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Nummer 117 — 25. Jahrgang «mal wöch. Bezugspreis für Mai 3.— Mk. einschl, BestellpelS. «n,ei^npr»ise: Die Igesp. Petitzeile SOL^ StellenpeiuÄe SO L. Die Pekilreklainezrik, 8S Milli meter breit. 1 ^(. Offertengebühren für Selbstabholer M bei Uebersenöung durch dt« Post außerdem Portoßuschlag. Einzel-Nr 10 Sonnlazs-Nr. IS L. Geschäft!. Teilt I. Hillebrand in Dresden. »nci ü^kiisSve! 6.Sslvtisnüs«d vresäen KiiurstrsOe 44 ÄtkllSder Neids» SüMsctie Sonnabend, 29. Mai 1926 Im Falle höherer Gewalt erlischt jede Verpflichtung auf Lieferung sowie Erfüllung o. AnzeigenauflrSgeN u. Leistung o. Schadenersatz, Für undeutl. u. d. Ferm ruf üdennitt. Anzeigen übernehmen wir keine Ve«j antwortung. Unverlangt eingesandte u. m. Rückporto nicht versehene Manuskripte iverd nich, aufbemahrtj Sprechstunde der Redaktion 2—3 Uhr nachmittags Hauptschriftleit.: Dr. Joseph Albert. Dre^ertz XakZSsn Koks - kiiketto tiolr k. llo!llIIS!'>1 lisclik. lnk. kl l'roniclce lli-ssiten-tt. l. iiictönaustr.25 SS «Ichcktt-ftrll«, 4)k«a Verlag: «-rolua »uchdruckere, «mbH.. Drelben-«. I, Poilerlttcitzc 17. Neriirul 21VI2. PoillcheiNonIo Dresden >47«? ?>»ntt»ni0! BaNenae Si 7kri«sa,e. Dresden. Für christliche Politik und Kultur Redaktion der SaNisNa,«» V,lk<»«i»>»«a Dresden. AUsiadl 1, Polierslrage 17 Kernrn> 30711 und 2IVI2. Dü M» L 0nes6en SvNvfärcke — l^irckvisrek« — «suL^SsckS — »M»»»^» Annens,i-ske 28 Msksrsi WM W«ie« « UMW Ein Sieg und eine Niederlage Driands — Erweiterung -er Regierung nach rechts? Pari«, 28. Mai. Die Kammer hat gestern der Regierung mit »2« gegen 2VS Stimmen da« Vertraue« «»«gesprochen. Briand lmtte Vertagung der Interpellationen -etr. die Finanzpolitik beantragt nnd die Vertrauensfrage gestellt. Die Kammer hat dann die Aussprache über die Wahlrcformvorlagc aus genommen. In der Frage der Wahlreform stellte die Regie rung die Forderung, die Kammer solle sich mit diesem Gegenstände schon am kommenden Dienstag beschäftigen. Dieses Verlangen lehnte die Kammer mit 283 gegen 263 Stimmen ab. Durch diese Niederlage der Regierung Briand ist der günstige Eindruck, den das vorhergehende Vertrauens votum machte, wieder verwischt. Die Presse faßt die gestr'ge Abstimmung allgemein als eine Warnung für die Regierung auf, sich bei der Wahlreform nicht zu weit hcrvorzuwagen, da Briand die Absicht habe, bei der Abstimmung über die Wahlresorm die Vertrauensfrage zu stellen. Im ganzen stehen die politischen Urteile über die gestrige Kammersitzung unter dem Eindruck der Tatsache, daß das Vertrauensvotum nur durch die Unterstützung der Rechtsparteien möglich geworden ist, während der größte Teil der früheren Mehr heit gegen das Kabinett gestimmt hat. Die Frage wird osscn gelassen, ob die Rechtsparteien für eine etwaig« weitere Unterstützung der Regierung gewisse Vedingunge» stellen werden. Tie Abstimmung des gestrigen Tages macht es wahrscheinlich, daß die Linksparteien ihre Opposition gegen das Kabinett Vriand noch verschärfen werden, weil sie in der Unterstützung der Rechtsparteien ein stärkeres Ab schwen ken der Regierung nach rechts erblicken. Die „Libertö" richtet an die französische Regierung die dringende Aufforderung, alles zu tun, was in ihren Kräften steht, um jetzt eine Politik der nationalen Einigung zu ermöglichen. Der gegenwärtige Augenblick sei für ein« politische Umgruppierung außerordentlich günstig, da die Sozialisten sich nach den Beschlüssen ihres