Volltext Seite (XML)
«^chti-l.«„ir7»tz,. Hnsmck, «erst« »ts A»t«d» s, GonntagD 1« «itta-t ir Uhr angt«O»e »e« tu »er E»>edM-»r «arienstraK, 1». -s»r. »—, ^ - MlichttR-r. «injrlv»An»/ «rr» i Agr Tageblatt für Unterhaltung und Geschästsverkchr« Mtredaeteur: Theodor Drobisch« «t«. S«4. Dienstag, de« 20 September 1864. Dresden, dm 20. September. — Nachträglich erfahren wir, daß Ss. Maj der König nach seiner am vergangenen Sonnabend hierher erfolgten Rück, kehr aus der Schweiz sich sofort über Niedersedlitz nach Pillnitz begeben hat. Am Bahnhof wurde der König bei seiner Ankunft in Dresden von den Herren Ministern v. Zeschau und v. Raben- Horst, Generalmajor v Fritzsch, Oberstleutnant v. Vitzthum rc. begrüßt. — Wie man uns mittheilt, ist vorgestern in den Vormit tagsstunden eine auf der Johannisstreße wohnhafte Dame um den Betrag von 200 Thalern bestohlen worden, den sie in ihrem Logis in Verwahrung hatte, ohne daß es bisher gelungen ist, in Betreff der Urheberschaft dieses Diebstahls etwas zu er mitteln. — Im hiesigen mathematischen Salon sollen in nächster Zeit verschiedene astronomische Beobachtungen vorgenommen wer dm, zu welchem Zwecke eine telegraphische Verbindung mit der Sternwarte in Leipzig hergestellt wird, die allerdings nur einige Wochen bestehen soll. — H veffrntliche Gerichtsverhandlung vom 19. September. Leider ist es nur einem einfachen Einspruchstermin Vorbehalten, einen Prozeß abzuwickeln, dessen Thatbestand einem hier in Dresden selten vorkommenden Vergehen zu Grunde liegt; es handelt sich um Majestätsbeleidigung, um Beleidigung eine- auswärtigen Regenten. Der Angeklagte ist der hiesige Adtzocat Franz Ludwig Siegel, Chefredakteur der „Constitutio neüeü Zeitung". Dis k Staatsanwaltschaft zu Dresden, zu jener Zeit, wo der Prozeß beginnt, vertreten durch Hrn. Staats anwalt Heinze, stellte unterm 3. Oktober 1663 einen Strafan trag gegen Siegel weg«.n eines Leitartikels in Nr. 213 der Sonst. Zeitung, in welchem namentlich in Absatz 2, 3, 4 und 5 beleidigende Ausdrücke gegen Se. Maj. den König von Preußen enthalten sein sollen. Dieser Leitartikel führte den Titel: „Das preußische Volk bei den neuen Wahlen" Das k. Gericht ging auf diesen Strafantrag ein und verurtheilte den Siegel zu 3 Wochen Gefängniß und Tragung der in erster Instanz erwachsenen Kosten. Bei seiner Vernehmung gab er wohl zu, daß er die Veröffentlichung des betreffenden Artikels veranlaßt, aber nicht der Verfasser selbst sei, daß er ihn mehr fach durchgelesen und einige Modifikationen darin angenommen. Den eigentlichen Verfasser zu nennen, weigerte er sich. Im Uebrigen bestritt er, daß in Inhalt und Fassung jenes Leitar tikels irgend welche Beleidigung enthalten sei, am allerwmig- sten aber gegen König Wilhelm von Preußen Redakteur Siegel hatte durch Advocrt vr Schaffrath eine VertheidigungS- schrift bei Gericht eingereicht. Gegen oben erwähntes, auf 3 Wochen lautendes Straferkenntniß erhob also der Beschuldigte Einspruch, vr. Schaffrath ging auf die einzelnen Punkte des Artikels näher ein. Gr hielt z. B die Stelle: „König Wil helm sehe und höre nicht", für keine Beleidigung, ebensowenig den Passus: „der König von Preußen habe unverrückt seine Armee-Reorganisation--Jdee im Auge, möge Preußen auch Anzeige« t. dies. Matte, da« jetzt i« 