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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 21.05.1908
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-05-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080521011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908052101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908052101
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-05
- Tag 1908-05-21
-
Monat
1908-05
-
Jahr
1908
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VliznaS-Prei- Morgen-Ausgabe 8. Anzeigen» P: eit >0« Lri»vg an» ^»ocori« »arch unirr« irtzer NN» Lvrnitrun «1 Haut gebracht: «u«,al>« L <»ur morarul) vterttljihrlich 1 M., inanailich I M.; »utgad« I» (morgen« and abend») virrttl» läorliid 4.SI M., monatlich i.ov M. Lur<d dt« «oft ,u br,t«d«n: (2 mol täglich) mnerhald Deutschland« und der deuiuden »olonien tnerteljLdrlich !>,L5 M.. monatlich l,7ü M. aulschl. Poft- delleNutw, ür c eslerreich v L 6ü k, uagurn « L merttljthrlich. garnrr tn v«> gieil, Dbnemarl, de» Donauftaatrn, Italien, rluremuurg, Niederlande Norwegen, Nub- and setnoeden, wchwei, und Spanien. In allen Adriaen Staaten nur direkt durch dt« rped. u. Bl. erhältlich. ildonnemenl-iltnnabme: Auguftuäpla, 8, d«< anieren Diäaern, Filialen, Spediteuren und «nnavmeilellen, sowie Poslimiern UN» Briefträgern. Dee einzeln« Nummer kostet 10 Dkh- Medaktioa und Lppedtlio»: Johanniägaise ii. »elevbon Nr. I48SL Nr. I46W, Sir. I«SSe MMerTagMall Handelszeitung. Amtsblatt des Nates und des Nolizeiamtes der Stadt Äeipzrg. kstr Inserat« au» ilerpzig und Umgebung dt» Saespatten- Betttjeil« L> V>., ftnaaz>ell« «nzetg« 30 W., Reklame» l M.; »»» autwäru Sv Pf-, «eNamen I.2V M.: No«Lu1Iand8l)Ps., finan,. Anzeigen 72 Pi Reklamen 1^0 Ni. Inserate v.Behdrde» n. amU>cheuDeU40DU. vetlagegedäbr 3 Di. p. lausend rpkl. Post, aebühr. Geschäft«an^eigen an bevor,ugirr Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Tarn ftesiertrtlt» Susträge können nicht juruck. aezogen werden. FLr da« Srschcinen an beftimmte» Lagen und Plätzen wird kein« Garantie übernommen. hln^igrn-rlnnabmei Vugullutvl», 8, bet sämtlichen Filialen u. allen Annoncea- ExpedUlanen dct In» und Auilonde«. Haupt-Filiale kierliui Carl Dunikir, Herzog!. B-qr. Hosbuch- tzandlung, Lützowstratz« lL lTel-phon VI, Nr. 4603). Haupt-Filiale Dresden: Ceestra»- «,I tLelevdoa 4621). Ni. IM. Donnerstag! 2l. Mai 1908.1V2. JghrggNsi. Dcrs wichtigste vom Tage. * Der Kaiser nahm gestern das Frühstück beim Reichs kanzler ein. sS. Dtschs. N.) * Der braunschweigische Landtag nahm die Vorschläge der Wahlrechtskommission an, durch welche die indirekte durch die direkte Wahl ersetzt wird. sS. Dtschs. R.) * Der Schuhmacher streik in Magdeburg ist beendet. lS. Dtschs. R.s * Zur einheitlichen Regelung des R a d sah r v e r k eh r s sollen ab 1. August 1908 neue Bestimmungen Anwendung finden. <S. Letzte Dep.1 * Die klerikale Verhetzung in Tirol geht so weit, daß zu Straßenkämpfen aufgefordert wurde. sS. Letzte Dep.) * Der König von England wird am 5. Juni zum Besuch des Kaisers und der Kaiserin von Rußland von London abreisen und am 12. Juni wieder zurückkehren. sS. Ausl.) " Rach Angabe der Pforte sind bei Hausdurchsuchungen im arme- nifchen Stadtteil in V a n 200'Gewehre gefunden worden. Der Zarirniris. Tie Flammen der russischen Revolution, deren Ausdehnung zeit, wellig das ganze russische Reich zu ergreifen drohte, sind erloschen, der Brand ist endlich gelöscht und nur unter der Oberfläche schmält er weiter. Man vermag die Tatsache nicht zu leugnen, daß der Befreiungskampf gegen die Autokratie und das ganze