Kongresses zu urteilen, endgültig vom Kabinett Briand abgewandt hätten. Das Blatt erinnert daran, daß der Abg. Renaudel starken Beifall errang, als er erklärte, daß die Sozialisten nichts unterlassen würden, um den Sturz der Regierung herbeizuführen. Eine nationale Einigung könne, so meint das Blatt, nur gegen die Sozialisten durchgeführt werden. Der Wochenbericht -er Dank von Frankreich Paris, 28. Mai. Der Wochenbericht der Bank von Frank reich weist eine Erhöhung der Vorschüsse der Bank an den Staat von 8 Millionen auf In den Kreisen des Finanzministeriums wird darauf hingewiesen, daß diese Erhöhung lediglich durch den Verkaufstermin vom 20. Mai hervorgerufen wurde. Die Rückerstattungsanträge am 20. Mai betrugen 3 160 000 000, davon wurde 1 Milliarde gegen Bons der natio nalen Verteidigung ausgetauscht. 500 Millionen Schatzanwei- sungen wurden bar ausge-ahlt und der Rest blieb im Depot. Der Finanzminister hat in Gesprächen mit Zcitungsvertretern darauf hingemiesen. daß der Wochenbericht der Bank von Frank reich keinen Anlaß zum Pessimismus geben dürfte. Der Wochenbericht müsse vielmehr als günstig ausgesaßt werden, da nach den optimistischen Veranschlagungen mit..n-'"-»' schiissen der Bank an den Staat in Höhe von 11,5 Milliarden gerechnet werden müßte. (Ganz so optimistisch wie der Finanz- minister scheint die Pariser Börsenwelt nicht zu sein, sonst würde dort der Frank nicht täglich fallen. D, Red.) Deulsch-sranzösische Verhandlungen D a w e s P l a n - A m n e st i e. Berlin, 28. Mai. Wie aus Paris gemeldet wird, wird in der nächsten Woche eine deutsch-französische W i r t sch a f t s k o n f e r e n z in Paris stcntsinden. Von einer parlamentarischen Gruppe wird eine Abordnung deutscher Politiker empfangen werden, die mit ihr eine Aussprache über die Bedingungen der Anwendung des Dawes- planeS baden wird. Die deutsche Abordnung besteht aus den Re^chsta s bgeordncten Mittelmann iDentk e Vo kr Partei) als Vorsitzenden. Drewitz (Wirpeyastliche Ver einigung), Dr. Haas (Demokrat), Dr. Krone (Zentrum), Rauch (Bayrische Volkspartei und Wissel (Soz.). Die deutsche Abordnung wird wahrscheinlich auch von Briand empsangen werden. Die hier mit den Besatzungsbehörden geführten Ver handlungen über die Amnestiefrage haben vor kurzem ein« Unterbrechung erfahren. Jetzt ist vereinbare worden, daß die Verhandlungen in der ersten Juniwoche wieder aus genommen werden sollen. Kohlenzwangswirkschast in England London. 28. Mai. Das Dergbauamt hat gestern die Bestimmungen für die Rationalisierung der abnehmenden Kohlenvorräte er lassen. Die neuen Maßnahmen sind schärfer, als man sie wäh rend des Krieges oder während des englischen Bergarbeiter streiks im Jahre 1921 ergriffen hat. Von heute ab wird jede Familie nur noch 28 Pfund Kohlen per Woche erhalten. Die Kohlen müssen auch von dem bezugsberechtigten Käufer selbst abgeholt werden. Für den Bezug größerer Quantitäten ist die Zustimmung der Behörden von Fall zu Fall nötig. Den Fa brikbetrieben wird jeweils die Hälfte ihres bisherigen Durch schnittverbrauches zugestanden. Die Straßenbeleuchtung wird nur in einem sogenannten Sicherheitsminimum erhalten. Fer ner sin- olle Lichtreklamen untersagt. Für die Nichtbeachtung der erlassenen Vorschriften sin- starke Strafen angedroht. Die staatliche Schiffahrtslinie hat den Bootsdienst zwischen Folkestone und Äoulogne und umgekehrt bis auf weiteres einge stellt. Die Verluste der Eisenbahnen würden schon auf 6)4 Mil