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Wöchentli» erschein«» drei Nummern. Pränumeration«-Preis 22 Sitbergr. (s Thlr.) vierteljähriich, Z Wr. für das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Pränumerationen werten von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Veit u. Comp., Jägerstraße Nr. 25), so wie von allen Königl. Post-Aemtem, angenommen. Literatur des Auslandes. SS Berlin, Donnerstag den 8- Mai I84S. Frankreich. Die Mordanfälle auf den ersten Konsul. Nach Thiers. Die beiden Anschläge, welche gegen Ende des Jahres 1800 auf das Leben des ersten Konsuls versucht wurden, erhalten durch ThierS' Darstellung ein neues Licht. Um sie richtig zu begreifen, muß man den Stand der Parteien in jener Zeit kennen. Wir folgen der Schilderung, welche Thiers im sechsten Buche von ihnen entwirft, und schalten, wo eS nöthig scheint, Ergänzungen aus den vorhergehenden Büchern ein. Jede Partei scheidet sich in zwei Hälften: eine größere, aufrichtige, welche sich versöhnen läßt, wenn die Wünsche des Landes ausgeführt werden, und eine bei weitem kleinere, unbeugsame, unruhige, welche durch die Erfüllung jener Wünsche nicht nur nicht befriedigt, sondern in Verzweiflung gesetzt wird, weil sie nun ihrer Vorwände beraubt ist. Mit Ausnahme dieser geringeren Hälfte hatten sich alle Parteien binnen kurzer Zeit beruhigt und erklärten sich entweder offen für den ersten Konstil oder verhielten sich doch still unter feiner Regierung, wenn ihre Sache mit der seinigen unvereinbar war, wie z. B. die Royalisten. Die eraltirten Revolutionaire hatten im November 1798, namentlich im südlichen Frankreich, neue Versuche gemacht und unter Anderem beschlossen, in Toulouse wieder eine Art von Direktorium cinzusetzen; aber die Erscheinung des Generals Lannes zu Toulouse genügte, um die Ruhe vollkommen hcrzu- stcllen, denn die öffentliche Meinung war für die Konsuln. Bonaparte hatte sich durch die Heftigkeit seines Charakters verleiten lassen, achtunddreißig jener Revolutionsmänner zur Deportation und achtzehn zur Hast in La Rochelle zu verurtheilen, doch bewogen ihn die Bcmübungen des Justiz-Ministers Cam- bacöreS und die sichtliche Beruhigung des ganzen Landes, jene Berurtheilung in eine bloße polizeiliche Aufsicht zu verwandeln, und auch diese konnte bald aufgehoben werden. Es war in der That von der revolutionaire» Partei wenig zu befürchten, doch bewahrte Bonaparte gerade gegen sic ein großes Mißtrauen, dessen Folgen wir bald werden kennen lernen. Die royalistische Partei bestand zumeist aus den Bewohnern der Vend<-e und aus den Emigranten, welche beide von England mit Rath und That unterstützt wurden. Es hatte sich bei vielen derselben die Meinung festgesetzt, der General Bonaparte könne sein Glück nicht dem Wechsel der Revolution anvertrauen wollen und werde mithin geneigt scyn, die alte KönigSsamilie wieder einzusetzen, um unter ihrem Schutze sich einer ehrenvollen und einfluß reichen Stellung mit Sicherheit zu erfreuen. Die Herren Hyde von Neuville und von Andigne übernahmen cs, ihn auSzuforschen, ob er wirklich beab sichtige, sich zu der Nolle eines Monk herzugeben. Sie ersuchten ihn um eine Audienz und trugen ihm ihre Ansichten vor; er erklärte ihnen aber frei heraus, daß seine Absichten dahin gingen, zwar die Verfolgungen abzuschneiden und die Parteien zu versöhnen, aber um jeden Preis die Sache der Revolution in ihrem besten Sinne aufrecht zu erhalten. Hyde von Neuville kehrte nach Lon don, Andigne in die Vendee zurück, Beide von ihrer Täuschung geheilt unv überzeugt, daß man einen solchen Mann nicht besiegen könne. Der Erfolg dieser Unterredung zeigte sich alsbald in der Dendüe. Bonaparte hatte be schlossen, den für das Land eben so schädlichen als entehrenden Bürgerkrieg rasch und nachdrücklich zu beendigen. Er hatte deshalb den General Brune aus den Niederlanden gerufen, ihm den verständigen und versöhnlichen Hedou- ville, der schon seit längerer Zeit mit den Anführern der Nendöcr in Unter handlungen stand, zur Seite gegeben und das Heer auf etwa 60,000 Mann verstärkt. Eine Proclamation der Konsuln bot auf der einen Seite für die Unterwerfung vollständige Verzeihung und Amnestie, drohte auf der anderen den hartnäckigen Empörern mit der bereitstehendcn überlegenen Macht des an den Gränzen versammelten Heeres. Die Royalisten der Vend«e selbst waren getheilter Meinung. Die Städte neigten auf die Seite der Revolution, die Bewohner des platten Landes waren zwar königlich gesinnt, aber, namentlich auf dem linken Ufer der Loire oder in der alten Vendöe, vom langen Kriege erschöpft und durch die bisherigen Verfügungen der Konsuln bereits günstiger für dieselben gestimmt. Einen zäheren Widerstand konnte man in der Bretagne und der Normandie erwarten, wohin sich die ChouanS geflüchtet hatten, d. h. die Leute, welche, durch die Jnsurrection ans Räuberleben gewöhnt, nicht so bald davon zurückkommen konnten. Auch waren gerade hier die unversöhn lichsten Anführer, de Frott« in der