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Morgen-Ausgabe Bezugspreis: fü« L«Ip,i, «,» Borprl» zveimal »glich «X b«X gedrochl «waalllch M. UL XsnstlSdrlI- LU Udr Uli Äddsl«, mouailich Ll. U—, »,kch »al«r» »»«artig»» Filiale» In» Ya»» gedrachi «onalllch M. USU vt»rt»l. Ildrlich Ll. U20-. t»rch dl» Voll innerdald v»»ilchlaad« monat- Uch M. »t»r,«>iad'Uch «r USV la»«I<d»»bII« V,Kd»ft«ll,«l»). SchrMI«»»», «X S»l<dSN«N«I»> ZohaaoXgall» 4l«.> Nr. 838 Hcmdels-IeUung /Untsblatt des Uutes und des poUzeuuntes der Stecht sechzig 1VS. Jahrgang Anzeigenpreis: tür ÄNjeigen au» erlgzlg on» Umgrdsng dl» elnipalllg« petlizell» L> ps. aolwdrt» Sv Pf« Änzeigea oo>> Behörden iw amiilchen T«II dl» P«Mz»ll« 6ll Pf.: Ilirin» Anzeigen dl, Pelilzeii, Ai Pf« isxmlllen- anzeigen ÄPf.: iveichlsksanzeigen w» PlaljuoriGiiNen iw Pr»li« erddht. Beilagen: Deiamiaoslag« M. 7^- da« Tanien» aueichl PoNgidUdr. gerniprech Anlchluh Ar. NWL. and I4UU4 Freitag, den 22. Oktober 1915 Sabae besetzt Der deutsche Tagesbericht Gröhes Hauptquartier, 21. Oktober. Westlicher Kriegsschauplatz Keine besonderen Ereignisse. Oestlicher Kriegsschauplatz Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls von Hindenburg: Nordöstlich von Mikau gewannen wir das Düna- Ufer oon Borkowih bis Bersemünde. Die bisherige Beute der dortigen Kämpfe beträgt im ganzen 1725 Gefangene, sechs Maschinengewehre. Heeresgruppe des Generalfeldmarschalls Prinz Leopold von.Bayern: Oestlich von Baranowit chi wurde ein russischer An griff durch Gegenangriff zu rück gewiesen. Heeresgruppe des Generals v. Linsingen: Am Styr in Gegend von Ezartorysk nahmen die örtlichen Kämpfe einen größeren Umfang an. Dor erheblicher Ueber- legenheit muhte ein Teil der dort kämpfenden deutschen Division in eine rückwärtige Stellung zurückgehen, wobei einige bis zum letzten Augenblick in ihrer Stellung ausharrenden Geschütze verloren gingen. Ein Gegenangriff ist im Gange. Dalkankriegsschauplatz Die verbündeten Truppen folgen auf der ganzen Front dem langsam weichenden Feinde. Aus der stark befestigten Stellung südlich und östlich von Ripons sind die Serben in südlicher Richtung geworfen. Unsere Dortruppen erreichten Stepofevac-Leskovac-Baba. Westlich der Morava dringen deutsche Truppen über Selevac und Saraorci, östlich des Flusses über Dlafkldo, Resanac und auf Ranovac vor. Bulgarische Truppen Kämpfen bei Negotin. Welter südlich er reichten sie die Straße Zascear — Knjazevac. Oberste Heeresleitung. Die völlige Isolierung Serbiens Eigener Drahtbericht (r.) Genf, 21. Oktober. Herve sagt, dieBefehnng vonDransa bedeute die völlige Isolierung Serbiens. Das Land besitze nur noch für einige Wochen Munition, bis dahin müsse der Dierverband die Bahnverbindung mit Serbien wicderherstellen und die Bulgaren versagen. Sonst sei alles verloren. Llemenceau dagegen stellt die steigende Eises kälte der Verbündeten gegenüber den Dingen auf dem Balkan fest. Sie sühllen» datz die Sache dort ziemlich kompro mittiert sei, und halten kein Vertrauen mehr zueinander. Die Strategie Poincares, auf dem Balkan durchdringen zu wollen, sei Heller Wahnsinn. Ausgerechnet Frankreich solle an der Spitze dieses Unternehmens marschieren und die größten Opfer bringen, wo es doch nur geringe Interessen im Orient besitze. England und Rußland brauchten keine Ausklärvng darüber, was im Orient auf dem Spiele stehe. So aber müsse man die Weisheit der Lenker von Frankreichs Geschichte bezweifeln, die verblendet die Gefahr auf der Westfront vergäßen. bt. Bukarest, 21. Oktober. .Minerva" erfährt aus Sofia: Die Kriegsoperationen der bulgarischen Armee entwickeln sich vorzüglich. An berufener Stelle herrscht die Meinung, daß die serbische Armee vor der Vernichtung stehe. Znm Be weis wird auf die Eroberung Dranjas hingewiesen. Die Bulgaren Kämpfen