lionen Pfund geschätzt. Die Bereitschaft des Bergarbeiterführers Smith, eine Abstimmung unter den Bergleuten über die Ar beitszeit vorzunehmen, werde als hoffnungsvolles Zeichen aus- gelegt. Die englischen Morgenblätter spiegeln sehr deutlich die steigende Beunruhigung der englischen Oefsentlichkeit über die sich allmählich immer unangenehmer bemerkbar machende Koh- tenkrise. Der Plan ist ausgetaucht, die Regierung möge von sich aus ein Gesetz elnbringen. das über die Köpf« der Bergwerks- besitze» wie der Bergarbeiter hinweg di« Kohlenfrag« regelt. In Regierungskreisen ist man aber nicht geneigt, ein derartiges Mittel anzuwenden. Die Einschränkungen, die gestern hinsichtlich des Kohlenverbrauchs verfügt wurden, werden allgemein als sehr einschneidend empsunden. Wiederaufnahme der parlamentarischen Arbeiten in Berlin Berlin, 28. Mai. In der nächsten Woche nehmen die Par lamente, ihre Tätigkeit wieder auf. Der Preußische Landtag hält seine nächste Vollsitzung bereits am Dienstag ab. Auch im Reichstage nehmen in der nächsten Wache die Ausschüsse ihre Arbeiten wieder auf. Am 4. Juni versammelt sich der Femeaus- schuß. Die nächste Vollsitzung des Reichstages findet am Mon tag. den 7. Juni, statt. — Beim Reichstage ist eine Denkschrift über die Arbeitsmarktlage im besetzten Gebiete eingegangen. Die Wirtschaftsstruktur des besetzten Gebietes hat seit dem Einbrüche und durch ihn sowie durch den Slbivehrkampf tiefgehende Ver änderungen erfahren, die das Ingangkommen der früheren Be- schäftigung dauernd aufzuhalten drohen. Die Verzögerung -er Abrüstungskonferenz Berlin, 28. Mai. Wie die Morgenblätter melden, ist nach dem amtlichen englischen Funkdienst nicht zu erwarten, daß die Abrüstungskonferenz vor Ende des nächsten Jahres zusammentreten wird. Grubenunglück in Amerika Renhork, 28. Mai. An einem in der Nähe von Seranton geiegcnc« Anthrazit'ohlrnb« gw rk ist «in Grnb n- brand ausgebrochen, durch den etwa KV -is 8V vergleute im Annern de« Bergwerke« vom Ausgang abgeschnitten sind. Wirbelsturm in Burma London, 28. Mat. Einem Telegramm aus Rangoon zufolge hat ein furchtbarer Zyklon (Wirbelwind) im westlichen Burma ungeheure Verwüstungen angerichbet. Die Stadt Akkyab ist zum größten Teil zerstört worden. Uebcr d ie Zahl der bei dem Zyklon um« Leben Gekom menen ist noch nichts Näheres bekannt, doch ist damit zu rechnen, daß mehrere hundert Personen getötet worden sind. Polen Von unserem Warschauer Korrespondenten. Warschau. 27. Mai. Als Pilsudskis Handstreich auf Warschau, gelungen war, bemühte sich die Oefsentlichkeit der gan« gen Welt, eine Antwort auf die Frage zu finden, wer bezw. welche Macht hinter dem Putsch des MarschallP stehe. Es ist charakteristisch für die Geistesrichtung un serer Zeit, daß sofort allerlei Nachrichten auftauchten, welche zu berichten wußten, von wem Pilsudskt bezahlt worden sei, damit er die Regierung Witos stürze. Die französische Presse wußte von deutschen Einflüssen auf den „deutschfreundlich" gesinnten Mar schall zu erzählen, die italienischen faschistischen Zeitungen behaupteten, der polnische Abenteurer sei von Sowjetrußland bestochen, und die Russen, sowie besonders die Litauer sahen hinter seiner Aktion die Hand der britischen Diplomatie. Waren nun alle diese Meldungen nichts anderes als bedenkenlose Verleumdungen oder sensationelle Erfindungen, so beweisen sie doch durch ihr Entstehen, durch den Umstand, daß sie auf der Stelle aus dem Boden hervorwucherten, daß