Unter-Normandie und Georges Cadoudal im Morbihan. Die von England bezahlten Emigranten, welche nur kamen und gingen, ohne die Noth des Landes mittragen zu müssen, wollten ebenfalls nichts von Unterwerfung hören. Die Antwort Andignü's war nun zwar frei lich nicht den unteren Klassen des Volkes bekannt worden, doch mußte sie die Hoffnungen der Anführer selbst bedeutend herabstimmen, und deshalb liehen sic den Sühnversuchcn Bernier'S um so lieber ein geneigtes Ohr. Der Abbe Bernier war Pfarrer zu Saint-Laud in der alten Vendee und stand wegen seiner Einsicht und seines natürlichen Geschicks bei den Anführern in großem Ansehen. Er beurthciltc die Sache aus dem richtigen Gesichtspunkte und übernahm im Interesse seines Vaterlandes das Geschäft eines Vermittlers zwischen Hcdouville und den Insurgenten. Binnen kurzer Zeit war es ihm gelungen, die gcsammte alte Vendee zur Unterwerfung unter die Konsular- Rcgierung zu bewegen. Bonaparte erkannte übrigens das seltene Talent des Mannes, zog ihn nach Paris und brauchte ihn später zu seinen Unterhand lungen mit dem Papste. Der Widerstand der übrigen Royalisten wurde bald gebrochen; de Frotte wurde gefangen, von einem Kriegsgerichte verurtheilt und erschossen, ehe der Gegenbefehl dcS ersten Konsuls anlangtc. Gegen Ende Februar 1800 war der Aufstaus vollkommen beendigt, nnd es blieben nur die Räuberbanden auf den großen Heerstraßen übrig, welche allmälig unterdrückt wurden. Bonaparte wußte aber sehr wohl, daß mit der Auslieferung der Waffen noch bei weitem nicht Alles gethan sey, sondern daß man die Führer selbst gewinnen und ihren unternehmenden Geist auf eine andere Bahn der Ehre lenken müsse. War ja jetzt allen Franzosen eine rühm - und gefahrvolle Laufbahn mit noch unabsehbaren Fernen in den Reihen der siegreichen Heere geöffnet; eS kam darauf an, auch die Royalisten in dieselbe Bewegung zu ziehen. Er ließ also die bedeutendsten derselben nach Paris laden und empfing sic auf die freundlichste Weile. Er gewann de Bourmont, d'Antichamp und selbst de Chätillon. Der Letztere kehrte nach seiner Heimat zurück, verheiratete sich und wurde der gewöhnliche und stets angehörtc Vermittler seiner Mit bürger, wenn sie dem ersten Konsul eine Beschwerde oder eine Bitte vorzu- tragen hatten. Mit welchem Vertrauen er den Abbe Bernier ehrte, haben wir oben erwähnt. Durch Ruhm, Güte und Wohlthätigkeit beendigt man die Revolutionen. Nur Georges widerstand der großen Persönlichkeit des ersten Konsuls und seinen Anerbietungen. Als er nach den Tuilerieen geführt wurde, überkam den Adjutanten, der ihn dem General Bonaparte vorstcllen sollte, bei seinem Anblicke eine solche Furcht, daß er niemals die Thür des KabinetS schließen wollte und alle Augenblicke zurückkehrte, um mit einem verstohlenen Blicke zu sehen, was sich zutrüge. Die Unterhaltung dauerte lange Zeit. Der General Bonaparte sprach vergeblich von Vaterland und Ruhm. Georges reiste darauf mit Hyde de Neuville nach England. Während er seinem Reisegefährten die Unterredung erzählte, rief er mehreremal, indem er ihm seine starken Arme zeigte: „Welchen Fehler habe ich begangen, daß ich diesen Menschen nicht in meinen Armen erstickt habe!" So weit waren die Sachen im Februar 1800 gediehen. Wir kehren zu der Schilderung zurück, welche Thiers von dem Stande der Parteien im Oktober desselben Jahres entwirft. Zuerst die gemäßigten Patrioten. Sie hatten sich vor zehn Jahren mit Begeisterung der Revolution angcschloffen, waren bald erschreckt vor dem blutigen Schaffote zurückgewichen, und gegen wärtig der Ansicht Naum gebend, daß sie sich fast in allen Dingen geirrt hätte», glaubten sie endlich unter der Konsular-Regierung dasjenige gefunden zu haben, was sich überhaupt von ihren Wünschen ausführen ließe. Die Ab schaffung der Feudalherrschaft, die bürgerliche Gleichheit, eine gewisse Theil- nahme des Landes an der Führung seiner eigenen Angelegenheiten, nicht viel Freiheit, viel Ordnung, der wachsende Ruhm Frankreichs: das war nun wohl Alles hinter ihren ursprünglichen Wünschen ziemlich zurückgeblieben, ge nügte jedoch gegenwärtig in ihren Augen und schien ihnen wenigstens sicher begründet. Die eifrigeren Anhänger der Revolution, welche ihr aus lieber- zeugung und Neigung ergeben waren, ohne sich durch thätigc Theilnahme an ihren blutigen Uebergriffcn befleckt zu haben, wußten es dem ersten Konsul Dank, daß er den Bourbons entgegen war und ihre Rückkehr unmöglich machte. Die Käufer von Nationalgütern erschraken zwar zuweilen über seine Nachsicht gegen die Emigranten, zweifelten aber doch nicht an seiner Absicht, die Unverletzlichkeit des neuen Besitzes aufrecht zu erhalten, und hielten fest an ihm, weil sein Degen allein sie vor der einzigen Gefahr sicherte, welche sie ernstlich fürchteten, vor der Rückkehr der Bourbons und der Emigranten mit Hülfe der Waffen Europa'S. Der furchtsame und gutmüthige Theil der royalistischen Partei aber, welcher vor Allem danach geschmachtet hatte, von der Angst vor dem Schaffote,