absolutistische, willkürliche Regiment in Rußland nicht zu dem erstrebten Ziele geführt hat. Allerdings ist es gelungen, dem Volke in der Reichsduma eine Vertretung zu erringen, durch die die Selbstherrlichkeit des Zaren, seine unverantwortliche Allein herrschaft eingeschränkt worden ist, aber eine konstitutionelle Monarchie nach westeuropäischer Auffassung hat Rußland nicht gewonnen, und auch die liberalen Reformen, die zugesagt wurden, sind großenteils erst an- gebahnt und scheinen in ihrer Mehrzahl auf dem Papier stehen bleiben zu sollen. Manche Härten der Gesetzgebung sind ja gemildert, manckie Willkürakte der Bureaukratie erschwert, die persönliche Freiheit ist zum Teil gesicherter al« früher, und auch der politischen Betätigung sind die Fesseln etwas gelockert. Aber völlig gescheitert ist die russische Revo- lution, soweit sie auf die Beseitigung des Zarismus selbst und auf die Umwandlung der autokratisch-monarchischen Staatsform gerichtet war. Und das gerade war doch das Endziel, der Hauptzweck, den die Sozialrevolutionäre und die Terroristen verfolgten, als sie zu den Waffen griffen, das Heer und die Bauern aufwiegelten und mit Mord und Brand wüteten. In Westeuropa ist man wohl im allgemeinen der Anschauung, daß der Zarismus eine baufällige, durchfaulte Staatsform ist, die früher oder später fallen muß. Zurzeit aber ist diese Staatsform unerschüttert, und wahrscheinlich noch für eine lange Periode wird der Zarismus samt den wesentlichsten Schäden, die ihm anhaften, noch bestehen bleiben. Wes halb Wohl sind denn die gegen ihn gerichteten Angriffe vollständig ge» scheitert? Warum bat die russische Revolution nicht geendet, wie die siegreiche französische, die dem schwachen Ludwig XVI. Thron und Leben nahm und die Republik schuf? Wohnt in Nikolaus II. mehr Energie und Widerstandskraft als in jenem Bourbon, oder war vielleicht die Volksgewalt, die gegen ihn und die Autokratie anstürmte, weniger kraft- voll, als die der französischen Sansculotten? Unzweifelhaft trat das französische Bürgertum in der großen Revo lution seinen Feinden geschlossener und massiger gegenüber, als die russischen Revolutionäre, denen cs völlig an einer einheitlichen Leitung, an Zielbewußtsein und an Konzentration gebrach und die es nicht fertig brachten, die Herrschaft über die Volksmassen zu behaupten. Anderseits freilich ist dem Zaren das Heer in seiner überwiegenden Mehrheit treu geblieben, insbesondere in der Hauptstadt, so daß es dort nicht gelang, die Revolution im großen zu entfachen. Petersburg folgte nicht dem Bei- spiele von Paris im Jahre 1793. Ter Zar wußte von dem ihm treu ge bliebenen scharfen Instrument Gebrauch zu machen. Rücksichtslos schlug er mit ihm auf die Hydra der Revolution los. Er verfiel nicht in den Fehler Ludwigs XVI-, der das Spiel in dem Augenblicke verloren hatte, altz er den ihn» ergebenen Garden den Waffengebrauch nicht gestattete. DaS Heer hat, ungeachtet aller Meutereien, dem Zaren den Thron ge. rettet. Dieses Heer, das sich aus den Söhnen des vom Zarismus miß. bandelten und geknechteten Volkes zusammenseht, hat die Meuterer, die Revolutionäre und das Volk, aller Orten zusammengeschossen und nieder, gehalten, dasselbe Volk, dessen Elend die Soldaten des Alleinherrschers doch durchweg schon an ihrem eigenen Leibe gespürt, dessen Knechtschaft sie geteilt hatten, dessen Befreiung vom Joche auch ihm eigene Freiheit be deutete. Wie soll man sich diese Erscheinung eigentlich erklären? Entsprang sie sklavischem Gehorsam, selbstverleugnender Disziplin? War es An- Häuslichkeit an den Monarchen, der die Truppen auf die eigenen Brüder