äußerst tapfer. Dor Pirol mußten die serbischen Stellungen im Granatenhagel genommen werden. Die Bulgaren ließen ihre Ge wehre zurück, und nur mit dem Basonett bewaffnet schlichen sie sich an die serbischen Verschanzungen heran. Auf der Höhe entspann sich ein wütender Kamps. Die Bulgaren warfen sich auf die Serben und mit Messer, Bajonett usw. wütete man gegeneinander. In der Erbitterung deS Kampfes ereignete es sich oft, daß die Gegner sich ineinander ver bissen. Bulgarischer Tagesbericht Amtliche Meldung vtd Sofia, 20. Oktober. Amtlicher Bericht über die gestrigen Operationen: Unsere im Timok-Tale Schritt für Schritt vordringenden Truppen stehen schon oorNegotln, wo sie die Serben Zurückschlagen. Diese flohen von Panik ergriffen und ließen einen Offizier und 50 Mann als Gefangene, einen Offizier und 150 Mann tot im Timok-Tale. Unsere Truppen erreichten die Linie Tscherni Drh, Welren <500)—Petruschltza —Grasischkatscouka (907)—Orsevaylava (893)—Tachoinitsa (795)—Dorf Diberci, 5 oder 6 Kilometer östlich Knjazevac—Jassen (800) und Gabar (875). Bei Pirol nahmen unsere Truppen nach erbittertem Kampfe sehr wichtige strategische Punkte. Auf dem Didlic Pla- nina bei Brangja setzten sich unsere Truppen fest und säuberten das Tal der bulgarischen Morawa in einer Ausdeh nung von 21 Kilometer nach Norden und Nordosten hin. Di« Beute von Dranja ist noch nicht gezählt. Man weiß nur, daß u. a. zwei Millionen Patronen (System Berdan) einbegriffen sind, ferner Tabak für eine Million Franken. Auf dem Bahnhof Bcjanowitz fand mau ungefähr eine Million Kilogramm Heu. Unsere über Egri Palanka vordringenden Truppen griffen eine starke Stellung an und schlugen öle Serben zurück, die sie in Eile auf Kumanowo verfolgen. Im Tal der Bregalniha schreitet unsere Offensive mit blitzartiger Schnelligkeit vor wärts. Das ganze Tal, ebenso die Ebene von Ovlsche Polje sind in unseren Händen, auch schon die Städte Kotschana, Rado- wischle, Tipkilisse Mikratowo. Unsere Kavallerie, die die auf dem Rück zugs befindlichen Serben verfolgte, erreichte sie bei Kliseli und zer streute sie vollständig. Ungefähr 2000 Serben wurden zu Gefan genen gemacht, andere konnten nur dank der Dunkelheit der Nacht entweichen. Die Bevölkerung in dem vom serbischen Joche befreiten Gebiete nimmt unsere Truppen mit unbeschreiblicher Begeisterung aus. Ueberall bedeckt man unsere als Befreier wiederkehrenden, lange er sehnten Soldaten mit Blumen; sie sind Gegenstand begeisterter Kund gebungen. Der deutsche Weg nach Konstantinopel Eigener Drahtbericht (r.)Köln, 21. Oktober. Die «Köln. Ztg." meldet aus Sofia: Man ist der Ansicht, daß innerhalb dreier Wochen die Vereinigung der Deut schen mit den Bulgaren vollzogen sein wird. ES ist festgestellt, daß die Türkei Rohmaterial für Kriegszwecke für fünf Jahre besitzt. Zwei Transportdampfer in der Aegäis versenkt Drahtbericht vtb. Athen» 19. Oktober. DaS Blatt «EmbroS" meldet: Es verlautet gerüchtweise, daß zwei TrauSportdampfer mit Truppen der Alliierten von einem O-Boot versenkt worden seien. (Verspätet eingekroffen.) Der österreichische Tagesbericht ^tb. Wien, 21. Oktober. Amtlich wird verlautbart: Russischer Kriegsschauplatz Westlich und südwestlich von Czartorlssk wurde auch gestern den ganzen Tag über heftig gekämpft. Südöstlich von Kullkowice wehrten österreichisch-ungarische und deutsche Truppen starke russische Angriffe ab. In den gestrigen Kämpfen am Styr wurden 1300 Gefangene und drei Ma schinengewehre eingebracht. Bei Nowo Aleksiniee wurde heute früh ein Borstoß des Gegners vereitelt. Sonst nichts Neues. Italienischer Kriegsschauplatz An der ganzen Südwestfront sind KämpfegroßenStilS im Gange. InTirol brachen gestern zahlreiche starke Angriffe der Italiener an unseren festen Stellungen zusammen. So schlu gen unsere Truppen