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Nr. SIS. Neunter Jahrg. Erscheint: Täglich früh 7 Uhr. Inserate werden angenommen: bisAbends V,Sonn tags bis Mittags 1L Uhr: Marienflraße 18. Anzcig. in dies. Blatte, das jetzt in 1VM0 Exemplaren erscheint, finden eine ersolgreiche Verbreitung. Freitag, II.Rovbr. 1864. Monnerncut: Vierteljährlich 2üNe7>. bei unentgcldlicheri.L-> serung in's HauS. Durch die Königl. Pb": vierteljährlich 22 Ngr. Einzelne Nummern 1 Ngr. X Tageblatt für Unterhaltung und Mitredacteur: Theodor Drobisch. Inseratenpreise: Für den Raum eine» gespaltenen Zeile: t Ngr. Unter „Einge sandt" die Zeile L Ngr. Druck und Eigenthum der Herausgeber: Likpsch K Ukichardt. — Verantwortlicher Redacteur: Julius Neichüldt. Dresden, dm 11. November: — Se. Maj. der König hat dem hiesigen Instrumen tenmacher August Eschenbach das Prädikat eines Königlichen Hof-Instrumentenmachers verliehen. — Das Programm zum Festakte, welcher aus Anlaß des I OOjährigen Bestehens der königl. Akademie der bilden den Künste zu Dresden am 12. November 1864 abgehalten wird, ist folgmdes: 1) Ouvertüre von Julius Rietz; 2) Can tate, gedichtet von Julius Hübner, in Musik gesetzt von I. Rietz; 3- Festrede von Professor 0r. Hettner; 4) Verkündi gung der zu Ehrenmitgliedern der Akademie ernannten Künst ler durch den Vorsitzenden des akademischen Raths, Geh. Rath Kohlschütter; 5) Rede Sr. Excellenz des Staatsministers des Innern und der auswärtigen Angelegenheiten, Freiherrn v. Neust; 6) Schlußgesang, gedichtet von I. Hübner, in Musik gesetzt von I. Rietz. Die Ausführung des musikalischen Thei- les des Festaktes erfolgt unter Leitung des Herrn Hofkapell meisters vr. Rietz durch die königl. musikalische Kapelle und das Hoftheatersängerchor unter Mitwirkung der Drehßig'schen Singakademie und des Dresdner Chorgesangvereines. Die Soli werden von den Hofopernsängerinnen Frln Alvsleben und Baldamus und den Hofopernsängern Herren Degele und Eichberger vorgetragm werden. — Die Miethsteigerungen haben in unsrer Stadt eine Höhe erreicht, die den Uebermuth mancher Hausbesitzer ebenso genau kenntzeichnen, als wie sie die Geduld der Abmiether be kunden. Das Uebel hat darin Wurzel geschlagen, daß bei fast jedem Hausverkaufe der Besitzer die Versicherung giebt, der Miethzins sei daselbst zu niedrig und könne mit um so größerer Sicherheit erhöht werden: da die zeitherigen Abmiether fich auf eigene Kosten alles wohnlich eingerichtet und ihre Lo kalität nicht leicht aufgeben würden. Die meisten Käufe wer den aber nur in der Absicht abgeschlossen, die Schraube der Steigerung anzuwenden, um einen neuen Käufer anzulocken. Dieses Manöver der Hauswucherei, wie wir cs nennen möch ten, spinnt sich fort und fort, so daß der letzte Käufer gegen seinen Willen endlich zur Härte und Unbilligkeit hingedrängt wird, wenn er anders sein angelegtes Capital gedeckt sehen will. Was läßt sich dagegen thun? — Das Gesetz kann uns hier nicht schützen. Wir aber sollten als Abmiether bei der ersten unverhältnißmaßigen Steigerung darin eine gewisse Selbst- genugthuung finden, daß wir dergleichen Wohnungen ausgeben und andererseits sollte eine solche aufgegebene Wohnung un beachtet gelassen werden, damit der Steigerungsunsug nach und nach verschwinde. — Zur Feier des 25jährigen Bestehens der Dresdner Liedertafel hatte sich vorgestern der Saal des Lincke'schen Bades in ein besonders festliches Gewand gelegt. Rings an den Wänden erhoben sich 25 Obelisken, welche wie einzelne Tagebuchsblättcr die Geschichte der Dresdner Liedertafel ent hielten. Oben prangte in Goldschrift der jedesmalige Name des Liedermeisters, dann folgten in kurzen Schlagworten die im Vereinsleben denkwürdigen Daten, am Sockel stand die betreffende Jahreszahl. Im Hintergründe des Saales erhob sich