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Amtsblatt für die königlichen und städtischen Behörden zu Freiberg und Braud. Berantworüicha Redakteur: Iuliu- Brau« i» Freiberg. — 41. Jahrgang. - > .. — im W. z-»>. IM». Einladung ?nm Abonnement. Indem wir das geehrte Publikum Freibergs sowie der näheren und weiteren Umgebung zum Abonnement auf unser jetzt seinen 41. Jahrgang angetretenes Organ: „Areiöerger Anzeiger und Tageblatt nebst Sonntagsbeilage" dro 3. Quartal 1888 höflichst einzuladen uns erlauben, bitten wir die geehrten Abonnenten, besonders die auswärtigen, ihre Bestellungen auf da- Blatt rechtzeitig machen zu wollen, damit eine Unterbrechung resp. verspätete Lieferung vermieden wird. — Nach wie vor werden wir bemüht sein, den Inhalt unserer Zeitung möglichst mannigfaltig, gediegen und interessant zu gestalten. Außer der Besprechung wichtiger Fragen in Leitartikeln finden die politischen Ereignisse des In- und Auslandes in gedrängter Kürze und Uebersichtlichkeit die ihnen gebührende Erwähnung; ebenso die Reichstags- und Landtagsverhandlungen. Bei wichtigeren Vorkommnissen geben wir sofort Kunde durch telegraphische Depeschen. Bei den Nachrichten aus dem Königreich Sachsen sollen hauptsächlich die Ortschaften des Landgerichts- und amtshauptmannschastlichen Bezirk- Freiberg, sowie insbesondere die des Erzgebirges Berücksichtigung finden. Regelmäßig erscheinen auch die Schwurgerichts- und sonstigen Ver handlungen beim Landgericht Freiberg. Der vierteljährliche Abonnementspreis beträgt 2 Mark 25 Pfg. Inserate, pro gespaltene Zeile 15 Pfennige, finden bei der großen Auflage des Blattes die weiteste und zweckentsprechendste Verbreitung. Bestellungen nehmen sämmtliche kaiserliche Postanstalten, sowie die bekannten Ausgabestellen entgegen. Die Redaktion und Expedition des „Freiberger Anzeiger nnd Tageblatt" . Die Worte des Kaisers. Die Thronrede, mit welcher Kaiser Wilhelm 11. am Montag den deutschen Reichstag in Anwesenheit fast aller deutscher Bundesfürsten eröffnete, hat durch ihren bei aller Kraft und Entschiedenheit des Tones klar hervortretenden friedlichen Charakter sowohl in Deutschland wie im Aus lande einen tiefen und günstigen Eindruck erzielt. Die ganze Feierlichkeit erwies sich als ein geschichtlich denkwürdiger Vorgang, bei dem die selbstbewußte Kraft sowie die feste Eintracht der deutschen Fürsten und des deutschen Volkes lebhaft in die Erscheinung traten. Was die weithin schallende erste Ansprache des jugendlichen Kaisers an die Vertretung des deutschen Volkes gleichzeitig aller Welt verkündete, das haben die Bundcsfürsten durch ihre Gegen wart feierlich bekräftigt und wird nun als der Gesammtwille der deutschen Regierungen gelten müssen. Zwei Punkte traten dabei besonders hervor, das Beharren bei der Politik, durch welche Kaiser Wilhelm 1. das Reich begründete und befestigte und die Bekundung der Absicht, den Frieden wahren zu wollen. In Bezug auf die innere Politik be kräftigte der Kaiser seinen festen Anschluß an die von seinem Großvater mit der Botschaft vom 17. November 1881 ein geleiteten Sozialreformen durch den Ausdruck der Hoffnung, daß es auf diesem Wege gelingen werde, der Ausgleichung ungesunder gesellschaftlicher Gegensätze näher zu kommen. Einen tieferen Eindruck machte es noch, als der Kaiser seine Friedenspolitik ankündigte und mit erhobener Stimme den Zusatz machte: so viel an mir liegt. Der Beifall, welcher in besonderer Stärke hierbei laut wurde, bekundete die Empfindungen, welche die Worte in der Versammlung geweckt hatten. Die starke Betonung der Fortdauer der Friedensbündnisse mit Oesterreich und Italien, die sorgfältige Pflege der Beziehungen zu Rußland fanden ebenfalls den lebhaften Beifall der Abgeordneten, der sich verstärkte