auf der Hochfläche von Bielgereuth in der vorvergangenen Nacht sechs Angriffe zurück und wiesen gestern tagsüber den anstürmenden Feind dreimal ab. Das gleiche Schicksal hatte dort ein heute nacht mit sehr starken Kräf ten geführter Angrift des Feindes. Auch in den Dolomlten sind neue italienische Angriffe amLoldlLana.amMonte Sies und bei der Grenzbrücke südlich Schluderbach abge wiesen worden. Der Feind, der sich in diesem Gebiete schon tagelang abmüht, konnte nirgends auch nur den geringsten Erfolg erzielen. Am Karnischen Kamm wurde westlich des Wo- layer-Sees ein Angriff italienischer Alpentruppen zurück geschlagen. Im Küstenla « de hat sich das feindliche Artille- riefeuer zu größter Heftigkeit gesteigert und hielt tagsüber gegen die ganze Ifonzo-Front an. Annäherungsversuche feind licher Infanterie und technischer Truppen scheiterten in unserem Infanterie- und Maschinengewehrfeuer. Südöstlicher Kriegsschauplatz Unsere Truppen rücktenln Zabac ein. Die Ebene der Macoaist vom Feinde gesäubert. Die Armee des Generals der Infanterie v. Köveß und die beiderseits der Morawa vorgehenden deutschen Slreitkrätl« dringen im engen Zusammenschluß immer tiefer in das serbische Gebiet vor. Von den österreichisch-ungarischen Truppen des Generals von Köveß rückte die westliche Kraflgruppe auf den Höhen der Kolu- bar a bis in daS Mündungsgeländ« der Turija vor, indessen die östliche südlich von Grocka unter Kämpfen die Ralja - Niederung überschritt Die Bulgaren gewannen zwischen Zas«car und Knsaze- vacdasTimok - Tal und näherten sich östlich von Pirotden Haupt werken auf Geschützertrag. Eine ihrer Armeen erkämpft« sich vor gestern mit den Vortruppe» den Austritt in das Becken von Kama- nowo und in dasWardar - Tal. De« stellvertretende Lhef des Generalstodes v. Aoefer, Feldmarschalleutnant. Noch eine türkische Frage Bon Dr. Wilhelm Blankenburg-Zeitz, Mitglied deS Preußischen Landtags Seltsame Kunde kam vor etwa einem halben Jahre aus dem heiligen Rußland. Der stellvertretende übersikoininandierende des Kaukasus-Militärbezirks verbot während der Dauer des Kriegs zustandes das Wcikererscheincn des zu Baku in tatarischer Sprache herausgcgebenen Blattes «Ikdam". Ebenso verfügte der Haupt kommandierende in Moskau die Schließung des tatarischen Blat tes «II" (Heimat) für die Dauer des außerordentlichen Schutzes in Moskau, weil daS Blatt «eine schädliche Richtung eingeschlagen habe". Diese wenigen, von der peinlich siebenden russischen Zensur durchgelassencn Nachrichten, denen später ähnliche folgten, be weisen auf das deutlichste, daß die sogenannte «tatarischeBe- wegung" ansängt, den moskowitischen Machthabern unbequem zu werden. Bor allem die Unterdrückung des «Ikdam" von Baku ist im Zusammenhang mit der militärpolitischen Lage in Russisch- Kaukasien symptomatisch zu bewerten, handelt es sich dl ch hier, wie schon die Namensgleichheit mit dem jungtürkischen Bruoerblatt in Konstantinopel durchblickcn läßt, um ein ausgesprochen türkisch nationales Organ. Daß so etwas überhaupt möglich geworden ist, ist eine Folge der j u n g t ü r k i s ch e n Revolution. Während Abdul Hamid einem religiös-panislamilischcn Ideal nachjagte und durch seine Sendboten Fäden bis nach China und Indonesien anknüpfte, welcher wahrhaft gigantische Plan allerdings mit dem Sturze des Mannes von Iildis-Kiosk zusammenbrach, erstrebten die Jung türken die Schaffung eines ausgesprochenen National gefühls, zunächst in osmanischer, dann in türkiscyer Färbung. In der absoluten Türkei würde man noch vor wenigen Jahrzehn ten den Gedanken, daß eS so etwas wie ein Baterland über haupt gäbe, für völlig absurd gehalten haben. Man kannte in dem von Nationen und Natiönchen erfüllten Groß-Sultanat bis 1908 jeweilig nur den Begriff «Heimat'. Aber gleich die ersten jungtürkischen