eine Fest-Bühne, ihr gegenüber eine riesige Lyra, Büsten verschiedener Tonmeister und auch Schillers (zu Ehren seines Geburtstages) hoben sich anmuthig aus grünem Blätterschmuck heraus. An 10 Tafeln nahmen gegen §9 Uhr Wohl an 350 Personen Platz, unter ihnen viele auswärtige Sangesbrüder, um bei frohem Mahl — welches beiläufig gesagt, in Bezug auf's Essen, dem Wirthe Ehe machte, nur hörte man hier und da Klagen über den Wein — der Gründung der Lieder tafel vor 25 Jahren zu gedenken. Unter den zahlreichen Toasten — auf S. M. den König, die Gäste, welchen Herr Redacteur Siegel poetisch erwiederte, auf die Damen u. s. w. — die sich zumeist die Liedertafel und das deutsche Lied zum Thema nahmen, waren von besonderer Bedeutung der des unermüd lich in den Vorbereitungen für das nächstjährige deutsche Sängerfest thätigen Herrn Staatsanwalt Held. Nachdem der Redner die Frage aufgeworfen: Was soll dieser Festesjubel in so ernster Zeit? wies er auf die vereinigende Macht des deutschen Liedes hin und fuhr also fort: „Aus dem Mate rialismus der Zeit zu retten die Poesie — das ist der Zweck und die Aufgabe der deutschen Liedertafel; aber zu retten aus dem Kampfe der politischen Meinungen die Liebe, aus den Enttäuschungen die Hoffnung, zu heben die National- Jdee über Alles was ihr anklebt an Irdischem und Unvoll- kommnem, sie hinzustellen in poetischem Glanze, sie hinzustellen rein und lauter, Achtunggebietend im Auslande, Versöhnung wirkend auf die doch nur um ihre Gunst streitenden eignen Kinder, das, m. H, das ist der Sinn und die Aufgabe des deutschen Sängerbundes!" Ihm galt des Redners begeistert aufgenommencs Hoch. Im weiteren Verlauf der Tafel zostte Herr Actuar Schwertfeger in längerer begeisterter Rede als jjüngst aufgenommener Liedertäflrr den vier Senioren derselben Herren Schuldirektor Jäckel, Oberlehrer Naumann, Kaufmann Eduard Barteldes und Musikdirektor Julius Otto wärmste Anerkennung. Nicht minderen Anklang fand rin schwung voller Toast des Herrn Hofrath Ackermann, den wir nach stenographischer Niederschrift wörtlich hier wiedergeben wollen: Wenn Lied auf Lied an uns vorüberziehen, Bald traulich kosend, bald wie Sturm und Wind, In jedem Herzen Töne wieder glühen, Dann fraglich: ob mir Alle Sänger sind? Ist einer hier in diesem weiten .greise, Ter mir gebracht hat einen Ton heraus; Den auch noch nie gerührt des Sanges Weise — Ter arme Mann — der gehe still nach Haus! (Bravo!) Ist aber deiner, Keiner auszusinden, Ter nie gesungen, wär's auch nur als Kind, Dann laßt mich laut es im Triumph verkünden, Daß wir ja Alle, Alle Sänger sind! (Bravo!) Tu singst nicht, sagt ich, (Hab s ja selbst erfahren), So bist als Gast willkommen Tu in diesem Meis, Tein nach den ersten 25 Jahren In höchsten Ehren schon erblüht das Reis. Wenn irgendwo, hier, wo nur Meister singen, Wenn irgendwann, bei diesem Jubelfest — Hör' ich das Lied des Lebens wieder klingen, DaS von der Wiege an mich nicht verläßt. Im Elternhaus — wir waren tolle Jungen. weit Flint' und Säbeln zog'n wir IN den Wald; , Ta haben wir nach unserer Art gesungen Wenn s um uns auch von allen Zweigen schall!'. Dann kam die Jugend! Wie Tu wonnetrunken. Von Ihr gehört, daß Sie aus ewig Dein, Ta bist Du still vor Ihr aus's Knie gesunken, Und alle Engel sangen Amen! drein. Am eignen Heerd, ganz in der Abendstunde Die Alutier ihren» Kind das Bettchen macht. Ein Schlummerlied erklingt aus ihren» Munde Und Mutterliebe flüstert: Gute Nacht! Das Volk, das Lieder fingt, singt Gott zum situhme, Es weiß, daß Ihm allein gebührt der Tank! Und dankend blickt's im stillen Heiligthume Zum Himmel auf mit frohem Lobgesang. O gläubig Herz! Wenn Zweifel Dir geworden, Unglaube seine Neye um Dich webt: Zur Kirche geh'! In des Gesangs Accorden Tönt es Dir zu: Ein Gott im Himincl