, es mit den Pickelhauben aufzunehmcn, und wie der Krieg geführt werden dürfte zc. Noch andere glauben, cs würden bloS eine Menge alter, verrosteter schweizerischer Flinten geputzt und in Stand gesetzt, in Preußen Anleihen und Märsche gemacht, die Zeitungen eine Zeit lang anziehend und begehrt, der ganze Streit friedlich beigelegt werden. In Süddemschland lamentiren sie, weil die Schweizer massenweise Getreide aufkaufen und dadurch daSBrod vertheucrn, auch freuen sich die Badener und Würtemberger nicht auf prcußlsche Durchmärsche und Einquartirungen. In Baiern wollen sie gewiß wissen, daß auch durch dieses Land Preußen auf den Eisenbahnen würden befördert werden, in welchem Falle wahr scheinlich auch wir im Voigtlande nicht leer auSgehcn würden. Abwarten! Daß dem Handel und Wandel, wenn es wirklich zum Kriege kommt, wenig Schmeer wachsen könne, versteht sich von jedem Kriege eben so, wie die Schwei; und Preußen Kosten davon haben wer den. Wir können nur wünschen, daß der leidige Handel je eher, desto lieber zum erwünschten Austrage gelangen möge! Zeitungen. Sachsen. Planen, 27. Dec. Wir hatten heute Morgen schon wieder einen Brandstiftuugsversuch. Auf dem Boden eines HauseS am hiesigen Klostcrmarkte war Feuer angelegt worden, welches jedoch recht zeitig entdeckt und gelöscht wurde. Plauen, 29. Dec. Die nächste öffentlich-mündliche Verhandlung vor dem hiesigen Königl. Bezirksgerichte wider Johann Stübner auS Königsberg wegen Versuchs der Tödtung, Bedrohung und Widersetzlichkeit wird Montag, den 5. Januar 1857 BornuttagS 9 Uhr, stcmsinden. Plauen, 15. Dec. Am 6. d. M. fand hier eine Versammlung der im Voigtlande wohnenden Mitglieder deS von der Feuer-Vers.-Gesell- fchaft Colonia gegründeten L and w i rth sch a ftl ich e n Versicherungs- Verbandes für Sachsen statt, um die Abrechnung über die erste fünf- lährlgc VerwaltungSperiodc entgegenzunehmcn. Der von dem Ansschuß- Mttgltede für das Vsigtland, Herrn Major Frhr. v. Hausen auf Lhoßfei! alö Vorsitzendem vorgelragene VerwaltungSbencht wies rlach, daß m den