und sekundenlang anhielt, als der Kaiser geendet hatte. Mit großer Befriedigung ist auch im ganzen Reiche die Ver sicherung des neuen Reichs-Oberhauptes ausgenommen worden, die in ihren Grundzügen durchaus volksthümliche Reichsverfassung nach allen Richtungen hin wahren, die Rechte der Einzelstaaten und ihrer Landesherren beschützen und schirmen zu wollen. Die Kundgebung des Entschlusses, mit Festigkeit allen die staatliche Ordnung bedrohenden Be strebungen entgegen treten zu wollen, ist gewiß ebenfalls im Sinne der größten Mehrheit des deutschen Volkes. Damit ist noch keineswegs gefaßt, daß die bisher zu diesem Zweck angewandten Mittel immer unverändert bleiben sollen, was sich nach der letzten Reichstags-Abstimmung über die Verlängerung des Sozialistengesetzes kaum an nehmen läßt. So scharf Kaiser Wilhelm II. die friedliche Aufgabe des deutschen Reiches betonte, so entschieden legte er aber auch die Nothwendigkeit dar, an der militärischen Sicherheit des Vaterlandes ernsthaft fortzuarbeitcn und das zwar nur zur Abwehr bestimmte Heer schlagfertig zu erhalten, um das wahren und festigen zu können, was früher mühsam er stritten worden ist. An die Versicherung des Kaisers, so viel an ihm liege, Frieden Mit Jedermann halten zu wollen, schloß sich ununttelbar der Hinweis auf das deutsche Heer, welches in der Stärke, die der Reichstag ihm gegeben, nöthigenfalls den von anderer Seite etwa gebrochenen Frieden wieder erkämpfen würde, und auf des Kaisers persönliche Stellung zur Armee. Das Bündnißvcrhältniß zu Oester reich-Ungarn hob derselbe, indem er es als ein „Vermächtniß der deutschen Geschichte" und als einen Bestandtheil des „herkömmlichen europäischen Völkerrechts" bezeichnete, in seiner Bedeutung noch über ein internationales Abkommen hinaus. Hinsichtlich der geschichtlichen Beziehungen und der nationalen Bedürfnisse wurde das Bundesverhältniß zu Italien auf die gleiche Linie gestellt. Dies war besonders wichtig, weil dort neuerdings Bestrebungen bemerkbar wur den, Zweifel an der Bundestreue Deutschlands im Interesse Frankreichs hervorzurufen. Von Rußland ist in einem anderen Tone die Rede, aber auch hier werden die „persön liche Freundschaft" und die „seit hundert Jahren bestehenden friedlichen Beziehungen" hervorgehoben. Diese Aeußerung soll durch ein sehr herzliches Schreiben des Zaren veranlaßt worden sein, welches dem Kaiser Wilhelm II. die freund schaftlichste Sympathie des russischen Kaisers zusicherte. Die bedeutende Kurssteigerung der russischen Papiere, welche sich in den letzten Tagen an der Berliner Börse vollzog, bewies deutlich, daß dieselbe von jetzt ab erst recht eine Pflege der freundlichen Beziehungen zu Rußland erwartet. Die meisten russischen Blätter, u. A. „Nowo;e Wremja" und „Graschdanin", äußern sich sehr zustimmend zu der auf richtig friedlichen Rede Kaiser Wilhelms. Die „Nowoje Wremja" sagt, der Wunsch des Kaisers, mit Rußland gute Beziehungen zu unterhalten, könne zu sehr günstigen Er gebnissen für Rußland führen, ohne daß dieses die Unab hängigkeit seiner eigenen Politil zu beeinträchtigen brauche. Der von dem neuen Kaiser in Aussicht gestellte „Frieden mit Jedermann" schließt naturgemäß auch Frank reich ein. Wenn die Thronrede den französischen Freistaat bei der Aufzählung aller größeren Nachbarstaaten Deutsch lands unerwähnt läßt, liegt die Deutung nahe, daß die dritte Republik in Frankreich uns völlig gleichgiltig ist. Ihre kaum zu erlangende Freundschaft dünkt der deutschen Reichsregierung keines hohen Opfers Werth; ihre mehr oder minder offen zur Schau getragene feindselige Gesinnung läßt das seiner Kraft und Friedensliebe bewußte deutsche Reich vollständig kalt. Wie zu erwarten war, sind die Pariser Blätter deshalb von der deutschen Thronrede