lebt! Und iviedcr draußen in dem stürni'schcn Leben, Im Kampf um das geliebte Vaterland, Ward zu dem Schwert die Leier uns gegeben — Den» Schwert und Leier führt die deutsche Hand. Vom Sturme lernt das deutsche Lied das Sausen, Das, thut cs noth, die Waldung niedermäht, Vom Sturme lernt das deutsche Lied das Brausen, Dem aus die Dau'r kein Felsen widersteht. (Großer Beifall!) Du trautes Lied, Tu stammst aus deutschem Herzen, Tu wurdest groß bei uns am deutschen Heerd, Und deutsche Lust »nd wieder deutsche Schmerzen, Eie haben wechselnd Dich, o Lied! genährt. Und was getrennt des Haders hesl'ge Flammen, Und was Germania sucht und doch vermißt, Bald sührt das Lied die Söhne Dir zusammen, Und zeigt, daß ihre Mutter einig ist. (Beifall!) Wenn dann im Reich die Rose» wieder blühen, Wenn überwunden ist des Winters Macht, Wenn Freudcnseuer an der Elbe glühen, Dem Vaterland ein neuer Morgen lacht: Tann bist Tu Lied tief ein in uns gedrungen, AuS allen Gau'n es fröhlich wieder klingt, Das sich das Lied ein Vaterland ersungen Und daß ivir Alle, Alle Sänger sind! (Bravo!) Was Du befiy'st, sollst Du der Kunst auch geben, Du singst nicht, doch Tu hast Tein Lied erdacht, So bist Du Sänger und läß'st jubelnd leben: DaS hohe Lied, das Deutschland einig macht! (Großer Applaus.) Das Fest erreichte seinen Höhepunkt, als Herr Direktor Jäckel dem um den Männergesang hochverdienten Herrn Mu sikdirektor vr. Langer aus Leipzig einen Lorbeerkranz aussetzte unter gleichzeitiger Ernennung desselben zum Ehrenmitglied der Dresdner Liedertafel, sowie bei Ueberreichung mehrerer Votiftafeln vom hiesigen Orpheus, vom Dresdner Allgemeinen Männergesangverein, von auswärtigen Körperschaften, welche aus diese Weise am Jubelfeste Antheil nahmen. Zahlreiche Depeschen aus Wien, von den ehemaligen Liedermeistern Fer dinand Hiller, von Müller von der Werra, Beglückwün schungsschreiben u. a. vom deutschen Sängerfest aus Stutt gart hoben das Fest durch das Gefühl der Gemeinsamkeit welches die deutschen Sangesgenossen verbindet. Nachdem noch Herr Staatsanwalt Held in humoristischer Weise die günstigen Vorbedeutungen aufgezählt hatte, welche dem deut schen Sängerbünde »min» et nomin». seinen, ergötzte Herr Advokat Leonhardt aus Freiberg die Versammlung durch mehrere höchst gelungene Vorträge, wie auch die vier Gebrüder Nenner und Herr Ellmcndorf die Hei terkeit durch ihren Humor zu steigern wußten. Daß Quar tetten und andere Gesänge nicht fehlten, bedarf wohl nicht erst der Erwähnung — erst in früher Morgenstunde trennten sich die Festtheilnehmer. Noch sei erwähnt, daß das Ta lent des Tafelmeisters der Liedertafel, Herrn Kaufmann Bar teldes im Arrangiren gemüthreicher Feste allgemeinste Aner kennung fand. — Wir wollen nicht unterlassen die Leser diese- Blattes auf eine neue Schwindlerin aufmerksam zu machen, die erst seit einigen Tagen hier aufgetaucht zu sein scheint, und trotzdem auch schon mehrere Geschäfts- und Privatleute ganz anständig betrogen hat. Sie bietet Wiener Putzpulver zum Verkauf an, die kleinen Quantitäten, die man ihr abge nommen, bestehen in ganz guter Waare, die größeren aber, die sie in Füßchen verpackt abläßt, in —Lehm oder gewöhn licher Erde. — Eine Schillerfeier haben heute die Sänger des Turn vereins im Saale des Linckeschen Bades veranstaltet, wobei Herr Hofschauspieler Koberstein eine Schiller'sche Dichtung vortragen wird. Durch einen willkommenen Zufall verleiht die Saal-Decoration voin gestrigen Stiftungsfeste der Dresd ner Liedertafel auch dem heutigen Fest den verdienten Glanz. — Es ist in den letzten Wochen hier wiederholt der Fall vorgekommen, daß kleine Schulmädchen wenn sie nach Schluß der Nachmittagsschule im Begriff standen, in die elter liche Wohnung zurückzukehren, auf der Straße von einer un bekannten Frau