schießen hieß? Wieder stehen wir vor einer Frage, auf die die Antwort nicht mit Sicherheit gegeben werden kann, weil wir die Seele des russischen Volkes zu wenig kennen. Ein fremdes Volk richtig zu beurteilen, noch dazu, wenn es aus so wenig homogenen Teilen besteht, wie das unter dem russischer Zepter vereinigte Völkergemisch, ist kaum möglich. Selbst Russen dürfte das schwer fallen. Wie sollte man auch ein Volk genau kennen, seine Gedanken, seine Beweggründe zum Handeln verstehen können, dessen Geschichte und Geschicke fast ohne eigene Anteilnahme sich entwickelt, immer nur von einem mehr oder minder ausgeprägten Despo tismus gelenkt wurden, und dessen Innenleben seinen größten Schrift, stellern, von einem Tolstoi, einem Dostojewski in ein beinahe mystisches Dunkel gehüllt wird. Und doch müssen wir immer wieder auf russische Beobachter zurückgreifen, um das Drama und insbesondere den Abschluß der vorläufig niedergeschlagenen Revolution begreifen zu können. Da ist bei R. Piper H Co. «München und Leipzig) ein Buch erschienen, das sich »Der Zar und die Revolution" nennt und von den russischen Schriftstellern Dmitri Mereschkowski, Zinaida Hippius und Dmitri Philo. sophow geschrieben worden. Das sind russische Zeugen! Es ist ein eigenartiges Buch. Ganz russisch! Zum guten Teil voll religiöser und mystischer Grübeleien in engster Verbindung mit politischen Schwärmereien und Unklarheiten neben sehr vielen treffenden Aus einandersetzungen. Schilderungen russischer führender Geister und typischer Erscheinungen aus dem Volke wechseln ab mit Erörterungen über die geschichtliche Entwicklung und den Charakter des Zarismus wie der Orthodoxie und über die Stellung beider zueinander. Man gewinnt durch diese Darstellungen schließlich ein ziemlich klares Bild von dem intellektuellen und politischen Leben des russischen Volkes, soweit es sich in diesen Beziehungen betätigt hat, besonders aber von seinem religiösen Empfinden. Und hier findet sich denn auch der Schlüssel zu der immerhin einigermaßen befremdlichen Tatsache, daß die russische Armee wider Erwarten zum größten Teil nicht gemeinsame Sache mit den Revo lutionären machte und datz die letzteren, trotz aller Verbrechen der Auto kratie, keine genügende Unterstützung im Volke gefunden hat. An der Persönlichkeit des Kaisers hat es nicht gelegen, datz er heute noch auf dem Throne sitzt, denn Philosophow schildert ihn als einen guten und harmlosen, aber charakterlosen Menschen ohne Willenskraft und gänzlich autzerstande, den Leuten, die nicht seiner Meinung sind, zu wider, sprechen. „Auf jeden Vorschlag hat er die gleiche Antwort: Gewiß, gewiß! Doch sagt er das nur, um nicht widersprechen zu müssen." Er hat, wie Hippius berichtet, „eine große Schwäche für wirre Träumereien, spiritistische und kirchlich-orthodoxe Wunder. Er ist nicht böswillig, aber schwach. Er ist gerade so beschaffen, wie man beschaffen sein muß, um im Augenblick, als der Zarismus aufs äußerste bedroht wird, noch an diesem mit seinem ganzen Wesen hängen zu können" Zar Nikolaus will wirklich Reformen durchführen, doch nur unter der einzigen Be» dingung, daß seine Macht dabei erhalten bleibt." Sehr charakteristisch ist es für den Zaren, datz er nur Leute um sich leiden mag, die sich gleich ihm durch keine besonderen Geistesgabcn auszeichuen. Allein dieser Zar, so schwach als Mensch, ist nicht nur der Kaiser von Rußland, sondern er ist für den Osten, für das Gebiet der griechisch, katholischen Kirche, dasselbe, wo? der Papst für den katho- tischen Westen i st? - - Ludwig XI V ko- nie kohl w e jeder Autokrat sagen: „Ich bin der Staat", nicht