nicht sehr erbaut. Die „Döbats" vermissen „jene freisinnigen Tendenzen menschlicher Gefühle und edlen Strebungen Friedrichs III.", die so beruhigend wirkten. Der „Figaro" findet es auffällig, daß von Frankreich kein Wort gesagt wird. „Not ä'orclro" meint: die Rede ändere nichts an der allgemeinen Lage, verschlimmere sie aber auch nicht. „Rappel" schreibt: „Die friedlichen Worte können uns nicht vergessen machen, daß es immer noch Händel mit Deutsch land giebt. Man weiß es dort stets so zu drehen, daß man den, den man angreifen will, als angreifenden Theil darstellt." Dem „Gaülois" scheint für den Frieden auf einige Zeit Raum geschaffen zu sein, da der Reichskanzler dm Gipfel seines Ansehens und Einflusses erreichte. „Paix" betrachtet dre Rede ÄS dm Triumph deS Reichskanzler- auf dem Gebiet des Innern wie des Auswärtigen mit einer stark pietistischen Färbung. Die Enttäuschung über die Nichterwähnung Englands in der Thronrede des Kaiser- Wilhelm spricht auch aus allen sonst sympathischen Kommentaren der leitenden englischen Blätter, doch erkennen dieselben des Kaisers aufrichtige Sprache besonders an. Daß die öster reichischen, ungarischen und italienischen Blätter sich sämmtlich, ebenso wie alle deutschen Zeitungen über die Thronrede lobmd aussprechm, versteht sich von selbst. Fromm und friedlich, demuthsvoll und doch entschlossen hat Kaiser Wilhelm II. zum deutschen Volk gesprochen, bei dem seine Worte jubelnden Wiederhall finden; hoffentlich wirkm dieselben auch auf ganz Europa beruhigend und bestärken die Welt in dem Ver trauen zur deutschen Friedenspolitik. Tagesschau. Freiberg, dm 27. Juni. Der deutsche Kaiser verbrachte gestern dir ersten Morgen stunden mit Erledigung von Regterungsangrlegenheitrn in seinem Arbeitszimmer. Mittags 12 Uhr fand im Psellersaale de- Königlichen Schlosses die feierliche Vereidigung der aktiven StaatSminister statt, woran sich dann so fort eine StaatSmtntstertal-Sitzung anschloß, in welcher der Kaiser den Vorsitz führte. Nachdem dieselbe geschlossen, empfing der Kaiser einige Generale und andere höhere Militärs zur Abstattung persönlicher Meldungen und arbeitete hierauf noch einige Zeit mit dem KriegSmintster. — Der gestrigen Reichstags-Sitzung wohnte der Reichs kanzler Fürst BiSmarck mit zahlreichen BundesrathSmitglteder» bei. Der Präsident theilte mit, daß er von der serbischen Nationalversammlung, wie von vielen anderen Seiten Beileids schreiben erhalten habe, für die er den Dank des Reichstage ausgesprochen habe. Er verlas hierauf folgendm Adreßentwurf: Allerdurchlauchttgster Großmächtigster Kaiser und König, Ällergnädigster Kaiser, König und Herr! In bitterem Schmerz trauert mit Eurer Kaiserlichen und Königlichen Majestät der Deutsche Reichstag um den Heimgang Sr. Majestät des Kaisers Friedrich. Des Deutsche Volk lebte der Zuversicht, daß in seiner Hand das Werk, welche- Se. Majestät der unvergeßliche Kaiser Wilhelm begründet hat, sicher bewahrt, daß unter seiner weisen Leitung Deutschland- Wohl in friedlicher Arbeit zu herrlicher Entwickelung geführt werden würde. Gott hat eS anders beschlossen. Nach einer Regierung von wenigen Monaten mußten wir unserm geliebte» Kaiserlichen Herrn tn's Grab finken sehen. Die schönen Hoff nungen, welche auf ihn gestellt waren, sind dahin, aber sein Andenken wird in den Herzen de- Deutschen Volkes fortlebm, das leuchtende Vorbild, welche» er durch hingebende Pflicht treue in schwerer Zeit, durch Heldenmuth im Handeln und im Dulden gegeben hat, wird nimmermehr vergessen werden, wird noch auf kommende Geschlechter eine mächtige Wirkung üben. Mit hoher Freude und innigem Dank haben wir au- Eurer Majestät Munde vernommen, daß Allerhöchstdteselben entschlossen sind, die Wege zu wandeln, auf welchen seine in