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Voigtlän^ischer Anzeiger. Fünfundsechszigster Jahrgang. P e r a n t w o r t l t ch t Redaktion. Vr G. Iah». Druck und B erlag von Mortp Wieprecht in Plauen. Jährlicher AbonnementSpreiS für dieses Blatt, auch bei Beziehung durch die Post, 1 Thlr. ti Ngr. — Die Jnsertionögcbichren werden mit 1 Ngr. für die gespaltene Corpus-Zeile berechnet, größere Schrift nach Verhälmiß deS Raumes. — <. - ' - — , .. Dienstag. 80« 23. Mai 1854. Der Stand des mor^enläudischen Kriegs.*) Entscheidendes, wohl gar deg ersehnten Frieden wieder Herbeiführendes hat sich dis jetzt auf keinem der verschiedenen Kriegsschauplatz, zugetragen. Napier fährt mit seiner ge. wattigen Kriegsflotte, zu der jetzt auch noch die französische gestoßen lein wird, in der Osts-e umher, nimmt hie und da ein unglückliches russisches Handelsschiff als „gute Prise," d. h. als guten Fang weg. lhul aber sonst verzweifelt wenig Sichtbares. Die russische Kriegsflotte der Ostsee steckt hinter den surchtbaren Festungswerken von Kronstadt so sicher, wie die Küchlein unter den Flügeln der Henne. In neuester Zeit will man nun die Entdeckung gemacht haben, es gehe mit großen Kriegsschiffen zwischen den Klippen und Felsen- rissen der Ostsee (Schären genannt) nicht gut allein, man müsse auch kleinere Kriegsschiffe, Kanonenboote, und zwar zu Hunderten (eine Schärenflalte, wie Rußland und Schwe den) haben, welche nun in England und Frankreich schleunigst ausgerüstet werden sollen. Htach unserem Verstände dürfte es dem „fechtenden Karl. chen," wie Admiral Napier scherzweise genannt wird, eben so sehr an einigen hundert tausend streitbaren Männern zu Fuß und Roß fehlen, um sie landen und zu Lande unter» stützen zu können, als an einer Schärenflolte. Im schwarzen Meere stchts ziemlich wie in der Ostsee. Odessa ist wohi bombardirt und mehr oder weniger Schaden dort angerichtet worden; aber solche Nadelstiche verletzen den Riesenkörper Rußlands nur unb. deutend, höchstens wird da durch die Erbitterung der Russen gegen den Westen noch größer. Dundas und Hamelin kreuzen um Sebastvpvl, aber — die Trauben sind sauer, sagte bekanntlich seiner Zeit der Fuchs, als sie zu hoch hingen. Neuerdings heißt es zwar, es seien Flollenabtheilungea in Arbeit, die es aus der Ferne beschössen, auch sollen fünf tausend zur Landung daselbst be, stimmte Türken dahin eingeschtfft worben sein; allein, ehe aus den fünftausend nicht mindestens fünfzig tausend werden, -weisel i wir am Erfolg. Zn Kleinasien ist's jedenfalls mit dem türkischen Heere am AUerschlimmsten bestellt. Di« besten Truppen des Reiches sind an die Donau und nach Griechenland geschickt worden, *) Wir beabsichtigen, durch zeitweilig« derartige Nebcrsichten, dem Publikum einen möglichst sicheren Leitfaden aus dem Wirrtal der Zei tungsnachrichten zu bieten, ohne deshalb auf Unfehlbarkeit in Bezug auf unsere Ansichten sowohl, wie die Gegenstände und Thattachen lellP Anspruch machen zu ipollm. so daß für d,n Krieg in Asien meist unregelmäßige, asiati. sche Truppen verwendet werben können. Die fremden, euro päischen Otsiziere wollen Zucht und Ordnung unter dieses Gesindel bringen, aber zur Zeit ist es ihnen unmöglich ge- wesen, wirb zhnen auch schwerlich je gelingen. Bis jetzt bat der auf dem dortigen Hochlande strenge Wnuer die Russen nicht ins Feld rück.n lassen; aber auch ohne Prophe» lenangabe läßt sich voraussehen, daß mit Beginn der bessern Jahresz.it die Türken in Asien schlechte Geschäfte machen werden, es müßten ihnen denn, wie es heißt, englische Hilfstruppen zugeführl werden. An der Donau und in Bulgarien wehren sich die Tür» ken tüchtig. Dort kämpsl dle letzte Kraft des Halbmondes, das letzte Heer des Sultans; denn ist Omers feit 10 Mo. neuen mühjam herangebildetes Heer vernichtet, so ist ein anderes an seine Stelle nicht mehr zu schaffen. Omer leistet das Möglichste und Aeußerstc, kämpft mit der Unbändigkeit seiner rohen Freiwilligen (Baschi Bozucks) eben so kräftig, wie mit dem furchtbarsten G(lbmangel. den Krankheiten und überlegenen Russen, vermeidet die Offensive, (den Angriff) vertheidigt dagegen jeden Fuß breit Landes mit Glück und Geschick, läßt sich auch weislich in keine Hauptschlacht ein, weil er im Fall eines Sieges, bei der verhältnißmäßig ge» ringen Anzahl seiner Truppen, einen solchen zu verfolgen und gehörig zu benutzen nicht im Stande sein, eine verlorene Schlacht dagegen sein Heer autlös n und den Russen den Weg über das Balkangebirge öffnen würde. So wartet er der Ankunft der englisch-französischen Hilfstruppen um so sehnlicher, als er viele Mannschalten nach den ausge- standenen Provinzen Makedonien, Thessalien und Epirus und gegen die Grenzen ,von Montenegro Hal abgeben müssen, als auch er durch ununterbrochene Gefechte und Krankheiten bereits eben so viel Leute verloren hat, als die Russen, diese aber sie leicht ersitzen können und ersetzt haben, was er nicht oder doch weil weniger im Stande ist. Man rechnet, daß die Hilfstruppen der Franzosen und Engländer etwa Mille Ium bei ihm sein können, bis dahin wird er daher alle Hände voll zu tbun haben, um die Balkanlinie und Si llstria zu hallen, wenn er überhaupt letzteres zu hallen im Stande »st. Vor der Hand haben »nglisch französische Hilfs, truppen nur die starke Festung Varna am schwarzen Meere besetzt; die übrige Hilfsarmee lagert in Constantinopel, Scu> tari, Gallipoli, oder ist im Marsche auf Acrianopel. Die Russen sitzen aber iu der Dobrudscha und an der