aber wie der Zar: „Ich bin die Kirche". Er ist nicht nur absoluter weltlicher Monarch, sondern auch der höchste Priester der russisch-orthodoxen Kirche. Er vereinigt in seiner Hand die Macht Ludwigs XIV. mit der Gewalt Pius X- Der Zar ist schon seit Peter dem Großen die Verkörperung einer unendlichen Macht, die zugleich göttlich und menschlich ist. Dieser eine Mensch, der über allen andern siebt, ist nicht mehr Mensch: er ist Gottmcnsch, und demgemäß siebt — nach Bakunin — „das russische Volk in ihm einen russischen Christus, einen Vater und Ernährer, der ganz von der Liebe zum Volke und von Besorgnis um sein Volk durchdrungen ist." Es ist daher die Tatsache erklärlich, datz eS, wie an einer Stelle des Buches gesagt wird, bisher noch keine einzige wahre Volkserhebung gegen den Zaren, sondern nur Empörungen gegen RcgierungSvertreter, gegen Grundbesitzer u. a. gegeben habe. Das Volk hat eben noch nicht seinen Glauben an den Zaren verloren. Für sein Elend macht es alle möglichen Leute verantwortlich: die Gutsbesitzer, Beamte, Popen, nur nicht den Zaren. Das Volk glaubt in seiner Masse fest daran, datz der Zar ihm schon längst alles, was es braucht, Land und Freiheit gegeben hätte. Diese Anhänglichkeit an den Zaren entspringt jedoch nicht etwa sklavischer Ge sinnung, sondern sie ist tief religiös begründet, wie dies aus der Eigen schaft des Zaren als höchster Priester erklärlich ist. Begreift man nun, warum die Masse des russischen Volkes nicht dis Waffen gegen den Zaren erhob? Versteht man es nun, warum da? Heer, das sich aus dem Volke rekrutiert, dem Zaren treu blieb und alles, was sich gegen ihn empörte, uiederschlug? Es wird aber auch der Pessimismus verständlich, der in merk- würdigem Gegensatz zu der an vielen Stellen des Buches markierten Hoff, nungsfreudigkeit in bezug auf den schließlichen Sieg des RevolutionS. gedankens, am Schlüsse durchbricht und resigniert erklärt: „Die sozia- listischen Lehren, die auf einem krassen Materialismus basiren, können unmöglich die tief begründete zaristische Idee verdrängen oder ersetzen, da sie religiös ist. Die zaristische Idee, wie falsch sie auch ist, steht doch viel höher, als jede rein materialistische Idee . . . Die russische Revolution mutz einen neuen, bewußten und allmenschlichcn Weg einschlagen. Wir alle glauben, daß sie diesen Weg einschlägt, denn wir glauben an unser Rußland und an die Wahrheit unserer Revolution." Wir halten dafür, datz dieser neue Weg schwerlich entdeckt werden wird, er mutzte denn den Russen von einem Manne gezeigt werden, der ein Luther und zugleich ein Robespierre wäre. Max Novdart über -ie -errtseh-fvanzosifche Annäherung. iVon unserem Pariser ^.-Korrespondenten.) Paris, 18. Mai. Die „Jndepensancc Beige" veranstaltet von Zeit zu Zeit Festessen zu Ehren bedeutender Persönlichkeiten. Dem letzten präsidierte Thöophile Dclcasse, der die Gelegenheit benützte, seine friedliche Gesinnung zu beteuern, ohne vielleicht die Zuhörer überzeugt zu haben, daß seine Marokko-Politik nur friedliche Ziele verfolge. Es lvar gewiß nicht unabsichtlich, daß das Diplomatenblatt in Brüssel das daraus, folgende Bankett unter den Namen Max Nordaus stellte, der seit langen Jahren in Frankreich wobnt und vor der Zeit der Dreyfus-Asfäre auch über ein großes französisches Publikum verfügte, der aber dann auch während der Marokko-Äffare von vielen als eingefleischter Franzosen feind verschrien wurde. Bei dem gestrigen Diner dem eine Anzahl Notabilitäten der Literatur und Wissenschaft beiwohnte, hielten der Pariser Korrespondent der „Jndependance Belge", Jean Bcrnard, sowie auch der von