angesprochen, und unter dem unwahren Vor gehen, daß sie ihnen ihre Lhrringelchen, weil sie aufgegangen, wieder befestigen wolle, in ein Haus hineingelockt und dort um die Ohrringe bestohlen wurden. Wie uns mitgetheilt wird, ist es der Behörde vorgestern endlich gelungen, diese industriöse Frauensperson bei einem ganz gleichen Diebstahls- Versuche und zwar auf frischer That zu ertappen. Sie soll eine Lackierers Ehefrau von hier sein und auf der Louisen straße wohnen. Mit ihrer Verhaftung werden nunmehr hoffent lich die oben beschriebenen Diebereien gegen kleine Schulmäd chen ihre Endschaft erreicht haben. — Die Reparaturen an den Brückenpfeilern ist seit eini gen Tagen bis Abends 10 Uhr ausgedehnt worden. Mehrerd große Gasfackeln, die aus hinunter geleiteten Röhren ent strömen, dienen hierbei als Beleuchtung. — Der vom Bezirksgericht Budissin wegen Ermordung seines Schwagers zum Tode verurtheilte, vor Kurzem aber vom k. Oberappellationsgericht freigesprochene und deshalb so fort in Freiheit gesetzte Handarbeiter Schmidt aus Niedergurig bei Bautzen, scheint die ihm wieder eingeräumte Freiheit nicht zu würdigen gewußt zu haben. Denn, wie man hört, soll derselbe in diesen Tagen schon wieder und zwar wegen Rau bes verhaftet und an das k. Gerichtsamt Neusalza cingeliefert worden sein, den er gegen einen Handarbeiter in Obercune- walde bei Bautzen verübt hat. — — 4 Oeffentliche Gerichtsverhandlung vom 10 November 1864. Wiederum fungiren heute zwei Angeklagte, zwei Webergesellen, der Bedrohung und Widersetzlichkeit be schuldigt. Auch Diebstahl ist Grund zur Anklage. Die beiden Angeklagten sind schon oft bestrafte Individuen, aus deren Augen nichts Gutes herausleuchtet. Schon ihre Stimmen sind barsch und bekunden, daß sie gerade nicht sehr furchtsam sind. Sie führten ein reines Vagabondenlebcn, bald hier, bald dort finden wir sie thätig, thcils einzeln, theils in Ge meinschaft. Der erste heißt Carl August Schräder, ist evan gelischer Confession, 21 Jahre alt, außer der Ehe geboren von einer Näherin. Er betrieb nach seiner Confirmation Handarbeit und Weberei. Sein College heißt Carl Heinrich Franz. Dieser ist der Minderbetheiligte, 24 Jahr alt, eben falls evangelisch, zu Lengcfeld geboren, der Sohn eines noch lebenden Webers. Ihre Sache ist kurz folgende: am 10. Juli 1863 kam Schräder in eine Mühle und bettelte. Die Mül lerin gab ihm ein Paar Stückchen Brod. Das war ihm zu wenig, er wollte Geld haben. In seiner Begleitung befanden sich die Wcbergesellen Fischbach und Damm aus Auerbach. Das Ganze geschah in der Hammermühle im Hüttengrund. Die Frau war allein zu Hause. Da sie ihm kein Geld gab, trieb er sie mit dem Stocke im Hause hin unter Drohen und Schimpfen. Als der Müllerbursche Gottlob Friedrich Brcier ihm sagte, er möge nur seiner Wege gehen, da schlug er ihn mit dem Stocke über den Kopf. Am 31. März 1864 traf der Gcnsdarm Hilbert den Schräder in Ncusalza in einem Wirthshause. Es saßen mehrere Handwerksburschcn darin, Schräder saß allein an einen, Tische und Hilbert fragte ihn nach dem Arbeitsbuche. „Ich bin Hamann aus Dresden!" Aber der Gcnsdarm war schon von seiner Behörde informirt, daß einem gewissen Hamann das Arbeitsbuch gestohlen wor den sei. Auf Vorhalten, daß er arretirt werden müsse, wenn er seinen Namen nicht nenne, antwortetetc er mit einem der ben Schlag auf die Brust des Gendarmen. Er leugnet das und sagt, er wisse es überhaupt nicht mehr, da er betrunken gewesen, ja er sagt sogar: „Aber ein Bischen betrunken war der Gcnsdarm auch, das muß er selber sagen!" Dagegen verwahrt sich der Beamte, meint aber auch, daß Schräder nicht so stark betrunken gewesen sei; denn als er arretirt war, tadelte er in der Gesängnißzellc das schaale Wasser. Als Schräder sich im Wirthshause so widersetzte, konnte er