Nevolutionstage ließen einen nationaltürkischen Dichter ans Licht kommen, dessen gutgemeintes, obzwar unbeholfe nes Drama «Baterland" wahre Stürme der Begeisterung unter dem, sonst meist nur an Schattenspiele gewöhnten bühncnnaiven Konstantinopeler «Publikum" heroorrief. Das «oSmanische" Staats- und Nationalgefühl war in voller Stärke auf einmal da, ein Faktor, mit dem von nun ab jeder Politiker im vorderen Orient rechnen muß. Das erscheint um so verwunderli ch als drr Name «Osmanli" eine dynastisch-politische Bezeichnung darstellt. So nannten sich die Gefolgsleute Osmans, der die Seldschuken-Dynaftie in der Herrschaft Kleinasiens ablöske, und die von ihnen unterworfenen und moslemisierten ehemaligen Galater, Lykier, Paphlagonier usw. Die national-türkische (turkestanische) Abkunft wurde früher schämig verheimlicht, vom anatolischen Bauer völlig vergessen, wie man sich auch noch zur Zelt des Bukarester Friedens in manchen jungtürkischen Krei sen vom politischen Namen «Osmanli" im Hinblick auf die verschiedenen Nationalitäten des Reiches als Einigungsfaktor mehr verspricht, als von der Betonung der turanischen Abkunft. Eine Selbsttäuschung, die sich auf die Dauer nicht durchführen ließ. Jetzt hat der Türkismus nach kaum sechsjähriger Propaganda fast auf der ganzen Linie über den Osmanismus gesiegt. Zu die ser Einsicht verhalf, nach Tekin Alps Darstellung, der bittere und doch wohltätige Amputationsfriede von Bukarest. «Mit einer wahrhaft bedeutenden Geste hat das türkische Bolk seinen Blick von den verlorenen Gebieten, von Saloniki, Ucsküb, Monastir, Janina, einstweilen abgewandt, um ihn auf Turan, das ideale Baterland der Zukunft, zu lenken." Am festesten hat der reintllrkische Nassen- und National gedanke, der «Türkismus", lange ehe man in der Türkei etwas von ihm ahnte, jenseits der osmanischen Grenzpfühle dort Wurzel geschlagen, wo man es am allerwenigsten erwarten sollte: unter den Mohammedanern Rußlands. Wohlgemerkt: anders als die Kalifatsidee Abdul Hamids unter den Senussi oder Afghanen, — diese war rein religiös bedingt — vielmehr rassen- mäßig-national, etwa wie der Panslawismus oder der sagenhafte «Pangermanismus'. Für den Bölkerpsychologen wird es immer besonders reizvoll sein zu sehen, wie reine Eroberungsvölker allmählich zahm werden gleich Löwen im Zoologischen Garten, sich sogar ohne Schwierig keit in die veränderte Lage finden. Daß die Nachkommen der Goldenen Horde, die Tataren Rußlands, sich unter kluger Ausnutzung der Talmi-Zugeständnisse der zarischen Scheinkonstitu tion zu einem der fortgeschrittensten Elemente des modernen Ruß lands haben entwickeln können, stellt der inneren Kraft und der Anpassungsfähigkeit dieser echten Türkenstämme das beste Zeug nis aus. Leicht gemacht wurde es ihnen wahrlich nicht von selten einer Regierung, die stets bestrebt war, ihr nationales und geisti ges Erwachen zu Hintertreiben, jede Erinnerung an die Vergangen heit auszurotten und ihre Nationalrcligion dem heiligen Synod auszuliefern — und das alles mit genau dem gegenteiligen Erfolg. Gegen den Popen mobilisierte man den mohammedanischen Reli gionseifer mit Koran und arabischer Kirchensprache, gegen den Beamten die sonst im Islam so seltene rastenmäßig-bewußte pan türkische Nakionalidee. Und das sonderbarste ganz im Gegen satz zu dem osmanischen Türken, der mit dem orientalischen Wesen auch die damit verbundene Neigung zu unpraktischem Spekulieren und Pläneschmieden angenommen hat, blieb der Tatar nüchtern mit beiden Beinen auf der Erde. Er begann die Regeneration des Tatarcntums mit ruhiger, zäher Kleinarbeit in Schule und Haus, in Presse und Bercinen, ohne sogleich das Gebiet der großen Politik zu betreten. Aber dadurch hat er es erreicht, daß daS neue System des modernen Unterrichts bis zur letzten Kirgisen-