Brüssel gekommene Chefredakteur Ansprachen, in denen sie versicherten, daß ihr Blatt sich ganz der Ausgabe widmen werde, nach Kräften an der Wiederauswhnung Deutschlands und Frankreichs zu arbeiten. Die Erwiderung Max Nordaus, der mit allzu großer Bescheidenheit über das verdiente Lob hinwegzing, das ihm von einem halben Dutzend Rednern gezollt wurde, war vielleicht nicht gamz das, was die Veranstalter des Banketts von ihm erwartet hatten. Er -erklärt: sich als kein Freund aufdringlicher Annäherungsversuche. Zwischen Deutschland und Frank- reich habe cs einen Riß gegeben. Von der einen Seite ertöne der Rus: „Vergiß!", von der anderen: „Gib zurück!" Das überschreite, was man als möglich erwarten könne. Dr. med. Max Nordau zog dann als The- rapcutiker einen guten Vergleich: Ist eine Wunde geschlagen, dann gibt cs nur ein Mittel, nicht daran rühren; die Ränder der Wunde werden sich langsam einander nähern, sie werden sich schließen, die Schmerzen werden vergehen, und mit der Zeit wird die Narbe mehr und mehr per- schwinden. Durch besondere Expcrimeme den Heilunasgang beschleuni gen wollen, hat oft nur gegenteilige Wirkung Trotz dieser, die Eiferer der Annäherung entmutigenden Worte sprach Nordau dann als lang- jähriger Beobachter der Verhältnisse die Zuversicht aus, daß die sich mehrenden individuellen Verbindungen in Zukunft die neue Verbindung der beiden großen Länder Herstellen werden; nur Barbaren könnten die Fortdauer des Haders wünschen. Die Humanität verlange den Zu- sammensckstuß aller zivilisierten Völker. Die anwesenden Franzosen applaudierten in lebhaftester Weise und protestierten sogar, als sich eine wenig autorisierte Stimme erhob, die andeuten wollte, Nordaus Hofs- nungen gingen noch zu weit, und was die Gewalt an Unrecht getan, könne in Zukunft nur die Gerechtigkeit wieder gut machen; den Elsaß- Lothringern müsse das Recht werden, wie jedes Individuum frei über sein Geschick zu entscheiden und sich die Nationalität zu wählen, schwei- zerisch oder belgisch, wie ihnen beliebt. Die Rede Nordaus, die, man darf es sagen, sich in der darin aus- gesprochenen Ueberzeugung durchaus mit der aller längere Zeit in Frankreich ansässigen Deutschen deckt, dürfte in der französischen Prelle größeren Widerhall finden. Der vernünftigere Teil in der Republik ist längst zu der Ueberzeugung gekommen, daß man den Dingen ihren Lauf lassen muß, daß die Aufhetzung alter Leidenschaften ebenso zwecklos ist, wie die gewaltsamen Annäherungsversuche gefährlich. Deutsches Reich. Leipzig, 21. Mai. * Aus dem 21. Reichstagswahlkreis. Der Reichstagsabgeordnete Dr. Stresemann, der schon während der Reichstagstagung an den größeren Orten seines Wahlkreises vor den Wählern Bericht erstattete, beabsichtigt in den nächsten Wochen wiederum eine Reihe von Orten zu besuchen und über die Tagesfragen zu sprechen. — Am Dienstag ver- anstattcte der nationalliberale Verein für de» 21. RcichStagSwablkreiS eine öffentliche Versammlung in Schwarzenberg, die recht befrie digend verlief. Generalsekretär Westenberger aus Leipzig sprach über die Arbeiten des Reichstages, seine nächste» Aufgaben und die sächsi'chc Wablrecbtssrage. Die Versammlung nahm auf Vorschlag des Vor- sitzenden eine Erklärung an, worin die Leistungen des Reichstages als verdienstlich anerkannt werden und die Erwartung ausgesprochen wirk, Laß die sächsische Regierung des Zustandekommen des Wahlgesetzes auf Grund des Wablrecktskompromisses ihrerseits fördern werde. An die nationalliberale Fraktion wird der Wunsch gerichtet, auf die notwendigen Verbesserungen, insbesondere die Herabsetzung der