10,000 Lxempi erscheint, finde« eine erfolgreiche Verbreitung. elend und unglücklich sein"; im Gegentheil, das sei nur ein Ausdruck, der in achtungswerther Weise zu nehmen ist, denn strafbar könne es nicht genannt werden, wenn man von Jemandem sage, daß er Festhalten und Consequenz in seiner Meinung bekunde. So wenig, wie der Jurist den Grundsatz nicht übel nehme: „kist justitts et perest mvuäus!" ebenso wenig kann das eine Beleidigung sein, wenn man in Bezug auf den König sage: „k0»t reorZsuisstio et perest muuäus!" Eine dritte belastende Stelle sei ein CitaL aus Göthe's „Egmont": „Wie selten kommt ein König zu Verstände?" DaS sei eben falls keine Beleidigung, da hier dem Könige von Preußen nicht Wörtlich der Verstand abgesprochen werde. Nach unserem Straf gesetz gebe es keine Beleidigung auswärtiger Regenten, wir ha ben nur einen Begriff der Beleidigung, bei dem eS gleich sch ob der Beleidigte ein König oder ein Bettler sei. Herr vr. Schaffrath beantragt schließlich die Freisprechung des Angeklag ten. Letzterer ergriff nun selbst das Wort, indem er eine Menge deutsche Zeitungen vor sich hinlegte, aus denen er vielfach Ci- tate lieferte. Er meint, wenn er auf die Zeit zurückgehe, wo man ihm eines Morgens den Theil jmeS Strickes schickte, mit dem er als Reactionair aufgehängt werd n sollte, auf die Zeit, wo er für ein Deutschland mit Preußen an der Spitze sprach, da wundere er sich allerdings jetzt, daß man ihn der Beleidigung eines Königs, und zwar des Königs von Preußen beschuldige und zu Strafe verurtheile Es müsse hier ein Mißver- ständniß obwalten. Das Haupterforderniß der Beleidigung, die A b- sicht zu beleidigen, fehle hier ganz. Nachdem der Angeschuldigte noch einige Verse aus den, Wespen", betitelt: „Stimme auS der My thologie", vorgelesen, in denen die Absicht zu beleidigen offen bar vorliege und dennoch keine Bestrafung erfolgte, erklärt er, daß er seine fraglichen Leitartikel im Drange der Geschäfte redigirt, und daß jene bewegte Zeit ihn in fortwährender Erregung gehalten. Politik und journalistische Thätigkeit sei eine schwierige Sache, daß Rücksichten auf täglichen Broderwerb eS nicht seien, die ihn nöthigten, sich solcher Unannehmlichkeiten, wie heut, auszusetzen, darüber dürften wohl die Richter nicht erst zweifeln und wie in Preußen ungestraft über Sachsen gesprochen werde, davon gebe er hier einige Beispiele. Der Angeschuldigte schließt seine Ver teidigung mit dem Ausspruch seiner festen Ueberzeugung, daß e: heut „freigesprochen" diese Räume verlassen werde. Herr Staatsanwalt Held meint, der sächsische Richter kann nur nach dem „Gesetz" urtheilen. Mit den juristischen Grundsätzen der Vcrtheidigung sei er Wohl einverstanden, nicht aber mit den daraus gezogenen Consequenzen. Herr vr. Schaffrath geht noch einmal cuf die einzelnen Stellen zum Leitartikel über und fin det durchaus keine Beleidigung darin. Auch der Angeschuldigte ergreift noch einmal dasWort. WennHerrHeld sagt: „Mögen die Wogen der Welt noch so hoch schlagen, ihr Schaum darf nicht n diesen Saal spritzen" so sei es doch gewiß nicht strafbar, wenn - Jemand in diesem Wogendrange einmal etwas übersehen könne. Der Gerichtshof zog sich zur Berathung über das Urtel zurück und Herr GerichtSrath Jungnickel verkündete nach kurzer Pause, daß