es sich nicht nur um eine innerpolitische Umwälzung in Polen dreht, sondern daß dieser Umsturz auch außenpolitisch zu entscheidenden Konsequenzen führen muß. Außenpolitisch ist die Lage Polens keineswegs rosig. Trotz zielbemußter Anlehnung der Warschauer Politik unter dem Grafen Skrzynski an das Locarnowerk waren die Grenzen des Landes sowohl im Westen als auch im Osten mehr als fraglich geblieben, denn weder gegenüber dem Deutschen Reiche, noch gegenüber Sowjetrußland hatte man Garantiepakte durchsetzen können. Die Hal tung führender englischer Politiker in bezug auf den Korridor und auf Oberschlesien genügten, um Polen mit ernster Besorgnis zu erfüllen. Andererseits haben die Abmachungen, die mit Tschitscherin in Warschau getrof fen worden waren, bis heute keinen greifbaren Erfolg gezeitigt: Ostgalizien gehört vielmehr nach wie vor in die Aspirationssphäre der Ukraine. Dazu hat man in dem Bestreben, möglichst viele Feuer im Eisen zu haben, die Militärkonvention mit Rumänien vollinhaltlich er neuert, wodurch die polnische Außenpolitik indirekt auch noch mit der bessarabischen Sorge belastet wurde. An dererseits sind alle Versuche, doch noch einen wie irgend gearteten Anschluß an die Kleine Entente zu finden, gescheitert. Unter diesen Umständen ist es begreiflich, wenn Graf Skrzynski sich bemühte, in Genf einen modus vi vendi zu finden, den auch die verschiedenen in Polen interessierten Großmächte bei aller Rivalität in den Ost- fragen begrüßt Hütten. Durch die Genfer Krise haben sich auch die außenpolitischen Schwierigkeiten Polens verschärft. Die in Betracht kommenden Warschauer Po litiker zerfielen schließlich in eine englandfreundliche und in eine frankreichfreundliche Richtung, die bis in die Armee hineinwirkten: Pilsudskt gilt als eng landfreundlich. Sikorski ist ausgesprochen französisch orientiert. In diesen Wirren haben nun sene Kräfte, die sich heute Pilsudskt zuneigen, nicht aus Erwägungen sentimentaler Anglophilie, aber aus rein vernunftmäßiger Beurteilung der Lage heraus, das Be streben an den Tag gelegt, die wankelmütige Haltung der Londoner Ostpolitik dadurch zu binden, daß man sich zu einer ausgesprochen englischen Orientierung entschloß. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die englische Diplo matie in der nächsten Zeit in Warschau tonangebend sein wird, und daß die französische Orientierung vorläufig ihren Schlußpunkt erreicht hat. Die Wutausbrüche der französischen Presse gegen Pilsudski beweisen es zur Genüge. In London, wo man ernsten Konflikten gerne ausweicht, hat man diese Wendung mit Freuden begrüßt, um so mehr, als es jetzt der englischen Ostpolitik leicht gelingen dürfte, zu verhindern, daß sich Polen mit seinem russischen Nachbarn über die Ostgrenze des Landes end gültig verständigt. Solange dieser Fragenkomplex, der durch das litauische Problem noch kompliziert wird, offen bleibt, wird Polen immer als Schuhwall gegen die Sowjetunion zu haben sein. Rumänien und Italien stehen dieser Sachlage natürlich noch ganz unentschieden gegenüber. In Rumänien wird erst in den nächsten Wochen die Entscheidung über die Außenpolitik fallen, sobald das Kabinett Averescu rekonstruiert sein wird. In Italien ist das Geschrei gegen Pilsudski einigermaßen verstummt, aber man kann sich noch immer nicht mit dem demokratisch behafteten Marschall befreunden. Nur in Frankreich hat man noch nicht alle Karten aus der Hand gegeben: in der Praxi» wird sich die Rivalität