Seßhaftigkeitsfrist, entschieden binzuwirken. * * Ter Kaiser beim Reichskanzler. Der Kaiser sagte sich bei dem Reichskanzler und der Fürstin Bülow zum Frühstück an. Hierzu waren geladen Staatssekretär v. Betbiuann-HoUweg, die Staatsminister v. Tirpitz, v. Einem, Delbrück, v. Moltke, Sydow, die UuterstaatS- sekretäre v. Loebell, Stemrich, Vizeadmiral Müller, der Gesandte v. Flotow, Geheimer Leganonsrat Freiherr von dem Busschc-Hadden- Hausen, die diensttuenden Flügeladjutantcn Oberst Freiherr v. Marschall und Major v. Neumann-Cosel, der Kommandeur des zweiten Garde» Ulanen-Regiments Oberstleutnant und Flügeladjutant v. Bülow und Hauptmann v. Schwartzkoppen. * Zur Eisenacher iSisenbahnkonfercnz, über die wir mehrfach be richteten, Wird uns noch aus Eisenach vom 20. d. geschrieben: Die Konferenz, welche unter Leitung dcS Vortragenden Rats im Reichseisen babnamt, Geh. Oberregierungsrats Dr. Elsner in Berlin, im Hotel „Rautenlranz" hier stattfand, wurde geschlossen. Sie war beschickt von Vertretern der deutschen und österreichisch-ungarischen Eisenbahn» Ministerien und bezweckte die fortdauernde möglichste Uebereinstimmung der reglementarischen Vorschriften für den Personen» und Güterverkehr zwischen Deutschland und Oesterreich-Ungarn zu sichern, was besonders wegen der Weiterbildung der Bestimmungen für den internationalen Eisenbahnverkehr von großer Bedeutung ist. Zur Lösung der Diffe renzen fanden bereits mehrere Konferenzen statt, die letzte in Salzburg. Daß es galt, ein bedeutendes Pensum zu erledigen, erhellt wohl am besten daraus, daß die Vorberatungen zur Eisenacher Schlußkonferenr bereits am 12. Mai und die gemeinsamen Besprechungen am 15. Mai begannen. In vielstündigen Vor» und Nachmittagssitzungen erledigte man die wichtige Angelegenheit und erzielte in allen schwebenden Punlten ein vollständiges Einvernehmen. Die Verkehrsordnung und das Be- triebsreglement erhalten einheitliche Grundlage, die den Verkehr be deutend vereinfachen. Die Einführung der Neuerungen steht im kom menden Jahr bevor. * Wahlrechtsreform in Braunschweig. Die braunschweigische LandeSversammlung behandelte in ihrer gestrigen Sitzung Anträge zur Vorbereitung von Vorschlägen, betreffend eine Abänderung des Landtagswahlrechtes, der eingesetzten Kommission, die dahin gehen, die bisher indirekte Wahl durch die direkte Wahl zu ersetzen unv die Wahl der Urwähler der ersten Klasse auf mindestens 10 Prozent, der zweiten Klasse auf 20 Prozent und der dritten Klasse auf 70 Prozent festzusetzen. Die Urwähler der ersten Klaffe haben drei, die der zweiten zwei, die der dritten eine Stimme. Auf diese Weise wird es ermög licht, Laß bei einer vollständigen Wahlbeteiligung die Wähler der dritten Klasse ebenso stark wie die der ersten und zweiten zusammengenommcn vertreten sein werden. Die Vorschläge der Kommission wurden mit 37 von 45 abgegebenen Stimmen angenommen. * Reichstagsabgeordneter Leser-Frankfurt a.M. (Südd. VolkSp.), der als Rekonvaleszent in Lugano weilte, ist dort von neuem ernstlich erkrankt unv nach Frankfurt zurückgebracht worden. * Ltrelkbeivegnng. Der seit 7 Wochen dauernde Schuhmacher streik in Magdeburg ist, wie uns ein Privattelegramm von dort meldet, beendet. Nunmehr habe» alle Streikenden nack> kleineren Ein geständnissen der Meister die Arbeit wieder ausgenommen. * Tratsche Lcheidcmnnzen in Ktautschau. Die seit einiger Zeit aus Veranlassung Les Staatssekretärs des ReichsmarineamteS von den beteiligten Ressorts eingeleiteten Erwägungen über Schaffung von Scheidemünzen deutschen Gepräge« für das Schutzgebiet Kiautschau
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